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Braun, Lily: Die Frauen und die Politik. Berlin, 1903.

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dem Proletariat, die zu Zugeständnissen nöthigt, andererseits aber
ist es auch das Gewissen der bürgerlichen Gesellschaft, das erst durch
den Mahnruf der Sozialdemokratie geweckt wurde, und ihren eng-
herzigen Egoismus ein wenig eindämmen half.

Die wichtigste sozialdemokratische Forderung auf dem Gebiete
des Arbeiterschutzes ist der achtstündige Arbeitstag für alle Arbeiter
ohne Unterschied des Geschlechts. Von welch einschneidender Be-
deutung solch eine Beschränkung der Arbeitszeit für die Gesundheit,
das Familienleben, die geistige Fortentwickelung eines Jeden sein
würde, braucht man einer Frau am wenigsten besonders auseinander-
zusetzen, die unter der Last doppelter und dreifacher Pflichten zu
leiden hat. Auf der Herabsetzung der Arbeitszeit beruht zum guten
Theil die Möglichkeit physischer und geistiger Fortentwickelung für
die Arbeiterklasse, sie ist eine der Kraftquellen, aus der sie schöpft.
Jn der richtigen Erkenntniß, daß die Herabsetzung der Frauenarbeits-
zeit von den herrschenden Klassen leichter zu erreichen sein würde
und den besten Ausgangspunkt für allgemeinere Maßregeln bilden
könne, hat die Sozialdemokratie auch nach dieser Richtung energisch
eingegriffen, und dem zehnstündigen Arbeitstag, den sie heute zunächst
an Stelle des elfstündigen verlangt, fehlt es nicht an Aussicht zur Ver-
wirklichung zu gelangen. Es wäre nur ein weiterer Schritt auf dem
Wege zum allgemeinen Normalarbeitstag.

Es würde ein Buch für sich füllen, wollten wir jede einzelne
Forderung, jede Stellungnahme der Partei gegenüber Vorschlägen
von anderen Parteien hier registriren. Sie ist, soweit spezielle
Fraueninteressen in Frage kommen, zu jeder Zeit ihr Wortführer
gewesen: sie kämpft für die Freiheit und Gleichheit des Weibes, soweit
Recht und Sitte sie benachtheiligen, für ihren Schutz, soweit sie als
Arbeiterin und Mutter seiner bedarf. Von ihrem Wahlrecht zu den
Gewerbegerichten bis zu ihrem politischen Wahlrecht, ist sie, den Spott
der Gegner nicht fürchtend, für sie eingetreten; in dem Kampf gegen
ein Vereins- und Versammlungsrecht, das die Frauen den Unmündigen
gleichstellt, hat sie die Führung. Für eine durchgreifende Reform der
Krankenversicherung zu Gunsten der Schwangeren und der Wöch-
nerinnen hat sie neuerdings erst wieder ihre Stimme erhoben. Durch
Gleichstellung des Gesindes mit dem gewerblichen Arbeiter, durch
Unterstellung von Hausindustrie und Heimarbeit unter besondere
Schutzgesetze möchte sie der schrankenlosen Ausbeutung auf diesen
großen Gebieten der Frauenarbeit wirksam entgegentreten. Und als
Vertreter der Frauen wirkt sie auch, wenn sie den Kindern, durch
strenges Verbot der Erwerbsarbeit, eine ungetrübte Jugend sichern
will, in der die Kräfte für die künftige Lebensarbeit ungehindert
reifen können.

Und ebenso hat die Sozialdemokratie es niemals versäumt, die
Rechte der Arbeiter in weitestem Maße wahrzunehmen. Selbständige
Anträge zum Arbeiterschutz wurden, sei es in umfassender Weise, wie

dem Proletariat, die zu Zugeständnissen nöthigt, andererseits aber
ist es auch das Gewissen der bürgerlichen Gesellschaft, das erst durch
den Mahnruf der Sozialdemokratie geweckt wurde, und ihren eng-
herzigen Egoismus ein wenig eindämmen half.

Die wichtigste sozialdemokratische Forderung auf dem Gebiete
des Arbeiterschutzes ist der achtstündige Arbeitstag für alle Arbeiter
ohne Unterschied des Geschlechts. Von welch einschneidender Be-
deutung solch eine Beschränkung der Arbeitszeit für die Gesundheit,
das Familienleben, die geistige Fortentwickelung eines Jeden sein
würde, braucht man einer Frau am wenigsten besonders auseinander-
zusetzen, die unter der Last doppelter und dreifacher Pflichten zu
leiden hat. Auf der Herabsetzung der Arbeitszeit beruht zum guten
Theil die Möglichkeit physischer und geistiger Fortentwickelung für
die Arbeiterklasse, sie ist eine der Kraftquellen, aus der sie schöpft.
Jn der richtigen Erkenntniß, daß die Herabsetzung der Frauenarbeits-
zeit von den herrschenden Klassen leichter zu erreichen sein würde
und den besten Ausgangspunkt für allgemeinere Maßregeln bilden
könne, hat die Sozialdemokratie auch nach dieser Richtung energisch
eingegriffen, und dem zehnstündigen Arbeitstag, den sie heute zunächst
an Stelle des elfstündigen verlangt, fehlt es nicht an Aussicht zur Ver-
wirklichung zu gelangen. Es wäre nur ein weiterer Schritt auf dem
Wege zum allgemeinen Normalarbeitstag.

Es würde ein Buch für sich füllen, wollten wir jede einzelne
Forderung, jede Stellungnahme der Partei gegenüber Vorschlägen
von anderen Parteien hier registriren. Sie ist, soweit spezielle
Fraueninteressen in Frage kommen, zu jeder Zeit ihr Wortführer
gewesen: sie kämpft für die Freiheit und Gleichheit des Weibes, soweit
Recht und Sitte sie benachtheiligen, für ihren Schutz, soweit sie als
Arbeiterin und Mutter seiner bedarf. Von ihrem Wahlrecht zu den
Gewerbegerichten bis zu ihrem politischen Wahlrecht, ist sie, den Spott
der Gegner nicht fürchtend, für sie eingetreten; in dem Kampf gegen
ein Vereins- und Versammlungsrecht, das die Frauen den Unmündigen
gleichstellt, hat sie die Führung. Für eine durchgreifende Reform der
Krankenversicherung zu Gunsten der Schwangeren und der Wöch-
nerinnen hat sie neuerdings erst wieder ihre Stimme erhoben. Durch
Gleichstellung des Gesindes mit dem gewerblichen Arbeiter, durch
Unterstellung von Hausindustrie und Heimarbeit unter besondere
Schutzgesetze möchte sie der schrankenlosen Ausbeutung auf diesen
großen Gebieten der Frauenarbeit wirksam entgegentreten. Und als
Vertreter der Frauen wirkt sie auch, wenn sie den Kindern, durch
strenges Verbot der Erwerbsarbeit, eine ungetrübte Jugend sichern
will, in der die Kräfte für die künftige Lebensarbeit ungehindert
reifen können.

Und ebenso hat die Sozialdemokratie es niemals versäumt, die
Rechte der Arbeiter in weitestem Maße wahrzunehmen. Selbständige
Anträge zum Arbeiterschutz wurden, sei es in umfassender Weise, wie

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[40/0039] dem Proletariat, die zu Zugeständnissen nöthigt, andererseits aber ist es auch das Gewissen der bürgerlichen Gesellschaft, das erst durch den Mahnruf der Sozialdemokratie geweckt wurde, und ihren eng- herzigen Egoismus ein wenig eindämmen half. Die wichtigste sozialdemokratische Forderung auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes ist der achtstündige Arbeitstag für alle Arbeiter ohne Unterschied des Geschlechts. Von welch einschneidender Be- deutung solch eine Beschränkung der Arbeitszeit für die Gesundheit, das Familienleben, die geistige Fortentwickelung eines Jeden sein würde, braucht man einer Frau am wenigsten besonders auseinander- zusetzen, die unter der Last doppelter und dreifacher Pflichten zu leiden hat. Auf der Herabsetzung der Arbeitszeit beruht zum guten Theil die Möglichkeit physischer und geistiger Fortentwickelung für die Arbeiterklasse, sie ist eine der Kraftquellen, aus der sie schöpft. Jn der richtigen Erkenntniß, daß die Herabsetzung der Frauenarbeits- zeit von den herrschenden Klassen leichter zu erreichen sein würde und den besten Ausgangspunkt für allgemeinere Maßregeln bilden könne, hat die Sozialdemokratie auch nach dieser Richtung energisch eingegriffen, und dem zehnstündigen Arbeitstag, den sie heute zunächst an Stelle des elfstündigen verlangt, fehlt es nicht an Aussicht zur Ver- wirklichung zu gelangen. Es wäre nur ein weiterer Schritt auf dem Wege zum allgemeinen Normalarbeitstag. Es würde ein Buch für sich füllen, wollten wir jede einzelne Forderung, jede Stellungnahme der Partei gegenüber Vorschlägen von anderen Parteien hier registriren. Sie ist, soweit spezielle Fraueninteressen in Frage kommen, zu jeder Zeit ihr Wortführer gewesen: sie kämpft für die Freiheit und Gleichheit des Weibes, soweit Recht und Sitte sie benachtheiligen, für ihren Schutz, soweit sie als Arbeiterin und Mutter seiner bedarf. Von ihrem Wahlrecht zu den Gewerbegerichten bis zu ihrem politischen Wahlrecht, ist sie, den Spott der Gegner nicht fürchtend, für sie eingetreten; in dem Kampf gegen ein Vereins- und Versammlungsrecht, das die Frauen den Unmündigen gleichstellt, hat sie die Führung. Für eine durchgreifende Reform der Krankenversicherung zu Gunsten der Schwangeren und der Wöch- nerinnen hat sie neuerdings erst wieder ihre Stimme erhoben. Durch Gleichstellung des Gesindes mit dem gewerblichen Arbeiter, durch Unterstellung von Hausindustrie und Heimarbeit unter besondere Schutzgesetze möchte sie der schrankenlosen Ausbeutung auf diesen großen Gebieten der Frauenarbeit wirksam entgegentreten. Und als Vertreter der Frauen wirkt sie auch, wenn sie den Kindern, durch strenges Verbot der Erwerbsarbeit, eine ungetrübte Jugend sichern will, in der die Kräfte für die künftige Lebensarbeit ungehindert reifen können. Und ebenso hat die Sozialdemokratie es niemals versäumt, die Rechte der Arbeiter in weitestem Maße wahrzunehmen. Selbständige Anträge zum Arbeiterschutz wurden, sei es in umfassender Weise, wie

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-08-30T16:52:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-08-30T16:52:29Z)

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Zitationshilfe: Braun, Lily: Die Frauen und die Politik. Berlin, 1903, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braun_frauen_1903/39>, abgerufen am 21.11.2024.