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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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und jene waren mir bald widrig, bald angenehm.
Im Umgang war ich eckel. Zwar bemühete ich mich,
freundlich mit allen Menschen zu thun. Aber zu be-
ständigen Gespannen stuhnden mir die wenigsten an;
sie mußten von einer ganz eigenen Art seyn, die ich,
wenn ich ein Mahler wäre, eher zeichnen, als mit
Worten beschreiben könnte. Hie und da gerieth
ich auch an ein Mädchen; aber da stuhnd mir
keine an wie mein Aenchen. Nur eines gewissen
Cäthchens und Marichens erinnr' ich mich noch
mit Vergnügen, obschon unsre Bekanntschaft nur eine
kleine Zeit währte. Wenn ein Weibsbild, sonst noch
so hübsch, da stuhnd oder saß wie ein Stück Fleisch
-- mir auf halbem Weg entgegen kam, oder mich
gar noch an Frechheit übertreffen wollte, so hatte
sie's schon bey mir verdorben; und wenn ich dann
auch etwa in der Vertraulichkeit mit ihr ein Bißchen
zu weit gieng, war's gewiß das erste und letzte Mal.
Nie hab' ich mir auf meine Bildung und Gesicht viel
zu gut gethan, obschon ich bey den artigen Närrchen
sehr wohl gelitten war, und einiche aus ihnen gar
die Schwachheit hatten mir zu sagen, ich sey einer
der hübschesten Buben. Wenn gleich meine Kleidung
nur aus drey Stücken bestuhnd -- einer Lederkappe,
einem schmutzigen Hembd, und ein Paar Zwilchho-
sen -- so schämte sich doch auch das niedlichst geputzte
Mädchen nicht, ganze Stunden mit mir zu schäckern.
In Geheim war ich denn freylich stolz auf solche Er-
oberungen, ohne recht zu wissen warum? Andremal
nagte mir, wie gesagt, wirklich die Liebe ein Weil-

und jene waren mir bald widrig, bald angenehm.
Im Umgang war ich eckel. Zwar bemuͤhete ich mich,
freundlich mit allen Menſchen zu thun. Aber zu be-
ſtaͤndigen Geſpannen ſtuhnden mir die wenigſten an;
ſie mußten von einer ganz eigenen Art ſeyn, die ich,
wenn ich ein Mahler waͤre, eher zeichnen, als mit
Worten beſchreiben koͤnnte. Hie und da gerieth
ich auch an ein Maͤdchen; aber da ſtuhnd mir
keine an wie mein Aenchen. Nur eines gewiſſen
Caͤthchens und Marichens erinnr’ ich mich noch
mit Vergnuͤgen, obſchon unſre Bekanntſchaft nur eine
kleine Zeit waͤhrte. Wenn ein Weibsbild, ſonſt noch
ſo huͤbſch, da ſtuhnd oder ſaß wie ein Stuͤck Fleiſch
— mir auf halbem Weg entgegen kam, oder mich
gar noch an Frechheit uͤbertreffen wollte, ſo hatte
ſie’s ſchon bey mir verdorben; und wenn ich dann
auch etwa in der Vertraulichkeit mit ihr ein Bißchen
zu weit gieng, war’s gewiß das erſte und letzte Mal.
Nie hab’ ich mir auf meine Bildung und Geſicht viel
zu gut gethan, obſchon ich bey den artigen Naͤrrchen
ſehr wohl gelitten war, und einiche aus ihnen gar
die Schwachheit hatten mir zu ſagen, ich ſey einer
der huͤbſcheſten Buben. Wenn gleich meine Kleidung
nur aus drey Stuͤcken beſtuhnd — einer Lederkappe,
einem ſchmutzigen Hembd, und ein Paar Zwilchho-
ſen — ſo ſchaͤmte ſich doch auch das niedlichſt geputzte
Maͤdchen nicht, ganze Stunden mit mir zu ſchaͤckern.
In Geheim war ich denn freylich ſtolz auf ſolche Er-
oberungen, ohne recht zu wiſſen warum? Andremal
nagte mir, wie geſagt, wirklich die Liebe ein Weil-

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[239/0255] und jene waren mir bald widrig, bald angenehm. Im Umgang war ich eckel. Zwar bemuͤhete ich mich, freundlich mit allen Menſchen zu thun. Aber zu be- ſtaͤndigen Geſpannen ſtuhnden mir die wenigſten an; ſie mußten von einer ganz eigenen Art ſeyn, die ich, wenn ich ein Mahler waͤre, eher zeichnen, als mit Worten beſchreiben koͤnnte. Hie und da gerieth ich auch an ein Maͤdchen; aber da ſtuhnd mir keine an wie mein Aenchen. Nur eines gewiſſen Caͤthchens und Marichens erinnr’ ich mich noch mit Vergnuͤgen, obſchon unſre Bekanntſchaft nur eine kleine Zeit waͤhrte. Wenn ein Weibsbild, ſonſt noch ſo huͤbſch, da ſtuhnd oder ſaß wie ein Stuͤck Fleiſch — mir auf halbem Weg entgegen kam, oder mich gar noch an Frechheit uͤbertreffen wollte, ſo hatte ſie’s ſchon bey mir verdorben; und wenn ich dann auch etwa in der Vertraulichkeit mit ihr ein Bißchen zu weit gieng, war’s gewiß das erſte und letzte Mal. Nie hab’ ich mir auf meine Bildung und Geſicht viel zu gut gethan, obſchon ich bey den artigen Naͤrrchen ſehr wohl gelitten war, und einiche aus ihnen gar die Schwachheit hatten mir zu ſagen, ich ſey einer der huͤbſcheſten Buben. Wenn gleich meine Kleidung nur aus drey Stuͤcken beſtuhnd — einer Lederkappe, einem ſchmutzigen Hembd, und ein Paar Zwilchho- ſen — ſo ſchaͤmte ſich doch auch das niedlichſt geputzte Maͤdchen nicht, ganze Stunden mit mir zu ſchaͤckern. In Geheim war ich denn freylich ſtolz auf ſolche Er- oberungen, ohne recht zu wiſſen warum? Andremal nagte mir, wie geſagt, wirklich die Liebe ein Weil-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/255>, abgerufen am 22.11.2024.