Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.zu gefallen, führt' ich diese Ursel (so hieß sie) ein Am nächsten Huheijatag, wo Aennchen auch zu gefallen, fuͤhrt’ ich dieſe Urſel (ſo hieß ſie) ein Am naͤchſten Huheijatag, wo Aennchen auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0090" n="74"/> zu gefallen, fuͤhrt’ ich dieſe <hi rendition="#fr">Urſel</hi> (ſo hieß ſie) ein<lb/> Paarmal zum Wein. Mein <hi rendition="#fr">Uli</hi> machte gar viel<lb/> Ruͤhmens von dieſem Eſaugeſicht, das er, nach ſei-<lb/> ner eignen Sag’, ſchon vor zehn Jahren careßirt<lb/> haͤtte. Daß ich eben wenig Reitzendes an ihr ent-<lb/> deckte, verſteht ſich ſchon. Eine Stunde bey ihr<lb/> duͤnkte mich eine halbe Nacht, ſo gut’ ſie mir immer<lb/> begegnete — ja, je beſſer, deſto ſchlimmer fuͤr mich.<lb/> Uebrigens trug ſie eine ordentliche Bauerntracht. Aber<lb/> mit <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> vergliechen, war’s halt wie Tag und<lb/> Nacht. Als mich daher letztre eines Tags an der<lb/> Straß auffieng, ſprach ſie mit bitterm Spott: „Pfui,<lb/> „<hi rendition="#fr">Uli!</hi> So ein Haargeſicht, ſo eine Iltishaut, ſo<lb/> „ein Tanzbaͤr! Mir ſollt’ keiner mehr auf einen<lb/> „Buͤchſenſchuß nahe kommen, der ſich an einer ſol-<lb/> „chen Dreckpatſche beſchmiert haͤtte! — Uhi! wie<lb/> „ſtinkſt„! Das gieng mir durch Mark und Bein.<lb/> Ich fuͤhlte, daß <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> Recht hatte; aber den-<lb/> noch verdroß es mich. Ich verbiß indeſſen meinen<lb/> Unmuth, ſchlug ein erzwungenes Gelaͤchter auf, und<lb/> ſagte: „Gut, gut, <hi rendition="#fr">Aennchen!</hi> Aber naͤchſtens will<lb/> „ich dir alles erklaͤren„! und damit giengen wir<lb/> von einander. — Es waͤhrte kaum 24. Stunden, ſo<lb/> gab ich meiner grauen <hi rendition="#fr">Urſel</hi> foͤrmlichen Abſchied:<lb/> Sie ſah mir wehmuͤthig nach und rief immer hinten<lb/> drein: „Iſt denn nichts mehr zu machen? — Bin<lb/> „ich dir zu alt, oder nicht huͤbſch gnug? — Nur auch<lb/> „noch Einmal„, u. dgl. Aber ein Wort, ein Mann.</p><lb/> <p>Am naͤchſten Huheijatag, wo <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> auch<lb/> gegenwaͤrtig war, ſah ſie, daß ich allein trank. Sie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0090]
zu gefallen, fuͤhrt’ ich dieſe Urſel (ſo hieß ſie) ein
Paarmal zum Wein. Mein Uli machte gar viel
Ruͤhmens von dieſem Eſaugeſicht, das er, nach ſei-
ner eignen Sag’, ſchon vor zehn Jahren careßirt
haͤtte. Daß ich eben wenig Reitzendes an ihr ent-
deckte, verſteht ſich ſchon. Eine Stunde bey ihr
duͤnkte mich eine halbe Nacht, ſo gut’ ſie mir immer
begegnete — ja, je beſſer, deſto ſchlimmer fuͤr mich.
Uebrigens trug ſie eine ordentliche Bauerntracht. Aber
mit Aennchen vergliechen, war’s halt wie Tag und
Nacht. Als mich daher letztre eines Tags an der
Straß auffieng, ſprach ſie mit bitterm Spott: „Pfui,
„Uli! So ein Haargeſicht, ſo eine Iltishaut, ſo
„ein Tanzbaͤr! Mir ſollt’ keiner mehr auf einen
„Buͤchſenſchuß nahe kommen, der ſich an einer ſol-
„chen Dreckpatſche beſchmiert haͤtte! — Uhi! wie
„ſtinkſt„! Das gieng mir durch Mark und Bein.
Ich fuͤhlte, daß Aennchen Recht hatte; aber den-
noch verdroß es mich. Ich verbiß indeſſen meinen
Unmuth, ſchlug ein erzwungenes Gelaͤchter auf, und
ſagte: „Gut, gut, Aennchen! Aber naͤchſtens will
„ich dir alles erklaͤren„! und damit giengen wir
von einander. — Es waͤhrte kaum 24. Stunden, ſo
gab ich meiner grauen Urſel foͤrmlichen Abſchied:
Sie ſah mir wehmuͤthig nach und rief immer hinten
drein: „Iſt denn nichts mehr zu machen? — Bin
„ich dir zu alt, oder nicht huͤbſch gnug? — Nur auch
„noch Einmal„, u. dgl. Aber ein Wort, ein Mann.
Am naͤchſten Huheijatag, wo Aennchen auch
gegenwaͤrtig war, ſah ſie, daß ich allein trank. Sie
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