Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Durchmesser nach, eine 90000 malige Vergrößerung der Fläche
nach.

Da das stark vergrößerte Bild nur dann mit Vortheil ange-
wandt werden kann, wenn es noch Lichtstärke genug besitzt, so wen-
det man gern alle Hülfsmittel zu Vermehrung der Beleuchtung an,
und läßt daher durch einen an der andern Seite des Gegenstandes
angebrachten Spiegel das Licht auf diesen zurückwerfen, und durch
ein seitwärts stehendes Sammelglas die vereinigten Strahlen heller
Wolken den Gegenstand treffen.

Die Stärke der Vergrößerung kann man aus den gegebenen
Halbmessern der Gläser oder aus der beobachteten Brennweite der-
selben berechnen; aber da sehr kleine Brennweiten sich nicht ohne
Schwierigkeit mit der Genauigkeit bestimmen lassen, die man zu
erhalten wünschen müßte, so bedient man sich auch andrer practi-
scher Mittel, um die Vergrößerung kennen zu lernen. Für den,
der mit beiden Augen recht gut sieht, ist folgendes Mittel das ein-
fachste und für viele Zwecke hinreichend genau. Man bringt eine
sehr feine Theilung, wo zum Beispiel der Zoll in tausend Theile
getheilt ist, unter das Microscop, und indem man das stark ver-
größerte Bild dieses Gegenstandes vor dem durch das Microscop
blickenden Auge schweben sieht, öffnet man das andre Auge, um
in der Richtung, wo jenes Bild erscheint, einen Maaßstab von
großen Eintheilungen zu betrachten, oder zwei verschiebbare Paral-
lellinien so zu stellen, daß sie 10 oder 20 jener im vergrößerten
Bilde sichtbaren Eintheilungen zwischen sich fassen; befinden sich
diese Parallellinien in der gewöhnlichen Seheweite, und erschei-
nen 20 Tausendtel des Zolles hier gleich 4 Zollen, so ist die
Vergrößerung 200 fach. Indeß fordert dieses Verfahren nicht
bloß zwei gute Augen, sondern auch Uebung im Vergleichen
der beiden, im Microscop und frei, gesehenen Gegenstände, und
kann nur bei sehr großer Uebung einen hinreichenden Grad von Ge-
nauigkeit erreichen. Weit mehr findet diese statt, wenn man mit
eben demselben Auge das Bild im Microscope mit dem frei gesehe-
nen Gegenstande vergleichen kann, wie von Jacquins sehr an-
gemessene Anordnung des Instrumentes es möglich macht. Wenn
man, statt das Auge selbst in die gewöhnliche Stellung vor dem
Ocular zu bringen, an dem Platze des Auges einen schief gestellten

Durchmeſſer nach, eine 90000 malige Vergroͤßerung der Flaͤche
nach.

Da das ſtark vergroͤßerte Bild nur dann mit Vortheil ange-
wandt werden kann, wenn es noch Lichtſtaͤrke genug beſitzt, ſo wen-
det man gern alle Huͤlfsmittel zu Vermehrung der Beleuchtung an,
und laͤßt daher durch einen an der andern Seite des Gegenſtandes
angebrachten Spiegel das Licht auf dieſen zuruͤckwerfen, und durch
ein ſeitwaͤrts ſtehendes Sammelglas die vereinigten Strahlen heller
Wolken den Gegenſtand treffen.

Die Staͤrke der Vergroͤßerung kann man aus den gegebenen
Halbmeſſern der Glaͤſer oder aus der beobachteten Brennweite der-
ſelben berechnen; aber da ſehr kleine Brennweiten ſich nicht ohne
Schwierigkeit mit der Genauigkeit beſtimmen laſſen, die man zu
erhalten wuͤnſchen muͤßte, ſo bedient man ſich auch andrer practi-
ſcher Mittel, um die Vergroͤßerung kennen zu lernen. Fuͤr den,
der mit beiden Augen recht gut ſieht, iſt folgendes Mittel das ein-
fachſte und fuͤr viele Zwecke hinreichend genau. Man bringt eine
ſehr feine Theilung, wo zum Beiſpiel der Zoll in tauſend Theile
getheilt iſt, unter das Microſcop, und indem man das ſtark ver-
groͤßerte Bild dieſes Gegenſtandes vor dem durch das Microſcop
blickenden Auge ſchweben ſieht, oͤffnet man das andre Auge, um
in der Richtung, wo jenes Bild erſcheint, einen Maaßſtab von
großen Eintheilungen zu betrachten, oder zwei verſchiebbare Paral-
lellinien ſo zu ſtellen, daß ſie 10 oder 20 jener im vergroͤßerten
Bilde ſichtbaren Eintheilungen zwiſchen ſich faſſen; befinden ſich
dieſe Parallellinien in der gewoͤhnlichen Seheweite, und erſchei-
nen 20 Tauſendtel des Zolles hier gleich 4 Zollen, ſo iſt die
Vergroͤßerung 200 fach. Indeß fordert dieſes Verfahren nicht
bloß zwei gute Augen, ſondern auch Uebung im Vergleichen
der beiden, im Microſcop und frei, geſehenen Gegenſtaͤnde, und
kann nur bei ſehr großer Uebung einen hinreichenden Grad von Ge-
nauigkeit erreichen. Weit mehr findet dieſe ſtatt, wenn man mit
eben demſelben Auge das Bild im Microſcope mit dem frei geſehe-
nen Gegenſtande vergleichen kann, wie von Jacquins ſehr an-
gemeſſene Anordnung des Inſtrumentes es moͤglich macht. Wenn
man, ſtatt das Auge ſelbſt in die gewoͤhnliche Stellung vor dem
Ocular zu bringen, an dem Platze des Auges einen ſchief geſtellten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="138"/>
Durchme&#x017F;&#x017F;er nach, eine 90000                         malige Vergro&#x0364;ßerung der Fla&#x0364;che<lb/>
nach.</p><lb/>
          <p>Da das &#x017F;tark vergro&#x0364;ßerte Bild nur dann mit Vortheil                         ange-<lb/>
wandt werden kann, wenn es noch Licht&#x017F;ta&#x0364;rke                         genug be&#x017F;itzt, &#x017F;o wen-<lb/>
det man gern alle                         Hu&#x0364;lfsmittel zu Vermehrung der Beleuchtung an,<lb/>
und                         la&#x0364;ßt daher durch einen an der andern Seite des                         Gegen&#x017F;tandes<lb/>
angebrachten Spiegel das Licht auf                         die&#x017F;en zuru&#x0364;ckwerfen, und durch<lb/>
ein                         &#x017F;eitwa&#x0364;rts &#x017F;tehendes Sammelglas die                         vereinigten Strahlen heller<lb/>
Wolken den Gegen&#x017F;tand                         treffen.</p><lb/>
          <p>Die Sta&#x0364;rke der Vergro&#x0364;ßerung kann man aus den                         gegebenen<lb/>
Halbme&#x017F;&#x017F;ern der                         Gla&#x0364;&#x017F;er oder aus der beobachteten Brennweite                         der-<lb/>
&#x017F;elben berechnen; aber da &#x017F;ehr kleine                         Brennweiten &#x017F;ich nicht ohne<lb/>
Schwierigkeit mit der Genauigkeit                         be&#x017F;timmen la&#x017F;&#x017F;en, die man zu<lb/>
erhalten                         wu&#x0364;n&#x017F;chen mu&#x0364;ßte, &#x017F;o bedient man                         &#x017F;ich auch andrer practi-<lb/>
&#x017F;cher Mittel, um die                         Vergro&#x0364;ßerung kennen zu lernen. Fu&#x0364;r den,<lb/>
der mit                         beiden Augen recht gut &#x017F;ieht, i&#x017F;t folgendes Mittel das                         ein-<lb/>
fach&#x017F;te und fu&#x0364;r viele Zwecke hinreichend                         genau. Man bringt eine<lb/>
&#x017F;ehr feine Theilung, wo zum                         Bei&#x017F;piel der Zoll in tau&#x017F;end Theile<lb/>
getheilt                         i&#x017F;t, unter das Micro&#x017F;cop, und indem man das                         &#x017F;tark ver-<lb/>
gro&#x0364;ßerte Bild die&#x017F;es                         Gegen&#x017F;tandes vor dem durch das                         Micro&#x017F;cop<lb/>
blickenden Auge &#x017F;chweben                         &#x017F;ieht, o&#x0364;ffnet man das andre Auge, um<lb/>
in der                         Richtung, wo jenes Bild er&#x017F;cheint, einen Maaß&#x017F;tab                         von<lb/>
großen Eintheilungen zu betrachten, oder zwei                         ver&#x017F;chiebbare Paral-<lb/>
lellinien &#x017F;o zu                         &#x017F;tellen, daß &#x017F;ie 10 oder 20 jener im                         vergro&#x0364;ßerten<lb/>
Bilde &#x017F;ichtbaren Eintheilungen                         zwi&#x017F;chen &#x017F;ich fa&#x017F;&#x017F;en; befinden                         &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;e Parallellinien in der                         gewo&#x0364;hnlichen Seheweite, und er&#x017F;chei-<lb/>
nen 20                         Tau&#x017F;endtel des Zolles hier gleich 4 Zollen, &#x017F;o                         i&#x017F;t die<lb/>
Vergro&#x0364;ßerung 200 fach. Indeß fordert                         die&#x017F;es Verfahren nicht<lb/>
bloß zwei gute Augen,                         &#x017F;ondern auch Uebung im Vergleichen<lb/>
der beiden, im                         Micro&#x017F;cop und frei, ge&#x017F;ehenen                         Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, und<lb/>
kann nur bei &#x017F;ehr                         großer Uebung einen hinreichenden Grad von Ge-<lb/>
nauigkeit erreichen. Weit                         mehr findet die&#x017F;e &#x017F;tatt, wenn man mit<lb/>
eben                         dem&#x017F;elben Auge das Bild im Micro&#x017F;cope mit dem frei                         ge&#x017F;ehe-<lb/>
nen Gegen&#x017F;tande vergleichen kann, wie <hi rendition="#g">von Jacquins</hi> &#x017F;ehr                         an-<lb/>
geme&#x017F;&#x017F;ene Anordnung des                         In&#x017F;trumentes es mo&#x0364;glich macht. Wenn<lb/>
man,                         &#x017F;tatt das Auge &#x017F;elb&#x017F;t in die                         gewo&#x0364;hnliche Stellung vor dem<lb/>
Ocular zu bringen, an dem                         Platze des Auges einen &#x017F;chief ge&#x017F;tellten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0152] Durchmeſſer nach, eine 90000 malige Vergroͤßerung der Flaͤche nach. Da das ſtark vergroͤßerte Bild nur dann mit Vortheil ange- wandt werden kann, wenn es noch Lichtſtaͤrke genug beſitzt, ſo wen- det man gern alle Huͤlfsmittel zu Vermehrung der Beleuchtung an, und laͤßt daher durch einen an der andern Seite des Gegenſtandes angebrachten Spiegel das Licht auf dieſen zuruͤckwerfen, und durch ein ſeitwaͤrts ſtehendes Sammelglas die vereinigten Strahlen heller Wolken den Gegenſtand treffen. Die Staͤrke der Vergroͤßerung kann man aus den gegebenen Halbmeſſern der Glaͤſer oder aus der beobachteten Brennweite der- ſelben berechnen; aber da ſehr kleine Brennweiten ſich nicht ohne Schwierigkeit mit der Genauigkeit beſtimmen laſſen, die man zu erhalten wuͤnſchen muͤßte, ſo bedient man ſich auch andrer practi- ſcher Mittel, um die Vergroͤßerung kennen zu lernen. Fuͤr den, der mit beiden Augen recht gut ſieht, iſt folgendes Mittel das ein- fachſte und fuͤr viele Zwecke hinreichend genau. Man bringt eine ſehr feine Theilung, wo zum Beiſpiel der Zoll in tauſend Theile getheilt iſt, unter das Microſcop, und indem man das ſtark ver- groͤßerte Bild dieſes Gegenſtandes vor dem durch das Microſcop blickenden Auge ſchweben ſieht, oͤffnet man das andre Auge, um in der Richtung, wo jenes Bild erſcheint, einen Maaßſtab von großen Eintheilungen zu betrachten, oder zwei verſchiebbare Paral- lellinien ſo zu ſtellen, daß ſie 10 oder 20 jener im vergroͤßerten Bilde ſichtbaren Eintheilungen zwiſchen ſich faſſen; befinden ſich dieſe Parallellinien in der gewoͤhnlichen Seheweite, und erſchei- nen 20 Tauſendtel des Zolles hier gleich 4 Zollen, ſo iſt die Vergroͤßerung 200 fach. Indeß fordert dieſes Verfahren nicht bloß zwei gute Augen, ſondern auch Uebung im Vergleichen der beiden, im Microſcop und frei, geſehenen Gegenſtaͤnde, und kann nur bei ſehr großer Uebung einen hinreichenden Grad von Ge- nauigkeit erreichen. Weit mehr findet dieſe ſtatt, wenn man mit eben demſelben Auge das Bild im Microſcope mit dem frei geſehe- nen Gegenſtande vergleichen kann, wie von Jacquins ſehr an- gemeſſene Anordnung des Inſtrumentes es moͤglich macht. Wenn man, ſtatt das Auge ſelbſt in die gewoͤhnliche Stellung vor dem Ocular zu bringen, an dem Platze des Auges einen ſchief geſtellten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/152
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/152>, abgerufen am 21.11.2024.