Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Geschichten aus Jndien. Eine Affenmutter und ihr Kind. Baum, fällte denselben mit Hilfe seiner Diener, sing eine Menge von den Jungen und nahm sie mitsich nach Haus. Hier hatte er sich bereits eine Salbe zurecht gemacht, in welcher Zucker, Honig und Brechweinstein die Hauptbestandtheile waren. Mit dieser Salbe wurden die jungen Affen eingerieben und dann wieder freigelassen. Die ängstlichen Eltern hatten sorgend nach ihrer Nachkommenschaft gespäht und waren froh, als sie die lieben Kinder erblickten. Aber o Jammer, wie kamen sie zurück! Unsauber, beschmuzt, beschmiert, kaum mehr kenntlich. Natürlich, daß sofort eine gründliche Reini- gung vorgenommen wurde. Die Beschwerde der Säuberung schien sich zu lohnen, denn zuckersüß war die Schmiere, welche den Körper bedeckte. Beifälliges Grunzen wurde vernommen, doch nicht lange Zeit: der Brechweinstein zeigte seine tückische Wirkung, und ein Fratzenscheiden begann, wie niemals früher, als die Affen sich anschickten, mit heißem Flehen den heiligen Ulrich anzurufen. Nach dieser bittern Erfahrung kamen sie nie wieder in die Nähe des Verräthers und ließen sein Hab und Gut fortan unbehelligt. Der Bhunder ist 11/2 Fuß lang, sein Schwanz 1/2 Fuß. Er ist von kräftigem, untersetzten Jn der Gefangenschaft ist der Bhunder nicht eben angenehm, sondern ärgerlich, wüthend und "Unmittelbar nach der Geburt klammerte der junge Bhunder sich an dem Bauche seiner Mutter "Es läßt sich kaum beschreiben, wie groß die Sorgfalt der Mutter war für Alles, was das Brehm, Thierleben. 5
Geſchichten aus Jndien. Eine Affenmutter und ihr Kind. Baum, fällte denſelben mit Hilfe ſeiner Diener, ſing eine Menge von den Jungen und nahm ſie mitſich nach Haus. Hier hatte er ſich bereits eine Salbe zurecht gemacht, in welcher Zucker, Honig und Brechweinſtein die Hauptbeſtandtheile waren. Mit dieſer Salbe wurden die jungen Affen eingerieben und dann wieder freigelaſſen. Die ängſtlichen Eltern hatten ſorgend nach ihrer Nachkommenſchaft geſpäht und waren froh, als ſie die lieben Kinder erblickten. Aber o Jammer, wie kamen ſie zurück! Unſauber, beſchmuzt, beſchmiert, kaum mehr kenntlich. Natürlich, daß ſofort eine gründliche Reini- gung vorgenommen wurde. Die Beſchwerde der Säuberung ſchien ſich zu lohnen, denn zuckerſüß war die Schmiere, welche den Körper bedeckte. Beifälliges Grunzen wurde vernommen, doch nicht lange Zeit: der Brechweinſtein zeigte ſeine tückiſche Wirkung, und ein Fratzenſcheiden begann, wie niemals früher, als die Affen ſich anſchickten, mit heißem Flehen den heiligen Ulrich anzurufen. Nach dieſer bittern Erfahrung kamen ſie nie wieder in die Nähe des Verräthers und ließen ſein Hab und Gut fortan unbehelligt. Der Bhunder iſt 1½ Fuß lang, ſein Schwanz ½ Fuß. Er iſt von kräftigem, unterſetzten Jn der Gefangenſchaft iſt der Bhunder nicht eben angenehm, ſondern ärgerlich, wüthend und „Unmittelbar nach der Geburt klammerte der junge Bhunder ſich an dem Bauche ſeiner Mutter „Es läßt ſich kaum beſchreiben, wie groß die Sorgfalt der Mutter war für Alles, was das Brehm, Thierleben. 5
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Beifälliges Grunzen wurde vernommen, doch nicht<lb/> lange Zeit: der Brechweinſtein zeigte ſeine tückiſche Wirkung, und ein Fratzenſcheiden begann, wie<lb/> niemals früher, als die Affen ſich anſchickten, mit heißem Flehen den heiligen Ulrich anzurufen. Nach<lb/> dieſer bittern Erfahrung kamen ſie nie wieder in die Nähe des Verräthers und ließen ſein Hab und<lb/> Gut fortan unbehelligt.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Bhunder</hi> iſt 1½ Fuß lang, ſein Schwanz ½ Fuß. Er iſt von kräftigem, unterſetzten<lb/> Bau, am Oberleib reichhaltig, am Unterleib ſpärlich behaart. Seine Haut iſt ſchlaff und bildet an<lb/> dem Halſe, der Bruſt und dem Bauche wammenartige Falten. Die Färbung iſt oben grünlich oder<lb/> fahlgrau, an den Schenkeln mit hellgelblichen Anflug, an der Unterſeite weiß. Der Schwanz iſt oben<lb/> grünlich, unten graulich. Das Geſicht, die Ohren und Hände ſind licht kupferfarben, die Geſäß-<lb/> ſchwielen lebhaft roth gefärbt. Das Weibchen trägt ſeinen Schwanz gewöhnlich hängend, das<lb/> Männchen bogig ab- und einwärts gekrümmt. Unſer Affe iſt weit verbreitet in ganz Jndien und<lb/> ſteigt bis zu zehntauſend Fuß übers Meer empor.</p><lb/> <p>Jn der Gefangenſchaft iſt der <hi rendition="#g">Bhunder</hi> nicht eben angenehm, ſondern ärgerlich, wüthend und<lb/> ſehr reizbar. Er zerbricht und zerreißt Alles, was man in die Nähe ſeines Käfigs bringt, und ſcheint<lb/> ſich außerordentlich zu freuen, wenn ihm ein ſchlechter Streich gelang. Dabei iſt er eiferſüchtig und<lb/> ſchelſüchtig gegen ſeines Gleichen und geräth in Wuth, wenn er einen andern Affen freſſen ſieht. Jn<lb/> dem Thiergarten zu Paris hatte man im November des Jahres 1824 das Vergnügen, ein trächtiges<lb/> Weibchen dieſer Art zu erhalten und es vor und nach der Geburt ſeines Jungen beobachten zu können.<lb/> Der ausgezeichnete Forſcher <hi rendition="#g">Cuvier</hi> theilt uns hierüber Folgendes mit:</p><lb/> <p>„Unmittelbar nach der Geburt klammerte der junge <hi rendition="#g">Bhunder</hi> ſich an dem Bauche ſeiner Mutter<lb/> feſt, indem er ſich mit den vier Händen an ihrem Pelz feſthielt und mit dem Munde die Saugwarze<lb/> erfaßte. Vierzehn Tage lang ließ er die Brüſte ſeiner Mutter nicht frei. Er blieb während der<lb/> ganzen Zeit in unveränderter Stellung immer zum Saugen bereit und ſchlafend, wenn die Alte<lb/> ſich niederſetzte, aber auch im Schlafe ſich feſthaltend. Die eine Saugwarze verließ er nur, wenn er<lb/> die andere ergreifen wollte, und ſo gingen ihm die erſten Tage ſeines Lebens vorüber, ohne daß er<lb/> irgend eine andere Bewegung gemacht hatte, als die der Lippen, um zu ſaugen, und die der Augen,<lb/> um zu ſehen. Er wurde, wie alle Affen, mit offenen Augen geboren, und es ſchien, daß er vom erſten<lb/> Augenblicke an ſeine Umgebung zu unterſcheiden vermöge; denn er folgte allen um ihn vorgehenden<lb/> Bewegungen mit ſeinen Augen.‟</p><lb/> <p>„Es läßt ſich kaum beſchreiben, wie groß die Sorgfalt der Mutter war für Alles, was das<lb/> Saugen und die Sicherheit ihres Neugebornen betraf. Sie zeigte ſich ſtets verſtändig und ſo umſichtig.<lb/> daß man ſie bewundern lernte. Das geringſte Geräuſch, die mindeſte Bewegung erregte ihre Auf-<lb/> merkſamkeit und zugleich auch eine ängſtliche Sorgfalt für ihr Junges, nicht für ſich ſelbſt; denn ſie<lb/> war an die Menſchen gewöhnt und ganz zahm geworden. Alle ihre Bewegungen geſchahen mit größter<lb/> Gewandtheit, doch niemals ſo, daß der Säugling dabei hätte Schaden leiden können. Das Gewicht<lb/> ihres Jungen ſchien keine ihrer Bewegungen zu hindern, und es war auch kein Unterſchied in der<lb/> Gewandtheit oder in dem Ungeſtüm derſelben zu bemerken. Wohl aber ſah man deutlich, daß die<lb/> Alte ſich doppelt in Acht nahm, um nicht irgendwo mit ihrem Kinde anzuſtoßen. Etwa nach<lb/> vierzehn Tagen begann dieſes ſich von ſeiner Mutter loszumachen und zeigte gleich in ſeinen erſten<lb/> Schritten eine Gewandtheit, eine Stärke, welche alle in Erſtaunen ſetzen mußte, weil beidem doch<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. 5</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0119]
Geſchichten aus Jndien. Eine Affenmutter und ihr Kind.
Baum, fällte denſelben mit Hilfe ſeiner Diener, ſing eine Menge von den Jungen und nahm ſie mit
ſich nach Haus. Hier hatte er ſich bereits eine Salbe zurecht gemacht, in welcher Zucker, Honig und
Brechweinſtein die Hauptbeſtandtheile waren. Mit dieſer Salbe wurden die jungen Affen eingerieben
und dann wieder freigelaſſen. Die ängſtlichen Eltern hatten ſorgend nach ihrer Nachkommenſchaft
geſpäht und waren froh, als ſie die lieben Kinder erblickten. Aber o Jammer, wie kamen ſie zurück!
Unſauber, beſchmuzt, beſchmiert, kaum mehr kenntlich. Natürlich, daß ſofort eine gründliche Reini-
gung vorgenommen wurde. Die Beſchwerde der Säuberung ſchien ſich zu lohnen, denn zuckerſüß
war die Schmiere, welche den Körper bedeckte. Beifälliges Grunzen wurde vernommen, doch nicht
lange Zeit: der Brechweinſtein zeigte ſeine tückiſche Wirkung, und ein Fratzenſcheiden begann, wie
niemals früher, als die Affen ſich anſchickten, mit heißem Flehen den heiligen Ulrich anzurufen. Nach
dieſer bittern Erfahrung kamen ſie nie wieder in die Nähe des Verräthers und ließen ſein Hab und
Gut fortan unbehelligt.
Der Bhunder iſt 1½ Fuß lang, ſein Schwanz ½ Fuß. Er iſt von kräftigem, unterſetzten
Bau, am Oberleib reichhaltig, am Unterleib ſpärlich behaart. Seine Haut iſt ſchlaff und bildet an
dem Halſe, der Bruſt und dem Bauche wammenartige Falten. Die Färbung iſt oben grünlich oder
fahlgrau, an den Schenkeln mit hellgelblichen Anflug, an der Unterſeite weiß. Der Schwanz iſt oben
grünlich, unten graulich. Das Geſicht, die Ohren und Hände ſind licht kupferfarben, die Geſäß-
ſchwielen lebhaft roth gefärbt. Das Weibchen trägt ſeinen Schwanz gewöhnlich hängend, das
Männchen bogig ab- und einwärts gekrümmt. Unſer Affe iſt weit verbreitet in ganz Jndien und
ſteigt bis zu zehntauſend Fuß übers Meer empor.
Jn der Gefangenſchaft iſt der Bhunder nicht eben angenehm, ſondern ärgerlich, wüthend und
ſehr reizbar. Er zerbricht und zerreißt Alles, was man in die Nähe ſeines Käfigs bringt, und ſcheint
ſich außerordentlich zu freuen, wenn ihm ein ſchlechter Streich gelang. Dabei iſt er eiferſüchtig und
ſchelſüchtig gegen ſeines Gleichen und geräth in Wuth, wenn er einen andern Affen freſſen ſieht. Jn
dem Thiergarten zu Paris hatte man im November des Jahres 1824 das Vergnügen, ein trächtiges
Weibchen dieſer Art zu erhalten und es vor und nach der Geburt ſeines Jungen beobachten zu können.
Der ausgezeichnete Forſcher Cuvier theilt uns hierüber Folgendes mit:
„Unmittelbar nach der Geburt klammerte der junge Bhunder ſich an dem Bauche ſeiner Mutter
feſt, indem er ſich mit den vier Händen an ihrem Pelz feſthielt und mit dem Munde die Saugwarze
erfaßte. Vierzehn Tage lang ließ er die Brüſte ſeiner Mutter nicht frei. Er blieb während der
ganzen Zeit in unveränderter Stellung immer zum Saugen bereit und ſchlafend, wenn die Alte
ſich niederſetzte, aber auch im Schlafe ſich feſthaltend. Die eine Saugwarze verließ er nur, wenn er
die andere ergreifen wollte, und ſo gingen ihm die erſten Tage ſeines Lebens vorüber, ohne daß er
irgend eine andere Bewegung gemacht hatte, als die der Lippen, um zu ſaugen, und die der Augen,
um zu ſehen. Er wurde, wie alle Affen, mit offenen Augen geboren, und es ſchien, daß er vom erſten
Augenblicke an ſeine Umgebung zu unterſcheiden vermöge; denn er folgte allen um ihn vorgehenden
Bewegungen mit ſeinen Augen.‟
„Es läßt ſich kaum beſchreiben, wie groß die Sorgfalt der Mutter war für Alles, was das
Saugen und die Sicherheit ihres Neugebornen betraf. Sie zeigte ſich ſtets verſtändig und ſo umſichtig.
daß man ſie bewundern lernte. Das geringſte Geräuſch, die mindeſte Bewegung erregte ihre Auf-
merkſamkeit und zugleich auch eine ängſtliche Sorgfalt für ihr Junges, nicht für ſich ſelbſt; denn ſie
war an die Menſchen gewöhnt und ganz zahm geworden. Alle ihre Bewegungen geſchahen mit größter
Gewandtheit, doch niemals ſo, daß der Säugling dabei hätte Schaden leiden können. Das Gewicht
ihres Jungen ſchien keine ihrer Bewegungen zu hindern, und es war auch kein Unterſchied in der
Gewandtheit oder in dem Ungeſtüm derſelben zu bemerken. Wohl aber ſah man deutlich, daß die
Alte ſich doppelt in Acht nahm, um nicht irgendwo mit ihrem Kinde anzuſtoßen. Etwa nach
vierzehn Tagen begann dieſes ſich von ſeiner Mutter loszumachen und zeigte gleich in ſeinen erſten
Schritten eine Gewandtheit, eine Stärke, welche alle in Erſtaunen ſetzen mußte, weil beidem doch
Brehm, Thierleben. 5
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