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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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Man bedient sich aber noch einer zweiten, wesentlich verschiedenen
Art von Micrometern, wo zwei Bilder hervorgebracht und beob-
achtet werden; diese sind unter dem Namen Heliometer,
Sonnenmesser, bekannt. Um ihre Einrichtung zu verstehen, muß
ich Sie zuerst auf einen Umstand aufmerksam machen, dessen Rich-
tigkeit Sie aus dem Vorigen vollkommen übersehen werden, und
den Sie auch leicht durch einen Versuch prüfen können. Wenn
Sie ein convexes Linsenglas aufstellen, um das Bild eines Gegen-
standes hinter demselben aufzufangen, so können Sie die Hälfte
des Glases bedecken, ohne daß das Bild dadurch in seiner Gestalt
und Genauigkeit leidet, sondern es wird nur merklich lichtschwächer;
die Strahlen von der bedeckten Hälfte des Glases hätten zwar neue
Strahlen zu Erleuchtung der einzelnen Puncte des Bildes hinzu
gelangen lassen, aber die Form und Größe des Bildes hätten sie
nicht anders bestimmt. Es läßt sich also mit jeder Hälfte eines in
zwei Hälften zerschnittenen Objectives ein Bild eines Gegenstandes
hervorbringen, und die Bilder, die durch beide genau gleiche Hälf-
ten hervorgebracht werden, sind, wenn beide Hälften getrennt sind,
genau gleich. Stellen Sie sich nun am Ende eines gewöhnlichen
Fernrohres die eine Hälfte des Objectivs fest eingesetzt, die andre
aber auf die Art beweglich vor, daß sie mit Hülfe einer Schraube
in der Richtung der Theilungslinie fortgeschoben werden kann, daß
also die bewegliche Hälfte DE (Fig. 79.) ungefähr in einer solchen
Stellung, wie die Figur zeigt, gegen die feststehende Hälfte AB
sich befindet. Die feststehende Hälfte wird das Bild eines nahe an
der Axe des Fernrohrs stehenden Gegenstandes immer in F zeigen;
das durch die andre Hälfte hervorgebrachte Bild f dagegen wird

brennen, wenn man das Fernrohr auf die Sonne richtet, da sie doch
der ganzen Hitze des Brennpunctes ausgesetzt sind. Ich habe mir diese
Frage sogleich dadurch beantwortet, daß ein so feiner, zugleich viel Licht
reflectirender Faden nicht genug erhitzt werde, und habe deshalb mit
feinen Zwirnfäden und Seidenfäden, die doch schon ungemein dick gegen
jene Spinnewebenfäden sind, Versuche im Brennpuncte einer 5 zolli-
gen Linse angestellt. Ein schwarzer Faden verbrannte sogleich, ein ro-
ther Seidenfaden auch, ein feiner weißer Zwirnsfaden konnte aber schon
mit vieler Sicherheit in den Brennpunct gebracht werden, obgleich drei
oder vier Fäden zusammengedreht, auch wenn sie weiß waren, in Brand
geriethen.

Man bedient ſich aber noch einer zweiten, weſentlich verſchiedenen
Art von Micrometern, wo zwei Bilder hervorgebracht und beob-
achtet werden; dieſe ſind unter dem Namen Heliometer,
Sonnenmeſſer, bekannt. Um ihre Einrichtung zu verſtehen, muß
ich Sie zuerſt auf einen Umſtand aufmerkſam machen, deſſen Rich-
tigkeit Sie aus dem Vorigen vollkommen uͤberſehen werden, und
den Sie auch leicht durch einen Verſuch pruͤfen koͤnnen. Wenn
Sie ein convexes Linſenglas aufſtellen, um das Bild eines Gegen-
ſtandes hinter demſelben aufzufangen, ſo koͤnnen Sie die Haͤlfte
des Glaſes bedecken, ohne daß das Bild dadurch in ſeiner Geſtalt
und Genauigkeit leidet, ſondern es wird nur merklich lichtſchwaͤcher;
die Strahlen von der bedeckten Haͤlfte des Glaſes haͤtten zwar neue
Strahlen zu Erleuchtung der einzelnen Puncte des Bildes hinzu
gelangen laſſen, aber die Form und Groͤße des Bildes haͤtten ſie
nicht anders beſtimmt. Es laͤßt ſich alſo mit jeder Haͤlfte eines in
zwei Haͤlften zerſchnittenen Objectives ein Bild eines Gegenſtandes
hervorbringen, und die Bilder, die durch beide genau gleiche Haͤlf-
ten hervorgebracht werden, ſind, wenn beide Haͤlften getrennt ſind,
genau gleich. Stellen Sie ſich nun am Ende eines gewoͤhnlichen
Fernrohres die eine Haͤlfte des Objectivs feſt eingeſetzt, die andre
aber auf die Art beweglich vor, daß ſie mit Huͤlfe einer Schraube
in der Richtung der Theilungslinie fortgeſchoben werden kann, daß
alſo die bewegliche Haͤlfte DE (Fig. 79.) ungefaͤhr in einer ſolchen
Stellung, wie die Figur zeigt, gegen die feſtſtehende Haͤlfte AB
ſich befindet. Die feſtſtehende Haͤlfte wird das Bild eines nahe an
der Axe des Fernrohrs ſtehenden Gegenſtandes immer in F zeigen;
das durch die andre Haͤlfte hervorgebrachte Bild f dagegen wird

brennen, wenn man das Fernrohr auf die Sonne richtet, da ſie doch
der ganzen Hitze des Brennpunctes ausgeſetzt ſind. Ich habe mir dieſe
Frage ſogleich dadurch beantwortet, daß ein ſo feiner, zugleich viel Licht
reflectirender Faden nicht genug erhitzt werde, und habe deshalb mit
feinen Zwirnfaͤden und Seidenfaͤden, die doch ſchon ungemein dick gegen
jene Spinnewebenfaͤden ſind, Verſuche im Brennpuncte einer 5 zolli-
gen Linſe angeſtellt. Ein ſchwarzer Faden verbrannte ſogleich, ein ro-
ther Seidenfaden auch, ein feiner weißer Zwirnsfaden konnte aber ſchon
mit vieler Sicherheit in den Brennpunct gebracht werden, obgleich drei
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geriethen.
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[159/0173] Man bedient ſich aber noch einer zweiten, weſentlich verſchiedenen Art von Micrometern, wo zwei Bilder hervorgebracht und beob- achtet werden; dieſe ſind unter dem Namen Heliometer, Sonnenmeſſer, bekannt. Um ihre Einrichtung zu verſtehen, muß ich Sie zuerſt auf einen Umſtand aufmerkſam machen, deſſen Rich- tigkeit Sie aus dem Vorigen vollkommen uͤberſehen werden, und den Sie auch leicht durch einen Verſuch pruͤfen koͤnnen. Wenn Sie ein convexes Linſenglas aufſtellen, um das Bild eines Gegen- ſtandes hinter demſelben aufzufangen, ſo koͤnnen Sie die Haͤlfte des Glaſes bedecken, ohne daß das Bild dadurch in ſeiner Geſtalt und Genauigkeit leidet, ſondern es wird nur merklich lichtſchwaͤcher; die Strahlen von der bedeckten Haͤlfte des Glaſes haͤtten zwar neue Strahlen zu Erleuchtung der einzelnen Puncte des Bildes hinzu gelangen laſſen, aber die Form und Groͤße des Bildes haͤtten ſie nicht anders beſtimmt. Es laͤßt ſich alſo mit jeder Haͤlfte eines in zwei Haͤlften zerſchnittenen Objectives ein Bild eines Gegenſtandes hervorbringen, und die Bilder, die durch beide genau gleiche Haͤlf- ten hervorgebracht werden, ſind, wenn beide Haͤlften getrennt ſind, genau gleich. Stellen Sie ſich nun am Ende eines gewoͤhnlichen Fernrohres die eine Haͤlfte des Objectivs feſt eingeſetzt, die andre aber auf die Art beweglich vor, daß ſie mit Huͤlfe einer Schraube in der Richtung der Theilungslinie fortgeſchoben werden kann, daß alſo die bewegliche Haͤlfte DE (Fig. 79.) ungefaͤhr in einer ſolchen Stellung, wie die Figur zeigt, gegen die feſtſtehende Haͤlfte AB ſich befindet. Die feſtſtehende Haͤlfte wird das Bild eines nahe an der Axe des Fernrohrs ſtehenden Gegenſtandes immer in F zeigen; das durch die andre Haͤlfte hervorgebrachte Bild f dagegen wird *) *) brennen, wenn man das Fernrohr auf die Sonne richtet, da ſie doch der ganzen Hitze des Brennpunctes ausgeſetzt ſind. Ich habe mir dieſe Frage ſogleich dadurch beantwortet, daß ein ſo feiner, zugleich viel Licht reflectirender Faden nicht genug erhitzt werde, und habe deshalb mit feinen Zwirnfaͤden und Seidenfaͤden, die doch ſchon ungemein dick gegen jene Spinnewebenfaͤden ſind, Verſuche im Brennpuncte einer 5 zolli- gen Linſe angeſtellt. Ein ſchwarzer Faden verbrannte ſogleich, ein ro- ther Seidenfaden auch, ein feiner weißer Zwirnsfaden konnte aber ſchon mit vieler Sicherheit in den Brennpunct gebracht werden, obgleich drei oder vier Faͤden zuſammengedreht, auch wenn ſie weiß waren, in Brand geriethen.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/173>, abgerufen am 21.11.2024.