und Virgini sprechen; ein andermal überhaupt von einer Flucht, vom Auszug aus Babel, von den Rei- sekosten u. dgl. Da spitzt ich dann die Ohren wie ein Haas. Einmal, erinnr' ich mich, fiel mir wirk- lich ein gedrucktes Blatt in die Hände, das einer von ihnen auf dem Tisch liegen ließ, und welches Nachrichten von jenen Gegenden enthielt. Das las' ich wohl hundertmal; mein Herz hüpfte mir im Leib bey dem Gedanken an dieß herrliche Canaan, wie ich mir's vorstellte. Ach! wenn wir nur alle schon da wären, dacht' ich dann. Aber die guten Männer, denk' ich, wußten eben so wenig als ich, weder Steg noch Weg; und wahrscheinlich noch minder, wo das Geld herzunehmen. Also blieb das schöne Abentheur stecken, und entschlief nach und nach von selbst. In- dessen las ich immer fleißig in der Bibel; doch noch mehr in meinem Pater, und andern Büchern; un- ter anderm in dem sogenannten Pantli Karrer, und dann in dem weltlichen Liederbuch, dessen Titel mir entfallen ist. Sonst vergaß ich, was ich gelesen, nicht so bald. Allein mein unruhiges Wesen nahm dabey sichtbarlich zu, so sehr ich mich auf mancher- ley Weise zu zerstreuen suchte; und, was das Schlimm- ste war, so hat ich das Herz nie, dem Pfarrer, oder auch nur dem Vater hievon das Mindeste zu offen- baren.
und Virgini ſprechen; ein andermal uͤberhaupt von einer Flucht, vom Auszug aus Babel, von den Rei- ſekoſten u. dgl. Da ſpitzt ich dann die Ohren wie ein Haas. Einmal, erinnr’ ich mich, fiel mir wirk- lich ein gedrucktes Blatt in die Haͤnde, das einer von ihnen auf dem Tiſch liegen ließ, und welches Nachrichten von jenen Gegenden enthielt. Das laſ’ ich wohl hundertmal; mein Herz huͤpfte mir im Leib bey dem Gedanken an dieß herrliche Canaan, wie ich mir’s vorſtellte. Ach! wenn wir nur alle ſchon da waͤren, dacht’ ich dann. Aber die guten Maͤnner, denk’ ich, wußten eben ſo wenig als ich, weder Steg noch Weg; und wahrſcheinlich noch minder, wo das Geld herzunehmen. Alſo blieb das ſchoͤne Abentheur ſtecken, und entſchlief nach und nach von ſelbſt. In- deſſen laſ ich immer fleißig in der Bibel; doch noch mehr in meinem Pater, und andern Buͤchern; un- ter anderm in dem ſogenannten Pantli Karrer, und dann in dem weltlichen Liederbuch, deſſen Titel mir entfallen iſt. Sonſt vergaß ich, was ich geleſen, nicht ſo bald. Allein mein unruhiges Weſen nahm dabey ſichtbarlich zu, ſo ſehr ich mich auf mancher- ley Weiſe zu zerſtreuen ſuchte; und, was das Schlimm- ſte war, ſo hat ich das Herz nie, dem Pfarrer, oder auch nur dem Vater hievon das Mindeſte zu offen- baren.
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[45/0061]
und Virgini ſprechen; ein andermal uͤberhaupt von
einer Flucht, vom Auszug aus Babel, von den Rei-
ſekoſten u. dgl. Da ſpitzt ich dann die Ohren wie
ein Haas. Einmal, erinnr’ ich mich, fiel mir wirk-
lich ein gedrucktes Blatt in die Haͤnde, das einer
von ihnen auf dem Tiſch liegen ließ, und welches
Nachrichten von jenen Gegenden enthielt. Das laſ’
ich wohl hundertmal; mein Herz huͤpfte mir im Leib
bey dem Gedanken an dieß herrliche Canaan, wie
ich mir’s vorſtellte. Ach! wenn wir nur alle ſchon
da waͤren, dacht’ ich dann. Aber die guten Maͤnner,
denk’ ich, wußten eben ſo wenig als ich, weder Steg
noch Weg; und wahrſcheinlich noch minder, wo das
Geld herzunehmen. Alſo blieb das ſchoͤne Abentheur
ſtecken, und entſchlief nach und nach von ſelbſt. In-
deſſen laſ ich immer fleißig in der Bibel; doch noch
mehr in meinem Pater, und andern Buͤchern; un-
ter anderm in dem ſogenannten Pantli Karrer,
und dann in dem weltlichen Liederbuch, deſſen Titel
mir entfallen iſt. Sonſt vergaß ich, was ich geleſen,
nicht ſo bald. Allein mein unruhiges Weſen nahm
dabey ſichtbarlich zu, ſo ſehr ich mich auf mancher-
ley Weiſe zu zerſtreuen ſuchte; und, was das Schlimm-
ſte war, ſo hat ich das Herz nie, dem Pfarrer, oder
auch nur dem Vater hievon das Mindeſte zu offen-
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/61>, abgerufen am 24.11.2024.
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