Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

wird; hat hier die mit Gewalt gegen das Ufer gepreßte, und
von dem stets andringenden Wasser doppelt hoch aufgethürmte
Welle eine Höhe von 8 oder 10 Fuß erreicht, und stürzt nun auf
die vorliegende Fläche des Dammes herab, so läßt sich begreifen,
wie sie Centner schwere Steine wegführen, die stärksten Dämme
durch ihre immer auf denselben Punct wiederholte Einwirkung zer-
stören, und die großen Verheerungen anrichten kann, von welchen
die Bewohner der See-Ufer, wenn auch ihre Dämme den Ueber-
schwemmungen wohl Widerstand zu leisten pflegen, dennoch so oft
verderbliche Proben zu sehen Gelegenheit haben.

Wie hoch die Wellen im Meere steigen können, darüber sind
die Nachrichten sehr verschieden. Wenn mehrere Wellen einander
durchkreutzend fortgehen, so thürmen sie sich im Durchschnittspuncte
so auf einander auf, daß der Wellenkopf ungefehr die Höhe erreicht,
welche der Summe beider Wellen gleich ist. Sie bilden dann die
nach allen Seiten abhängigen, schäumenden Wellenköpfe, welche
man in großen Strömen oder am Ufer des Meeres so oft wahrzu-
nehmen Gelegenheit hat. Ein solches Aufeinanderthürmen der
Wellen kann aber im Meere gewiß noch vielfacher statt finden und
größere Wellen hervorbringen, als wir vom Ufer aus je zu sehen ge-
wohnt sind; nach Bremontier's Behauptung, womit auch
andre Angaben überein stimmen, kann diese Wellenhöhe bis auf
60 Fuß gehen. Wenn die Welle sich an einem steilen, tief in
das Wasser hinabgehenden Gegenstande bricht, so kann sie, hoch
aufbrausend und in Tropfen zerschlagen bis zu einer, die Höhe der
Welle vielfach übertreffenden Höhe hinaufsprützen und Smeaton
erzählt von dem Edystone-Felsen an der englischen Küste, daß man
die Höhe, bis zu welcher das tobende Wasser hier zuweilen hinaufge-
trieben wird, auf 200 Fuß, 100 Fuß höher als der Leuchtthurm
ist, rechne; die an diesen Felsen mit ungewöhnlicher Wuth tobenden
Wellen zertrümmerten im Jahre 1703 am 26. November den da-
maligen, sehr fest gebauten Leuchtthurm in einer Nacht so, daß
keine Spur davon übrig blieb.

Die schon alte Behauptung, daß Oel in das stürmende Meer
gegossen, dieses beruhige, ist durch neuere Beobachtungen bestätiget
worden. Das Oel, welches sich in einer sehr dünnen Schichte auf
der Oberfläche verbreitet, scheint die Einwirkung des Windes zu hin-

wird; hat hier die mit Gewalt gegen das Ufer gepreßte, und
von dem ſtets andringenden Waſſer doppelt hoch aufgethuͤrmte
Welle eine Hoͤhe von 8 oder 10 Fuß erreicht, und ſtuͤrzt nun auf
die vorliegende Flaͤche des Dammes herab, ſo laͤßt ſich begreifen,
wie ſie Centner ſchwere Steine wegfuͤhren, die ſtaͤrkſten Daͤmme
durch ihre immer auf denſelben Punct wiederholte Einwirkung zer-
ſtoͤren, und die großen Verheerungen anrichten kann, von welchen
die Bewohner der See-Ufer, wenn auch ihre Daͤmme den Ueber-
ſchwemmungen wohl Widerſtand zu leiſten pflegen, dennoch ſo oft
verderbliche Proben zu ſehen Gelegenheit haben.

Wie hoch die Wellen im Meere ſteigen koͤnnen, daruͤber ſind
die Nachrichten ſehr verſchieden. Wenn mehrere Wellen einander
durchkreutzend fortgehen, ſo thuͤrmen ſie ſich im Durchſchnittspuncte
ſo auf einander auf, daß der Wellenkopf ungefehr die Hoͤhe erreicht,
welche der Summe beider Wellen gleich iſt. Sie bilden dann die
nach allen Seiten abhaͤngigen, ſchaͤumenden Wellenkoͤpfe, welche
man in großen Stroͤmen oder am Ufer des Meeres ſo oft wahrzu-
nehmen Gelegenheit hat. Ein ſolches Aufeinanderthuͤrmen der
Wellen kann aber im Meere gewiß noch vielfacher ſtatt finden und
groͤßere Wellen hervorbringen, als wir vom Ufer aus je zu ſehen ge-
wohnt ſind; nach Bremontier's Behauptung, womit auch
andre Angaben uͤberein ſtimmen, kann dieſe Wellenhoͤhe bis auf
60 Fuß gehen. Wenn die Welle ſich an einem ſteilen, tief in
das Waſſer hinabgehenden Gegenſtande bricht, ſo kann ſie, hoch
aufbrauſend und in Tropfen zerſchlagen bis zu einer, die Hoͤhe der
Welle vielfach uͤbertreffenden Hoͤhe hinaufſpruͤtzen und Smeaton
erzaͤhlt von dem Edyſtone-Felſen an der engliſchen Kuͤſte, daß man
die Hoͤhe, bis zu welcher das tobende Waſſer hier zuweilen hinaufge-
trieben wird, auf 200 Fuß, 100 Fuß hoͤher als der Leuchtthurm
iſt, rechne; die an dieſen Felſen mit ungewoͤhnlicher Wuth tobenden
Wellen zertruͤmmerten im Jahre 1703 am 26. November den da-
maligen, ſehr feſt gebauten Leuchtthurm in einer Nacht ſo, daß
keine Spur davon uͤbrig blieb.

Die ſchon alte Behauptung, daß Oel in das ſtuͤrmende Meer
gegoſſen, dieſes beruhige, iſt durch neuere Beobachtungen beſtaͤtiget
worden. Das Oel, welches ſich in einer ſehr duͤnnen Schichte auf
der Oberflaͤche verbreitet, ſcheint die Einwirkung des Windes zu hin-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0204" n="182"/>
wird; hat hier die mit Gewalt gegen das Ufer gepreßte, und<lb/>
von dem &#x017F;tets andringenden Wa&#x017F;&#x017F;er doppelt hoch aufgethu&#x0364;rmte<lb/>
Welle eine Ho&#x0364;he von 8 oder 10 Fuß erreicht, und &#x017F;tu&#x0364;rzt nun auf<lb/>
die vorliegende Fla&#x0364;che des Dammes herab, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich begreifen,<lb/>
wie &#x017F;ie Centner &#x017F;chwere Steine wegfu&#x0364;hren, die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Da&#x0364;mme<lb/>
durch ihre immer auf den&#x017F;elben Punct wiederholte Einwirkung zer-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ren, und die großen Verheerungen anrichten kann, von welchen<lb/>
die Bewohner der See-Ufer, wenn auch ihre Da&#x0364;mme den Ueber-<lb/>
&#x017F;chwemmungen wohl Wider&#x017F;tand zu lei&#x017F;ten pflegen, dennoch &#x017F;o oft<lb/>
verderbliche Proben zu &#x017F;ehen Gelegenheit haben.</p><lb/>
          <p>Wie hoch die Wellen im Meere &#x017F;teigen ko&#x0364;nnen, daru&#x0364;ber &#x017F;ind<lb/>
die Nachrichten &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden. Wenn mehrere Wellen einander<lb/>
durchkreutzend fortgehen, &#x017F;o thu&#x0364;rmen &#x017F;ie &#x017F;ich im Durch&#x017F;chnittspuncte<lb/>
&#x017F;o auf einander auf, daß der Wellenkopf ungefehr die Ho&#x0364;he erreicht,<lb/>
welche der Summe beider Wellen gleich i&#x017F;t. Sie bilden dann die<lb/>
nach allen Seiten abha&#x0364;ngigen, &#x017F;cha&#x0364;umenden Wellenko&#x0364;pfe, welche<lb/>
man in großen Stro&#x0364;men oder am Ufer des Meeres &#x017F;o oft wahrzu-<lb/>
nehmen Gelegenheit hat. Ein &#x017F;olches Aufeinanderthu&#x0364;rmen der<lb/>
Wellen kann aber im Meere gewiß noch vielfacher &#x017F;tatt finden und<lb/>
gro&#x0364;ßere Wellen hervorbringen, als wir vom Ufer aus je zu &#x017F;ehen ge-<lb/>
wohnt &#x017F;ind; nach <hi rendition="#g">Bremontier</hi>'s Behauptung, womit auch<lb/>
andre Angaben u&#x0364;berein &#x017F;timmen, kann die&#x017F;e Wellenho&#x0364;he bis auf<lb/>
60 Fuß gehen. Wenn die Welle &#x017F;ich an einem &#x017F;teilen, tief in<lb/>
das Wa&#x017F;&#x017F;er hinabgehenden Gegen&#x017F;tande bricht, &#x017F;o kann &#x017F;ie, hoch<lb/>
aufbrau&#x017F;end und in Tropfen zer&#x017F;chlagen bis zu einer, die Ho&#x0364;he der<lb/>
Welle vielfach u&#x0364;bertreffenden Ho&#x0364;he hinauf&#x017F;pru&#x0364;tzen und <hi rendition="#g">Smeaton</hi><lb/>
erza&#x0364;hlt von dem Edy&#x017F;tone-Fel&#x017F;en an der engli&#x017F;chen Ku&#x0364;&#x017F;te, daß man<lb/>
die Ho&#x0364;he, bis zu welcher das tobende Wa&#x017F;&#x017F;er hier zuweilen hinaufge-<lb/>
trieben wird, auf 200 Fuß, 100 Fuß ho&#x0364;her als der Leuchtthurm<lb/>
i&#x017F;t, rechne; die an die&#x017F;en Fel&#x017F;en mit ungewo&#x0364;hnlicher Wuth tobenden<lb/>
Wellen zertru&#x0364;mmerten im Jahre 1703 am 26. November den da-<lb/>
maligen, &#x017F;ehr fe&#x017F;t gebauten Leuchtthurm in <hi rendition="#g">einer</hi> Nacht &#x017F;o, daß<lb/>
keine Spur davon u&#x0364;brig blieb.</p><lb/>
          <p>Die &#x017F;chon alte Behauptung, daß Oel in das &#x017F;tu&#x0364;rmende Meer<lb/>
gego&#x017F;&#x017F;en, die&#x017F;es beruhige, i&#x017F;t durch neuere Beobachtungen be&#x017F;ta&#x0364;tiget<lb/>
worden. Das Oel, welches &#x017F;ich in einer &#x017F;ehr du&#x0364;nnen Schichte auf<lb/>
der Oberfla&#x0364;che verbreitet, &#x017F;cheint die Einwirkung des Windes zu hin-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0204] wird; hat hier die mit Gewalt gegen das Ufer gepreßte, und von dem ſtets andringenden Waſſer doppelt hoch aufgethuͤrmte Welle eine Hoͤhe von 8 oder 10 Fuß erreicht, und ſtuͤrzt nun auf die vorliegende Flaͤche des Dammes herab, ſo laͤßt ſich begreifen, wie ſie Centner ſchwere Steine wegfuͤhren, die ſtaͤrkſten Daͤmme durch ihre immer auf denſelben Punct wiederholte Einwirkung zer- ſtoͤren, und die großen Verheerungen anrichten kann, von welchen die Bewohner der See-Ufer, wenn auch ihre Daͤmme den Ueber- ſchwemmungen wohl Widerſtand zu leiſten pflegen, dennoch ſo oft verderbliche Proben zu ſehen Gelegenheit haben. Wie hoch die Wellen im Meere ſteigen koͤnnen, daruͤber ſind die Nachrichten ſehr verſchieden. Wenn mehrere Wellen einander durchkreutzend fortgehen, ſo thuͤrmen ſie ſich im Durchſchnittspuncte ſo auf einander auf, daß der Wellenkopf ungefehr die Hoͤhe erreicht, welche der Summe beider Wellen gleich iſt. Sie bilden dann die nach allen Seiten abhaͤngigen, ſchaͤumenden Wellenkoͤpfe, welche man in großen Stroͤmen oder am Ufer des Meeres ſo oft wahrzu- nehmen Gelegenheit hat. Ein ſolches Aufeinanderthuͤrmen der Wellen kann aber im Meere gewiß noch vielfacher ſtatt finden und groͤßere Wellen hervorbringen, als wir vom Ufer aus je zu ſehen ge- wohnt ſind; nach Bremontier's Behauptung, womit auch andre Angaben uͤberein ſtimmen, kann dieſe Wellenhoͤhe bis auf 60 Fuß gehen. Wenn die Welle ſich an einem ſteilen, tief in das Waſſer hinabgehenden Gegenſtande bricht, ſo kann ſie, hoch aufbrauſend und in Tropfen zerſchlagen bis zu einer, die Hoͤhe der Welle vielfach uͤbertreffenden Hoͤhe hinaufſpruͤtzen und Smeaton erzaͤhlt von dem Edyſtone-Felſen an der engliſchen Kuͤſte, daß man die Hoͤhe, bis zu welcher das tobende Waſſer hier zuweilen hinaufge- trieben wird, auf 200 Fuß, 100 Fuß hoͤher als der Leuchtthurm iſt, rechne; die an dieſen Felſen mit ungewoͤhnlicher Wuth tobenden Wellen zertruͤmmerten im Jahre 1703 am 26. November den da- maligen, ſehr feſt gebauten Leuchtthurm in einer Nacht ſo, daß keine Spur davon uͤbrig blieb. Die ſchon alte Behauptung, daß Oel in das ſtuͤrmende Meer gegoſſen, dieſes beruhige, iſt durch neuere Beobachtungen beſtaͤtiget worden. Das Oel, welches ſich in einer ſehr duͤnnen Schichte auf der Oberflaͤche verbreitet, ſcheint die Einwirkung des Windes zu hin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/204
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/204>, abgerufen am 21.11.2024.