Während meines langjährigen Aufenthalts in Afrika habe ich stets viele Affen und darunter auch regelmäßig Meerkatzen und zwar hauptsächlich den Abalandj der Araber (Cercopithecus griseo- viridis) in der Gefangenschaft gehalten und berichte also nach eigner Erfahrung über das geistige Wesen der Thiere, welches man eben fast nur an Gefangenen beobachten kann. Jch darf versichern, daß jedes dieser merkwürdigen Thiere sein eignes Wesen hatte und mir beständig Gelegenheit zu ebenso anziehenden als unterhaltenden Beobachtungen gab. Der eine Affe war zänkisch und bissig, der andere friedfertig und zahm, der dritte mürrisch, der vierte ewig heiter, dieser ruhig und einfach, jener pfiffig, schlau und ununterbrochen auf dumme, boshafte Streiche bedacht; alle aber kamen darin überein, daß sie größeren Thieren gern einen Schabernack anthaten, kleinere aber beschützten, hegten und pflegten. Sich selbst wußten sie jede Lage erträglich zu machen. Dabei lieferten sie täglich Beweise eines großen Verstandes, wahrhaft berechnender Schlauheit und wirklich vernünftiger Ueberlegung, zugleich aber auch der größten Gemüthlichkeit und zärtlichsten Liebe und Aufopferung anderen Thieren gegenüber, und ich habe wegen aller dieser Eigenschaften einzelne wirklich liebgewonnen.
Als ich auf dem blauen Flusse reiste, brachten mir die Einwohner eines Uferdorfes einmal fünf frischgefangene Meerkatzen zum Verkauf. Der Preis war sehr niedrig; denn man verlangte blos zehn Groschen unsers Geldes für eine jede. Jch kaufte sie in der Hoffnung, eine lustige Reisegesell- schaft an ihnen zu bekommen, und band sie der Reihe nach am Schiffbord fest. Meine Hoffnung schien jedoch nicht in Erfüllung gehen zu sollen, denn die Thiere saßen traurig und stumm neben einander, bedeckten sich das Gesicht mit beiden Händen wie tiefbetrübte Menschenkinder, fraßen nicht und ließen von Zeit zu Zeit traurige Gurgeltöne vernehmen, welche offenbar Klagen über das ihnen gewordene Geschick ausdrücken sollten. Es ist auch möglich, daß sie sich über die geeigneten Mittel beriethen, aus der Gefangenschaft wieder loszukommen; wenigstens schien mir ein Vorfall, der sich in der Nacht begab, auch mit Ergebniß ihrer Gurgelei zu sein. Am andern Morgen nämlich saß blos noch ein einziger Affe an seinem Platze, die übrigen waren entflohen. Kein einziger der Stricke, mit denen ich sie gefesselt hatte, war zerbissen oder zerrissen, die schlauen Thiere hatten vielmehr die Knoten sorgfältig aufgelöst, an ihren Gefährten aber, welcher etwas weiter von ihnen saß, nicht gedacht und so ihn in der Gefangenschaft sitzen lassen.
Dieser Uebriggebliebene war ein Männchen und erhielt den Namen Koko. Er trug sein Geschick mit Würde und Fassung. Die erste Untersuchung hatte ihn belehrt, daß seine Fesseln für ihn unlös- bar seien, und ich meines Theils sah darauf, ihm diese Ueberzeugung noch mehr einzuprägen. Als echter Weltweiser schien sich Koko nun gelassen in das Unvermeidliche zu fügen und fraß schon gegen Mittag des folgenden Tages Durrahkörner und anderes Futter, welches wir ihm vorwarfen. Gegen uns war er giftig und biß Jeden, der sich ihm nahte, doch schien sich sein Herz nach einem Gefährten zu sehnen. Er sah sich unter den anderen Thieren um und wählte sich unbedingt den sonderbarsten Kanz, welchen er sich hätte wählen können, einen Nashornvogel nämlich, welchen wir aus demselben Walde, dem er entstammte, mitgebracht hatten. Wahrscheinlich hatte ihn die Gutmüthigkeit des Vogels bestochen. Die Verbindung Beider wurde bald eine sehr innige. Koko behandelte seinen Pflegling unverschämt; dieser aber ließ sich Alles gefallen. Er war frei und konnte hingehen wohin er wollte, gleichwohl näherte er sich oft aus freien Stücken dem Affen und ließ nun Alles über sich ergehen, was diesem gerade in den Sinn kam. Daß der Vogel Federn anstatt der Haare hatte, kümmerte Koko sehr wenig: sie wurden ebensogut nach Läusen durchsucht wie das Fell der Säugethiere, und der Vogel schien sich wirklich bald so daran zu gewöhnen, daß er später gleich von selbst die Federn sträubte, wenn der Affe sein Lieblingswerk begann. Daß ihn dieser während des Reinigens hin- und herzog, ihn beim Schnabel, an dem Beine, an dem Halse, an den Flügeln und an dem Schwanze herum- riß, brachte das gutmüthige Geschöpf auch nicht auf. Er hielt sich zuletzt regelmäßig in der Nähe des Affen, fraß das vor diesem liegende Brod weg, putzte sich und schien seinen vierhändigen Freund fast herausfordern zu wollen, sich mit ihm zu beschäftigen. Die beiden Thiere lebten mehrere Monate in engster Gemeinschaft zusammen, auch später noch, als wir nach Chartum zurückgekehrt waren und
Die Affen. Meerkatzen. — Rothe Meerkatze.
Während meines langjährigen Aufenthalts in Afrika habe ich ſtets viele Affen und darunter auch regelmäßig Meerkatzen und zwar hauptſächlich den Abalandj der Araber (Cercopithecus griseo- viridis) in der Gefangenſchaft gehalten und berichte alſo nach eigner Erfahrung über das geiſtige Weſen der Thiere, welches man eben faſt nur an Gefangenen beobachten kann. Jch darf verſichern, daß jedes dieſer merkwürdigen Thiere ſein eignes Weſen hatte und mir beſtändig Gelegenheit zu ebenſo anziehenden als unterhaltenden Beobachtungen gab. Der eine Affe war zänkiſch und biſſig, der andere friedfertig und zahm, der dritte mürriſch, der vierte ewig heiter, dieſer ruhig und einfach, jener pfiffig, ſchlau und ununterbrochen auf dumme, boshafte Streiche bedacht; alle aber kamen darin überein, daß ſie größeren Thieren gern einen Schabernack anthaten, kleinere aber beſchützten, hegten und pflegten. Sich ſelbſt wußten ſie jede Lage erträglich zu machen. Dabei lieferten ſie täglich Beweiſe eines großen Verſtandes, wahrhaft berechnender Schlauheit und wirklich vernünftiger Ueberlegung, zugleich aber auch der größten Gemüthlichkeit und zärtlichſten Liebe und Aufopferung anderen Thieren gegenüber, und ich habe wegen aller dieſer Eigenſchaften einzelne wirklich liebgewonnen.
Als ich auf dem blauen Fluſſe reiſte, brachten mir die Einwohner eines Uferdorfes einmal fünf friſchgefangene Meerkatzen zum Verkauf. Der Preis war ſehr niedrig; denn man verlangte blos zehn Groſchen unſers Geldes für eine jede. Jch kaufte ſie in der Hoffnung, eine luſtige Reiſegeſell- ſchaft an ihnen zu bekommen, und band ſie der Reihe nach am Schiffbord feſt. Meine Hoffnung ſchien jedoch nicht in Erfüllung gehen zu ſollen, denn die Thiere ſaßen traurig und ſtumm neben einander, bedeckten ſich das Geſicht mit beiden Händen wie tiefbetrübte Menſchenkinder, fraßen nicht und ließen von Zeit zu Zeit traurige Gurgeltöne vernehmen, welche offenbar Klagen über das ihnen gewordene Geſchick ausdrücken ſollten. Es iſt auch möglich, daß ſie ſich über die geeigneten Mittel beriethen, aus der Gefangenſchaft wieder loszukommen; wenigſtens ſchien mir ein Vorfall, der ſich in der Nacht begab, auch mit Ergebniß ihrer Gurgelei zu ſein. Am andern Morgen nämlich ſaß blos noch ein einziger Affe an ſeinem Platze, die übrigen waren entflohen. Kein einziger der Stricke, mit denen ich ſie gefeſſelt hatte, war zerbiſſen oder zerriſſen, die ſchlauen Thiere hatten vielmehr die Knoten ſorgfältig aufgelöſt, an ihren Gefährten aber, welcher etwas weiter von ihnen ſaß, nicht gedacht und ſo ihn in der Gefangenſchaft ſitzen laſſen.
Dieſer Uebriggebliebene war ein Männchen und erhielt den Namen Koko. Er trug ſein Geſchick mit Würde und Faſſung. Die erſte Unterſuchung hatte ihn belehrt, daß ſeine Feſſeln für ihn unlös- bar ſeien, und ich meines Theils ſah darauf, ihm dieſe Ueberzeugung noch mehr einzuprägen. Als echter Weltweiſer ſchien ſich Koko nun gelaſſen in das Unvermeidliche zu fügen und fraß ſchon gegen Mittag des folgenden Tages Durrahkörner und anderes Futter, welches wir ihm vorwarfen. Gegen uns war er giftig und biß Jeden, der ſich ihm nahte, doch ſchien ſich ſein Herz nach einem Gefährten zu ſehnen. Er ſah ſich unter den anderen Thieren um und wählte ſich unbedingt den ſonderbarſten Kanz, welchen er ſich hätte wählen können, einen Nashornvogel nämlich, welchen wir aus demſelben Walde, dem er entſtammte, mitgebracht hatten. Wahrſcheinlich hatte ihn die Gutmüthigkeit des Vogels beſtochen. Die Verbindung Beider wurde bald eine ſehr innige. Koko behandelte ſeinen Pflegling unverſchämt; dieſer aber ließ ſich Alles gefallen. Er war frei und konnte hingehen wohin er wollte, gleichwohl näherte er ſich oft aus freien Stücken dem Affen und ließ nun Alles über ſich ergehen, was dieſem gerade in den Sinn kam. Daß der Vogel Federn anſtatt der Haare hatte, kümmerte Koko ſehr wenig: ſie wurden ebenſogut nach Läuſen durchſucht wie das Fell der Säugethiere, und der Vogel ſchien ſich wirklich bald ſo daran zu gewöhnen, daß er ſpäter gleich von ſelbſt die Federn ſträubte, wenn der Affe ſein Lieblingswerk begann. Daß ihn dieſer während des Reinigens hin- und herzog, ihn beim Schnabel, an dem Beine, an dem Halſe, an den Flügeln und an dem Schwanze herum- riß, brachte das gutmüthige Geſchöpf auch nicht auf. Er hielt ſich zuletzt regelmäßig in der Nähe des Affen, fraß das vor dieſem liegende Brod weg, putzte ſich und ſchien ſeinen vierhändigen Freund faſt herausfordern zu wollen, ſich mit ihm zu beſchäftigen. Die beiden Thiere lebten mehrere Monate in engſter Gemeinſchaft zuſammen, auch ſpäter noch, als wir nach Chartum zurückgekehrt waren und
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[58/0112]
Die Affen. Meerkatzen. — Rothe Meerkatze.
Während meines langjährigen Aufenthalts in Afrika habe ich ſtets viele Affen und darunter auch
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viridis) in der Gefangenſchaft gehalten und berichte alſo nach eigner Erfahrung über das geiſtige
Weſen der Thiere, welches man eben faſt nur an Gefangenen beobachten kann. Jch darf verſichern,
daß jedes dieſer merkwürdigen Thiere ſein eignes Weſen hatte und mir beſtändig Gelegenheit zu ebenſo
anziehenden als unterhaltenden Beobachtungen gab. Der eine Affe war zänkiſch und biſſig, der andere
friedfertig und zahm, der dritte mürriſch, der vierte ewig heiter, dieſer ruhig und einfach, jener pfiffig,
ſchlau und ununterbrochen auf dumme, boshafte Streiche bedacht; alle aber kamen darin überein, daß
ſie größeren Thieren gern einen Schabernack anthaten, kleinere aber beſchützten, hegten und pflegten.
Sich ſelbſt wußten ſie jede Lage erträglich zu machen. Dabei lieferten ſie täglich Beweiſe eines großen
Verſtandes, wahrhaft berechnender Schlauheit und wirklich vernünftiger Ueberlegung, zugleich aber
auch der größten Gemüthlichkeit und zärtlichſten Liebe und Aufopferung anderen Thieren gegenüber,
und ich habe wegen aller dieſer Eigenſchaften einzelne wirklich liebgewonnen.
Als ich auf dem blauen Fluſſe reiſte, brachten mir die Einwohner eines Uferdorfes einmal fünf
friſchgefangene Meerkatzen zum Verkauf. Der Preis war ſehr niedrig; denn man verlangte blos
zehn Groſchen unſers Geldes für eine jede. Jch kaufte ſie in der Hoffnung, eine luſtige Reiſegeſell-
ſchaft an ihnen zu bekommen, und band ſie der Reihe nach am Schiffbord feſt. Meine Hoffnung ſchien
jedoch nicht in Erfüllung gehen zu ſollen, denn die Thiere ſaßen traurig und ſtumm neben einander,
bedeckten ſich das Geſicht mit beiden Händen wie tiefbetrübte Menſchenkinder, fraßen nicht und ließen
von Zeit zu Zeit traurige Gurgeltöne vernehmen, welche offenbar Klagen über das ihnen gewordene
Geſchick ausdrücken ſollten. Es iſt auch möglich, daß ſie ſich über die geeigneten Mittel beriethen, aus
der Gefangenſchaft wieder loszukommen; wenigſtens ſchien mir ein Vorfall, der ſich in der Nacht
begab, auch mit Ergebniß ihrer Gurgelei zu ſein. Am andern Morgen nämlich ſaß blos noch ein
einziger Affe an ſeinem Platze, die übrigen waren entflohen. Kein einziger der Stricke, mit denen ich
ſie gefeſſelt hatte, war zerbiſſen oder zerriſſen, die ſchlauen Thiere hatten vielmehr die Knoten ſorgfältig
aufgelöſt, an ihren Gefährten aber, welcher etwas weiter von ihnen ſaß, nicht gedacht und ſo ihn in
der Gefangenſchaft ſitzen laſſen.
Dieſer Uebriggebliebene war ein Männchen und erhielt den Namen Koko. Er trug ſein Geſchick
mit Würde und Faſſung. Die erſte Unterſuchung hatte ihn belehrt, daß ſeine Feſſeln für ihn unlös-
bar ſeien, und ich meines Theils ſah darauf, ihm dieſe Ueberzeugung noch mehr einzuprägen. Als
echter Weltweiſer ſchien ſich Koko nun gelaſſen in das Unvermeidliche zu fügen und fraß ſchon gegen
Mittag des folgenden Tages Durrahkörner und anderes Futter, welches wir ihm vorwarfen. Gegen
uns war er giftig und biß Jeden, der ſich ihm nahte, doch ſchien ſich ſein Herz nach einem Gefährten
zu ſehnen. Er ſah ſich unter den anderen Thieren um und wählte ſich unbedingt den ſonderbarſten
Kanz, welchen er ſich hätte wählen können, einen Nashornvogel nämlich, welchen wir aus
demſelben Walde, dem er entſtammte, mitgebracht hatten. Wahrſcheinlich hatte ihn die Gutmüthigkeit
des Vogels beſtochen. Die Verbindung Beider wurde bald eine ſehr innige. Koko behandelte ſeinen
Pflegling unverſchämt; dieſer aber ließ ſich Alles gefallen. Er war frei und konnte hingehen wohin
er wollte, gleichwohl näherte er ſich oft aus freien Stücken dem Affen und ließ nun Alles über ſich
ergehen, was dieſem gerade in den Sinn kam. Daß der Vogel Federn anſtatt der Haare hatte,
kümmerte Koko ſehr wenig: ſie wurden ebenſogut nach Läuſen durchſucht wie das Fell der Säugethiere,
und der Vogel ſchien ſich wirklich bald ſo daran zu gewöhnen, daß er ſpäter gleich von ſelbſt die Federn
ſträubte, wenn der Affe ſein Lieblingswerk begann. Daß ihn dieſer während des Reinigens hin- und
herzog, ihn beim Schnabel, an dem Beine, an dem Halſe, an den Flügeln und an dem Schwanze herum-
riß, brachte das gutmüthige Geſchöpf auch nicht auf. Er hielt ſich zuletzt regelmäßig in der Nähe des
Affen, fraß das vor dieſem liegende Brod weg, putzte ſich und ſchien ſeinen vierhändigen Freund faſt
herausfordern zu wollen, ſich mit ihm zu beſchäftigen. Die beiden Thiere lebten mehrere Monate
in engſter Gemeinſchaft zuſammen, auch ſpäter noch, als wir nach Chartum zurückgekehrt waren und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/112>, abgerufen am 28.11.2024.
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