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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Meerkatzen.
Asrakh zum Schlafen bäumten, und beschloß, dort anzustehen. Zufällig nächtigte eine Affenherde
auf demselben Baume. Bedenken ausdrückende Töne wurden laut, als ich im nahen Maisfelde mich
unter einem flugs zusammengestellten Schirm verborgen hatte: die Gesellschaft oben am Wipfel ahnte
offenbar nichts Gutes. Nach länger währendem Gegurgel und Gezeter schien man übereingekommen
zu sein, die belagerte Stelle zu verlassen. Vorsichtig stieg der Leitaffe vom Wipfel hernieder nach den
unteren Aesten. Er untersuchte und prüfte. Sein Vorsatz schien nicht verändert zu werden; denn
nach einigem Besinnen stieg er langsam noch weiter am Stamme herab, unzweifelhaft in der Absicht,
dem nahen Walde zuzufliehen. Andere folgten; nur die säugenden Mütter waren noch oben im
Wipfel. Jn diesem Augenblick bäumte ein Schlangenhalsvogel auf, ein Feuerstrahl aus
meinem Gewehr blitzte durch die Dämmerung. Unbeschreiblicher Wirrwarr im Wipfel war die erste
Wirkung des Schusses. Der Leitaffe kehrte sofort wieder um, Alles flüchtete nach den höchsten und
dichtesten Aesten. Jeder suchte ein sicheres Versteck. Welch Gezeter, Schreien, Gurgeln, Hin- und
Herspringen folgte nun! Jeder neue Schuß vermehrte das Entsetzliche der Lage. Das ganze Volk
fühlte sich in höchsten Aengsten. Wohl mochten hundert Pläne zur Flucht das ewig rege und
erfindungstüchtige Affengehirn beschäftigen -- kein einziger schien ausführbar. Das fürchterliche
Feuergewehr verursachte schließlich ein geradezu unsinniges Handeln. Einzelne Affen sprangen von
den Aesten auf den Boden herab und kletterten dann wieder angsterfüllt am Stamme desselben
Baumes empor, welcher ihnen eine Viertelminute vorher zu unsicher erschienen war. Endlich regte
sich Nichts mehr da oben. Jeder Affe saß ergebungsvoll auf dem Baume, so dicht an den Stamm
gedrückt als möglich. Mein Anstand währte so lange, weil die wiederholt aufgeschreckten Vögel
immer und immer wieder zu dem geliebten Schlafplatze zurückkehrten: -- nach den letzten Schüssen
vernahm ich aber nur noch ein ängstliches Stöhnen der fast dem Entsetzen erliegenden Affenbande.
Erst als ich schon längst nach meinem Schiff zurückgekehrt war, hörte ich wieder Gurgeltöne, mit
welchen der Stammvater zu beruhigen versuchte.

Von Raubthieren haben die freilebenden Affen nicht viel zu leiden. Den Raubsäugethieren gegen-
über sind sie viel zu behend; höchstens der Leopard dürfte dann und wann auch ein unvorsichtiges
Aeffchen sich erlisten. Den Raubvögeln widerstehen die Meerkatzen durch vereinigte Kraft. Einer der
kühnsten Stößer ihrer Heimat ist unstreitig der gehäubte Habichtsadler (Spizaetos oecipitalis). Er
nimmt die bissigen Erdeichhörnchen ohne weiteres vom Boden weg und kümmert sich nicht im ge-
ringsten um ihre scharfen Zähne und um ihr Fauchen. An die Affen aber wagt er sich nur selten und
wohl niemals ein zweites Mal. Davon habe ich mich selbst überzeugen können. Als ich eines Tages
in den Urwäldern jagte, hörte ich plötzlich das Rauschen eines jener Räuber über mir und einen
Augenblck später ein fürchterliches Affengeschrei: der Vogel hatte sich nämlich auf einen noch sehr
jungen, aber doch schon selbständigen Affen geworfen und wollte diesen aufheben und an einen geleg-
nern Ort tragen, um ihn dort ruhig zu verspeisen. Allein der Raub gelang ihm nicht. Der von
dem Vogel erfaßte Affe klammerte sich mit seinen vier Händen so fest an den Zweig, daß ihn jener
nicht wegziehen konnte, und schrie dabei Zeter. Augenblicklich entstand ein wahrer Aufruhr unter der
Herde, und im Nu war der Adler von vielleicht zehn starken Affen umringt. Diese fuhren unter ent-
setzlichem Gesichterschneiden und gellenden Schreien auf ihn los und hatten ihn sofort auch von allen
Seiten gepackt. Jetzt dachte der Gaudieb schwerlich noch daran, den Affen zu nehmen, sondern gewiß
blos an sein eigenes Fortkommen. Doch dieses wurde ihm nicht so leicht. Die Affen hielten ihn fest
und hätten ihn wahrscheinlich erwürgt, wenn er sich nicht mit großer Mühe frei gemacht und schleunigst
die Flucht ergriffen hätte. Von seinen Schwanz- und Rückenfedern aber flogen verschiedene in der
Luft herum und bewiesen, daß er seine Freiheit nicht ohne Verlust erkauft hatte. Daß dieser Adler
zum zweiten Male auf keinen Affen stoßen würde, stand wohl fest.

Vor derartigen Raubthieren fürchten sich die Affen also ebensowenig, wie vor dem Menschen.
Um so größeres Entsetzen aber bereiten ihnen alle Lurche und namentlich die Schlangen. Jch habe
zu erwähnen vergessen, daß die Affen Vogelnester jederzeit unbarmherzig ausnehmen und nicht blos

Die Affen. Meerkatzen.
Asrakh zum Schlafen bäumten, und beſchloß, dort anzuſtehen. Zufällig nächtigte eine Affenherde
auf demſelben Baume. Bedenken ausdrückende Töne wurden laut, als ich im nahen Maisfelde mich
unter einem flugs zuſammengeſtellten Schirm verborgen hatte: die Geſellſchaft oben am Wipfel ahnte
offenbar nichts Gutes. Nach länger währendem Gegurgel und Gezeter ſchien man übereingekommen
zu ſein, die belagerte Stelle zu verlaſſen. Vorſichtig ſtieg der Leitaffe vom Wipfel hernieder nach den
unteren Aeſten. Er unterſuchte und prüfte. Sein Vorſatz ſchien nicht verändert zu werden; denn
nach einigem Beſinnen ſtieg er langſam noch weiter am Stamme herab, unzweifelhaft in der Abſicht,
dem nahen Walde zuzufliehen. Andere folgten; nur die ſäugenden Mütter waren noch oben im
Wipfel. Jn dieſem Augenblick bäumte ein Schlangenhalsvogel auf, ein Feuerſtrahl aus
meinem Gewehr blitzte durch die Dämmerung. Unbeſchreiblicher Wirrwarr im Wipfel war die erſte
Wirkung des Schuſſes. Der Leitaffe kehrte ſofort wieder um, Alles flüchtete nach den höchſten und
dichteſten Aeſten. Jeder ſuchte ein ſicheres Verſteck. Welch Gezeter, Schreien, Gurgeln, Hin- und
Herſpringen folgte nun! Jeder neue Schuß vermehrte das Entſetzliche der Lage. Das ganze Volk
fühlte ſich in höchſten Aengſten. Wohl mochten hundert Pläne zur Flucht das ewig rege und
erfindungstüchtige Affengehirn beſchäftigen — kein einziger ſchien ausführbar. Das fürchterliche
Feuergewehr verurſachte ſchließlich ein geradezu unſinniges Handeln. Einzelne Affen ſprangen von
den Aeſten auf den Boden herab und kletterten dann wieder angſterfüllt am Stamme deſſelben
Baumes empor, welcher ihnen eine Viertelminute vorher zu unſicher erſchienen war. Endlich regte
ſich Nichts mehr da oben. Jeder Affe ſaß ergebungsvoll auf dem Baume, ſo dicht an den Stamm
gedrückt als möglich. Mein Anſtand währte ſo lange, weil die wiederholt aufgeſchreckten Vögel
immer und immer wieder zu dem geliebten Schlafplatze zurückkehrten: — nach den letzten Schüſſen
vernahm ich aber nur noch ein ängſtliches Stöhnen der faſt dem Entſetzen erliegenden Affenbande.
Erſt als ich ſchon längſt nach meinem Schiff zurückgekehrt war, hörte ich wieder Gurgeltöne, mit
welchen der Stammvater zu beruhigen verſuchte.

Von Raubthieren haben die freilebenden Affen nicht viel zu leiden. Den Raubſäugethieren gegen-
über ſind ſie viel zu behend; höchſtens der Leopard dürfte dann und wann auch ein unvorſichtiges
Aeffchen ſich erliſten. Den Raubvögeln widerſtehen die Meerkatzen durch vereinigte Kraft. Einer der
kühnſten Stößer ihrer Heimat iſt unſtreitig der gehäubte Habichtsadler (Spizaëtos oecipitalis). Er
nimmt die biſſigen Erdeichhörnchen ohne weiteres vom Boden weg und kümmert ſich nicht im ge-
ringſten um ihre ſcharfen Zähne und um ihr Fauchen. An die Affen aber wagt er ſich nur ſelten und
wohl niemals ein zweites Mal. Davon habe ich mich ſelbſt überzeugen können. Als ich eines Tages
in den Urwäldern jagte, hörte ich plötzlich das Rauſchen eines jener Räuber über mir und einen
Augenblck ſpäter ein fürchterliches Affengeſchrei: der Vogel hatte ſich nämlich auf einen noch ſehr
jungen, aber doch ſchon ſelbſtändigen Affen geworfen und wollte dieſen aufheben und an einen geleg-
nern Ort tragen, um ihn dort ruhig zu verſpeiſen. Allein der Raub gelang ihm nicht. Der von
dem Vogel erfaßte Affe klammerte ſich mit ſeinen vier Händen ſo feſt an den Zweig, daß ihn jener
nicht wegziehen konnte, und ſchrie dabei Zeter. Augenblicklich entſtand ein wahrer Aufruhr unter der
Herde, und im Nu war der Adler von vielleicht zehn ſtarken Affen umringt. Dieſe fuhren unter ent-
ſetzlichem Geſichterſchneiden und gellenden Schreien auf ihn los und hatten ihn ſofort auch von allen
Seiten gepackt. Jetzt dachte der Gaudieb ſchwerlich noch daran, den Affen zu nehmen, ſondern gewiß
blos an ſein eigenes Fortkommen. Doch dieſes wurde ihm nicht ſo leicht. Die Affen hielten ihn feſt
und hätten ihn wahrſcheinlich erwürgt, wenn er ſich nicht mit großer Mühe frei gemacht und ſchleunigſt
die Flucht ergriffen hätte. Von ſeinen Schwanz- und Rückenfedern aber flogen verſchiedene in der
Luft herum und bewieſen, daß er ſeine Freiheit nicht ohne Verluſt erkauft hatte. Daß dieſer Adler
zum zweiten Male auf keinen Affen ſtoßen würde, ſtand wohl feſt.

Vor derartigen Raubthieren fürchten ſich die Affen alſo ebenſowenig, wie vor dem Menſchen.
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[56/0110] Die Affen. Meerkatzen. Asrakh zum Schlafen bäumten, und beſchloß, dort anzuſtehen. Zufällig nächtigte eine Affenherde auf demſelben Baume. Bedenken ausdrückende Töne wurden laut, als ich im nahen Maisfelde mich unter einem flugs zuſammengeſtellten Schirm verborgen hatte: die Geſellſchaft oben am Wipfel ahnte offenbar nichts Gutes. Nach länger währendem Gegurgel und Gezeter ſchien man übereingekommen zu ſein, die belagerte Stelle zu verlaſſen. Vorſichtig ſtieg der Leitaffe vom Wipfel hernieder nach den unteren Aeſten. Er unterſuchte und prüfte. Sein Vorſatz ſchien nicht verändert zu werden; denn nach einigem Beſinnen ſtieg er langſam noch weiter am Stamme herab, unzweifelhaft in der Abſicht, dem nahen Walde zuzufliehen. Andere folgten; nur die ſäugenden Mütter waren noch oben im Wipfel. Jn dieſem Augenblick bäumte ein Schlangenhalsvogel auf, ein Feuerſtrahl aus meinem Gewehr blitzte durch die Dämmerung. Unbeſchreiblicher Wirrwarr im Wipfel war die erſte Wirkung des Schuſſes. Der Leitaffe kehrte ſofort wieder um, Alles flüchtete nach den höchſten und dichteſten Aeſten. Jeder ſuchte ein ſicheres Verſteck. Welch Gezeter, Schreien, Gurgeln, Hin- und Herſpringen folgte nun! Jeder neue Schuß vermehrte das Entſetzliche der Lage. Das ganze Volk fühlte ſich in höchſten Aengſten. Wohl mochten hundert Pläne zur Flucht das ewig rege und erfindungstüchtige Affengehirn beſchäftigen — kein einziger ſchien ausführbar. Das fürchterliche Feuergewehr verurſachte ſchließlich ein geradezu unſinniges Handeln. Einzelne Affen ſprangen von den Aeſten auf den Boden herab und kletterten dann wieder angſterfüllt am Stamme deſſelben Baumes empor, welcher ihnen eine Viertelminute vorher zu unſicher erſchienen war. Endlich regte ſich Nichts mehr da oben. Jeder Affe ſaß ergebungsvoll auf dem Baume, ſo dicht an den Stamm gedrückt als möglich. Mein Anſtand währte ſo lange, weil die wiederholt aufgeſchreckten Vögel immer und immer wieder zu dem geliebten Schlafplatze zurückkehrten: — nach den letzten Schüſſen vernahm ich aber nur noch ein ängſtliches Stöhnen der faſt dem Entſetzen erliegenden Affenbande. Erſt als ich ſchon längſt nach meinem Schiff zurückgekehrt war, hörte ich wieder Gurgeltöne, mit welchen der Stammvater zu beruhigen verſuchte. Von Raubthieren haben die freilebenden Affen nicht viel zu leiden. Den Raubſäugethieren gegen- über ſind ſie viel zu behend; höchſtens der Leopard dürfte dann und wann auch ein unvorſichtiges Aeffchen ſich erliſten. Den Raubvögeln widerſtehen die Meerkatzen durch vereinigte Kraft. Einer der kühnſten Stößer ihrer Heimat iſt unſtreitig der gehäubte Habichtsadler (Spizaëtos oecipitalis). Er nimmt die biſſigen Erdeichhörnchen ohne weiteres vom Boden weg und kümmert ſich nicht im ge- ringſten um ihre ſcharfen Zähne und um ihr Fauchen. An die Affen aber wagt er ſich nur ſelten und wohl niemals ein zweites Mal. Davon habe ich mich ſelbſt überzeugen können. Als ich eines Tages in den Urwäldern jagte, hörte ich plötzlich das Rauſchen eines jener Räuber über mir und einen Augenblck ſpäter ein fürchterliches Affengeſchrei: der Vogel hatte ſich nämlich auf einen noch ſehr jungen, aber doch ſchon ſelbſtändigen Affen geworfen und wollte dieſen aufheben und an einen geleg- nern Ort tragen, um ihn dort ruhig zu verſpeiſen. Allein der Raub gelang ihm nicht. Der von dem Vogel erfaßte Affe klammerte ſich mit ſeinen vier Händen ſo feſt an den Zweig, daß ihn jener nicht wegziehen konnte, und ſchrie dabei Zeter. Augenblicklich entſtand ein wahrer Aufruhr unter der Herde, und im Nu war der Adler von vielleicht zehn ſtarken Affen umringt. Dieſe fuhren unter ent- ſetzlichem Geſichterſchneiden und gellenden Schreien auf ihn los und hatten ihn ſofort auch von allen Seiten gepackt. Jetzt dachte der Gaudieb ſchwerlich noch daran, den Affen zu nehmen, ſondern gewiß blos an ſein eigenes Fortkommen. Doch dieſes wurde ihm nicht ſo leicht. Die Affen hielten ihn feſt und hätten ihn wahrſcheinlich erwürgt, wenn er ſich nicht mit großer Mühe frei gemacht und ſchleunigſt die Flucht ergriffen hätte. Von ſeinen Schwanz- und Rückenfedern aber flogen verſchiedene in der Luft herum und bewieſen, daß er ſeine Freiheit nicht ohne Verluſt erkauft hatte. Daß dieſer Adler zum zweiten Male auf keinen Affen ſtoßen würde, ſtand wohl feſt. Vor derartigen Raubthieren fürchten ſich die Affen alſo ebenſowenig, wie vor dem Menſchen. Um ſo größeres Entſetzen aber bereiten ihnen alle Lurche und namentlich die Schlangen. Jch habe zu erwähnen vergeſſen, daß die Affen Vogelneſter jederzeit unbarmherzig ausnehmen und nicht blos

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/110>, abgerufen am 28.11.2024.