schneller bewegt sich eine frei fallende hölzerne Kugel von 2 2/3 Zoll Durchmesser nie.
Wenn man Kugeln aus einerlei Materie, aber von ungleichem Halbmesser nimmt, so ist der Exponent des Widerstandes größer bei den größern, das heißt, bei freiem Falle kann die größere eine schnel- lere Bewegung erlangen, ehe Widerstand und Schwerkraft gleich stark wirken. Allerdings nämlich ist bei einer Kugel von doppelt so großem Durchmesser der gesammte Widerstand, so wie der größte Querschnitt der Kugel, viermal so groß; aber das Gewicht der Ku- gel ist achtmal so groß, als bei einfachem Durchmesser. Reichte also vorhin eine Druckhöhe von 1320 Fuß Luft aus, um den Druck gleich dem Gewichte der Kugel hervorzubringen, so muß diese Druck- höhe jetzt 2640 Fuß sein, damit der Druck auf die viermal so große Fläche bis zum achtfachen steige; aber zu 2640 Fuß Höhe gehört eine Geschwindigkeit von beinahe 400 Fuß in der Secunde, und statt daß die 3 pfündige eiserne Kugel höchstens 280 Fuß Geschwin- digkeit erlangt, kann diese Geschwindigkeit bei der 24 pfündigen, deren Durchmesser das Doppelte jener ist, beinahe 400 Fuß werden. Bei einer eisernen Kugel von 4 mal so großem Durchmesser würde die Geschwindigkeit 2.280 Fuß; bei einer Kugel von 9 mal so großem Durchmesser 3.280 Fuß sein.
Diese Berechnungen zeigen, warum die in der Luft abgeschos- senen Kugeln so sehr geringe Weiten und Höhen in Vergleichung gegen diejenigen Weiten und Höhen erreichen, die sie ohne Wider- stand erreichen sollten. Ich habe früher angeführt, daß eine mit 2000 Fuß Geschwindigkeit unter 45 Grad Neigung geworfene Ku- gel bis 132000 Fuß oder 51/2 geographische Meilen weit gehen würde, welches bekanntlich in hohem Grade von der Erfahrung ab- weicht; aber wenn wir eine Kugel nehmen, für welche der Expo- nent des Widerstandes 400 Fuß ist, und diese mit 2000 Fuß Ge- schwindigkeit fortschleudern, so leidet sie im ersten Augenblicke bei dieser in Vergleichung gegen den Exponenten des Widerstandes fünf- fach so großen Geschwindigkeit einen 25 mal so großen Widerstand als derjenige war, den wir der Schwerkraft gleich fanden. Da nun die Schwere dem aufwärts steigenden Körper schon in Secunde 1 Fuß Geschwindigkeit raubt, so raubt dieser Widerstand in Se- cunde 25 Fuß Geschwindigkeit, und würde also in 1 Secunde
ſchneller bewegt ſich eine frei fallende hoͤlzerne Kugel von 2⅔ Zoll Durchmeſſer nie.
Wenn man Kugeln aus einerlei Materie, aber von ungleichem Halbmeſſer nimmt, ſo iſt der Exponent des Widerſtandes groͤßer bei den groͤßern, das heißt, bei freiem Falle kann die groͤßere eine ſchnel- lere Bewegung erlangen, ehe Widerſtand und Schwerkraft gleich ſtark wirken. Allerdings naͤmlich iſt bei einer Kugel von doppelt ſo großem Durchmeſſer der geſammte Widerſtand, ſo wie der groͤßte Querſchnitt der Kugel, viermal ſo groß; aber das Gewicht der Ku- gel iſt achtmal ſo groß, als bei einfachem Durchmeſſer. Reichte alſo vorhin eine Druckhoͤhe von 1320 Fuß Luft aus, um den Druck gleich dem Gewichte der Kugel hervorzubringen, ſo muß dieſe Druck- hoͤhe jetzt 2640 Fuß ſein, damit der Druck auf die viermal ſo große Flaͤche bis zum achtfachen ſteige; aber zu 2640 Fuß Hoͤhe gehoͤrt eine Geſchwindigkeit von beinahe 400 Fuß in der Secunde, und ſtatt daß die 3 pfuͤndige eiſerne Kugel hoͤchſtens 280 Fuß Geſchwin- digkeit erlangt, kann dieſe Geſchwindigkeit bei der 24 pfuͤndigen, deren Durchmeſſer das Doppelte jener iſt, beinahe 400 Fuß werden. Bei einer eiſernen Kugel von 4 mal ſo großem Durchmeſſer wuͤrde die Geſchwindigkeit 2.280 Fuß; bei einer Kugel von 9 mal ſo großem Durchmeſſer 3.280 Fuß ſein.
Dieſe Berechnungen zeigen, warum die in der Luft abgeſchoſ- ſenen Kugeln ſo ſehr geringe Weiten und Hoͤhen in Vergleichung gegen diejenigen Weiten und Hoͤhen erreichen, die ſie ohne Wider- ſtand erreichen ſollten. Ich habe fruͤher angefuͤhrt, daß eine mit 2000 Fuß Geſchwindigkeit unter 45 Grad Neigung geworfene Ku- gel bis 132000 Fuß oder 5½ geographiſche Meilen weit gehen wuͤrde, welches bekanntlich in hohem Grade von der Erfahrung ab- weicht; aber wenn wir eine Kugel nehmen, fuͤr welche der Expo- nent des Widerſtandes 400 Fuß iſt, und dieſe mit 2000 Fuß Ge- ſchwindigkeit fortſchleudern, ſo leidet ſie im erſten Augenblicke bei dieſer in Vergleichung gegen den Exponenten des Widerſtandes fuͤnf- fach ſo großen Geſchwindigkeit einen 25 mal ſo großen Widerſtand als derjenige war, den wir der Schwerkraft gleich fanden. Da nun die Schwere dem aufwaͤrts ſteigenden Koͤrper ſchon in Secunde 1 Fuß Geſchwindigkeit raubt, ſo raubt dieſer Widerſtand in Se- cunde 25 Fuß Geſchwindigkeit, und wuͤrde alſo in 1 Secunde
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ſchneller bewegt ſich eine frei fallende hoͤlzerne Kugel von 2⅔ Zoll
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lere Bewegung erlangen, ehe Widerſtand und Schwerkraft gleich
ſtark wirken. Allerdings naͤmlich iſt bei einer Kugel von doppelt ſo
großem Durchmeſſer der geſammte Widerſtand, ſo wie der groͤßte
Querſchnitt der Kugel, viermal ſo groß; aber das Gewicht der Ku-
gel iſt achtmal ſo groß, als bei einfachem Durchmeſſer. Reichte
alſo vorhin eine Druckhoͤhe von 1320 Fuß Luft aus, um den Druck
gleich dem Gewichte der Kugel hervorzubringen, ſo muß dieſe Druck-
hoͤhe jetzt 2640 Fuß ſein, damit der Druck auf die viermal ſo große
Flaͤche bis zum achtfachen ſteige; aber zu 2640 Fuß Hoͤhe gehoͤrt
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ſtatt daß die 3 pfuͤndige eiſerne Kugel hoͤchſtens 280 Fuß Geſchwin-
digkeit erlangt, kann dieſe Geſchwindigkeit bei der 24 pfuͤndigen,
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Bei einer eiſernen Kugel von 4 mal ſo großem Durchmeſſer wuͤrde
die Geſchwindigkeit 2.280 Fuß; bei einer Kugel von 9 mal ſo
großem Durchmeſſer 3.280 Fuß ſein.
Dieſe Berechnungen zeigen, warum die in der Luft abgeſchoſ-
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gegen diejenigen Weiten und Hoͤhen erreichen, die ſie ohne Wider-
ſtand erreichen ſollten. Ich habe fruͤher angefuͤhrt, daß eine mit
2000 Fuß Geſchwindigkeit unter 45 Grad Neigung geworfene Ku-
gel bis 132000 Fuß oder 5½ geographiſche Meilen weit gehen
wuͤrde, welches bekanntlich in hohem Grade von der Erfahrung ab-
weicht; aber wenn wir eine Kugel nehmen, fuͤr welche der Expo-
nent des Widerſtandes 400 Fuß iſt, und dieſe mit 2000 Fuß Ge-
ſchwindigkeit fortſchleudern, ſo leidet ſie im erſten Augenblicke bei
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/218>, abgerufen am 21.11.2024.
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