Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite
Einige Versuche. Rochon's Micrometer.

Aber ehe ich zu andern merkwürdigen Erscheinungen übergehe,
die sich bei der doppelten Brechung zeigen, will ich doch vorher
einen Versuch angeben, der, auch wenn man keine nach den an-
gegebenen Richtungen geschnittenen Doppelspathcrystalle besitzt, die
Richtung, in welcher die doppelten Bilder gegen einander liegen,
bequem wahrnehmen läßt. Wenn man eine grade Linie auf wei-
ßem Papier zeichnet und diese unter den Crystall legt, während
das Auge senkrecht gegen die Oberfläche des Crystalls herabsieht,
so sieht man diese Linie doppelt, als zwei Linien neben einander,
wenn ihre Richtung senkrecht gegen diejenige Ecklinie des Cry-
stalles ist, die wir zwischen den stumpfen Winkeln so, daß alle
Seitenlinien der obern und untern Seitenfläche gleich werden,
ziehen. Ist jene Linie in einer zu dieser Axe parallelen Ebne, so
fallen beide Linien auf einander, aber wenn man Abtheilungen auf
dieser Linie bemerkt hat, so sieht man diese nach der Längenrich-
tung der Linie verdoppelt erscheinen. Noch besser als eine solche
einfache Linie dient zur Bestimmung der Puncte, von welchen
der gewöhnliche und der ungewöhnliche Strahl nach gleicher Rich-
tung ins Auge kommen, ein aufgezeichnetes rechtwinkliches Drei-
Eck mit einem sehr spitzen Winkel und eingetheilten Seiten.
Dieses zeigt sich, so wie Fig. 133. darstellt, durch den Doppelspath
verdoppelt, und indem zum Beispiel der zehnte Theilungspunct
der Hypotenuse des einen Bildes mit dem zweiten Theilungspuncte
der Basis des andern zusammentrifft, so sieht man, daß der ge-
wöhnlich gebrochene Strahl von einem dieser Puncte und der un-
gewöhnlich gebrochene Strahl von dem andern in gleicher Richtung
zum Auge kommen; befindet sich also das Auge in einer solchen
Stellung, daß der von dem Puncte A der Basis des Drei-Eckes
BCD kommende gewöhnlich gebrochene Strahl beide Oberflächen
des Crystalles senkrecht schneidet, so ist a der Punct desselben Drei-
Eckes von welchem der ungewöhnliche Strahl in eben der gegen
A gehenden Richtung zum Auge kömmt. Die Abmessung, die
sich dabei ergiebt, ist sehr passend, um den Betrag der Brechung
bei verschiedenen Lagen des Crystalles und des Auges kennen zu
lernen. Und so wie hier der wahre Abstand derjenigen beiden

Einige Verſuche. Rochon's Micrometer.

Aber ehe ich zu andern merkwuͤrdigen Erſcheinungen uͤbergehe,
die ſich bei der doppelten Brechung zeigen, will ich doch vorher
einen Verſuch angeben, der, auch wenn man keine nach den an-
gegebenen Richtungen geſchnittenen Doppelſpathcryſtalle beſitzt, die
Richtung, in welcher die doppelten Bilder gegen einander liegen,
bequem wahrnehmen laͤßt. Wenn man eine grade Linie auf wei-
ßem Papier zeichnet und dieſe unter den Cryſtall legt, waͤhrend
das Auge ſenkrecht gegen die Oberflaͤche des Cryſtalls herabſieht,
ſo ſieht man dieſe Linie doppelt, als zwei Linien neben einander,
wenn ihre Richtung ſenkrecht gegen diejenige Ecklinie des Cry-
ſtalles iſt, die wir zwiſchen den ſtumpfen Winkeln ſo, daß alle
Seitenlinien der obern und untern Seitenflaͤche gleich werden,
ziehen. Iſt jene Linie in einer zu dieſer Axe parallelen Ebne, ſo
fallen beide Linien auf einander, aber wenn man Abtheilungen auf
dieſer Linie bemerkt hat, ſo ſieht man dieſe nach der Laͤngenrich-
tung der Linie verdoppelt erſcheinen. Noch beſſer als eine ſolche
einfache Linie dient zur Beſtimmung der Puncte, von welchen
der gewoͤhnliche und der ungewoͤhnliche Strahl nach gleicher Rich-
tung ins Auge kommen, ein aufgezeichnetes rechtwinkliches Drei-
Eck mit einem ſehr ſpitzen Winkel und eingetheilten Seiten.
Dieſes zeigt ſich, ſo wie Fig. 133. darſtellt, durch den Doppelſpath
verdoppelt, und indem zum Beiſpiel der zehnte Theilungspunct
der Hypotenuſe des einen Bildes mit dem zweiten Theilungspuncte
der Baſis des andern zuſammentrifft, ſo ſieht man, daß der ge-
woͤhnlich gebrochene Strahl von einem dieſer Puncte und der un-
gewoͤhnlich gebrochene Strahl von dem andern in gleicher Richtung
zum Auge kommen; befindet ſich alſo das Auge in einer ſolchen
Stellung, daß der von dem Puncte A der Baſis des Drei-Eckes
BCD kommende gewoͤhnlich gebrochene Strahl beide Oberflaͤchen
des Cryſtalles ſenkrecht ſchneidet, ſo iſt a der Punct deſſelben Drei-
Eckes von welchem der ungewoͤhnliche Strahl in eben der gegen
A gehenden Richtung zum Auge koͤmmt. Die Abmeſſung, die
ſich dabei ergiebt, iſt ſehr paſſend, um den Betrag der Brechung
bei verſchiedenen Lagen des Cryſtalles und des Auges kennen zu
lernen. Und ſo wie hier der wahre Abſtand derjenigen beiden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0322" n="308"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Einige Ver&#x017F;uche</hi>. <hi rendition="#g">Rochon</hi>'s <hi rendition="#g">Micrometer</hi>.</head><lb/>
          <p>Aber ehe ich zu andern merkwu&#x0364;rdigen Er&#x017F;cheinungen                         u&#x0364;bergehe,<lb/>
die &#x017F;ich bei der doppelten Brechung                         zeigen, will ich doch vorher<lb/>
einen Ver&#x017F;uch angeben, der, auch                         wenn man keine nach den an-<lb/>
gegebenen Richtungen                         ge&#x017F;chnittenen Doppel&#x017F;pathcry&#x017F;talle                         be&#x017F;itzt, die<lb/>
Richtung, in welcher die doppelten Bilder gegen                         einander liegen,<lb/>
bequem wahrnehmen la&#x0364;ßt. Wenn man eine grade                         Linie auf wei-<lb/>
ßem Papier zeichnet und die&#x017F;e unter den                         Cry&#x017F;tall legt, wa&#x0364;hrend<lb/>
das Auge                         &#x017F;enkrecht gegen die Oberfla&#x0364;che des                         Cry&#x017F;talls herab&#x017F;ieht,<lb/>
&#x017F;o                         &#x017F;ieht man die&#x017F;e Linie doppelt, als zwei Linien neben                         einander,<lb/>
wenn ihre Richtung &#x017F;enkrecht gegen diejenige                         Ecklinie des Cry-<lb/>
&#x017F;talles i&#x017F;t, die wir                         zwi&#x017F;chen den &#x017F;tumpfen Winkeln &#x017F;o, daß                         alle<lb/>
Seitenlinien der obern und untern Seitenfla&#x0364;che gleich                         werden,<lb/>
ziehen. I&#x017F;t jene Linie in einer zu die&#x017F;er                         Axe parallelen Ebne, &#x017F;o<lb/>
fallen beide Linien auf einander,                         aber wenn man Abtheilungen auf<lb/>
die&#x017F;er Linie bemerkt hat,                         &#x017F;o &#x017F;ieht man die&#x017F;e nach der                         La&#x0364;ngenrich-<lb/>
tung der Linie verdoppelt er&#x017F;cheinen.                         Noch be&#x017F;&#x017F;er als eine &#x017F;olche<lb/>
einfache                         Linie dient zur Be&#x017F;timmung der Puncte, von welchen<lb/>
der                         gewo&#x0364;hnliche und der ungewo&#x0364;hnliche Strahl nach                         gleicher Rich-<lb/>
tung ins Auge kommen, ein aufgezeichnetes rechtwinkliches                         Drei-<lb/>
Eck mit einem &#x017F;ehr &#x017F;pitzen Winkel und                         eingetheilten Seiten.<lb/>
Die&#x017F;es zeigt &#x017F;ich,                         &#x017F;o wie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 133.</hi></hi> dar&#x017F;tellt, durch den Doppel&#x017F;path<lb/>
verdoppelt,                         und indem zum Bei&#x017F;piel der zehnte Theilungspunct<lb/>
der                         Hypotenu&#x017F;e des einen Bildes mit dem zweiten                         Theilungspuncte<lb/>
der Ba&#x017F;is des andern                         zu&#x017F;ammentrifft, &#x017F;o &#x017F;ieht man, daß der                         ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlich gebrochene Strahl von einem die&#x017F;er                         Puncte und der un-<lb/>
gewo&#x0364;hnlich gebrochene Strahl von dem                         andern in gleicher Richtung<lb/>
zum Auge kommen; befindet &#x017F;ich                         al&#x017F;o das Auge in einer &#x017F;olchen<lb/>
Stellung, daß der                         von dem Puncte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> der Ba&#x017F;is des Drei-Eckes<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">BCD</hi></hi> kommende gewo&#x0364;hnlich gebrochene Strahl beide                         Oberfla&#x0364;chen<lb/>
des Cry&#x017F;talles &#x017F;enkrecht                         &#x017F;chneidet, &#x017F;o i&#x017F;t <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">a</hi></hi> der Punct de&#x017F;&#x017F;elben Drei-<lb/>
Eckes von welchem                         der ungewo&#x0364;hnliche Strahl in eben der gegen<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> gehenden Richtung zum Auge ko&#x0364;mmt. Die                         Abme&#x017F;&#x017F;ung, die<lb/>
&#x017F;ich dabei ergiebt,                         i&#x017F;t &#x017F;ehr pa&#x017F;&#x017F;end, um den Betrag                         der Brechung<lb/>
bei ver&#x017F;chiedenen Lagen des                         Cry&#x017F;talles und des Auges kennen zu<lb/>
lernen. Und &#x017F;o                         wie hier der wahre Ab&#x017F;tand derjenigen beiden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0322] Einige Verſuche. Rochon's Micrometer. Aber ehe ich zu andern merkwuͤrdigen Erſcheinungen uͤbergehe, die ſich bei der doppelten Brechung zeigen, will ich doch vorher einen Verſuch angeben, der, auch wenn man keine nach den an- gegebenen Richtungen geſchnittenen Doppelſpathcryſtalle beſitzt, die Richtung, in welcher die doppelten Bilder gegen einander liegen, bequem wahrnehmen laͤßt. Wenn man eine grade Linie auf wei- ßem Papier zeichnet und dieſe unter den Cryſtall legt, waͤhrend das Auge ſenkrecht gegen die Oberflaͤche des Cryſtalls herabſieht, ſo ſieht man dieſe Linie doppelt, als zwei Linien neben einander, wenn ihre Richtung ſenkrecht gegen diejenige Ecklinie des Cry- ſtalles iſt, die wir zwiſchen den ſtumpfen Winkeln ſo, daß alle Seitenlinien der obern und untern Seitenflaͤche gleich werden, ziehen. Iſt jene Linie in einer zu dieſer Axe parallelen Ebne, ſo fallen beide Linien auf einander, aber wenn man Abtheilungen auf dieſer Linie bemerkt hat, ſo ſieht man dieſe nach der Laͤngenrich- tung der Linie verdoppelt erſcheinen. Noch beſſer als eine ſolche einfache Linie dient zur Beſtimmung der Puncte, von welchen der gewoͤhnliche und der ungewoͤhnliche Strahl nach gleicher Rich- tung ins Auge kommen, ein aufgezeichnetes rechtwinkliches Drei- Eck mit einem ſehr ſpitzen Winkel und eingetheilten Seiten. Dieſes zeigt ſich, ſo wie Fig. 133. darſtellt, durch den Doppelſpath verdoppelt, und indem zum Beiſpiel der zehnte Theilungspunct der Hypotenuſe des einen Bildes mit dem zweiten Theilungspuncte der Baſis des andern zuſammentrifft, ſo ſieht man, daß der ge- woͤhnlich gebrochene Strahl von einem dieſer Puncte und der un- gewoͤhnlich gebrochene Strahl von dem andern in gleicher Richtung zum Auge kommen; befindet ſich alſo das Auge in einer ſolchen Stellung, daß der von dem Puncte A der Baſis des Drei-Eckes BCD kommende gewoͤhnlich gebrochene Strahl beide Oberflaͤchen des Cryſtalles ſenkrecht ſchneidet, ſo iſt a der Punct deſſelben Drei- Eckes von welchem der ungewoͤhnliche Strahl in eben der gegen A gehenden Richtung zum Auge koͤmmt. Die Abmeſſung, die ſich dabei ergiebt, iſt ſehr paſſend, um den Betrag der Brechung bei verſchiedenen Lagen des Cryſtalles und des Auges kennen zu lernen. Und ſo wie hier der wahre Abſtand derjenigen beiden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/322
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/322>, abgerufen am 21.11.2024.