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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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mäßigen Tropfen Wasser fallen und lege nun das Prisma wieder
auf, so sieht das Auge A an den benetzten Stellen die untenlie-
gende Schrift, und die schöne Spiegelfläche, die in den unbenetz-
ten Stellen sich noch ebenso zeigt, erscheint an den benetzten Stel-
len durchlöchert. Der Grund ist nicht schwer einzusehen. Wenn
der von Q ausgehende Strahl sogleich bei Q in Wasser eintritt, und
aus dem Wasser bei d in Glas übergeht, so wird er nur wenig
gebrochen und gelangt daher nicht nach a, sondern nach A, das
Auge A sieht die in Q aufgezeichneten Buchstaben; dagegen sieht
es nun die Gegenstände bei H schlecht gespiegelt, indem der von H
kommende Lichtstrahl HG bei G in das Wasser eindringend her-
vorgeht, da die Brechung beim Uebergange in Wasser nur fordert,
daß der Sinus des Winkels nach der Brechung vom Sinus des
Winkels vor der Brechung sei, was den Strahl zwar nahe an GE
bringt, aber doch zeigt, daß er allerdings in das Wasser eindringt,
also nicht zurückgeworfen wird.

Und um diesen Versuch nun ganz zu benutzen, muß ich noch
zweierlei beifügen. Erstlich, nachdem der Wassertropfen angebracht
und dadurch die unten liegende Schrift dem Auge A sichtbar gewor-
den ist, geben Sie dem Auge eine noch niedrigere Stellung, so
tritt die vollkommene Spiegelung und das Unsichtbarwerden jener
Schrift abermals ein, aus dem sehr begreiflichen Grunde, weil
bei sehr weit vom Perpendikel abweichenden Richtungen des Licht-
strahls selbst die Vergrößerung des Sinus von 1 auf nicht mehr
statt findet. Zweitens, wenn man neben einander, aber getrennt,
einen Wassertropfen und einen Tropfen Terpentin-Oel anbringt,
so muß man das Auge noch viel tiefer als für den Wassertropfen
herabbringen, damit das abermalige Verschwinden der Buchstaben
bei Q für den Tropfen Oel eintrete, ja es kann das Prisma von
einer Glas-Art sein, wo dies zweite Verschwinden beinahe gar nicht
mehr in der Gegend, wo sich das Terpentin-Oel befindet, hervor-
zubringen ist. Diese Flüssigkeit steht nämlich dem Glase in Rück-
sicht auf die Brechung viel näher als das Wasser, und der von
Q im Terpentin-Oel kommende Strahl geht daher beinahe durch-
aus ungebrochen in das Glas hinein, so daß auch in sehr nie-
drigen Stellungen dennoch das Auge diese Lichtstrahlen empfängt.


H 2

maͤßigen Tropfen Waſſer fallen und lege nun das Prisma wieder
auf, ſo ſieht das Auge A an den benetzten Stellen die untenlie-
gende Schrift, und die ſchoͤne Spiegelflaͤche, die in den unbenetz-
ten Stellen ſich noch ebenſo zeigt, erſcheint an den benetzten Stel-
len durchloͤchert. Der Grund iſt nicht ſchwer einzuſehen. Wenn
der von Q ausgehende Strahl ſogleich bei Q in Waſſer eintritt, und
aus dem Waſſer bei d in Glas uͤbergeht, ſo wird er nur wenig
gebrochen und gelangt daher nicht nach a, ſondern nach A, das
Auge A ſieht die in Q aufgezeichneten Buchſtaben; dagegen ſieht
es nun die Gegenſtaͤnde bei H ſchlecht geſpiegelt, indem der von H
kommende Lichtſtrahl HG bei G in das Waſſer eindringend her-
vorgeht, da die Brechung beim Uebergange in Waſſer nur fordert,
daß der Sinus des Winkels nach der Brechung vom Sinus des
Winkels vor der Brechung ſei, was den Strahl zwar nahe an GE
bringt, aber doch zeigt, daß er allerdings in das Waſſer eindringt,
alſo nicht zuruͤckgeworfen wird.

Und um dieſen Verſuch nun ganz zu benutzen, muß ich noch
zweierlei beifuͤgen. Erſtlich, nachdem der Waſſertropfen angebracht
und dadurch die unten liegende Schrift dem Auge A ſichtbar gewor-
den iſt, geben Sie dem Auge eine noch niedrigere Stellung, ſo
tritt die vollkommene Spiegelung und das Unſichtbarwerden jener
Schrift abermals ein, aus dem ſehr begreiflichen Grunde, weil
bei ſehr weit vom Perpendikel abweichenden Richtungen des Licht-
ſtrahls ſelbſt die Vergroͤßerung des Sinus von 1 auf nicht mehr
ſtatt findet. Zweitens, wenn man neben einander, aber getrennt,
einen Waſſertropfen und einen Tropfen Terpentin-Oel anbringt,
ſo muß man das Auge noch viel tiefer als fuͤr den Waſſertropfen
herabbringen, damit das abermalige Verſchwinden der Buchſtaben
bei Q fuͤr den Tropfen Oel eintrete, ja es kann das Prisma von
einer Glas-Art ſein, wo dies zweite Verſchwinden beinahe gar nicht
mehr in der Gegend, wo ſich das Terpentin-Oel befindet, hervor-
zubringen iſt. Dieſe Fluͤſſigkeit ſteht naͤmlich dem Glaſe in Ruͤck-
ſicht auf die Brechung viel naͤher als das Waſſer, und der von
Q im Terpentin-Oel kommende Strahl geht daher beinahe durch-
aus ungebrochen in das Glas hinein, ſo daß auch in ſehr nie-
drigen Stellungen dennoch das Auge dieſe Lichtſtrahlen empfaͤngt.


H 2
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[115/0129] maͤßigen Tropfen Waſſer fallen und lege nun das Prisma wieder auf, ſo ſieht das Auge A an den benetzten Stellen die untenlie- gende Schrift, und die ſchoͤne Spiegelflaͤche, die in den unbenetz- ten Stellen ſich noch ebenſo zeigt, erſcheint an den benetzten Stel- len durchloͤchert. Der Grund iſt nicht ſchwer einzuſehen. Wenn der von Q ausgehende Strahl ſogleich bei Q in Waſſer eintritt, und aus dem Waſſer bei d in Glas uͤbergeht, ſo wird er nur wenig gebrochen und gelangt daher nicht nach a, ſondern nach A, das Auge A ſieht die in Q aufgezeichneten Buchſtaben; dagegen ſieht es nun die Gegenſtaͤnde bei H ſchlecht geſpiegelt, indem der von H kommende Lichtſtrahl HG bei G in das Waſſer eindringend her- vorgeht, da die Brechung beim Uebergange in Waſſer nur fordert, daß der Sinus des Winkels nach der Brechung [FORMEL] vom Sinus des Winkels vor der Brechung ſei, was den Strahl zwar nahe an GE bringt, aber doch zeigt, daß er allerdings in das Waſſer eindringt, alſo nicht zuruͤckgeworfen wird. Und um dieſen Verſuch nun ganz zu benutzen, muß ich noch zweierlei beifuͤgen. Erſtlich, nachdem der Waſſertropfen angebracht und dadurch die unten liegende Schrift dem Auge A ſichtbar gewor- den iſt, geben Sie dem Auge eine noch niedrigere Stellung, ſo tritt die vollkommene Spiegelung und das Unſichtbarwerden jener Schrift abermals ein, aus dem ſehr begreiflichen Grunde, weil bei ſehr weit vom Perpendikel abweichenden Richtungen des Licht- ſtrahls ſelbſt die Vergroͤßerung des Sinus von 1 auf [FORMEL] nicht mehr ſtatt findet. Zweitens, wenn man neben einander, aber getrennt, einen Waſſertropfen und einen Tropfen Terpentin-Oel anbringt, ſo muß man das Auge noch viel tiefer als fuͤr den Waſſertropfen herabbringen, damit das abermalige Verſchwinden der Buchſtaben bei Q fuͤr den Tropfen Oel eintrete, ja es kann das Prisma von einer Glas-Art ſein, wo dies zweite Verſchwinden beinahe gar nicht mehr in der Gegend, wo ſich das Terpentin-Oel befindet, hervor- zubringen iſt. Dieſe Fluͤſſigkeit ſteht naͤmlich dem Glaſe in Ruͤck- ſicht auf die Brechung viel naͤher als das Waſſer, und der von Q im Terpentin-Oel kommende Strahl geht daher beinahe durch- aus ungebrochen in das Glas hinein, ſo daß auch in ſehr nie- drigen Stellungen dennoch das Auge dieſe Lichtſtrahlen empfaͤngt. H 2

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/129>, abgerufen am 18.12.2024.