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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Mittel richtig zu beurtheilen, muß ich Sie zuerst auf den Satz
aufmerksam machen, daß die Luft nicht immer dann am feuchtesten
scheint, wenn sie viele Dämpfe enthält, sondern dann, wenn sie
nicht fähig ist, noch Dämpfe aufzunehmen. Dieser Satz kann
Ihnen wohl nicht paradox scheinen, da Sie wissen, wie sehr die
Menge Wassers, die in Dämpfen in einem gewissen Raume ent-
halten sein kann, von der Wärme abhängt, und wie deshalb eine
sehr erwärmte Luft, obgleich sie schon viel Wasser in Dampfform
enthält, dennoch fähig sein kann, das tropfbare Wasser noch zum
Verdunsten zu bringen, während kältere Luft, wenn sie auch nicht so
viel Dampf enthielte, kein Wasser mehr aufnehmen würde. Wenn
man ziemlich trockene Luft an einem sehr erwärmten Orte in ein
Gefäß einschließt, so wird sie trocken erscheinen, so lange sie warm
bleibt, bringt man sie aber in einen kalten Raum, so belegen sich
die innern Wände des Gefäßes mit einem Thau, weil die durch die
Wände entweichende Wärme das Wasser, mit welchem sie sich zu
durchsichtigem, elastischem Wasserdampfe verbunden hatte, an den
Wänden zurückläßt. Aus eben dem Grunde beschlagen unsere kal-
ten Fensterscheiben im Winter mit Thau, obgleich die Luft in der
Mitte des Zimmers eher zu trocken ist, und im Sommer, selbst
wenn die Luft sich gar nicht als feucht zeigt, sehen wir an einem
Glase mit Eis das aus den Dämpfen in der Luft niedergeschla-
gene Wasser herunterfließen. Alle diese Erscheinungen zeigen uns,
daß Feuchtigkeit in der Luft vorhanden ist, selbst dann, wenn die
fühlbare Feuchtigkeit der Wärme wegen unbedeutend scheint.

Um indeß zuerst nur Instrumente zu haben, welche uns die
fühlbare Feuchtigkeit kenntlich machen, ohne ihr Maaß zu bestim-
men, ist man seit langer Zeit auf die Körper aufmerksam gewesen,
welche eine Veränderung durch feuchte Luft leiden, und hat gesucht,
diese als Hygrometer, als Anzeiger der Feuchtigkeit, zu gebrauchen.
Ich will unter diesen die unvollkommensten zuerst nennen. Einige
Salze zerfließen in einer etwas feuchten Luft, andre nehmen wenig-
stens etwas Wasser auf und dadurch vergrößert sich ihr Gewicht;
und eine eben solche Zunahme des Gewichtes bei feuchter Luft be-
merkt man an einigen Thon-Arten. Man hat daher solche Körper,
namentlich auch Kochsalz, als Hygrometer empfohlen, indem Koch-
salz bis zum Zerfallen ausgetrocknet, in die Schale einer feinen

Mittel richtig zu beurtheilen, muß ich Sie zuerſt auf den Satz
aufmerkſam machen, daß die Luft nicht immer dann am feuchteſten
ſcheint, wenn ſie viele Daͤmpfe enthaͤlt, ſondern dann, wenn ſie
nicht faͤhig iſt, noch Daͤmpfe aufzunehmen. Dieſer Satz kann
Ihnen wohl nicht paradox ſcheinen, da Sie wiſſen, wie ſehr die
Menge Waſſers, die in Daͤmpfen in einem gewiſſen Raume ent-
halten ſein kann, von der Waͤrme abhaͤngt, und wie deshalb eine
ſehr erwaͤrmte Luft, obgleich ſie ſchon viel Waſſer in Dampfform
enthaͤlt, dennoch faͤhig ſein kann, das tropfbare Waſſer noch zum
Verdunſten zu bringen, waͤhrend kaͤltere Luft, wenn ſie auch nicht ſo
viel Dampf enthielte, kein Waſſer mehr aufnehmen wuͤrde. Wenn
man ziemlich trockene Luft an einem ſehr erwaͤrmten Orte in ein
Gefaͤß einſchließt, ſo wird ſie trocken erſcheinen, ſo lange ſie warm
bleibt, bringt man ſie aber in einen kalten Raum, ſo belegen ſich
die innern Waͤnde des Gefaͤßes mit einem Thau, weil die durch die
Waͤnde entweichende Waͤrme das Waſſer, mit welchem ſie ſich zu
durchſichtigem, elaſtiſchem Waſſerdampfe verbunden hatte, an den
Waͤnden zuruͤcklaͤßt. Aus eben dem Grunde beſchlagen unſere kal-
ten Fenſterſcheiben im Winter mit Thau, obgleich die Luft in der
Mitte des Zimmers eher zu trocken iſt, und im Sommer, ſelbſt
wenn die Luft ſich gar nicht als feucht zeigt, ſehen wir an einem
Glaſe mit Eis das aus den Daͤmpfen in der Luft niedergeſchla-
gene Waſſer herunterfließen. Alle dieſe Erſcheinungen zeigen uns,
daß Feuchtigkeit in der Luft vorhanden iſt, ſelbſt dann, wenn die
fuͤhlbare Feuchtigkeit der Waͤrme wegen unbedeutend ſcheint.

Um indeß zuerſt nur Inſtrumente zu haben, welche uns die
fuͤhlbare Feuchtigkeit kenntlich machen, ohne ihr Maaß zu beſtim-
men, iſt man ſeit langer Zeit auf die Koͤrper aufmerkſam geweſen,
welche eine Veraͤnderung durch feuchte Luft leiden, und hat geſucht,
dieſe als Hygrometer, als Anzeiger der Feuchtigkeit, zu gebrauchen.
Ich will unter dieſen die unvollkommenſten zuerſt nennen. Einige
Salze zerfließen in einer etwas feuchten Luft, andre nehmen wenig-
ſtens etwas Waſſer auf und dadurch vergroͤßert ſich ihr Gewicht;
und eine eben ſolche Zunahme des Gewichtes bei feuchter Luft be-
merkt man an einigen Thon-Arten. Man hat daher ſolche Koͤrper,
namentlich auch Kochſalz, als Hygrometer empfohlen, indem Koch-
ſalz bis zum Zerfallen ausgetrocknet, in die Schale einer feinen

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[143/0157] Mittel richtig zu beurtheilen, muß ich Sie zuerſt auf den Satz aufmerkſam machen, daß die Luft nicht immer dann am feuchteſten ſcheint, wenn ſie viele Daͤmpfe enthaͤlt, ſondern dann, wenn ſie nicht faͤhig iſt, noch Daͤmpfe aufzunehmen. Dieſer Satz kann Ihnen wohl nicht paradox ſcheinen, da Sie wiſſen, wie ſehr die Menge Waſſers, die in Daͤmpfen in einem gewiſſen Raume ent- halten ſein kann, von der Waͤrme abhaͤngt, und wie deshalb eine ſehr erwaͤrmte Luft, obgleich ſie ſchon viel Waſſer in Dampfform enthaͤlt, dennoch faͤhig ſein kann, das tropfbare Waſſer noch zum Verdunſten zu bringen, waͤhrend kaͤltere Luft, wenn ſie auch nicht ſo viel Dampf enthielte, kein Waſſer mehr aufnehmen wuͤrde. Wenn man ziemlich trockene Luft an einem ſehr erwaͤrmten Orte in ein Gefaͤß einſchließt, ſo wird ſie trocken erſcheinen, ſo lange ſie warm bleibt, bringt man ſie aber in einen kalten Raum, ſo belegen ſich die innern Waͤnde des Gefaͤßes mit einem Thau, weil die durch die Waͤnde entweichende Waͤrme das Waſſer, mit welchem ſie ſich zu durchſichtigem, elaſtiſchem Waſſerdampfe verbunden hatte, an den Waͤnden zuruͤcklaͤßt. Aus eben dem Grunde beſchlagen unſere kal- ten Fenſterſcheiben im Winter mit Thau, obgleich die Luft in der Mitte des Zimmers eher zu trocken iſt, und im Sommer, ſelbſt wenn die Luft ſich gar nicht als feucht zeigt, ſehen wir an einem Glaſe mit Eis das aus den Daͤmpfen in der Luft niedergeſchla- gene Waſſer herunterfließen. Alle dieſe Erſcheinungen zeigen uns, daß Feuchtigkeit in der Luft vorhanden iſt, ſelbſt dann, wenn die fuͤhlbare Feuchtigkeit der Waͤrme wegen unbedeutend ſcheint. Um indeß zuerſt nur Inſtrumente zu haben, welche uns die fuͤhlbare Feuchtigkeit kenntlich machen, ohne ihr Maaß zu beſtim- men, iſt man ſeit langer Zeit auf die Koͤrper aufmerkſam geweſen, welche eine Veraͤnderung durch feuchte Luft leiden, und hat geſucht, dieſe als Hygrometer, als Anzeiger der Feuchtigkeit, zu gebrauchen. Ich will unter dieſen die unvollkommenſten zuerſt nennen. Einige Salze zerfließen in einer etwas feuchten Luft, andre nehmen wenig- ſtens etwas Waſſer auf und dadurch vergroͤßert ſich ihr Gewicht; und eine eben ſolche Zunahme des Gewichtes bei feuchter Luft be- merkt man an einigen Thon-Arten. Man hat daher ſolche Koͤrper, namentlich auch Kochſalz, als Hygrometer empfohlen, indem Koch- ſalz bis zum Zerfallen ausgetrocknet, in die Schale einer feinen

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/157>, abgerufen am 23.11.2024.