während die Endpuncte jedes Theiles ruhen. Wenn man eine nicht allzu lange Saite in ihrer Mitte mit einem Bogen streicht, so kömmt sie gewöhnlich in solche Schwingungen, wie wir sie bisher angenommen haben; streicht man sie mehrmals und giebt sie dann nicht immer einen gleich tiefen Ton, so ist das ein Zeichen, daß sie sich dennoch in Theile zerlegt, und der tiefste Ton ist der Grundton, derjenige, wobei sie ungetheilt in Schwingungen geräth. Wenn sie diese Schwingung annimmt, so werden leichte Papierstückchen, welche man über sie hängt, abgeworfen, sie mögen sich befinden, wo sie wollen; dagegen wenn man die Saite auf der Mitte leise mit dem Finger berührt und in der Mitte der einen Hälfte streicht, so gerathen beide Hälften in entgegengesetzte Schwingungen, die Saite nimmt nämlich die Gestalt adbec (Fig. 148.) an, Papierstück- chen in der Nähe von b bleiben fast ganz ruhig liegen, statt daß die bei d oder e aufliegenden abgeworfen werden. Ein solcher Schwin- gungsknoten bei b, wie man ihn in diesem Falle durch ein sanftes Berühren mit dem Finger in der Mitte hervorbringt, ent- steht zuweilen auch von selbst, wenn man in d oder e streicht, und ähnliche Knoten kann man auf ein Drittel der Länge, auf ein Vier- tel der Länge durch ein leichtes Dämpfen mit dem angehaltenen Finger hervorbringen. Der merkwürdige Versuch, welcher zeigt, daß dann die ganze Saite sich in gleiche Theile eintheilt, läßt sich an jeder zwischen zwei festen Stegen aufgezogenen Saite anstellen. Mißt man nämlich ihre ganze Länge ab, bestimmt ihre gleichen Ab- theilungen, zum Beispiel alle Fünftel und legt auf die Endpuncte dieser Abtheilungen weiße, dagegen in die Mitte jeder Abtheilung farbige Papierchen auf die Saite, dämpft mit leise angehaltnen Finger auf dem Ende des ersten Fünftels und streicht in der Mitte desselben, so fallen alle farbigen Papiere sogleich herab, während die weißen ganz ruhig liegen bleiben. Es zeigt sich also, daß obgleich nur der Endpunct des ersten Fünftels durch die leise Berührung ruhend erhalten wurde, nun auch die Endpuncte aller Fünftel ruhend bleiben.
Wenn die Saite sich so in mehrere Abtheilungen zerlegt, zwi- schen denen unbewegte Puncte oder Schwingungsknoten liegen, so sind die Abtheilungen immer gleich, und nie begegnet es, daß z. B. nur ein einziger Schwingungsknoten am Ende des einen Drittels
I.T
waͤhrend die Endpuncte jedes Theiles ruhen. Wenn man eine nicht allzu lange Saite in ihrer Mitte mit einem Bogen ſtreicht, ſo koͤmmt ſie gewoͤhnlich in ſolche Schwingungen, wie wir ſie bisher angenommen haben; ſtreicht man ſie mehrmals und giebt ſie dann nicht immer einen gleich tiefen Ton, ſo iſt das ein Zeichen, daß ſie ſich dennoch in Theile zerlegt, und der tiefſte Ton iſt der Grundton, derjenige, wobei ſie ungetheilt in Schwingungen geraͤth. Wenn ſie dieſe Schwingung annimmt, ſo werden leichte Papierſtuͤckchen, welche man uͤber ſie haͤngt, abgeworfen, ſie moͤgen ſich befinden, wo ſie wollen; dagegen wenn man die Saite auf der Mitte leiſe mit dem Finger beruͤhrt und in der Mitte der einen Haͤlfte ſtreicht, ſo gerathen beide Haͤlften in entgegengeſetzte Schwingungen, die Saite nimmt naͤmlich die Geſtalt adbec (Fig. 148.) an, Papierſtuͤck- chen in der Naͤhe von b bleiben faſt ganz ruhig liegen, ſtatt daß die bei d oder e aufliegenden abgeworfen werden. Ein ſolcher Schwin- gungsknoten bei b, wie man ihn in dieſem Falle durch ein ſanftes Beruͤhren mit dem Finger in der Mitte hervorbringt, ent- ſteht zuweilen auch von ſelbſt, wenn man in d oder e ſtreicht, und aͤhnliche Knoten kann man auf ein Drittel der Laͤnge, auf ein Vier- tel der Laͤnge durch ein leichtes Daͤmpfen mit dem angehaltenen Finger hervorbringen. Der merkwuͤrdige Verſuch, welcher zeigt, daß dann die ganze Saite ſich in gleiche Theile eintheilt, laͤßt ſich an jeder zwiſchen zwei feſten Stegen aufgezogenen Saite anſtellen. Mißt man naͤmlich ihre ganze Laͤnge ab, beſtimmt ihre gleichen Ab- theilungen, zum Beiſpiel alle Fuͤnftel und legt auf die Endpuncte dieſer Abtheilungen weiße, dagegen in die Mitte jeder Abtheilung farbige Papierchen auf die Saite, daͤmpft mit leiſe angehaltnen Finger auf dem Ende des erſten Fuͤnftels und ſtreicht in der Mitte deſſelben, ſo fallen alle farbigen Papiere ſogleich herab, waͤhrend die weißen ganz ruhig liegen bleiben. Es zeigt ſich alſo, daß obgleich nur der Endpunct des erſten Fuͤnftels durch die leiſe Beruͤhrung ruhend erhalten wurde, nun auch die Endpuncte aller Fuͤnftel ruhend bleiben.
Wenn die Saite ſich ſo in mehrere Abtheilungen zerlegt, zwi- ſchen denen unbewegte Puncte oder Schwingungsknoten liegen, ſo ſind die Abtheilungen immer gleich, und nie begegnet es, daß z. B. nur ein einziger Schwingungsknoten am Ende des einen Drittels
I.T
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0311"n="289"/>
waͤhrend die Endpuncte jedes Theiles ruhen. Wenn man eine<lb/>
nicht allzu lange Saite in ihrer Mitte mit einem Bogen ſtreicht,<lb/>ſo koͤmmt ſie gewoͤhnlich in ſolche Schwingungen, wie wir ſie bisher<lb/>
angenommen haben; ſtreicht man ſie mehrmals und giebt ſie dann<lb/>
nicht immer einen gleich tiefen Ton, ſo iſt das ein Zeichen, daß ſie<lb/>ſich dennoch in Theile zerlegt, und der tiefſte Ton iſt der Grundton,<lb/>
derjenige, wobei ſie ungetheilt in Schwingungen geraͤth. Wenn ſie<lb/>
dieſe Schwingung annimmt, ſo werden leichte Papierſtuͤckchen,<lb/>
welche man uͤber ſie haͤngt, abgeworfen, ſie moͤgen ſich befinden,<lb/>
wo ſie wollen; dagegen wenn man die Saite auf der Mitte leiſe mit<lb/>
dem Finger beruͤhrt und in der Mitte der einen Haͤlfte ſtreicht, ſo<lb/>
gerathen beide Haͤlften in entgegengeſetzte Schwingungen, die Saite<lb/>
nimmt naͤmlich die Geſtalt <hirendition="#aq"><hirendition="#b">adbec</hi></hi> (<hirendition="#aq"><hirendition="#b">Fig. 148.</hi></hi>) an, Papierſtuͤck-<lb/>
chen in der Naͤhe von <hirendition="#aq"><hirendition="#b">b</hi></hi> bleiben faſt ganz ruhig liegen, ſtatt daß die<lb/>
bei <hirendition="#aq"><hirendition="#b">d</hi></hi> oder <hirendition="#aq"><hirendition="#b">e</hi></hi> aufliegenden abgeworfen werden. Ein ſolcher <hirendition="#g">Schwin-<lb/>
gungsknoten</hi> bei <hirendition="#aq"><hirendition="#b">b,</hi></hi> wie man ihn in dieſem Falle durch ein<lb/>ſanftes Beruͤhren mit dem Finger in der Mitte hervorbringt, ent-<lb/>ſteht zuweilen auch von ſelbſt, wenn man in <hirendition="#aq"><hirendition="#b">d</hi></hi> oder <hirendition="#aq"><hirendition="#b">e</hi></hi>ſtreicht, und<lb/>
aͤhnliche Knoten kann man auf ein Drittel der Laͤnge, auf ein Vier-<lb/>
tel der Laͤnge durch ein leichtes Daͤmpfen mit dem angehaltenen<lb/>
Finger hervorbringen. Der merkwuͤrdige Verſuch, welcher zeigt,<lb/>
daß dann die ganze Saite ſich in gleiche Theile eintheilt, laͤßt ſich<lb/>
an jeder zwiſchen zwei feſten Stegen aufgezogenen Saite anſtellen.<lb/>
Mißt man naͤmlich ihre ganze Laͤnge ab, beſtimmt ihre gleichen Ab-<lb/>
theilungen, zum Beiſpiel alle Fuͤnftel und legt auf die Endpuncte<lb/>
dieſer Abtheilungen weiße, dagegen in die Mitte jeder Abtheilung<lb/>
farbige Papierchen auf die Saite, daͤmpft mit leiſe angehaltnen<lb/>
Finger auf dem Ende des erſten Fuͤnftels und ſtreicht in der Mitte<lb/>
deſſelben, ſo fallen alle farbigen Papiere ſogleich herab, waͤhrend<lb/>
die weißen ganz ruhig liegen bleiben. Es zeigt ſich alſo, daß obgleich<lb/>
nur der Endpunct des erſten Fuͤnftels durch die leiſe Beruͤhrung<lb/>
ruhend erhalten wurde, nun auch die Endpuncte aller Fuͤnftel<lb/>
ruhend bleiben.</p><lb/><p>Wenn die Saite ſich ſo in mehrere Abtheilungen zerlegt, zwi-<lb/>ſchen denen unbewegte Puncte oder Schwingungsknoten liegen, ſo<lb/>ſind die Abtheilungen immer gleich, und nie begegnet es, daß z. B.<lb/>
nur ein einziger Schwingungsknoten am Ende des einen Drittels<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq"><hirendition="#b">I.</hi></hi>T</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[289/0311]
waͤhrend die Endpuncte jedes Theiles ruhen. Wenn man eine
nicht allzu lange Saite in ihrer Mitte mit einem Bogen ſtreicht,
ſo koͤmmt ſie gewoͤhnlich in ſolche Schwingungen, wie wir ſie bisher
angenommen haben; ſtreicht man ſie mehrmals und giebt ſie dann
nicht immer einen gleich tiefen Ton, ſo iſt das ein Zeichen, daß ſie
ſich dennoch in Theile zerlegt, und der tiefſte Ton iſt der Grundton,
derjenige, wobei ſie ungetheilt in Schwingungen geraͤth. Wenn ſie
dieſe Schwingung annimmt, ſo werden leichte Papierſtuͤckchen,
welche man uͤber ſie haͤngt, abgeworfen, ſie moͤgen ſich befinden,
wo ſie wollen; dagegen wenn man die Saite auf der Mitte leiſe mit
dem Finger beruͤhrt und in der Mitte der einen Haͤlfte ſtreicht, ſo
gerathen beide Haͤlften in entgegengeſetzte Schwingungen, die Saite
nimmt naͤmlich die Geſtalt adbec (Fig. 148.) an, Papierſtuͤck-
chen in der Naͤhe von b bleiben faſt ganz ruhig liegen, ſtatt daß die
bei d oder e aufliegenden abgeworfen werden. Ein ſolcher Schwin-
gungsknoten bei b, wie man ihn in dieſem Falle durch ein
ſanftes Beruͤhren mit dem Finger in der Mitte hervorbringt, ent-
ſteht zuweilen auch von ſelbſt, wenn man in d oder e ſtreicht, und
aͤhnliche Knoten kann man auf ein Drittel der Laͤnge, auf ein Vier-
tel der Laͤnge durch ein leichtes Daͤmpfen mit dem angehaltenen
Finger hervorbringen. Der merkwuͤrdige Verſuch, welcher zeigt,
daß dann die ganze Saite ſich in gleiche Theile eintheilt, laͤßt ſich
an jeder zwiſchen zwei feſten Stegen aufgezogenen Saite anſtellen.
Mißt man naͤmlich ihre ganze Laͤnge ab, beſtimmt ihre gleichen Ab-
theilungen, zum Beiſpiel alle Fuͤnftel und legt auf die Endpuncte
dieſer Abtheilungen weiße, dagegen in die Mitte jeder Abtheilung
farbige Papierchen auf die Saite, daͤmpft mit leiſe angehaltnen
Finger auf dem Ende des erſten Fuͤnftels und ſtreicht in der Mitte
deſſelben, ſo fallen alle farbigen Papiere ſogleich herab, waͤhrend
die weißen ganz ruhig liegen bleiben. Es zeigt ſich alſo, daß obgleich
nur der Endpunct des erſten Fuͤnftels durch die leiſe Beruͤhrung
ruhend erhalten wurde, nun auch die Endpuncte aller Fuͤnftel
ruhend bleiben.
Wenn die Saite ſich ſo in mehrere Abtheilungen zerlegt, zwi-
ſchen denen unbewegte Puncte oder Schwingungsknoten liegen, ſo
ſind die Abtheilungen immer gleich, und nie begegnet es, daß z. B.
nur ein einziger Schwingungsknoten am Ende des einen Drittels
I.T
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/311>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.