Jn seinem geistigen Wesen ist der Munga ein ächter Affe, d. h. wetterwendisch wie kaum ein anderes Thier. Seine Launen wechseln ohne Ursache in jedem Augenblick, und daher kommt es, daß man eigentlich niemals recht weiß, wie man mit ihm daran ist. Sein Muthwillen, die Munterkeit seines Wesens, seine Nachahmungssucht und seine Gelehrigkeit machen ihn jedoch zu einem gern gesehenen Gesellschafter und lassen nicht nur seine Unarten, sondern auch sein wirklich garstiges Gesicht vergessen.
Recht gemüthlich mag sein Freileben sein. Er bewohnt die dichteren Waldungen Malabars, ohne von irgend welchem Feinde behelligt zu werden. Die Eingebornen betrachten ihn als ein heiliges Wesen und erlauben ihm nicht blos, in ihren Gärten nach Lust und Willkür zu schalten, sondern errichten ihm noch besonders Tempel und bauen Fruchtgärten für ihn an, um dem saubern Heiligen ihre Ehrfurcht zu beweisen. Ob auch ihm ähnliche Heldenthaten zugeschrieben werden, wie dem Hulmann, ist mir unbekannt.
[Abbildung]
Der Munga (Macacus Sinicus). Der Bhunder (Macacus Rhesus).
Es ist nicht unmöglich, daß der Munga mit einem andern indischen Affen, dem Bhunder oder Rhesus (Macacus Rhesus) verwechselt wird. Dieses Thier scheint in den Augen der Jnder ein sehr großer Gott zu sein, so eine Art Erzheiliger oder Erzengel. Seine Verehrung übersteigt das Maß von kindlicher Einfalt.
"Jn der Nähe von Bindrabun, zu Deutsch Affenwald", sagt Kapitän Johnsohn, "giebt es mehr als hundert wohlbestellte Gärten, in welchen alle Arten von Früchten gezogen werden, einzig und allein zum Besten dieser Affen, deren Unterhaltung den Reichen des Landes als großes Glaubenswerk erscheint."
"Als ich durch eine der Straßen in Bindrabun ging, folgte ein alter Affe mir von Baum zu Baum, kam plötzlich herunter, nahm mir meinen Turban weg und entfernte sich damit in kurzer Zeit, ohne wieder gesehen zu werden.
"Jch wohnte einst einen Monat in dieser Stadt, und zwar in einem großen Hause an den Ufern des Flusses, welches einem reichen Eingebornen gehörte, Das Haus hatte keine Thüren, und die Affen kamen oft in das Jnnere des Zimmers, in welchem ich mich aufhielt, und nahmen Brod und andere Dinge vor unseren Augen von dem Tische weg. Wenn wir in einer Ecke des Raumes schliefen,
Verbreitung. Heilighaltung indiſcher Makaken.
Jn ſeinem geiſtigen Weſen iſt der Munga ein ächter Affe, d. h. wetterwendiſch wie kaum ein anderes Thier. Seine Launen wechſeln ohne Urſache in jedem Augenblick, und daher kommt es, daß man eigentlich niemals recht weiß, wie man mit ihm daran iſt. Sein Muthwillen, die Munterkeit ſeines Weſens, ſeine Nachahmungsſucht und ſeine Gelehrigkeit machen ihn jedoch zu einem gern geſehenen Geſellſchafter und laſſen nicht nur ſeine Unarten, ſondern auch ſein wirklich garſtiges Geſicht vergeſſen.
Recht gemüthlich mag ſein Freileben ſein. Er bewohnt die dichteren Waldungen Malabars, ohne von irgend welchem Feinde behelligt zu werden. Die Eingebornen betrachten ihn als ein heiliges Weſen und erlauben ihm nicht blos, in ihren Gärten nach Luſt und Willkür zu ſchalten, ſondern errichten ihm noch beſonders Tempel und bauen Fruchtgärten für ihn an, um dem ſaubern Heiligen ihre Ehrfurcht zu beweiſen. Ob auch ihm ähnliche Heldenthaten zugeſchrieben werden, wie dem Hulmann, iſt mir unbekannt.
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Der Munga (Macacus Sinicus). Der Bhunder (Macacus Rhesus).
Es iſt nicht unmöglich, daß der Munga mit einem andern indiſchen Affen, dem Bhunder oder Rheſus (Macacus Rhesus) verwechſelt wird. Dieſes Thier ſcheint in den Augen der Jnder ein ſehr großer Gott zu ſein, ſo eine Art Erzheiliger oder Erzengel. Seine Verehrung überſteigt das Maß von kindlicher Einfalt.
„Jn der Nähe von Bindrabun, zu Deutſch Affenwald‟, ſagt Kapitän Johnſohn, „giebt es mehr als hundert wohlbeſtellte Gärten, in welchen alle Arten von Früchten gezogen werden, einzig und allein zum Beſten dieſer Affen, deren Unterhaltung den Reichen des Landes als großes Glaubenswerk erſcheint.‟
„Als ich durch eine der Straßen in Bindrabun ging, folgte ein alter Affe mir von Baum zu Baum, kam plötzlich herunter, nahm mir meinen Turban weg und entfernte ſich damit in kurzer Zeit, ohne wieder geſehen zu werden.
„Jch wohnte einſt einen Monat in dieſer Stadt, und zwar in einem großen Hauſe an den Ufern des Fluſſes, welches einem reichen Eingebornen gehörte, Das Haus hatte keine Thüren, und die Affen kamen oft in das Jnnere des Zimmers, in welchem ich mich aufhielt, und nahmen Brod und andere Dinge vor unſeren Augen von dem Tiſche weg. Wenn wir in einer Ecke des Raumes ſchliefen,
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Verbreitung. Heilighaltung indiſcher Makaken.
Jn ſeinem geiſtigen Weſen iſt der Munga ein ächter Affe, d. h. wetterwendiſch wie kaum ein
anderes Thier. Seine Launen wechſeln ohne Urſache in jedem Augenblick, und daher kommt es, daß
man eigentlich niemals recht weiß, wie man mit ihm daran iſt. Sein Muthwillen, die Munterkeit
ſeines Weſens, ſeine Nachahmungsſucht und ſeine Gelehrigkeit machen ihn jedoch zu einem gern
geſehenen Geſellſchafter und laſſen nicht nur ſeine Unarten, ſondern auch ſein wirklich garſtiges
Geſicht vergeſſen.
Recht gemüthlich mag ſein Freileben ſein. Er bewohnt die dichteren Waldungen Malabars,
ohne von irgend welchem Feinde behelligt zu werden. Die Eingebornen betrachten ihn als ein heiliges
Weſen und erlauben ihm nicht blos, in ihren Gärten nach Luſt und Willkür zu ſchalten, ſondern
errichten ihm noch beſonders Tempel und bauen Fruchtgärten für ihn an, um dem ſaubern Heiligen
ihre Ehrfurcht zu beweiſen. Ob auch ihm ähnliche Heldenthaten zugeſchrieben werden, wie dem
Hulmann, iſt mir unbekannt.
[Abbildung Der Munga (Macacus Sinicus). Der Bhunder (Macacus Rhesus).]
Es iſt nicht unmöglich, daß der Munga mit einem andern indiſchen Affen, dem Bhunder oder
Rheſus (Macacus Rhesus) verwechſelt wird. Dieſes Thier ſcheint in den Augen der Jnder ein ſehr
großer Gott zu ſein, ſo eine Art Erzheiliger oder Erzengel. Seine Verehrung überſteigt das Maß
von kindlicher Einfalt.
„Jn der Nähe von Bindrabun, zu Deutſch Affenwald‟, ſagt Kapitän Johnſohn, „giebt
es mehr als hundert wohlbeſtellte Gärten, in welchen alle Arten von Früchten gezogen werden,
einzig und allein zum Beſten dieſer Affen, deren Unterhaltung den Reichen des Landes als großes
Glaubenswerk erſcheint.‟
„Als ich durch eine der Straßen in Bindrabun ging, folgte ein alter Affe mir von Baum zu
Baum, kam plötzlich herunter, nahm mir meinen Turban weg und entfernte ſich damit in kurzer Zeit,
ohne wieder geſehen zu werden.
„Jch wohnte einſt einen Monat in dieſer Stadt, und zwar in einem großen Hauſe an den Ufern
des Fluſſes, welches einem reichen Eingebornen gehörte, Das Haus hatte keine Thüren, und die
Affen kamen oft in das Jnnere des Zimmers, in welchem ich mich aufhielt, und nahmen Brod und
andere Dinge vor unſeren Augen von dem Tiſche weg. Wenn wir in einer Ecke des Raumes ſchliefen,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/117>, abgerufen am 27.11.2024.
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