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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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dieser Deckel mit eben der Kraft hinauswärts gedrückt, welche in
B auf den Kolben wirkt, und wenn nicht entweder eine eigne Kraft
diese Deckel festhält, oder die Reibung, welche sie an dem Rande
der Oeffnung leiden, groß genug ist, so werden sie wirklich fortge-
stoßen werden, und dem Wasser den Ausfluß gestatten. So wie
hier die Deckel einen Druck leiden, so findet eben dies auch für alle
andere Theile der Wände des Gefäßes statt, und es ist wohl zu
übersehen, daß jeder einzelne Quadratzoll der innern Oberfläche
einen gleichen Druck leidet. Daraus entsteht die anscheinend auf-
fallende Folgerung, daß eine Kraft von einem Pfunde, auf den einen
Quadratzoll A drückend, eine Kraft von 100 Pfunden auf die sämmt-
lichen Wände ausübt, wenn diese 100 Quadratzolle betragen; aber
diese Folgerung ist gleichwohl eine nothwendige, und verliert ihr pa-
radoxes Ansehen, wenn man sie mit andern verwandten Betrach-
tungen in Vergleichung setzt. Es scheint im ersten Augenblicke
ebenso auffallend, daß ein am Hebel gehaltenes Gewicht von einem
einzigen Pfunde mich nöthigen kann, 200 Pfund Kraft aufzuwen-
den, wenn ich es mit dem Daumen erhalten will, während es an
einem Hebel wirkt, der auf dem Zeigefinger ruht; und doch ist es
wahr, daß mein Daumen 100 Pfund Kraft nöthig hat, um das
Gewicht von 1 Pfunde zu erhalten, wenn das letztere hundertmal
so entfernt, als der drückende Daumen, von der Unterlage ange-
bracht ist, und daß mein Zeigefinger dann 101 Pfund zu tragen
hat, obgleich die Last nur ein Pfund beträgt. Dieses Beispiel hat
auch in so fern Aehnlichkeit mit unserm hier zu betrachtenden Falle,
weil die Kraft = 100 Pfund am Hebel nur um Zoll fortge-
rückt wird, wenn die Last von einem Pfunde einen ganzen Zoll
fortrückt; denn ebenso würden hier die Wände nur ein Hunderttel
Zoll auszuweichen nöthig haben, um der auf dem Kolben wirkenden
Kraft ein Fortrücken von einem ganzen Zoll zu gestatten, wenn die
Oberfläche des Gefäßes hundertmal so groß, als die Grundfläche
des drückenden Kolbens wäre. Da, wo die Wände kein solches Aus-
weichen oder Nachgeben gestatten, sehen wir oft diese unerwartete
Wirkung eines geringen Druckes. Ein Beispiel davon giebt die
Erfahrung, daß man mit einem sehr unbedeutenden Schlage auf
den Stöpsel einer ganz mit Wasser gefüllten Flasche, diese zerspren-
gen kann; -- dieser geringe Druck, den der Stöpsel, indem er den

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dieſer Deckel mit eben der Kraft hinauswaͤrts gedruͤckt, welche in
B auf den Kolben wirkt, und wenn nicht entweder eine eigne Kraft
dieſe Deckel feſthaͤlt, oder die Reibung, welche ſie an dem Rande
der Oeffnung leiden, groß genug iſt, ſo werden ſie wirklich fortge-
ſtoßen werden, und dem Waſſer den Ausfluß geſtatten. So wie
hier die Deckel einen Druck leiden, ſo findet eben dies auch fuͤr alle
andere Theile der Waͤnde des Gefaͤßes ſtatt, und es iſt wohl zu
uͤberſehen, daß jeder einzelne Quadratzoll der innern Oberflaͤche
einen gleichen Druck leidet. Daraus entſteht die anſcheinend auf-
fallende Folgerung, daß eine Kraft von einem Pfunde, auf den einen
Quadratzoll A druͤckend, eine Kraft von 100 Pfunden auf die ſaͤmmt-
lichen Waͤnde ausuͤbt, wenn dieſe 100 Quadratzolle betragen; aber
dieſe Folgerung iſt gleichwohl eine nothwendige, und verliert ihr pa-
radoxes Anſehen, wenn man ſie mit andern verwandten Betrach-
tungen in Vergleichung ſetzt. Es ſcheint im erſten Augenblicke
ebenſo auffallend, daß ein am Hebel gehaltenes Gewicht von einem
einzigen Pfunde mich noͤthigen kann, 200 Pfund Kraft aufzuwen-
den, wenn ich es mit dem Daumen erhalten will, waͤhrend es an
einem Hebel wirkt, der auf dem Zeigefinger ruht; und doch iſt es
wahr, daß mein Daumen 100 Pfund Kraft noͤthig hat, um das
Gewicht von 1 Pfunde zu erhalten, wenn das letztere hundertmal
ſo entfernt, als der druͤckende Daumen, von der Unterlage ange-
bracht iſt, und daß mein Zeigefinger dann 101 Pfund zu tragen
hat, obgleich die Laſt nur ein Pfund betraͤgt. Dieſes Beiſpiel hat
auch in ſo fern Aehnlichkeit mit unſerm hier zu betrachtenden Falle,
weil die Kraft = 100 Pfund am Hebel nur um Zoll fortge-
ruͤckt wird, wenn die Laſt von einem Pfunde einen ganzen Zoll
fortruͤckt; denn ebenſo wuͤrden hier die Waͤnde nur ein Hunderttel
Zoll auszuweichen noͤthig haben, um der auf dem Kolben wirkenden
Kraft ein Fortruͤcken von einem ganzen Zoll zu geſtatten, wenn die
Oberflaͤche des Gefaͤßes hundertmal ſo groß, als die Grundflaͤche
des druͤckenden Kolbens waͤre. Da, wo die Waͤnde kein ſolches Aus-
weichen oder Nachgeben geſtatten, ſehen wir oft dieſe unerwartete
Wirkung eines geringen Druckes. Ein Beiſpiel davon giebt die
Erfahrung, daß man mit einem ſehr unbedeutenden Schlage auf
den Stoͤpſel einer ganz mit Waſſer gefuͤllten Flaſche, dieſe zerſpren-
gen kann; — dieſer geringe Druck, den der Stoͤpſel, indem er den

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[131/0153] dieſer Deckel mit eben der Kraft hinauswaͤrts gedruͤckt, welche in B auf den Kolben wirkt, und wenn nicht entweder eine eigne Kraft dieſe Deckel feſthaͤlt, oder die Reibung, welche ſie an dem Rande der Oeffnung leiden, groß genug iſt, ſo werden ſie wirklich fortge- ſtoßen werden, und dem Waſſer den Ausfluß geſtatten. So wie hier die Deckel einen Druck leiden, ſo findet eben dies auch fuͤr alle andere Theile der Waͤnde des Gefaͤßes ſtatt, und es iſt wohl zu uͤberſehen, daß jeder einzelne Quadratzoll der innern Oberflaͤche einen gleichen Druck leidet. Daraus entſteht die anſcheinend auf- fallende Folgerung, daß eine Kraft von einem Pfunde, auf den einen Quadratzoll A druͤckend, eine Kraft von 100 Pfunden auf die ſaͤmmt- lichen Waͤnde ausuͤbt, wenn dieſe 100 Quadratzolle betragen; aber dieſe Folgerung iſt gleichwohl eine nothwendige, und verliert ihr pa- radoxes Anſehen, wenn man ſie mit andern verwandten Betrach- tungen in Vergleichung ſetzt. Es ſcheint im erſten Augenblicke ebenſo auffallend, daß ein am Hebel gehaltenes Gewicht von einem einzigen Pfunde mich noͤthigen kann, 200 Pfund Kraft aufzuwen- den, wenn ich es mit dem Daumen erhalten will, waͤhrend es an einem Hebel wirkt, der auf dem Zeigefinger ruht; und doch iſt es wahr, daß mein Daumen 100 Pfund Kraft noͤthig hat, um das Gewicht von 1 Pfunde zu erhalten, wenn das letztere hundertmal ſo entfernt, als der druͤckende Daumen, von der Unterlage ange- bracht iſt, und daß mein Zeigefinger dann 101 Pfund zu tragen hat, obgleich die Laſt nur ein Pfund betraͤgt. Dieſes Beiſpiel hat auch in ſo fern Aehnlichkeit mit unſerm hier zu betrachtenden Falle, weil die Kraft = 100 Pfund am Hebel nur um [FORMEL] Zoll fortge- ruͤckt wird, wenn die Laſt von einem Pfunde einen ganzen Zoll fortruͤckt; denn ebenſo wuͤrden hier die Waͤnde nur ein Hunderttel Zoll auszuweichen noͤthig haben, um der auf dem Kolben wirkenden Kraft ein Fortruͤcken von einem ganzen Zoll zu geſtatten, wenn die Oberflaͤche des Gefaͤßes hundertmal ſo groß, als die Grundflaͤche des druͤckenden Kolbens waͤre. Da, wo die Waͤnde kein ſolches Aus- weichen oder Nachgeben geſtatten, ſehen wir oft dieſe unerwartete Wirkung eines geringen Druckes. Ein Beiſpiel davon giebt die Erfahrung, daß man mit einem ſehr unbedeutenden Schlage auf den Stoͤpſel einer ganz mit Waſſer gefuͤllten Flaſche, dieſe zerſpren- gen kann; — dieſer geringe Druck, den der Stoͤpſel, indem er den J 2

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/153>, abgerufen am 24.11.2024.