Bätbeele war ihr Lehrer (seinem Bruder sagte man Schweerbeele), ein grosser langer Mann, der sich nur vom Kuderspinnen und etwas Allmosen nährte. In Scheftenau war fast in jedem Haus eins, das ihm anhieng. Meine Großmutter nahm mich oft mit zu diesen Zusammenkünften. Was eigentlich da verhandelt wurde, weiß ich nicht mehr; nur so viel, daß mir dabey die Weil verzweifelt lang war. Ich mußte mäuslinstill sitzen, oder gar knieen. Dann gab's unaufhörliche Ermahnungen und Bestrafungen von den Baasen allen, die ich so wenig verstuhnd als eine Katze. Dann und wann aber stahl mich mein Großvater zum voraus weg, und mußt' ich mit ihm in den Berg, wo unsre Kühe waideten. Da zeigte er mir allerley Vögel, Käfer und Würmchen, die- weil er die Matten säuberte, oder junge Tännchen, den wilden Seevi, u. s. f. ausraufte. Wenn er dann alles an einen Haufen warf, und's bey einbre- chendem Abend anzündete, da war's mir erst recht gekocht. Anderer Buben, die etwa dabey seyn moch- ten, erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber etli- cher halberwachsener Meidlinen, die mit mir spiel- ten. Ich gieng damals in mein sechstes Jahr; hatte schon zwey Brüder und eine Schwesier, von de- nen es hieß, daß eine alte Frau sie in einer Butte gebracht.
Baͤtbeele war ihr Lehrer (ſeinem Bruder ſagte man Schweerbeele), ein groſſer langer Mann, der ſich nur vom Kuderſpinnen und etwas Allmoſen naͤhrte. In Scheftenau war faſt in jedem Haus eins, das ihm anhieng. Meine Großmutter nahm mich oft mit zu dieſen Zuſammenkuͤnften. Was eigentlich da verhandelt wurde, weiß ich nicht mehr; nur ſo viel, daß mir dabey die Weil verzweifelt lang war. Ich mußte maͤuslinſtill ſitzen, oder gar knieen. Dann gab’s unaufhoͤrliche Ermahnungen und Beſtrafungen von den Baaſen allen, die ich ſo wenig verſtuhnd als eine Katze. Dann und wann aber ſtahl mich mein Großvater zum voraus weg, und mußt’ ich mit ihm in den Berg, wo unſre Kuͤhe waideten. Da zeigte er mir allerley Voͤgel, Kaͤfer und Wuͤrmchen, die- weil er die Matten ſaͤuberte, oder junge Taͤnnchen, den wilden Seevi, u. ſ. f. ausraufte. Wenn er dann alles an einen Haufen warf, und’s bey einbre- chendem Abend anzuͤndete, da war’s mir erſt recht gekocht. Anderer Buben, die etwa dabey ſeyn moch- ten, erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber etli- cher halberwachſener Meidlinen, die mit mir ſpiel- ten. Ich gieng damals in mein ſechstes Jahr; hatte ſchon zwey Bruͤder und eine Schweſier, von de- nen es hieß, daß eine alte Frau ſie in einer Butte gebracht.
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Baͤtbeele war ihr Lehrer (ſeinem Bruder ſagte man
Schweerbeele), ein groſſer langer Mann, der ſich
nur vom Kuderſpinnen und etwas Allmoſen naͤhrte.
In Scheftenau war faſt in jedem Haus eins, das
ihm anhieng. Meine Großmutter nahm mich oft
mit zu dieſen Zuſammenkuͤnften. Was eigentlich da
verhandelt wurde, weiß ich nicht mehr; nur ſo viel,
daß mir dabey die Weil verzweifelt lang war. Ich
mußte maͤuslinſtill ſitzen, oder gar knieen. Dann
gab’s unaufhoͤrliche Ermahnungen und Beſtrafungen
von den Baaſen allen, die ich ſo wenig verſtuhnd als
eine Katze. Dann und wann aber ſtahl mich mein
Großvater zum voraus weg, und mußt’ ich mit ihm
in den Berg, wo unſre Kuͤhe waideten. Da zeigte
er mir allerley Voͤgel, Kaͤfer und Wuͤrmchen, die-
weil er die Matten ſaͤuberte, oder junge Taͤnnchen,
den wilden Seevi, u. ſ. f. ausraufte. Wenn er
dann alles an einen Haufen warf, und’s bey einbre-
chendem Abend anzuͤndete, da war’s mir erſt recht
gekocht. Anderer Buben, die etwa dabey ſeyn moch-
ten, erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber etli-
cher halberwachſener Meidlinen, die mit mir ſpiel-
ten. Ich gieng damals in mein ſechstes Jahr; hatte
ſchon zwey Bruͤder und eine Schweſier, von de-
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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