Noch eine sehr reichhaltige Anwendung der Lehre von den Dämpfen bietet uns, m. h. H., die Meteorologie dar. So wie überhaupt die Wärme die wichtigste Ursache der Aenderungen ist, die wir im Luftkreise wahrnehmen, so sind es insbesondre die ent- stehenden und sich verdichtenden, und im entgegengesetzten Falle die verminderten oder durchsichtig gewordenen Dämpfe, von welchen Nebel, Wolken, Thau und Regen und von welchen heitere Luft und Trockenheit abhängen.
Daß die Ausdünstung des, einen großen Theil der Erde be- deckenden, Wassers unaufhörlich die Luft mit Feuchtigkeit erfüllt, daß durch eben diese Ausdünstung der größere Theil des im Regen herabfallenden Wassers sehr bald wieder in die Luft zurückkehrt, während nur ein kleinerer Theil durch die Flüsse dem Meere zu- strömt, daß so ein unaufhörlicher Kreislauf der sich in Dämpfen erhebenden und in Regen oder Thau wieder herabfallenden Wasser- theile statt findet, ist bekannt genug. Da so unermeßliche Wasser- mengen durch die Ströme in das Meer geführt werden und den- noch das Meer nicht höher steigt, da dieser ganze Proceß der Ent- stehung von Regen und der Herstellung des heitern Wetters seit Jahrtausenden gleichmäßig fortdauert; so folgt von selbst, daß das Meer nicht so viel an Regen empfangen muß, als es ausdünstet, und daß das feste Land im Ganzen mehr Regen als Ausdünstung haben muß. Beobachtungen über dieses Verhältniß anzustellen, ist kaum möglich, weil die Ausdünstung, die wir in Gefäßen mit Wasser beobachten, keine genaue Vorstellung von derjenigen Aus- dünstung giebt, die über Wiesen und Wäldern, über trockenen Haiden und Sümpfen, über Bergen und Thälern statt findet; in- deß ist doch diese Beobachtung, um wieviel die Oberfläche eines der Luft ausgesetzten Wassergefäßes sich täglich senkt, die einzige, welche
Neunte Vorleſung.
Ausduͤnſtung und Regen.
Noch eine ſehr reichhaltige Anwendung der Lehre von den Daͤmpfen bietet uns, m. h. H., die Meteorologie dar. So wie uͤberhaupt die Waͤrme die wichtigſte Urſache der Aenderungen iſt, die wir im Luftkreiſe wahrnehmen, ſo ſind es insbeſondre die ent- ſtehenden und ſich verdichtenden, und im entgegengeſetzten Falle die verminderten oder durchſichtig gewordenen Daͤmpfe, von welchen Nebel, Wolken, Thau und Regen und von welchen heitere Luft und Trockenheit abhaͤngen.
Daß die Ausduͤnſtung des, einen großen Theil der Erde be- deckenden, Waſſers unaufhoͤrlich die Luft mit Feuchtigkeit erfuͤllt, daß durch eben dieſe Ausduͤnſtung der groͤßere Theil des im Regen herabfallenden Waſſers ſehr bald wieder in die Luft zuruͤckkehrt, waͤhrend nur ein kleinerer Theil durch die Fluͤſſe dem Meere zu- ſtroͤmt, daß ſo ein unaufhoͤrlicher Kreislauf der ſich in Daͤmpfen erhebenden und in Regen oder Thau wieder herabfallenden Waſſer- theile ſtatt findet, iſt bekannt genug. Da ſo unermeßliche Waſſer- mengen durch die Stroͤme in das Meer gefuͤhrt werden und den- noch das Meer nicht hoͤher ſteigt, da dieſer ganze Proceß der Ent- ſtehung von Regen und der Herſtellung des heitern Wetters ſeit Jahrtauſenden gleichmaͤßig fortdauert; ſo folgt von ſelbſt, daß das Meer nicht ſo viel an Regen empfangen muß, als es ausduͤnſtet, und daß das feſte Land im Ganzen mehr Regen als Ausduͤnſtung haben muß. Beobachtungen uͤber dieſes Verhaͤltniß anzuſtellen, iſt kaum moͤglich, weil die Ausduͤnſtung, die wir in Gefaͤßen mit Waſſer beobachten, keine genaue Vorſtellung von derjenigen Aus- duͤnſtung giebt, die uͤber Wieſen und Waͤldern, uͤber trockenen Haiden und Suͤmpfen, uͤber Bergen und Thaͤlern ſtatt findet; in- deß iſt doch dieſe Beobachtung, um wieviel die Oberflaͤche eines der Luft ausgeſetzten Waſſergefaͤßes ſich taͤglich ſenkt, die einzige, welche
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Neunte Vorleſung.
Ausduͤnſtung und Regen.
Noch eine ſehr reichhaltige Anwendung der Lehre von den
Daͤmpfen bietet uns, m. h. H., die Meteorologie dar. So wie
uͤberhaupt die Waͤrme die wichtigſte Urſache der Aenderungen iſt,
die wir im Luftkreiſe wahrnehmen, ſo ſind es insbeſondre die ent-
ſtehenden und ſich verdichtenden, und im entgegengeſetzten Falle
die verminderten oder durchſichtig gewordenen Daͤmpfe, von welchen
Nebel, Wolken, Thau und Regen und von welchen heitere Luft
und Trockenheit abhaͤngen.
Daß die Ausduͤnſtung des, einen großen Theil der Erde be-
deckenden, Waſſers unaufhoͤrlich die Luft mit Feuchtigkeit erfuͤllt,
daß durch eben dieſe Ausduͤnſtung der groͤßere Theil des im Regen
herabfallenden Waſſers ſehr bald wieder in die Luft zuruͤckkehrt,
waͤhrend nur ein kleinerer Theil durch die Fluͤſſe dem Meere zu-
ſtroͤmt, daß ſo ein unaufhoͤrlicher Kreislauf der ſich in Daͤmpfen
erhebenden und in Regen oder Thau wieder herabfallenden Waſſer-
theile ſtatt findet, iſt bekannt genug. Da ſo unermeßliche Waſſer-
mengen durch die Stroͤme in das Meer gefuͤhrt werden und den-
noch das Meer nicht hoͤher ſteigt, da dieſer ganze Proceß der Ent-
ſtehung von Regen und der Herſtellung des heitern Wetters ſeit
Jahrtauſenden gleichmaͤßig fortdauert; ſo folgt von ſelbſt, daß das
Meer nicht ſo viel an Regen empfangen muß, als es ausduͤnſtet,
und daß das feſte Land im Ganzen mehr Regen als Ausduͤnſtung
haben muß. Beobachtungen uͤber dieſes Verhaͤltniß anzuſtellen, iſt
kaum moͤglich, weil die Ausduͤnſtung, die wir in Gefaͤßen mit
Waſſer beobachten, keine genaue Vorſtellung von derjenigen Aus-
duͤnſtung giebt, die uͤber Wieſen und Waͤldern, uͤber trockenen
Haiden und Suͤmpfen, uͤber Bergen und Thaͤlern ſtatt findet; in-
deß iſt doch dieſe Beobachtung, um wieviel die Oberflaͤche eines der
Luft ausgeſetzten Waſſergefaͤßes ſich taͤglich ſenkt, die einzige, welche
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/154>, abgerufen am 23.11.2024.
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