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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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ziemlich nahe das fünf gestrichne c angeben. Man kann daher durch
Hülfe der Längentöne diejenigen Töne vergleichen und ihre Schwin-
gungszeiten bestimmen, die für Vergleichung mit den musicalisch
anwendbaren Tönen zu hoch sind.

Diese große Schnelligkeit der Fortpflanzung des Schalles durch
feste Körper hat man auch durch andre Versuche dargethan. Biot
beobachtete an einer 2800 Fuß langen Röhrenleitung, daß man den
am einen Ende angegebenen Laut doppelt hörte, und daß der durch
die Masse der Röhre fortgepflanzte Schall dem durch die Luft fort-
gepflanzten so voreilte, daß jener nur etwa 1/4 Secunde konnte ge-
braucht haben; darnach müßte die Geschwindigkeit der Fortpflanzung
durch die Masse der Röhre ungefehr 11000 Fuß in 1 Secunde be-
tragen, was mit Chladni's Bestimmungen so nahe übereintrifft,
als Biot's oberflächlicher Versuch gestattet.

Mit dieser schnelleren Fortpflanzung bei so großer Dichtigkeit
hängt auch die minder geschwächte Fortpflanzung des Schalles in
festen Körpern zusammen. Wenn man an eine ziemlich entfernt
liegende Taschen-Uhr einen langen Stab von Holz oder Metall hält
und das andre Ende des Stabes an das Ohr bringt, so hört man
den Schlag der Unruhe viel lauter mit Hülfe des Stabes; bildet
man zwei einander berührende Stäbe zu einem Winkel und läßt den
einen die Uhr berühren, so glaubt man den Schall, nachdem er
beide Stäbe durchlaufen hat, nach der Richtung des letzten Stabes
zu hören. -- Eben darauf beruht die Erfahrung, daß man das
Getöse herankommender Menschen und Pferde besser hört, wenn
man das Ohr an die Erde legt, wenigstens bei Nacht, wo kein
andres Geräusch hindert.

Eben diese schnelle und weniger geschwächte Fortpflanzung des
Schalles findet auch durch das Wasser statt. Nach Beudant's,
freilich etwas unvollkommenen Versuchen beträgt die Geschwindigkeit
des Schalles im Wasser gegen 4500 Fuß; aber vollständigere und
in mehrern Hinsichten belehrende Versuche haben Colladon und
Sturm auf dem Genfer-See angestellt. Sie bedienten sich
einer im Wasser hängenden Glocke, die durch einen unter Wasser
befindlichen, aber oberhalb des Wassers bequem zu regieren-
den Hebel angeschlagen wurde, und eines Hörrohrs, das in das
Wasser hinein reichte. Bei diesen Versuchen fand sich nämlich der

ziemlich nahe das fuͤnf geſtrichne c angeben. Man kann daher durch
Huͤlfe der Laͤngentoͤne diejenigen Toͤne vergleichen und ihre Schwin-
gungszeiten beſtimmen, die fuͤr Vergleichung mit den muſicaliſch
anwendbaren Toͤnen zu hoch ſind.

Dieſe große Schnelligkeit der Fortpflanzung des Schalles durch
feſte Koͤrper hat man auch durch andre Verſuche dargethan. Biot
beobachtete an einer 2800 Fuß langen Roͤhrenleitung, daß man den
am einen Ende angegebenen Laut doppelt hoͤrte, und daß der durch
die Maſſe der Roͤhre fortgepflanzte Schall dem durch die Luft fort-
gepflanzten ſo voreilte, daß jener nur etwa ¼ Secunde konnte ge-
braucht haben; darnach muͤßte die Geſchwindigkeit der Fortpflanzung
durch die Maſſe der Roͤhre ungefehr 11000 Fuß in 1 Secunde be-
tragen, was mit Chladni's Beſtimmungen ſo nahe uͤbereintrifft,
als Biot's oberflaͤchlicher Verſuch geſtattet.

Mit dieſer ſchnelleren Fortpflanzung bei ſo großer Dichtigkeit
haͤngt auch die minder geſchwaͤchte Fortpflanzung des Schalles in
feſten Koͤrpern zuſammen. Wenn man an eine ziemlich entfernt
liegende Taſchen-Uhr einen langen Stab von Holz oder Metall haͤlt
und das andre Ende des Stabes an das Ohr bringt, ſo hoͤrt man
den Schlag der Unruhe viel lauter mit Huͤlfe des Stabes; bildet
man zwei einander beruͤhrende Staͤbe zu einem Winkel und laͤßt den
einen die Uhr beruͤhren, ſo glaubt man den Schall, nachdem er
beide Staͤbe durchlaufen hat, nach der Richtung des letzten Stabes
zu hoͤren. — Eben darauf beruht die Erfahrung, daß man das
Getoͤſe herankommender Menſchen und Pferde beſſer hoͤrt, wenn
man das Ohr an die Erde legt, wenigſtens bei Nacht, wo kein
andres Geraͤuſch hindert.

Eben dieſe ſchnelle und weniger geſchwaͤchte Fortpflanzung des
Schalles findet auch durch das Waſſer ſtatt. Nach Beudant's,
freilich etwas unvollkommenen Verſuchen betraͤgt die Geſchwindigkeit
des Schalles im Waſſer gegen 4500 Fuß; aber vollſtaͤndigere und
in mehrern Hinſichten belehrende Verſuche haben Colladon und
Sturm auf dem Genfer-See angeſtellt. Sie bedienten ſich
einer im Waſſer haͤngenden Glocke, die durch einen unter Waſſer
befindlichen, aber oberhalb des Waſſers bequem zu regieren-
den Hebel angeſchlagen wurde, und eines Hoͤrrohrs, das in das
Waſſer hinein reichte. Bei dieſen Verſuchen fand ſich naͤmlich der

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[345/0367] ziemlich nahe das fuͤnf geſtrichne c angeben. Man kann daher durch Huͤlfe der Laͤngentoͤne diejenigen Toͤne vergleichen und ihre Schwin- gungszeiten beſtimmen, die fuͤr Vergleichung mit den muſicaliſch anwendbaren Toͤnen zu hoch ſind. Dieſe große Schnelligkeit der Fortpflanzung des Schalles durch feſte Koͤrper hat man auch durch andre Verſuche dargethan. Biot beobachtete an einer 2800 Fuß langen Roͤhrenleitung, daß man den am einen Ende angegebenen Laut doppelt hoͤrte, und daß der durch die Maſſe der Roͤhre fortgepflanzte Schall dem durch die Luft fort- gepflanzten ſo voreilte, daß jener nur etwa ¼ Secunde konnte ge- braucht haben; darnach muͤßte die Geſchwindigkeit der Fortpflanzung durch die Maſſe der Roͤhre ungefehr 11000 Fuß in 1 Secunde be- tragen, was mit Chladni's Beſtimmungen ſo nahe uͤbereintrifft, als Biot's oberflaͤchlicher Verſuch geſtattet. Mit dieſer ſchnelleren Fortpflanzung bei ſo großer Dichtigkeit haͤngt auch die minder geſchwaͤchte Fortpflanzung des Schalles in feſten Koͤrpern zuſammen. Wenn man an eine ziemlich entfernt liegende Taſchen-Uhr einen langen Stab von Holz oder Metall haͤlt und das andre Ende des Stabes an das Ohr bringt, ſo hoͤrt man den Schlag der Unruhe viel lauter mit Huͤlfe des Stabes; bildet man zwei einander beruͤhrende Staͤbe zu einem Winkel und laͤßt den einen die Uhr beruͤhren, ſo glaubt man den Schall, nachdem er beide Staͤbe durchlaufen hat, nach der Richtung des letzten Stabes zu hoͤren. — Eben darauf beruht die Erfahrung, daß man das Getoͤſe herankommender Menſchen und Pferde beſſer hoͤrt, wenn man das Ohr an die Erde legt, wenigſtens bei Nacht, wo kein andres Geraͤuſch hindert. Eben dieſe ſchnelle und weniger geſchwaͤchte Fortpflanzung des Schalles findet auch durch das Waſſer ſtatt. Nach Beudant's, freilich etwas unvollkommenen Verſuchen betraͤgt die Geſchwindigkeit des Schalles im Waſſer gegen 4500 Fuß; aber vollſtaͤndigere und in mehrern Hinſichten belehrende Verſuche haben Colladon und Sturm auf dem Genfer-See angeſtellt. Sie bedienten ſich einer im Waſſer haͤngenden Glocke, die durch einen unter Waſſer befindlichen, aber oberhalb des Waſſers bequem zu regieren- den Hebel angeſchlagen wurde, und eines Hoͤrrohrs, das in das Waſſer hinein reichte. Bei dieſen Verſuchen fand ſich naͤmlich der

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/367>, abgerufen am 16.05.2024.