zu erblicken, und fühlen uns unbefriedigt, wenn dieses Zerrbild nicht auch ein geistiges ist. Und nicht blos wir Männer hegen eine solche Ansicht, sondern auch die Frauen, welche doch regelmäßig abgesagte Feinde jeder Verspottung des eigenen Jchs, ja alles Menschlichen sind: ich habe stets erfahren, daß von Frauenmund die amerikanischen Affen als widerliche Geschöpfe bezeichnet worden sind.
So streng wollen wir nun zwar nicht urtheilen; doch können auch wir die in jener Bemerkung wirklich vorhandene Wahrheit nicht ganz wegleugnen. Wir müssen jedoch ein vollgültiges Urtheil noch aufsparen, bis wir unsere Thiere vollständiger kennen gelernt haben.
Die neuweltlichen Affen unterscheiden sich regelmäßig durch ihren Körper- und Gliederban, so wie durch ihre Zahnbildung von ihren Vettern im Osten. Jhr Leib ist gewöhnlich schmächtig, die Glieder sind lang, der Schwanz fehlt nie und verkümmert auch nie, wird viel- mehr häufig zur fünften Hand, indem er sich an seiner Spitze durch kräftige Muskeln zu- sammenrollen und deshalb als Greifwerkzeug gebrauchen läßt. Der Daumen der Vorder- hände kann den übrigen Fingern nicht in demselben Grade gegenüber gestellt werden, wie dies an den Hinterhänden der Fall ist. Die Nägel sind platt. Anstatt zweiund- dreißig Zähnen bilden sechsunddreißig das Gebiß; es finden sich auf jeder Seite sechs Backenzähne. Backentaschen und Gesäßschwielen sind nie vorhanden. Die Nasenscheidewand ist breit. Kein einziges Mitglied der ganzen Familie erreicht eine bedeutende Affengröße, und keines hat eine vorspringende Schnauze. Jhre Färbung ist zwar manchfaltig, aber niemals so bunt, wie die vieler Affen Asiens und Afrikas.
Der Heimatskreis der neuweltlichen Affen beschränkt sich auf Südamerika. Die Nordgrenze desselben bildet das Antillenmeer, auf dessen schönen Jnseln schon keine Affen mehr vorkommen, wie sie auch nicht über die Landenge von Panama nordwärts gehen. Nach Westen hin begrenzt die Andeskette, nach Osten hin das atlantische Meer, nach Süden hin der 25. Breitengrad ihr Gebiet.
Alle Neuweltsaffen sind ausschließlich Baumthiere und deshalb vorzugsweise in den Urwäldern zu Hause. Wasserreiche oder sumpfige Gegenden lieben sie mehr, als trockene. Auf die Erde kommen sie blos im äußersten Nothfalle herab; denn auch zur Tränke gehen sie nicht so wie andere Thiere, sondern klettern an Schlingpflanzen, überhängenden Aesten und dergleichen bis auf das Wasser herab und trinken, ohne die Zweige zu verlassen. Es ist wohl möglich, daß einzelne dieser Affen hunderte von Meilen zurücklegen, ohne auf ihrem Wege jemals die Erde zu berühren. Die Bäume bieten ihnen Alles, was sie bedürfen; denn ihre Nahrung besteht nur aus Pflanzentheilen aller Art, sowie aus Kerbthieren, Spinnen, Vogeleiern oder jungen Nestvögeln und Honig, und nur wenige plündern zu- weilen in einer Pflanzung.
Die meisten Arten sind am Tage rege, einige wenige aber Dämmerungs- und wirkliche Nacht- thiere. Die einen, wie die anderen, sind zu ihrer Zeit lebhaft und gewandt; jedoch giebt es unter den größeren Affen mehrere Arten, welche äußerst träge und gewissermaßen die Orang-Utangs der neuen Welt sind. Das Klettern verstehen alle vortrefflich und wissen dabei, wie ich schon oben an- deutete, ihren ausgezeichneten Schwanz auch ausgezeichnet zu gebrauchen. Dieser Schwanz ist geradezu Alles in Allem für die sonst sehr tölpischen Thiere; sie könnten ohne ihn gar nicht leben. Jhre Unge- schicklichkeit macht eine beständige Versicherung des Leibes nöthig, und eine solche gewährt der Wickel- schwanz unter allen Umständen. Fast bei jeder Stellung, auch während der tiefsten Ruhe schlingt der Affe seinen Schwanz um irgend Etwas und sei es selbst um eines seiner eigenen Glieder. Die Muskel- stärke des Schwanzes, welche die der übrigen Gliedmaßen weit übertrifft, und das feine Gefühl in dem Schwanzende ermöglicht ihnen den umfassendsten Gebrauch des merkwürdigen Geschenkes der Natur für ihr stilles Leben, und ersetzt ihnen vielfach die ihnen fehlende geistige wie leibliche Behen- digkeit ihrer überseeischen Vettern. Trotz alledem sind ihnen die echten Baumaffen der alten Welt im Springen und Klettern entschieden überlegen. Der Gang der Neuweltsaffen geschieht immer auf allen vier Beinen und ist stets mehr oder weniger unbeholfen, unsicher und schwankend, kurz schlecht.
Die Affen. Schmalnaſen.
zu erblicken, und fühlen uns unbefriedigt, wenn dieſes Zerrbild nicht auch ein geiſtiges iſt. Und nicht blos wir Männer hegen eine ſolche Anſicht, ſondern auch die Frauen, welche doch regelmäßig abgeſagte Feinde jeder Verſpottung des eigenen Jchs, ja alles Menſchlichen ſind: ich habe ſtets erfahren, daß von Frauenmund die amerikaniſchen Affen als widerliche Geſchöpfe bezeichnet worden ſind.
So ſtreng wollen wir nun zwar nicht urtheilen; doch können auch wir die in jener Bemerkung wirklich vorhandene Wahrheit nicht ganz wegleugnen. Wir müſſen jedoch ein vollgültiges Urtheil noch aufſparen, bis wir unſere Thiere vollſtändiger kennen gelernt haben.
Die neuweltlichen Affen unterſcheiden ſich regelmäßig durch ihren Körper- und Gliederban, ſo wie durch ihre Zahnbildung von ihren Vettern im Oſten. Jhr Leib iſt gewöhnlich ſchmächtig, die Glieder ſind lang, der Schwanz fehlt nie und verkümmert auch nie, wird viel- mehr häufig zur fünften Hand, indem er ſich an ſeiner Spitze durch kräftige Muskeln zu- ſammenrollen und deshalb als Greifwerkzeug gebrauchen läßt. Der Daumen der Vorder- hände kann den übrigen Fingern nicht in demſelben Grade gegenüber geſtellt werden, wie dies an den Hinterhänden der Fall iſt. Die Nägel ſind platt. Anſtatt zweiund- dreißig Zähnen bilden ſechsunddreißig das Gebiß; es finden ſich auf jeder Seite ſechs Backenzähne. Backentaſchen und Geſäßſchwielen ſind nie vorhanden. Die Naſenſcheidewand iſt breit. Kein einziges Mitglied der ganzen Familie erreicht eine bedeutende Affengröße, und keines hat eine vorſpringende Schnauze. Jhre Färbung iſt zwar manchfaltig, aber niemals ſo bunt, wie die vieler Affen Aſiens und Afrikas.
Der Heimatskreis der neuweltlichen Affen beſchränkt ſich auf Südamerika. Die Nordgrenze deſſelben bildet das Antillenmeer, auf deſſen ſchönen Jnſeln ſchon keine Affen mehr vorkommen, wie ſie auch nicht über die Landenge von Panama nordwärts gehen. Nach Weſten hin begrenzt die Andeskette, nach Oſten hin das atlantiſche Meer, nach Süden hin der 25. Breitengrad ihr Gebiet.
Alle Neuweltsaffen ſind ausſchließlich Baumthiere und deshalb vorzugsweiſe in den Urwäldern zu Hauſe. Waſſerreiche oder ſumpfige Gegenden lieben ſie mehr, als trockene. Auf die Erde kommen ſie blos im äußerſten Nothfalle herab; denn auch zur Tränke gehen ſie nicht ſo wie andere Thiere, ſondern klettern an Schlingpflanzen, überhängenden Aeſten und dergleichen bis auf das Waſſer herab und trinken, ohne die Zweige zu verlaſſen. Es iſt wohl möglich, daß einzelne dieſer Affen hunderte von Meilen zurücklegen, ohne auf ihrem Wege jemals die Erde zu berühren. Die Bäume bieten ihnen Alles, was ſie bedürfen; denn ihre Nahrung beſteht nur aus Pflanzentheilen aller Art, ſowie aus Kerbthieren, Spinnen, Vogeleiern oder jungen Neſtvögeln und Honig, und nur wenige plündern zu- weilen in einer Pflanzung.
Die meiſten Arten ſind am Tage rege, einige wenige aber Dämmerungs- und wirkliche Nacht- thiere. Die einen, wie die anderen, ſind zu ihrer Zeit lebhaft und gewandt; jedoch giebt es unter den größeren Affen mehrere Arten, welche äußerſt träge und gewiſſermaßen die Orang-Utangs der neuen Welt ſind. Das Klettern verſtehen alle vortrefflich und wiſſen dabei, wie ich ſchon oben an- deutete, ihren ausgezeichneten Schwanz auch ausgezeichnet zu gebrauchen. Dieſer Schwanz iſt geradezu Alles in Allem für die ſonſt ſehr tölpiſchen Thiere; ſie könnten ohne ihn gar nicht leben. Jhre Unge- ſchicklichkeit macht eine beſtändige Verſicherung des Leibes nöthig, und eine ſolche gewährt der Wickel- ſchwanz unter allen Umſtänden. Faſt bei jeder Stellung, auch während der tiefſten Ruhe ſchlingt der Affe ſeinen Schwanz um irgend Etwas und ſei es ſelbſt um eines ſeiner eigenen Glieder. Die Muskel- ſtärke des Schwanzes, welche die der übrigen Gliedmaßen weit übertrifft, und das feine Gefühl in dem Schwanzende ermöglicht ihnen den umfaſſendſten Gebrauch des merkwürdigen Geſchenkes der Natur für ihr ſtilles Leben, und erſetzt ihnen vielfach die ihnen fehlende geiſtige wie leibliche Behen- digkeit ihrer überſeeiſchen Vettern. Trotz alledem ſind ihnen die echten Baumaffen der alten Welt im Springen und Klettern entſchieden überlegen. Der Gang der Neuweltsaffen geſchieht immer auf allen vier Beinen und iſt ſtets mehr oder weniger unbeholfen, unſicher und ſchwankend, kurz ſchlecht.
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[94/0150]
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blos wir Männer hegen eine ſolche Anſicht, ſondern auch die Frauen, welche doch regelmäßig abgeſagte
Feinde jeder Verſpottung des eigenen Jchs, ja alles Menſchlichen ſind: ich habe ſtets erfahren, daß
von Frauenmund die amerikaniſchen Affen als widerliche Geſchöpfe bezeichnet worden ſind.
So ſtreng wollen wir nun zwar nicht urtheilen; doch können auch wir die in jener Bemerkung
wirklich vorhandene Wahrheit nicht ganz wegleugnen. Wir müſſen jedoch ein vollgültiges Urtheil
noch aufſparen, bis wir unſere Thiere vollſtändiger kennen gelernt haben.
Die neuweltlichen Affen unterſcheiden ſich regelmäßig durch ihren Körper- und Gliederban, ſo
wie durch ihre Zahnbildung von ihren Vettern im Oſten. Jhr Leib iſt gewöhnlich ſchmächtig,
die Glieder ſind lang, der Schwanz fehlt nie und verkümmert auch nie, wird viel-
mehr häufig zur fünften Hand, indem er ſich an ſeiner Spitze durch kräftige Muskeln zu-
ſammenrollen und deshalb als Greifwerkzeug gebrauchen läßt. Der Daumen der Vorder-
hände kann den übrigen Fingern nicht in demſelben Grade gegenüber geſtellt werden,
wie dies an den Hinterhänden der Fall iſt. Die Nägel ſind platt. Anſtatt zweiund-
dreißig Zähnen bilden ſechsunddreißig das Gebiß; es finden ſich auf jeder Seite
ſechs Backenzähne. Backentaſchen und Geſäßſchwielen ſind nie vorhanden. Die
Naſenſcheidewand iſt breit. Kein einziges Mitglied der ganzen Familie erreicht
eine bedeutende Affengröße, und keines hat eine vorſpringende Schnauze. Jhre
Färbung iſt zwar manchfaltig, aber niemals ſo bunt, wie die vieler Affen Aſiens
und Afrikas.
Der Heimatskreis der neuweltlichen Affen beſchränkt ſich auf Südamerika. Die Nordgrenze
deſſelben bildet das Antillenmeer, auf deſſen ſchönen Jnſeln ſchon keine Affen mehr vorkommen,
wie ſie auch nicht über die Landenge von Panama nordwärts gehen. Nach Weſten hin begrenzt die
Andeskette, nach Oſten hin das atlantiſche Meer, nach Süden hin der 25. Breitengrad ihr Gebiet.
Alle Neuweltsaffen ſind ausſchließlich Baumthiere und deshalb vorzugsweiſe in den Urwäldern
zu Hauſe. Waſſerreiche oder ſumpfige Gegenden lieben ſie mehr, als trockene. Auf die Erde kommen
ſie blos im äußerſten Nothfalle herab; denn auch zur Tränke gehen ſie nicht ſo wie andere Thiere,
ſondern klettern an Schlingpflanzen, überhängenden Aeſten und dergleichen bis auf das Waſſer herab
und trinken, ohne die Zweige zu verlaſſen. Es iſt wohl möglich, daß einzelne dieſer Affen hunderte
von Meilen zurücklegen, ohne auf ihrem Wege jemals die Erde zu berühren. Die Bäume bieten ihnen
Alles, was ſie bedürfen; denn ihre Nahrung beſteht nur aus Pflanzentheilen aller Art, ſowie aus
Kerbthieren, Spinnen, Vogeleiern oder jungen Neſtvögeln und Honig, und nur wenige plündern zu-
weilen in einer Pflanzung.
Die meiſten Arten ſind am Tage rege, einige wenige aber Dämmerungs- und wirkliche Nacht-
thiere. Die einen, wie die anderen, ſind zu ihrer Zeit lebhaft und gewandt; jedoch giebt es unter den
größeren Affen mehrere Arten, welche äußerſt träge und gewiſſermaßen die Orang-Utangs der
neuen Welt ſind. Das Klettern verſtehen alle vortrefflich und wiſſen dabei, wie ich ſchon oben an-
deutete, ihren ausgezeichneten Schwanz auch ausgezeichnet zu gebrauchen. Dieſer Schwanz iſt geradezu
Alles in Allem für die ſonſt ſehr tölpiſchen Thiere; ſie könnten ohne ihn gar nicht leben. Jhre Unge-
ſchicklichkeit macht eine beſtändige Verſicherung des Leibes nöthig, und eine ſolche gewährt der Wickel-
ſchwanz unter allen Umſtänden. Faſt bei jeder Stellung, auch während der tiefſten Ruhe ſchlingt der
Affe ſeinen Schwanz um irgend Etwas und ſei es ſelbſt um eines ſeiner eigenen Glieder. Die Muskel-
ſtärke des Schwanzes, welche die der übrigen Gliedmaßen weit übertrifft, und das feine Gefühl in
dem Schwanzende ermöglicht ihnen den umfaſſendſten Gebrauch des merkwürdigen Geſchenkes der
Natur für ihr ſtilles Leben, und erſetzt ihnen vielfach die ihnen fehlende geiſtige wie leibliche Behen-
digkeit ihrer überſeeiſchen Vettern. Trotz alledem ſind ihnen die echten Baumaffen der alten Welt im
Springen und Klettern entſchieden überlegen. Der Gang der Neuweltsaffen geſchieht immer auf allen
vier Beinen und iſt ſtets mehr oder weniger unbeholfen, unſicher und ſchwankend, kurz ſchlecht.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/150>, abgerufen am 24.11.2024.
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