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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Auch die künstliche Eisbildung in Ost-Indien, die in vollkom-
men heitern Nächten, wo die Luft nicht die Frostkälte erreicht, statt
findet, gehört hieher. Die Methode dieser Eisbildung besteht der
Hauptsache nach in folgendem. Auf einer Ebne macht man Ver-
tiefungen von 1/2 Fuß tief und 5 Fuß breit, diese werden mit Zucker-
rohr oder Stroh belegt und darauf flache Gefäße von unglasirtem
Töpfergute mit Wasser gefüllt während der Nacht ausgestellt; diese
Gefäße, obgleich sie das Wasser nicht durchfließen lassen, gestatten
doch ein solches Durchschwitzen, daß sich die Außenseite des Gefäßes
immer feucht erhält, und in diesen Gefäßen gefriert das Wasser
während die Luft 5° Cent. und selbst noch mehr Wärme hat. Die
Uebereinstimmung dieser Eisbildung mit der Entstehung des Thaues
ist nicht zu verkennen, weil auch bei jener ein ganz heiterer Him-
mel und vollkommene Windstille ein nothwendiges Erforderniß ist.
Wells hat in England in heitern Nächten, wo die Luft im
Frühling oder Herbst nicht die Frostkälte erreichte, diese Eisbildung
mit Erfolg nachgeahmt, und die Ursachen derselben auf folgende
Weise erklärt. Man stellt das Wasser in flachen Vertiefungen
auf, weil die kältere Luft, als schwerer, sich nach diesen Vertiefun-
gen senkt. Man legt Stroh oder Zuckerrohr unter, weil dies die
Wärme der Erde, die etwas unter der Oberfläche immer größer
bleibt, schlecht zuleitet, und selbst sehr leicht die Wärme entläßt,
wenn dem Ausstrahlen der Wärme kein Ersatz von anders woher
im Wege steht. Die durchnäßten Thongefäße scheinen die Wärme
durch Ausstrahlung leicht zu verlieren, und so ist alles hier vereinigt,
um eine niedrige Temperatur hervorzubringen, die sich, bei der
nur geringen Höhe des Wassers in den Gefäßen, der ganzen Wasser-
masse mittheilt. Die an der ganzen Oberfläche der Gefäße unter-
haltene Feuchtigkeit kann vielleicht darum als nöthig angesehen wer-
den, weil die feuchte Außenfläche der Gefäße nicht gestattet, daß
ein Zutritt der Wärme von unten her hindernd einwirke, wenn
auch, wie Williams es beobachtet hat, die Stroh-Unterlage
nicht ganz die Eiskälte erreichte; -- die von unten das Gefäß
treffende Wärme kann nämlich, zur Dampfbildung verwandt, nicht
die Abkühlung des Wassers aufhalten. Diese Ueberlegungen schei-
nen mir die Schwierigkeiten bei der Erklärung dieser Erscheinung
größtentheils zu entfernen, indem die Erscheinung nur so fern über-

Auch die kuͤnſtliche Eisbildung in Oſt-Indien, die in vollkom-
men heitern Naͤchten, wo die Luft nicht die Froſtkaͤlte erreicht, ſtatt
findet, gehoͤrt hieher. Die Methode dieſer Eisbildung beſteht der
Hauptſache nach in folgendem. Auf einer Ebne macht man Ver-
tiefungen von ½ Fuß tief und 5 Fuß breit, dieſe werden mit Zucker-
rohr oder Stroh belegt und darauf flache Gefaͤße von unglaſirtem
Toͤpfergute mit Waſſer gefuͤllt waͤhrend der Nacht ausgeſtellt; dieſe
Gefaͤße, obgleich ſie das Waſſer nicht durchfließen laſſen, geſtatten
doch ein ſolches Durchſchwitzen, daß ſich die Außenſeite des Gefaͤßes
immer feucht erhaͤlt, und in dieſen Gefaͤßen gefriert das Waſſer
waͤhrend die Luft 5° Cent. und ſelbſt noch mehr Waͤrme hat. Die
Uebereinſtimmung dieſer Eisbildung mit der Entſtehung des Thaues
iſt nicht zu verkennen, weil auch bei jener ein ganz heiterer Him-
mel und vollkommene Windſtille ein nothwendiges Erforderniß iſt.
Wells hat in England in heitern Naͤchten, wo die Luft im
Fruͤhling oder Herbſt nicht die Froſtkaͤlte erreichte, dieſe Eisbildung
mit Erfolg nachgeahmt, und die Urſachen derſelben auf folgende
Weiſe erklaͤrt. Man ſtellt das Waſſer in flachen Vertiefungen
auf, weil die kaͤltere Luft, als ſchwerer, ſich nach dieſen Vertiefun-
gen ſenkt. Man legt Stroh oder Zuckerrohr unter, weil dies die
Waͤrme der Erde, die etwas unter der Oberflaͤche immer groͤßer
bleibt, ſchlecht zuleitet, und ſelbſt ſehr leicht die Waͤrme entlaͤßt,
wenn dem Ausſtrahlen der Waͤrme kein Erſatz von anders woher
im Wege ſteht. Die durchnaͤßten Thongefaͤße ſcheinen die Waͤrme
durch Ausſtrahlung leicht zu verlieren, und ſo iſt alles hier vereinigt,
um eine niedrige Temperatur hervorzubringen, die ſich, bei der
nur geringen Hoͤhe des Waſſers in den Gefaͤßen, der ganzen Waſſer-
maſſe mittheilt. Die an der ganzen Oberflaͤche der Gefaͤße unter-
haltene Feuchtigkeit kann vielleicht darum als noͤthig angeſehen wer-
den, weil die feuchte Außenflaͤche der Gefaͤße nicht geſtattet, daß
ein Zutritt der Waͤrme von unten her hindernd einwirke, wenn
auch, wie Williams es beobachtet hat, die Stroh-Unterlage
nicht ganz die Eiskaͤlte erreichte; — die von unten das Gefaͤß
treffende Waͤrme kann naͤmlich, zur Dampfbildung verwandt, nicht
die Abkuͤhlung des Waſſers aufhalten. Dieſe Ueberlegungen ſchei-
nen mir die Schwierigkeiten bei der Erklaͤrung dieſer Erſcheinung
groͤßtentheils zu entfernen, indem die Erſcheinung nur ſo fern uͤber-

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[166/0180] Auch die kuͤnſtliche Eisbildung in Oſt-Indien, die in vollkom- men heitern Naͤchten, wo die Luft nicht die Froſtkaͤlte erreicht, ſtatt findet, gehoͤrt hieher. Die Methode dieſer Eisbildung beſteht der Hauptſache nach in folgendem. Auf einer Ebne macht man Ver- tiefungen von ½ Fuß tief und 5 Fuß breit, dieſe werden mit Zucker- rohr oder Stroh belegt und darauf flache Gefaͤße von unglaſirtem Toͤpfergute mit Waſſer gefuͤllt waͤhrend der Nacht ausgeſtellt; dieſe Gefaͤße, obgleich ſie das Waſſer nicht durchfließen laſſen, geſtatten doch ein ſolches Durchſchwitzen, daß ſich die Außenſeite des Gefaͤßes immer feucht erhaͤlt, und in dieſen Gefaͤßen gefriert das Waſſer waͤhrend die Luft 5° Cent. und ſelbſt noch mehr Waͤrme hat. Die Uebereinſtimmung dieſer Eisbildung mit der Entſtehung des Thaues iſt nicht zu verkennen, weil auch bei jener ein ganz heiterer Him- mel und vollkommene Windſtille ein nothwendiges Erforderniß iſt. Wells hat in England in heitern Naͤchten, wo die Luft im Fruͤhling oder Herbſt nicht die Froſtkaͤlte erreichte, dieſe Eisbildung mit Erfolg nachgeahmt, und die Urſachen derſelben auf folgende Weiſe erklaͤrt. Man ſtellt das Waſſer in flachen Vertiefungen auf, weil die kaͤltere Luft, als ſchwerer, ſich nach dieſen Vertiefun- gen ſenkt. Man legt Stroh oder Zuckerrohr unter, weil dies die Waͤrme der Erde, die etwas unter der Oberflaͤche immer groͤßer bleibt, ſchlecht zuleitet, und ſelbſt ſehr leicht die Waͤrme entlaͤßt, wenn dem Ausſtrahlen der Waͤrme kein Erſatz von anders woher im Wege ſteht. Die durchnaͤßten Thongefaͤße ſcheinen die Waͤrme durch Ausſtrahlung leicht zu verlieren, und ſo iſt alles hier vereinigt, um eine niedrige Temperatur hervorzubringen, die ſich, bei der nur geringen Hoͤhe des Waſſers in den Gefaͤßen, der ganzen Waſſer- maſſe mittheilt. Die an der ganzen Oberflaͤche der Gefaͤße unter- haltene Feuchtigkeit kann vielleicht darum als noͤthig angeſehen wer- den, weil die feuchte Außenflaͤche der Gefaͤße nicht geſtattet, daß ein Zutritt der Waͤrme von unten her hindernd einwirke, wenn auch, wie Williams es beobachtet hat, die Stroh-Unterlage nicht ganz die Eiskaͤlte erreichte; — die von unten das Gefaͤß treffende Waͤrme kann naͤmlich, zur Dampfbildung verwandt, nicht die Abkuͤhlung des Waſſers aufhalten. Dieſe Ueberlegungen ſchei- nen mir die Schwierigkeiten bei der Erklaͤrung dieſer Erſcheinung groͤßtentheils zu entfernen, indem die Erſcheinung nur ſo fern uͤber-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/180>, abgerufen am 23.11.2024.