bindung steht, so werden beide Flaschen zugleich und beinahe gleich stark geladen, weil die auf die innere Belegung der ersten Flasche geleitete positive Electricität fast eben so viele positiv-electrische Materie aus der äußern Belegung austreibt, und zur zweiten Flasche hinüber treibt.
Aus der Natur der electrischen Ladung der Flasche läßt es sich auch erklären, warum diese Ladung sich in der Luft nicht so bald verliert. Ein gewöhnlich geladener Leiter bietet die in ihm angehäufte Electricität auf der ganzen Oberfläche der Ableitung durch die Luft dar, und in jedem Puncte der Oberfläche findet ein Bestreben der electrischen Materie, in die Luft überzugehen, statt; in der Flasche hingegen ist die größeste Menge der electrischen Ma- terie an beiden Seiten des Glases so festgehalten, daß sie gar kein Bestreben, in die Luft überzugehen, hat. Der Verlust an die umgebende Luft ist also nur ungefähr so groß, als es bei einem gewöhnlich geladenen Leiter der Fall sein würde, wenn seine La- dung so schwach, wie der der isolirten Flasche bloß an der innern Seite entzogene Funke angiebt, ist. Dennoch wird in langer Zeit auch an der Luft die Flasche entladen, weil jener kleine Ueberschuß an positiver Electricität an der einen Seite, hierauf ein wenig negative Electricität an der andern Seite verloren geht, und so nach und nach die ganze Ladung sich den Lufttheilchen mittheilt; aber selbst nach zwei Tagen findet man mittelmäßig geladene Fla- schen in trockner Luft noch unentladen.
Eine ähnliche stille Entladung, wie hier die Luft endlich bewirkt, kann man mit Spitzen, die man gegen die äußere und gegen die innere Belegung der Flasche richtet, hervorbringen. Man stellt die geladene Flasche isolirt auf, und hält zugleich zwei spitzige metallische Leiter mit ihren Spitzen gegen die obere Kugel und gegen die äußere Belegung, ohne diese zu berühren; nachdem man dies einige Zeit gethan hat, findet man, bei Anwendung des Aus- laders, daß fast die ganze Ladung verloren ist.
Man kann die Ladung einer Flasche unter zwei Flaschen aus- theilen; aber es ist schwierig, über das Maaß der Ladung für die eine und die andere Flasche genau zu urtheilen. Wenn man zwei Flaschen neben einander aufstellt, AB, CD, (Fig. 82.) und nun die eine AB ladet, so kann man zuerst die äußeren Belegungen
bindung ſteht, ſo werden beide Flaſchen zugleich und beinahe gleich ſtark geladen, weil die auf die innere Belegung der erſten Flaſche geleitete poſitive Electricitaͤt faſt eben ſo viele poſitiv-electriſche Materie aus der aͤußern Belegung austreibt, und zur zweiten Flaſche hinuͤber treibt.
Aus der Natur der electriſchen Ladung der Flaſche laͤßt es ſich auch erklaͤren, warum dieſe Ladung ſich in der Luft nicht ſo bald verliert. Ein gewoͤhnlich geladener Leiter bietet die in ihm angehaͤufte Electricitaͤt auf der ganzen Oberflaͤche der Ableitung durch die Luft dar, und in jedem Puncte der Oberflaͤche findet ein Beſtreben der electriſchen Materie, in die Luft uͤberzugehen, ſtatt; in der Flaſche hingegen iſt die groͤßeſte Menge der electriſchen Ma- terie an beiden Seiten des Glaſes ſo feſtgehalten, daß ſie gar kein Beſtreben, in die Luft uͤberzugehen, hat. Der Verluſt an die umgebende Luft iſt alſo nur ungefaͤhr ſo groß, als es bei einem gewoͤhnlich geladenen Leiter der Fall ſein wuͤrde, wenn ſeine La- dung ſo ſchwach, wie der der iſolirten Flaſche bloß an der innern Seite entzogene Funke angiebt, iſt. Dennoch wird in langer Zeit auch an der Luft die Flaſche entladen, weil jener kleine Ueberſchuß an poſitiver Electricitaͤt an der einen Seite, hierauf ein wenig negative Electricitaͤt an der andern Seite verloren geht, und ſo nach und nach die ganze Ladung ſich den Lufttheilchen mittheilt; aber ſelbſt nach zwei Tagen findet man mittelmaͤßig geladene Fla- ſchen in trockner Luft noch unentladen.
Eine aͤhnliche ſtille Entladung, wie hier die Luft endlich bewirkt, kann man mit Spitzen, die man gegen die aͤußere und gegen die innere Belegung der Flaſche richtet, hervorbringen. Man ſtellt die geladene Flaſche iſolirt auf, und haͤlt zugleich zwei ſpitzige metalliſche Leiter mit ihren Spitzen gegen die obere Kugel und gegen die aͤußere Belegung, ohne dieſe zu beruͤhren; nachdem man dies einige Zeit gethan hat, findet man, bei Anwendung des Aus- laders, daß faſt die ganze Ladung verloren iſt.
Man kann die Ladung einer Flaſche unter zwei Flaſchen aus- theilen; aber es iſt ſchwierig, uͤber das Maaß der Ladung fuͤr die eine und die andere Flaſche genau zu urtheilen. Wenn man zwei Flaſchen neben einander aufſtellt, AB, CD, (Fig. 82.) und nun die eine AB ladet, ſo kann man zuerſt die aͤußeren Belegungen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0292"n="278"/>
bindung ſteht, ſo werden beide Flaſchen zugleich und beinahe gleich<lb/>ſtark geladen, weil die auf die innere Belegung der erſten Flaſche<lb/>
geleitete poſitive Electricitaͤt faſt eben ſo viele poſitiv-electriſche<lb/>
Materie aus der aͤußern Belegung austreibt, und zur zweiten<lb/>
Flaſche hinuͤber treibt.</p><lb/><p>Aus der Natur der electriſchen Ladung der Flaſche laͤßt es<lb/>ſich auch erklaͤren, warum dieſe Ladung ſich in der Luft nicht ſo<lb/>
bald verliert. Ein gewoͤhnlich geladener Leiter bietet die in ihm<lb/>
angehaͤufte Electricitaͤt auf der ganzen Oberflaͤche der Ableitung<lb/>
durch die Luft dar, und in jedem Puncte der Oberflaͤche findet ein<lb/>
Beſtreben der electriſchen Materie, in die Luft uͤberzugehen, ſtatt;<lb/>
in der Flaſche hingegen iſt die groͤßeſte Menge der electriſchen Ma-<lb/>
terie an beiden Seiten des Glaſes ſo feſtgehalten, daß ſie gar<lb/>
kein Beſtreben, in die Luft uͤberzugehen, hat. Der Verluſt an die<lb/>
umgebende Luft iſt alſo nur ungefaͤhr ſo groß, als es bei einem<lb/>
gewoͤhnlich geladenen Leiter der Fall ſein wuͤrde, wenn ſeine La-<lb/>
dung ſo ſchwach, wie der der iſolirten Flaſche bloß an der innern<lb/>
Seite entzogene Funke angiebt, iſt. Dennoch wird in langer Zeit<lb/>
auch an der Luft die Flaſche entladen, weil jener kleine Ueberſchuß<lb/>
an poſitiver Electricitaͤt an der einen Seite, hierauf ein wenig<lb/>
negative Electricitaͤt an der andern Seite verloren geht, und ſo<lb/>
nach und nach die ganze Ladung ſich den Lufttheilchen mittheilt;<lb/>
aber ſelbſt nach zwei Tagen findet man mittelmaͤßig geladene Fla-<lb/>ſchen in trockner Luft noch unentladen.</p><lb/><p>Eine aͤhnliche ſtille Entladung, wie hier die Luft endlich<lb/>
bewirkt, kann man mit Spitzen, die man gegen die aͤußere und<lb/>
gegen die innere Belegung der Flaſche richtet, hervorbringen. Man<lb/>ſtellt die geladene Flaſche iſolirt auf, und haͤlt zugleich zwei ſpitzige<lb/>
metalliſche Leiter mit ihren Spitzen gegen die obere Kugel und<lb/>
gegen die aͤußere Belegung, ohne dieſe zu beruͤhren; nachdem man<lb/>
dies einige Zeit gethan hat, findet man, bei Anwendung des Aus-<lb/>
laders, daß faſt die ganze Ladung verloren iſt.</p><lb/><p>Man kann die Ladung einer Flaſche unter zwei Flaſchen aus-<lb/>
theilen; aber es iſt ſchwierig, uͤber das Maaß der Ladung fuͤr die<lb/>
eine und die andere Flaſche genau zu urtheilen. Wenn man zwei<lb/>
Flaſchen neben einander aufſtellt, <hirendition="#aq"><hirendition="#b">AB, CD,</hi></hi> (<hirendition="#aq"><hirendition="#b">Fig. 82.</hi></hi>) und nun<lb/>
die eine <hirendition="#aq"><hirendition="#b">AB</hi></hi> ladet, ſo kann man zuerſt die aͤußeren Belegungen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[278/0292]
bindung ſteht, ſo werden beide Flaſchen zugleich und beinahe gleich
ſtark geladen, weil die auf die innere Belegung der erſten Flaſche
geleitete poſitive Electricitaͤt faſt eben ſo viele poſitiv-electriſche
Materie aus der aͤußern Belegung austreibt, und zur zweiten
Flaſche hinuͤber treibt.
Aus der Natur der electriſchen Ladung der Flaſche laͤßt es
ſich auch erklaͤren, warum dieſe Ladung ſich in der Luft nicht ſo
bald verliert. Ein gewoͤhnlich geladener Leiter bietet die in ihm
angehaͤufte Electricitaͤt auf der ganzen Oberflaͤche der Ableitung
durch die Luft dar, und in jedem Puncte der Oberflaͤche findet ein
Beſtreben der electriſchen Materie, in die Luft uͤberzugehen, ſtatt;
in der Flaſche hingegen iſt die groͤßeſte Menge der electriſchen Ma-
terie an beiden Seiten des Glaſes ſo feſtgehalten, daß ſie gar
kein Beſtreben, in die Luft uͤberzugehen, hat. Der Verluſt an die
umgebende Luft iſt alſo nur ungefaͤhr ſo groß, als es bei einem
gewoͤhnlich geladenen Leiter der Fall ſein wuͤrde, wenn ſeine La-
dung ſo ſchwach, wie der der iſolirten Flaſche bloß an der innern
Seite entzogene Funke angiebt, iſt. Dennoch wird in langer Zeit
auch an der Luft die Flaſche entladen, weil jener kleine Ueberſchuß
an poſitiver Electricitaͤt an der einen Seite, hierauf ein wenig
negative Electricitaͤt an der andern Seite verloren geht, und ſo
nach und nach die ganze Ladung ſich den Lufttheilchen mittheilt;
aber ſelbſt nach zwei Tagen findet man mittelmaͤßig geladene Fla-
ſchen in trockner Luft noch unentladen.
Eine aͤhnliche ſtille Entladung, wie hier die Luft endlich
bewirkt, kann man mit Spitzen, die man gegen die aͤußere und
gegen die innere Belegung der Flaſche richtet, hervorbringen. Man
ſtellt die geladene Flaſche iſolirt auf, und haͤlt zugleich zwei ſpitzige
metalliſche Leiter mit ihren Spitzen gegen die obere Kugel und
gegen die aͤußere Belegung, ohne dieſe zu beruͤhren; nachdem man
dies einige Zeit gethan hat, findet man, bei Anwendung des Aus-
laders, daß faſt die ganze Ladung verloren iſt.
Man kann die Ladung einer Flaſche unter zwei Flaſchen aus-
theilen; aber es iſt ſchwierig, uͤber das Maaß der Ladung fuͤr die
eine und die andere Flaſche genau zu urtheilen. Wenn man zwei
Flaſchen neben einander aufſtellt, AB, CD, (Fig. 82.) und nun
die eine AB ladet, ſo kann man zuerſt die aͤußeren Belegungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/292>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.