Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

hab' ich abermals keinen weiblichen Finger berührt.
Was meine Desertion betrift, so machte mir mein
Gewissen darüber nie die mindesten Vorwürfe. Ge-
zwungner Eyd, ist Gott leid! dacht' ich; und die Ce-
remonie, die ich da mitmachte, wähnt' ich wenigstens,
könne kaum ein Schwören heissen. -- Nach meiner
Rückkehr ins Vaterland ergriff ich wieder meine vo-
rige Lebensart. Auch Buhlschaften spannen sich bald
von neuem an. Meine herzliebe Anne war freylich
verplempert; aber es fanden sich in kurzem andere
Mädels mehr als eines, denen ich zu behagen schien.
Mein Aeusseres hatte sich ziemlich verschönert. Ich
gieng nicht mehr so läppisch daher, sondern hübsch
gerade. Die Uniform die mein ganzes Vermögen war,
und eine schöne Frisur, die ich recht gut zu machen
wußte, gaben meiner Bildung ein Ansehn, daß dürf-
tige Dirnen wenigstens die Augen aufsperrten. Be-
mittelte Jungfern dann -- Ja, o bewahre! -- die
warfen freylich auf einen armen ausgerißnen Soldat
keinen Blick. Die Mütter würden ihnen fein aus-
gemistet haben. Und doch wenn ich's nur ein wenig
pfiffiger und politischer angefangen, hätt' es mir mit
einer ziemlich reichen Rosina geglückt, wie ich nach-
werts zu späth erfuhr. Inzwischen erhob selbst die-
ser mißlungene Versuch meinen Muth und meine
Einbildung nicht um ein geringes -- und der geschos-
sene Bock wäre mir nicht um tausend Gulden feil
gewesen. Ich sah darum von erwähnter Zeit an alle
meine bisherigen Liebschaften so ziemlich über die
Achsel an, und warf den Bengel höher auf. Aber

hab’ ich abermals keinen weiblichen Finger beruͤhrt.
Was meine Deſertion betrift, ſo machte mir mein
Gewiſſen daruͤber nie die mindeſten Vorwuͤrfe. Ge-
zwungner Eyd, iſt Gott leid! dacht’ ich; und die Ce-
remonie, die ich da mitmachte, waͤhnt’ ich wenigſtens,
koͤnne kaum ein Schwoͤren heiſſen. — Nach meiner
Ruͤckkehr ins Vaterland ergriff ich wieder meine vo-
rige Lebensart. Auch Buhlſchaften ſpannen ſich bald
von neuem an. Meine herzliebe Anne war freylich
verplempert; aber es fanden ſich in kurzem andere
Maͤdels mehr als eines, denen ich zu behagen ſchien.
Mein Aeuſſeres hatte ſich ziemlich verſchoͤnert. Ich
gieng nicht mehr ſo laͤppiſch daher, ſondern huͤbſch
gerade. Die Uniform die mein ganzes Vermoͤgen war,
und eine ſchoͤne Friſur, die ich recht gut zu machen
wußte, gaben meiner Bildung ein Anſehn, daß duͤrf-
tige Dirnen wenigſtens die Augen aufſperrten. Be-
mittelte Jungfern dann — Ja, o bewahre! — die
warfen freylich auf einen armen ausgerißnen Soldat
keinen Blick. Die Muͤtter wuͤrden ihnen fein aus-
gemiſtet haben. Und doch wenn ich’s nur ein wenig
pfiffiger und politiſcher angefangen, haͤtt’ es mir mit
einer ziemlich reichen Roſina gegluͤckt, wie ich nach-
werts zu ſpaͤth erfuhr. Inzwiſchen erhob ſelbſt die-
ſer mißlungene Verſuch meinen Muth und meine
Einbildung nicht um ein geringes — und der geſchoſ-
ſene Bock waͤre mir nicht um tauſend Gulden feil
geweſen. Ich ſah darum von erwaͤhnter Zeit an alle
meine bisherigen Liebſchaften ſo ziemlich uͤber die
Achſel an, und warf den Bengel hoͤher auf. Aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0258" n="242"/>
hab&#x2019; ich abermals keinen weiblichen Finger beru&#x0364;hrt.<lb/>
Was meine De&#x017F;ertion betrift, &#x017F;o machte mir mein<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en daru&#x0364;ber nie die minde&#x017F;ten Vorwu&#x0364;rfe. Ge-<lb/>
zwungner Eyd, i&#x017F;t Gott leid! dacht&#x2019; ich; und die Ce-<lb/>
remonie, die ich da mitmachte, wa&#x0364;hnt&#x2019; ich wenig&#x017F;tens,<lb/>
ko&#x0364;nne kaum ein Schwo&#x0364;ren hei&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Nach meiner<lb/>
Ru&#x0364;ckkehr ins Vaterland ergriff ich wieder meine vo-<lb/>
rige Lebensart. Auch Buhl&#x017F;chaften &#x017F;pannen &#x017F;ich bald<lb/>
von neuem an. Meine herzliebe <hi rendition="#fr">Anne</hi> war freylich<lb/>
verplempert; aber es fanden &#x017F;ich in kurzem andere<lb/>
Ma&#x0364;dels mehr als eines, denen ich zu behagen &#x017F;chien.<lb/>
Mein Aeu&#x017F;&#x017F;eres hatte &#x017F;ich ziemlich ver&#x017F;cho&#x0364;nert. Ich<lb/>
gieng nicht mehr &#x017F;o la&#x0364;ppi&#x017F;ch daher, &#x017F;ondern hu&#x0364;b&#x017F;ch<lb/>
gerade. Die Uniform die mein ganzes Vermo&#x0364;gen war,<lb/>
und eine &#x017F;cho&#x0364;ne Fri&#x017F;ur, die ich recht gut zu machen<lb/>
wußte, gaben meiner Bildung ein An&#x017F;ehn, daß du&#x0364;rf-<lb/>
tige Dirnen wenig&#x017F;tens die Augen auf&#x017F;perrten. Be-<lb/>
mittelte Jungfern dann &#x2014; Ja, o bewahre! &#x2014; die<lb/>
warfen freylich auf einen armen ausgerißnen Soldat<lb/>
keinen Blick. Die Mu&#x0364;tter wu&#x0364;rden ihnen fein aus-<lb/>
gemi&#x017F;tet haben. Und doch wenn ich&#x2019;s nur ein wenig<lb/>
pfiffiger und politi&#x017F;cher angefangen, ha&#x0364;tt&#x2019; es mir mit<lb/>
einer ziemlich reichen <hi rendition="#fr">Ro&#x017F;ina</hi> geglu&#x0364;ckt, wie ich nach-<lb/>
werts zu &#x017F;pa&#x0364;th erfuhr. Inzwi&#x017F;chen erhob &#x017F;elb&#x017F;t die-<lb/>
&#x017F;er mißlungene Ver&#x017F;uch meinen Muth und meine<lb/>
Einbildung nicht um ein geringes &#x2014; und der ge&#x017F;cho&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ene Bock wa&#x0364;re mir nicht um tau&#x017F;end Gulden feil<lb/>
gewe&#x017F;en. Ich &#x017F;ah darum von erwa&#x0364;hnter Zeit an alle<lb/>
meine bisherigen Lieb&#x017F;chaften &#x017F;o ziemlich u&#x0364;ber die<lb/>
Ach&#x017F;el an, und warf den Bengel ho&#x0364;her auf. Aber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0258] hab’ ich abermals keinen weiblichen Finger beruͤhrt. Was meine Deſertion betrift, ſo machte mir mein Gewiſſen daruͤber nie die mindeſten Vorwuͤrfe. Ge- zwungner Eyd, iſt Gott leid! dacht’ ich; und die Ce- remonie, die ich da mitmachte, waͤhnt’ ich wenigſtens, koͤnne kaum ein Schwoͤren heiſſen. — Nach meiner Ruͤckkehr ins Vaterland ergriff ich wieder meine vo- rige Lebensart. Auch Buhlſchaften ſpannen ſich bald von neuem an. Meine herzliebe Anne war freylich verplempert; aber es fanden ſich in kurzem andere Maͤdels mehr als eines, denen ich zu behagen ſchien. Mein Aeuſſeres hatte ſich ziemlich verſchoͤnert. Ich gieng nicht mehr ſo laͤppiſch daher, ſondern huͤbſch gerade. Die Uniform die mein ganzes Vermoͤgen war, und eine ſchoͤne Friſur, die ich recht gut zu machen wußte, gaben meiner Bildung ein Anſehn, daß duͤrf- tige Dirnen wenigſtens die Augen aufſperrten. Be- mittelte Jungfern dann — Ja, o bewahre! — die warfen freylich auf einen armen ausgerißnen Soldat keinen Blick. Die Muͤtter wuͤrden ihnen fein aus- gemiſtet haben. Und doch wenn ich’s nur ein wenig pfiffiger und politiſcher angefangen, haͤtt’ es mir mit einer ziemlich reichen Roſina gegluͤckt, wie ich nach- werts zu ſpaͤth erfuhr. Inzwiſchen erhob ſelbſt die- ſer mißlungene Verſuch meinen Muth und meine Einbildung nicht um ein geringes — und der geſchoſ- ſene Bock waͤre mir nicht um tauſend Gulden feil geweſen. Ich ſah darum von erwaͤhnter Zeit an alle meine bisherigen Liebſchaften ſo ziemlich uͤber die Achſel an, und warf den Bengel hoͤher auf. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/258
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/258>, abgerufen am 24.11.2024.