übrig, der ganz in die rechnende Acustik gehört, und daher nicht übergangen werden darf. Dieses ist die von den Musikern soge- nannte Temperatur, oder die Anordnung kleiner Abweichungen von den genauen Werthen der im Vorigen bestimmten Intervalle.
Wir haben bisher soviel als möglich immer uns an die Ver- hältnisse gehalten, die von dem ersten Grundtone C abgeleitet wa- ren, und haben die kleinen Abweichungen, die dann bei den Conso- nanzen andrer Töne statt fanden, nur obenhin bemerkt; diese Ab- weichungen verdienen aber doch genauer erwogen zu werden. Wenn man von C durch zwei ganze Töne zur großen Terze E fortschreitet, so schwingt E mal, während C einmal schwingt; ebenso sollte bei abermaligem Fortschreiten durch zwei ganze Töne von E bis Gis oder As, dies letztere Schwingungen mit einer Schwingung des E, also Schwingungen mit einer des C gleichzeitig vollenden, und wenn man von Gis oder As durch zwei ganze Töne bis c fort- schritte, so sollte c mit Gis 1, oder c mit E 1, oder c Schwingungen mit C 1, mit einer Schwingung des C gleichzeitig sein. Aber damit die Octave rein sei, muß c 2 Schwingungen = vollenden, während C eine vollendet, und es ist daher un- möglich drei reine große Terzen zu erhalten, ohne am Ende derselben die Octave um zu verfehlen. Ebenso würden vier kleine Terzen, wenn sie ganz rein sein, nämlich immer im Verhältniß der Schwingungszahl fortgehen sollten, am Ende zu keiner reinen Oc- tave führen; nämlich nach der kleinen Terze müßte sein C Es Fis oder Ges A c 1 und das so bestimmte c weicht um vom richtigen, der Octave gemäßen c ab, das heißt, das als reine Octave eingestimmte c würde 2 Schwingungen machen während das nach dem Fortgange von 4 reinen kleinen Terzen eingestimmte c Schwingung machte, oder jenes 1250 Schwingungen während dieses 1296, jenes 625 während dieses 648. Die aus vier kleinen Terzen zu- sammengesetzte Octave ist also um so viel als angiebt zu hoch, so wie die aus drei großen Terzen zusammengesetzte Octave zu tief war. Jene Abweichung heißt die größere Diesis, diese die kleinere Diesis.
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uͤbrig, der ganz in die rechnende Acuſtik gehoͤrt, und daher nicht uͤbergangen werden darf. Dieſes iſt die von den Muſikern ſoge- nannte Temperatur, oder die Anordnung kleiner Abweichungen von den genauen Werthen der im Vorigen beſtimmten Intervalle.
Wir haben bisher ſoviel als moͤglich immer uns an die Ver- haͤltniſſe gehalten, die von dem erſten Grundtone C abgeleitet wa- ren, und haben die kleinen Abweichungen, die dann bei den Conſo- nanzen andrer Toͤne ſtatt fanden, nur obenhin bemerkt; dieſe Ab- weichungen verdienen aber doch genauer erwogen zu werden. Wenn man von C durch zwei ganze Toͤne zur großen Terze E fortſchreitet, ſo ſchwingt E mal, waͤhrend C einmal ſchwingt; ebenſo ſollte bei abermaligem Fortſchreiten durch zwei ganze Toͤne von E bis Gis oder As, dies letztere Schwingungen mit einer Schwingung des E, alſo Schwingungen mit einer des C gleichzeitig vollenden, und wenn man von Gis oder As durch zwei ganze Toͤne bis c fort- ſchritte, ſo ſollte c mit Gis 1, oder c mit E 1, oder c Schwingungen mit C 1, mit einer Schwingung des C gleichzeitig ſein. Aber damit die Octave rein ſei, muß c 2 Schwingungen = vollenden, waͤhrend C eine vollendet, und es iſt daher un- moͤglich drei reine große Terzen zu erhalten, ohne am Ende derſelben die Octave um zu verfehlen. Ebenſo wuͤrden vier kleine Terzen, wenn ſie ganz rein ſein, naͤmlich immer im Verhaͤltniß der Schwingungszahl fortgehen ſollten, am Ende zu keiner reinen Oc- tave fuͤhren; naͤmlich nach der kleinen Terze muͤßte ſein C Es Fis oder Ges A c 1 und das ſo beſtimmte c weicht um vom richtigen, der Octave gemaͤßen c ab, das heißt, das als reine Octave eingeſtimmte c wuͤrde 2 Schwingungen machen waͤhrend das nach dem Fortgange von 4 reinen kleinen Terzen eingeſtimmte c Schwingung machte, oder jenes 1250 Schwingungen waͤhrend dieſes 1296, jenes 625 waͤhrend dieſes 648. Die aus vier kleinen Terzen zu- ſammengeſetzte Octave iſt alſo um ſo viel als angiebt zu hoch, ſo wie die aus drei großen Terzen zuſammengeſetzte Octave zu tief war. Jene Abweichung heißt die groͤßere Dieſis, dieſe die kleinere Dieſis.
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uͤbrig, der ganz in die rechnende Acuſtik gehoͤrt, und daher nicht
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Wir haben bisher ſoviel als moͤglich immer uns an die Ver-
haͤltniſſe gehalten, die von dem erſten Grundtone C abgeleitet
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ren, und haben die kleinen Abweichungen, die dann bei den Conſo-
nanzen andrer Toͤne ſtatt fanden, nur obenhin bemerkt; dieſe Ab-
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man von C durch zwei ganze Toͤne zur großen Terze
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machte, oder jenes 1250 Schwingungen waͤhrend dieſes 1296,
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/329>, abgerufen am 16.07.2024.
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