Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

mond's Beobachtungen fällt die Zeit des höchsten und tiefsten
Standes am Tage im Winter etwas näher gegen Mittag, als
im Sommer. Endlich hat auch Hällström in Abo diesen
Unterschied als 1/5 Linie betragend gefunden, aber so daß am
Tage der höchste Stand erst nahe vor Mittag, der tiefste um 4 Uhr
eintritt, die Ungleichheit zwischen den um 10 Uhr Abends und
51/2 Uhr Morgens eintretenden höchsten und tiefsten Ständen aber
hier mehr, als die Ungleichheit zwischen den am Tage beobachteten
Grenzen, beträgt *).

Diese Schwankungen, die höchst wahrscheinlich in dem Wech-
sel der Temperatur und der Feuchtigkeit der Luft ihren Grund
haben müssen, sind noch nicht ganz erklärt. Es lassen sich zwar
zwei Gründe für zwei Minima des Barometerstandes zu verschiede-
nen Tageszeiten angeben; aber es läßt sich nicht darthun, daß sie
auf die Zeiten fallen müssen, welche die Beobachtung ihnen an-
weiset; indeß werden Sie mir dennoch erlauben, Ihnen folgende
Ueberlegungen mitzutheilen. Wenn die Sonne in den heißesten
Tagesstunden die uns umgebende Atmosphäre bis zu großen Höhen
hinauf erwärmt hat, so muß die über uns stehende Luftsäule sich
ausgedehnt haben, und oben nach den Gegenden abfließen, wo
mindere Wärme herrscht; dadurch kann gar wohl der Druck der
Luft etwas abnehmen, indem der unten zu uns her dringende
Strom kalter Luft doch erst eintreten kann, wenn der Unterschied
des Druckes schon in einigem Grade merklich geworden ist. Hieraus
ließe sich das Minimum des Barometerstandes in den heißesten
Tagesstunden vielleicht erklären. Aber noch ein zweites Minimum
scheint, wenigstens in heitern Nächten, wo Thau fällt, eintreten
zu müssen. Wenn wir uns diejenige Luft, die zur Zeit des Son-
nen-Unterganges über uns steht, als in eine, bis an das Ende
der Atmosphäre gehende Röhre eingeschlossen denken, so muß das
Gewicht dieser Luft ganz gewiß um etwas abnehmen, wenn sich die
bedeutende Menge Wassers, die sich uns als Thau zeigt, daraus
niederschlägt; indeß müßten schon alle Gegenstände mit 3 Linien
Thau bedeckt sein, ehe das Fallen des Barometers 1/4 Linie betragen

*) Schweigger's Jahrb. der Chemie. XVII. 137. Poggen-
dorf's
Annalen. VIII. 131. XI. 268.

mond's Beobachtungen faͤllt die Zeit des hoͤchſten und tiefſten
Standes am Tage im Winter etwas naͤher gegen Mittag, als
im Sommer. Endlich hat auch Haͤllſtroͤm in Åbo dieſen
Unterſchied als ⅕ Linie betragend gefunden, aber ſo daß am
Tage der hoͤchſte Stand erſt nahe vor Mittag, der tiefſte um 4 Uhr
eintritt, die Ungleichheit zwiſchen den um 10 Uhr Abends und
5½ Uhr Morgens eintretenden hoͤchſten und tiefſten Staͤnden aber
hier mehr, als die Ungleichheit zwiſchen den am Tage beobachteten
Grenzen, betraͤgt *).

Dieſe Schwankungen, die hoͤchſt wahrſcheinlich in dem Wech-
ſel der Temperatur und der Feuchtigkeit der Luft ihren Grund
haben muͤſſen, ſind noch nicht ganz erklaͤrt. Es laſſen ſich zwar
zwei Gruͤnde fuͤr zwei Minima des Barometerſtandes zu verſchiede-
nen Tageszeiten angeben; aber es laͤßt ſich nicht darthun, daß ſie
auf die Zeiten fallen muͤſſen, welche die Beobachtung ihnen an-
weiſet; indeß werden Sie mir dennoch erlauben, Ihnen folgende
Ueberlegungen mitzutheilen. Wenn die Sonne in den heißeſten
Tagesſtunden die uns umgebende Atmoſphaͤre bis zu großen Hoͤhen
hinauf erwaͤrmt hat, ſo muß die uͤber uns ſtehende Luftſaͤule ſich
ausgedehnt haben, und oben nach den Gegenden abfließen, wo
mindere Waͤrme herrſcht; dadurch kann gar wohl der Druck der
Luft etwas abnehmen, indem der unten zu uns her dringende
Strom kalter Luft doch erſt eintreten kann, wenn der Unterſchied
des Druckes ſchon in einigem Grade merklich geworden iſt. Hieraus
ließe ſich das Minimum des Barometerſtandes in den heißeſten
Tagesſtunden vielleicht erklaͤren. Aber noch ein zweites Minimum
ſcheint, wenigſtens in heitern Naͤchten, wo Thau faͤllt, eintreten
zu muͤſſen. Wenn wir uns diejenige Luft, die zur Zeit des Son-
nen-Unterganges uͤber uns ſteht, als in eine, bis an das Ende
der Atmoſphaͤre gehende Roͤhre eingeſchloſſen denken, ſo muß das
Gewicht dieſer Luft ganz gewiß um etwas abnehmen, wenn ſich die
bedeutende Menge Waſſers, die ſich uns als Thau zeigt, daraus
niederſchlaͤgt; indeß muͤßten ſchon alle Gegenſtaͤnde mit 3 Linien
Thau bedeckt ſein, ehe das Fallen des Barometers ¼ Linie betragen

*) Schweigger's Jahrb. der Chemie. XVII. 137. Poggen-
dorf's
Annalen. VIII. 131. XI. 268.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0244" n="222"/>
mond's</hi> Beobachtungen fa&#x0364;llt die Zeit des ho&#x0364;ch&#x017F;ten und tief&#x017F;ten<lb/>
Standes am Tage im Winter etwas na&#x0364;her gegen Mittag, als<lb/>
im Sommer. Endlich hat auch <hi rendition="#g">Ha&#x0364;ll&#x017F;tro&#x0364;m</hi> in Åbo die&#x017F;en<lb/>
Unter&#x017F;chied als &#x2155; Linie betragend gefunden, aber &#x017F;o daß am<lb/>
Tage der ho&#x0364;ch&#x017F;te Stand er&#x017F;t nahe vor Mittag, der tief&#x017F;te um 4 Uhr<lb/>
eintritt, die Ungleichheit zwi&#x017F;chen den um 10 Uhr Abends und<lb/>
5½ Uhr Morgens eintretenden ho&#x0364;ch&#x017F;ten und tief&#x017F;ten Sta&#x0364;nden aber<lb/>
hier mehr, als die Ungleichheit zwi&#x017F;chen den am Tage beobachteten<lb/>
Grenzen, betra&#x0364;gt <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Schweigger's</hi> Jahrb. der Chemie. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">XVII.</hi></hi> 137. <hi rendition="#g">Poggen-<lb/>
dorf's</hi> Annalen. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">VIII.</hi></hi> 131. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">XI.</hi></hi> 268.</note>.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Schwankungen, die ho&#x0364;ch&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich in dem Wech-<lb/>
&#x017F;el der Temperatur und der Feuchtigkeit der Luft ihren Grund<lb/>
haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ind noch nicht ganz erkla&#x0364;rt. Es la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich zwar<lb/>
zwei Gru&#x0364;nde fu&#x0364;r zwei Minima des Barometer&#x017F;tandes zu ver&#x017F;chiede-<lb/>
nen Tageszeiten angeben; aber es la&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht darthun, daß &#x017F;ie<lb/>
auf die Zeiten fallen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, welche die Beobachtung ihnen an-<lb/>
wei&#x017F;et; indeß werden Sie mir dennoch erlauben, Ihnen folgende<lb/>
Ueberlegungen mitzutheilen. Wenn die Sonne in den heiße&#x017F;ten<lb/>
Tages&#x017F;tunden die uns umgebende Atmo&#x017F;pha&#x0364;re bis zu großen Ho&#x0364;hen<lb/>
hinauf erwa&#x0364;rmt hat, &#x017F;o muß die u&#x0364;ber uns &#x017F;tehende Luft&#x017F;a&#x0364;ule &#x017F;ich<lb/>
ausgedehnt haben, und oben nach den Gegenden abfließen, wo<lb/>
mindere Wa&#x0364;rme herr&#x017F;cht; dadurch kann gar wohl der Druck der<lb/>
Luft etwas abnehmen, indem der unten zu uns her dringende<lb/>
Strom kalter Luft doch er&#x017F;t eintreten kann, wenn der Unter&#x017F;chied<lb/>
des Druckes &#x017F;chon in einigem Grade merklich geworden i&#x017F;t. Hieraus<lb/>
ließe &#x017F;ich das Minimum des Barometer&#x017F;tandes in den heiße&#x017F;ten<lb/>
Tages&#x017F;tunden vielleicht erkla&#x0364;ren. Aber noch ein zweites Minimum<lb/>
&#x017F;cheint, wenig&#x017F;tens in heitern Na&#x0364;chten, wo Thau fa&#x0364;llt, eintreten<lb/>
zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wenn wir uns diejenige Luft, die zur Zeit des Son-<lb/>
nen-Unterganges u&#x0364;ber uns &#x017F;teht, als in eine, bis an das Ende<lb/>
der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re gehende Ro&#x0364;hre einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en denken, &#x017F;o muß das<lb/>
Gewicht die&#x017F;er Luft ganz gewiß um etwas abnehmen, wenn &#x017F;ich die<lb/>
bedeutende Menge Wa&#x017F;&#x017F;ers, die &#x017F;ich uns als Thau zeigt, daraus<lb/>
nieder&#x017F;chla&#x0364;gt; indeß mu&#x0364;ßten &#x017F;chon alle Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde mit 3 Linien<lb/>
Thau bedeckt &#x017F;ein, ehe das Fallen des Barometers ¼ Linie betragen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0244] mond's Beobachtungen faͤllt die Zeit des hoͤchſten und tiefſten Standes am Tage im Winter etwas naͤher gegen Mittag, als im Sommer. Endlich hat auch Haͤllſtroͤm in Åbo dieſen Unterſchied als ⅕ Linie betragend gefunden, aber ſo daß am Tage der hoͤchſte Stand erſt nahe vor Mittag, der tiefſte um 4 Uhr eintritt, die Ungleichheit zwiſchen den um 10 Uhr Abends und 5½ Uhr Morgens eintretenden hoͤchſten und tiefſten Staͤnden aber hier mehr, als die Ungleichheit zwiſchen den am Tage beobachteten Grenzen, betraͤgt *). Dieſe Schwankungen, die hoͤchſt wahrſcheinlich in dem Wech- ſel der Temperatur und der Feuchtigkeit der Luft ihren Grund haben muͤſſen, ſind noch nicht ganz erklaͤrt. Es laſſen ſich zwar zwei Gruͤnde fuͤr zwei Minima des Barometerſtandes zu verſchiede- nen Tageszeiten angeben; aber es laͤßt ſich nicht darthun, daß ſie auf die Zeiten fallen muͤſſen, welche die Beobachtung ihnen an- weiſet; indeß werden Sie mir dennoch erlauben, Ihnen folgende Ueberlegungen mitzutheilen. Wenn die Sonne in den heißeſten Tagesſtunden die uns umgebende Atmoſphaͤre bis zu großen Hoͤhen hinauf erwaͤrmt hat, ſo muß die uͤber uns ſtehende Luftſaͤule ſich ausgedehnt haben, und oben nach den Gegenden abfließen, wo mindere Waͤrme herrſcht; dadurch kann gar wohl der Druck der Luft etwas abnehmen, indem der unten zu uns her dringende Strom kalter Luft doch erſt eintreten kann, wenn der Unterſchied des Druckes ſchon in einigem Grade merklich geworden iſt. Hieraus ließe ſich das Minimum des Barometerſtandes in den heißeſten Tagesſtunden vielleicht erklaͤren. Aber noch ein zweites Minimum ſcheint, wenigſtens in heitern Naͤchten, wo Thau faͤllt, eintreten zu muͤſſen. Wenn wir uns diejenige Luft, die zur Zeit des Son- nen-Unterganges uͤber uns ſteht, als in eine, bis an das Ende der Atmoſphaͤre gehende Roͤhre eingeſchloſſen denken, ſo muß das Gewicht dieſer Luft ganz gewiß um etwas abnehmen, wenn ſich die bedeutende Menge Waſſers, die ſich uns als Thau zeigt, daraus niederſchlaͤgt; indeß muͤßten ſchon alle Gegenſtaͤnde mit 3 Linien Thau bedeckt ſein, ehe das Fallen des Barometers ¼ Linie betragen *) Schweigger's Jahrb. der Chemie. XVII. 137. Poggen- dorf's Annalen. VIII. 131. XI. 268.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/244
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/244>, abgerufen am 24.11.2024.