Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.Funfzehnte Vorlesung. Widerlegung eines Einwurfs gegen die Undulations- theorie. Die Undulationstheorie hat oft den sehr scheinbaren Vorwurf Diese Abweichung von den Gesetzen der Wellen ist indeß nur Funfzehnte Vorleſung. Widerlegung eines Einwurfs gegen die Undulations- theorie. Die Undulationstheorie hat oft den ſehr ſcheinbaren Vorwurf Dieſe Abweichung von den Geſetzen der Wellen iſt indeß nur <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0290" n="276"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Funfzehnte Vorleſung</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Widerlegung eines Einwurfs gegen die Undulations</hi>-<lb/><hi rendition="#g">theorie</hi>.</head><lb/> <p>Die Undulationstheorie hat oft den ſehr ſcheinbaren Vorwurf<lb/> erleiden muͤſſen, daß ſie fuͤr eines der einfachſten Phaͤnomene, fuͤr<lb/> die ſcharfe Begrenzung des Schattens, keine genuͤgende Erklaͤrung<lb/> gebe. In allen andern Faͤllen naͤmlich, ſagte man, wo wir Wellen<lb/> durch eine Oeffnung <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AB</hi></hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 112.</hi></hi>) gehen ſehen, bringen ſie keines-<lb/> wegs Wellen, die ſich genau durch die Linien <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AE, BF</hi></hi> begrenzen,<lb/> hervor, ſondern uͤber dieſe durch den Mittelpunct der Wellen und<lb/> die Grenze der Oeffnung gezogenen Linien hinaus erſtrecken ſich die<lb/> Wellen; bei den Lichtwellen hingegen ſcheint die ſtrenge Begren-<lb/> zung des Schattens ein voͤlliges Aufhoͤren der Lichtwellen an eben<lb/> jenen Linien, die hier die Schattengrenze des die Oeffnung ein-<lb/> ſchließenden Koͤrpers bezeichnen, anzudeuten.</p><lb/> <p>Dieſe Abweichung von den Geſetzen der Wellen iſt indeß nur<lb/> ſcheinbar, da eine zwar ſchwache, aber doch merkliche Licht- Erſchei-<lb/> nung auch uͤber die ſtrengen Grenzen des Schattens hinaus ſtatt<lb/> findet, und ſich Gruͤnde, warum dieſe nur ſchwach und nur wenig<lb/> uͤber die Schattengrenze hinaus, in den Erſcheinungen der <hi rendition="#g">Beu</hi>-<lb/><hi rendition="#g">gung oder Inflexion des Lichtes</hi>, ſichtbar iſt, angeben<lb/> laſſen. Was dieſen letzten Umſtand betrifft, ſo iſt es ſehr bekannt,<lb/> daß Waſſerwellen, die von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 117.</hi></hi>) ausgehend, die Oeffnung<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AB</hi></hi> erreichen, dort neue Wellen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">DEF</hi></hi> erregen, welche ſich von der<lb/> Oeffnung nach allen Seiten verbreiten und nicht ſo auffallend<lb/> ſtaͤrker bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">E</hi></hi> als bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">F</hi></hi> ſind; aber es iſt auch bekannt, daß<lb/> ſchon bei den Schallwellen, wo allerdings die Fortpflanzung nach<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">F</hi></hi> merklich iſt, doch der Schall in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">E</hi></hi> viel lebhafter, in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D,<lb/> F</hi></hi> ſchwaͤcher gehoͤrt wird. Dieſe Erfahrungen deuten darauf hin,<lb/> daß zwar jede Wellenbewegung die Eigenſchaft, ſich von der Oeff-<lb/> nung, als von einem Mittelpuncte, zu verbreiten, behaͤlt, daß aber<lb/> die Staͤrke der Erſchuͤtterung deſto ſchneller jenſeits der Linien <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AH,<lb/> BK,</hi></hi> abnimmt, je groͤßer die Fortpflanzungsbewegung der Wellen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0290]
Funfzehnte Vorleſung.
Widerlegung eines Einwurfs gegen die Undulations-
theorie.
Die Undulationstheorie hat oft den ſehr ſcheinbaren Vorwurf
erleiden muͤſſen, daß ſie fuͤr eines der einfachſten Phaͤnomene, fuͤr
die ſcharfe Begrenzung des Schattens, keine genuͤgende Erklaͤrung
gebe. In allen andern Faͤllen naͤmlich, ſagte man, wo wir Wellen
durch eine Oeffnung AB (Fig. 112.) gehen ſehen, bringen ſie keines-
wegs Wellen, die ſich genau durch die Linien AE, BF begrenzen,
hervor, ſondern uͤber dieſe durch den Mittelpunct der Wellen und
die Grenze der Oeffnung gezogenen Linien hinaus erſtrecken ſich die
Wellen; bei den Lichtwellen hingegen ſcheint die ſtrenge Begren-
zung des Schattens ein voͤlliges Aufhoͤren der Lichtwellen an eben
jenen Linien, die hier die Schattengrenze des die Oeffnung ein-
ſchließenden Koͤrpers bezeichnen, anzudeuten.
Dieſe Abweichung von den Geſetzen der Wellen iſt indeß nur
ſcheinbar, da eine zwar ſchwache, aber doch merkliche Licht- Erſchei-
nung auch uͤber die ſtrengen Grenzen des Schattens hinaus ſtatt
findet, und ſich Gruͤnde, warum dieſe nur ſchwach und nur wenig
uͤber die Schattengrenze hinaus, in den Erſcheinungen der Beu-
gung oder Inflexion des Lichtes, ſichtbar iſt, angeben
laſſen. Was dieſen letzten Umſtand betrifft, ſo iſt es ſehr bekannt,
daß Waſſerwellen, die von C (Fig. 117.) ausgehend, die Oeffnung
AB erreichen, dort neue Wellen DEF erregen, welche ſich von der
Oeffnung nach allen Seiten verbreiten und nicht ſo auffallend
ſtaͤrker bei E als bei D und F ſind; aber es iſt auch bekannt, daß
ſchon bei den Schallwellen, wo allerdings die Fortpflanzung nach
D und F merklich iſt, doch der Schall in E viel lebhafter, in D,
F ſchwaͤcher gehoͤrt wird. Dieſe Erfahrungen deuten darauf hin,
daß zwar jede Wellenbewegung die Eigenſchaft, ſich von der Oeff-
nung, als von einem Mittelpuncte, zu verbreiten, behaͤlt, daß aber
die Staͤrke der Erſchuͤtterung deſto ſchneller jenſeits der Linien AH,
BK, abnimmt, je groͤßer die Fortpflanzungsbewegung der Wellen
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