Ende Eisenfeile anzieht, wenn sein eines Ende an einem hinreichend starken Magnete anliegt. Das Eisen erlangt also, so lange es unter der nahen Einwirkung des Magnetes ist, selbst magnetische Kraft; aber das weiche Eisen verliert sie sogleich wieder, wenn man es vom Magnete entfernt, und eben das gilt vom weichen Stahle; der gehärtete Stahl dagegen bleibt in einigem Grade magnetisch, die Nähnadel, die am Magnete eine andre anzog, behält diese anziehende Kraft in einigem Grade auch in der Folge. Bei einem recht starken Magnete geht jene Wirkung noch weiter, indem selbst ohne Berührung, ja in 6 Zoll, 10 Zoll Entfernung, ein unmagnetisches Eisen, ein größerer Schlüssel zum Beispiel, ganz erhebliche Stücke Eisen zu tragen im Stande ist, aber auch diese Kraft behält das Eisen nur in der Nähe, unter dem Einflusse des Magnets.
Wir wollen diese merkwürdige Erfahrung sogleich dazu be- nutzen, künstliche Magnete zu verfertigen. Die Nähnadel, die eine Weile von einem starken Magnete angezogen an ihm hing, ist ein kleiner Magnet geworden, sie fährt fort, Eisenfeile anzuziehen, und was noch merkwürdiger ist, wenn man sie an einem feinen Seidenfaden im Schwerpuncte aufhängt, so zeigt sie nach Norden, auch sie hat ihren Nordpol und Südpol erhalten. Natürlich fra- gen wir, welches Ende der Nadel ist denn Nordpol geworden? -- und jeder Versuch beantwortet uns diese Frage ganz entschieden da- hin, daß der am Nordpole des Magnets anhängende Theil der Nadel ein Südpol wird, hingegen das am Südpole anhängende ein Nordpol, daß also die Nadel in ihrem berührenden Theile den Pol erhält, welcher dem berührten Magnetpole entgegengesetzt ist, daß der entferntere Theil der Nadel dagegen dem Magnetpole, wo sich die Nadel befindet, gleichnamig ist. Den Reichthum von Lehr- sätzen, zu denen diese wenigen Erfahrungen den Weg bahnen, müs- sen wir nach und nach weiter kennen zu lernen suchen.
Die Erfahrung, daß weicher Stahl nur unter der dauernden Einwirkung des Magnetes sich magnetisch zeigt, nachher aber alle Kraft wieder verliert, nöthigt uns, zu Verfertigung künstlicher Magnete uns des gehärteten Stahles zu bedienen. Ueber den Grad und die Art der Härtung sind die Künstler nicht ganz einig; Horner giebt für Magnetnadeln die Vorschrift, als am meisten
Ende Eiſenfeile anzieht, wenn ſein eines Ende an einem hinreichend ſtarken Magnete anliegt. Das Eiſen erlangt alſo, ſo lange es unter der nahen Einwirkung des Magnetes iſt, ſelbſt magnetiſche Kraft; aber das weiche Eiſen verliert ſie ſogleich wieder, wenn man es vom Magnete entfernt, und eben das gilt vom weichen Stahle; der gehaͤrtete Stahl dagegen bleibt in einigem Grade magnetiſch, die Naͤhnadel, die am Magnete eine andre anzog, behaͤlt dieſe anziehende Kraft in einigem Grade auch in der Folge. Bei einem recht ſtarken Magnete geht jene Wirkung noch weiter, indem ſelbſt ohne Beruͤhrung, ja in 6 Zoll, 10 Zoll Entfernung, ein unmagnetiſches Eiſen, ein groͤßerer Schluͤſſel zum Beiſpiel, ganz erhebliche Stuͤcke Eiſen zu tragen im Stande iſt, aber auch dieſe Kraft behaͤlt das Eiſen nur in der Naͤhe, unter dem Einfluſſe des Magnets.
Wir wollen dieſe merkwuͤrdige Erfahrung ſogleich dazu be- nutzen, kuͤnſtliche Magnete zu verfertigen. Die Naͤhnadel, die eine Weile von einem ſtarken Magnete angezogen an ihm hing, iſt ein kleiner Magnet geworden, ſie faͤhrt fort, Eiſenfeile anzuziehen, und was noch merkwuͤrdiger iſt, wenn man ſie an einem feinen Seidenfaden im Schwerpuncte aufhaͤngt, ſo zeigt ſie nach Norden, auch ſie hat ihren Nordpol und Suͤdpol erhalten. Natuͤrlich fra- gen wir, welches Ende der Nadel iſt denn Nordpol geworden? — und jeder Verſuch beantwortet uns dieſe Frage ganz entſchieden da- hin, daß der am Nordpole des Magnets anhaͤngende Theil der Nadel ein Suͤdpol wird, hingegen das am Suͤdpole anhaͤngende ein Nordpol, daß alſo die Nadel in ihrem beruͤhrenden Theile den Pol erhaͤlt, welcher dem beruͤhrten Magnetpole entgegengeſetzt iſt, daß der entferntere Theil der Nadel dagegen dem Magnetpole, wo ſich die Nadel befindet, gleichnamig iſt. Den Reichthum von Lehr- ſaͤtzen, zu denen dieſe wenigen Erfahrungen den Weg bahnen, muͤſ- ſen wir nach und nach weiter kennen zu lernen ſuchen.
Die Erfahrung, daß weicher Stahl nur unter der dauernden Einwirkung des Magnetes ſich magnetiſch zeigt, nachher aber alle Kraft wieder verliert, noͤthigt uns, zu Verfertigung kuͤnſtlicher Magnete uns des gehaͤrteten Stahles zu bedienen. Ueber den Grad und die Art der Haͤrtung ſind die Kuͤnſtler nicht ganz einig; Horner giebt fuͤr Magnetnadeln die Vorſchrift, als am meiſten
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Ende Eiſenfeile anzieht, wenn ſein eines Ende an einem hinreichend
ſtarken Magnete anliegt. Das Eiſen erlangt alſo, ſo lange es
unter der nahen Einwirkung des Magnetes iſt, ſelbſt magnetiſche
Kraft; aber das weiche Eiſen verliert ſie ſogleich wieder, wenn
man es vom Magnete entfernt, und eben das gilt vom weichen
Stahle; der gehaͤrtete Stahl dagegen bleibt in einigem Grade
magnetiſch, die Naͤhnadel, die am Magnete eine andre anzog,
behaͤlt dieſe anziehende Kraft in einigem Grade auch in der Folge.
Bei einem recht ſtarken Magnete geht jene Wirkung noch weiter,
indem ſelbſt ohne Beruͤhrung, ja in 6 Zoll, 10 Zoll Entfernung,
ein unmagnetiſches Eiſen, ein groͤßerer Schluͤſſel zum Beiſpiel,
ganz erhebliche Stuͤcke Eiſen zu tragen im Stande iſt, aber auch
dieſe Kraft behaͤlt das Eiſen nur in der Naͤhe, unter dem Einfluſſe
des Magnets.
Wir wollen dieſe merkwuͤrdige Erfahrung ſogleich dazu be-
nutzen, kuͤnſtliche Magnete zu verfertigen. Die Naͤhnadel, die
eine Weile von einem ſtarken Magnete angezogen an ihm hing, iſt
ein kleiner Magnet geworden, ſie faͤhrt fort, Eiſenfeile anzuziehen,
und was noch merkwuͤrdiger iſt, wenn man ſie an einem feinen
Seidenfaden im Schwerpuncte aufhaͤngt, ſo zeigt ſie nach Norden,
auch ſie hat ihren Nordpol und Suͤdpol erhalten. Natuͤrlich fra-
gen wir, welches Ende der Nadel iſt denn Nordpol geworden? —
und jeder Verſuch beantwortet uns dieſe Frage ganz entſchieden da-
hin, daß der am Nordpole des Magnets anhaͤngende Theil der
Nadel ein Suͤdpol wird, hingegen das am Suͤdpole anhaͤngende
ein Nordpol, daß alſo die Nadel in ihrem beruͤhrenden Theile den
Pol erhaͤlt, welcher dem beruͤhrten Magnetpole entgegengeſetzt iſt,
daß der entferntere Theil der Nadel dagegen dem Magnetpole, wo
ſich die Nadel befindet, gleichnamig iſt. Den Reichthum von Lehr-
ſaͤtzen, zu denen dieſe wenigen Erfahrungen den Weg bahnen, muͤſ-
ſen wir nach und nach weiter kennen zu lernen ſuchen.
Die Erfahrung, daß weicher Stahl nur unter der dauernden
Einwirkung des Magnetes ſich magnetiſch zeigt, nachher aber alle
Kraft wieder verliert, noͤthigt uns, zu Verfertigung kuͤnſtlicher
Magnete uns des gehaͤrteten Stahles zu bedienen. Ueber den
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/424>, abgerufen am 21.11.2024.
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