wird er herausgenommen und wie ein Wickelkind umschlungen. Jn dieser Zwangsjacke bekommt er einige Tage lang nur Zuckersaft zum Getränk und in Salpeterwasser gekochte, stark mit spanischem Pfeffer gewürzte Speisen zur Nahrung. Schlägt diese Gewaltkur nicht an, so wird der Unbändige eine Zeit lang im Rauche aufgehangen. Bald legt sich nun die Wuth; das heimtückische Auge wird mild und fleht um Verzeihung. Dann werden die Banden gelöst, und auch der bissigste Affe scheint nun vollkommen vergessen zu haben, daß er jemals frei im Walde gelebt." So fesselt der Mensch das freie Kind der Wildniß und zwingt es, auch lebend, ihm zu dienen.
Okens Ausspruch, daß die größten Thiere innerhalb einer Familie oder Sippe auch immer die vollkommensten seien, findet wie bei den altweltlichen Affen, so auch bei den neuweltlichen seine Be- stätigung. Den Brüllaffen (Mycetes) wird in der zweiten Familie unserer Ordnung der erste Rang eingeräumt. Jhr Körper ist schlank, aber doch gedrungener als bei den übrigen Sippen der neuweltlichen Affen. Die Gliedmaßen sind gleichmäßig entwickelt, die Hände fünffingerig; der Kopf ist groß und die Schnauze vorstehend; die Behaarung ist dicht und am Kinn bartartig verlängert. Als eigenthümliches Merkmal der Brüllaffen muß vor Allem der kropfartig verdickte Kehlkopf an- gesehen werden. Alexander von Humboldt war der erste Naturforscher, welcher dieses Werkzeug zergliederte. "Während die kleinen amerikanischen Affen," sagt er, "die wie Sperlinge pfeifen, ein einfaches dünnes Zungenbein haben, liegt die Zunge bei den großen Affen auf einer ausgedehnten Knochentrommel. Jhr oberer Kehlkopf hat sechs Taschen, in denen sich die Stimme fängt, und wovon zwei taubennestförmige große Aehnlichkeit mit dem untern Kehlkopf der Vögel haben. Der dem Brüllaffen eigene klägliche Ton entsteht, wenn die Luft gewaltsam in die Knochentrommel einströmt. Wenn man bedenkt, wie groß die Knochenschachtel ist, wundert man sich nicht mehr über die Stärke und den Umfang der Stimme dieser Thiere, welche ihren Namen mit vollem Rechte tragen." Der Schwanz der Brüllaffen ist sehr lang, am hintern Ende kahl, dort nerven- und gefäßreich, auch sehr muskelkräftig und daher zu einem vollkommenen Greifwerkzeuge gestaltet.
Weit verbreitet, bewohnen die Brüllaffen fast alle tropischen Länder und Gegenden Süd- amerikas. Dichte, hochstämmige und feuchte Wälder sind ihr Aufenthalt; in den Steppen finden sie sich nur da, wo die einzelnen Baumgruppen sich zu kleinen Wäldern vergrößert haben und Wasser in der Nähe ist. Trockene Gegenden meiden sie gänzlich. Jhre Lebensweise ist so gleichförmig, daß man allen Arten gerecht wird, wenn man das Treiben und Schaffen einer einzigen beschreibt.
Jn unseren Lehrbüchern finden sich mehr als ein Dutzend Namen für die Brüllaffen, welche nach der Meinung der betreffenden Forscher besondere Arten bezeichnen; doch ist es jetzt ausgemacht, daß jede Art unserer Thiere vielfach abändert, und es ist daher so gut als entschieden, daß alle Brüllaffen auf sehr wenige, vielleicht nur auf drei oder vier Arten zurückzuführen sind.
Unserer Lebensschilderung liegen die Beobachtungen zu Grunde, welche von Alexander von Humboldt, Prinz Max von Neuwied, Rengger und von Schomburgk über zwei Arten, den rothen Brüllaffen oder Alauten (Mycetes seniculus) und den schwarzen Brüllaffen oder Caraya (Mycetes niger) gesammelt wurden. Das Männchen des erstern hat einen lebhaft glän- zenden, rothen Pelz, welcher auf dem Rücken in das Goldgelbe spielt. Das Weibchen ist dunkler und oft rein schwarzbraun; die Jungen ähneln der Mutter. Beim Carayamännchen ist der Pelz kohlschwarz gefärbt; die nackten Theile aber sind rothbraun. Weibchen und Junge sind lichter, gewöhnlich graulich- gelb gefärbt. Jmmer haben die Männchen einen längeren und dichteren Pelz und namentlich einen längern Bart, als die Weibchen. Vielfache Spielarten kommen von beiden vor. Jn der Größe gleichen sich der Alaute und der Caraya so ziemlich. Neuwied giebt die Länge des erstern zu 201/4, die Schwanzlänge dagegen zu 21 2/3 Zoll an, Rengger die des letztern zu 20 Zoll. Dieser ist hinsichtlich seines Vorkommens der südliche Vertreter von jenem. Er bewohnt Paraguay und Südbrasilien, während jener mehr in der Nähe von Guiana zu finden ist. Beide Arten sind an manchen Orten unglaublich
Die Affen. Brüllaffen.
wird er herausgenommen und wie ein Wickelkind umſchlungen. Jn dieſer Zwangsjacke bekommt er einige Tage lang nur Zuckerſaft zum Getränk und in Salpeterwaſſer gekochte, ſtark mit ſpaniſchem Pfeffer gewürzte Speiſen zur Nahrung. Schlägt dieſe Gewaltkur nicht an, ſo wird der Unbändige eine Zeit lang im Rauche aufgehangen. Bald legt ſich nun die Wuth; das heimtückiſche Auge wird mild und fleht um Verzeihung. Dann werden die Banden gelöſt, und auch der biſſigſte Affe ſcheint nun vollkommen vergeſſen zu haben, daß er jemals frei im Walde gelebt.‟ So feſſelt der Menſch das freie Kind der Wildniß und zwingt es, auch lebend, ihm zu dienen.
Okens Ausſpruch, daß die größten Thiere innerhalb einer Familie oder Sippe auch immer die vollkommenſten ſeien, findet wie bei den altweltlichen Affen, ſo auch bei den neuweltlichen ſeine Be- ſtätigung. Den Brüllaffen (Mycetes) wird in der zweiten Familie unſerer Ordnung der erſte Rang eingeräumt. Jhr Körper iſt ſchlank, aber doch gedrungener als bei den übrigen Sippen der neuweltlichen Affen. Die Gliedmaßen ſind gleichmäßig entwickelt, die Hände fünffingerig; der Kopf iſt groß und die Schnauze vorſtehend; die Behaarung iſt dicht und am Kinn bartartig verlängert. Als eigenthümliches Merkmal der Brüllaffen muß vor Allem der kropfartig verdickte Kehlkopf an- geſehen werden. Alexander von Humboldt war der erſte Naturforſcher, welcher dieſes Werkzeug zergliederte. „Während die kleinen amerikaniſchen Affen,‟ ſagt er, „die wie Sperlinge pfeifen, ein einfaches dünnes Zungenbein haben, liegt die Zunge bei den großen Affen auf einer ausgedehnten Knochentrommel. Jhr oberer Kehlkopf hat ſechs Taſchen, in denen ſich die Stimme fängt, und wovon zwei taubenneſtförmige große Aehnlichkeit mit dem untern Kehlkopf der Vögel haben. Der dem Brüllaffen eigene klägliche Ton entſteht, wenn die Luft gewaltſam in die Knochentrommel einſtrömt. Wenn man bedenkt, wie groß die Knochenſchachtel iſt, wundert man ſich nicht mehr über die Stärke und den Umfang der Stimme dieſer Thiere, welche ihren Namen mit vollem Rechte tragen.‟ Der Schwanz der Brüllaffen iſt ſehr lang, am hintern Ende kahl, dort nerven- und gefäßreich, auch ſehr muskelkräftig und daher zu einem vollkommenen Greifwerkzeuge geſtaltet.
Weit verbreitet, bewohnen die Brüllaffen faſt alle tropiſchen Länder und Gegenden Süd- amerikas. Dichte, hochſtämmige und feuchte Wälder ſind ihr Aufenthalt; in den Steppen finden ſie ſich nur da, wo die einzelnen Baumgruppen ſich zu kleinen Wäldern vergrößert haben und Waſſer in der Nähe iſt. Trockene Gegenden meiden ſie gänzlich. Jhre Lebensweiſe iſt ſo gleichförmig, daß man allen Arten gerecht wird, wenn man das Treiben und Schaffen einer einzigen beſchreibt.
Jn unſeren Lehrbüchern finden ſich mehr als ein Dutzend Namen für die Brüllaffen, welche nach der Meinung der betreffenden Forſcher beſondere Arten bezeichnen; doch iſt es jetzt ausgemacht, daß jede Art unſerer Thiere vielfach abändert, und es iſt daher ſo gut als entſchieden, daß alle Brüllaffen auf ſehr wenige, vielleicht nur auf drei oder vier Arten zurückzuführen ſind.
Unſerer Lebensſchilderung liegen die Beobachtungen zu Grunde, welche von Alexander von Humboldt, Prinz Max von Neuwied, Rengger und von Schomburgk über zwei Arten, den rothen Brüllaffen oder Alauten (Mycetes seniculus) und den ſchwarzen Brüllaffen oder Caraya (Mycetes niger) geſammelt wurden. Das Männchen des erſtern hat einen lebhaft glän- zenden, rothen Pelz, welcher auf dem Rücken in das Goldgelbe ſpielt. Das Weibchen iſt dunkler und oft rein ſchwarzbraun; die Jungen ähneln der Mutter. Beim Carayamännchen iſt der Pelz kohlſchwarz gefärbt; die nackten Theile aber ſind rothbraun. Weibchen und Junge ſind lichter, gewöhnlich graulich- gelb gefärbt. Jmmer haben die Männchen einen längeren und dichteren Pelz und namentlich einen längern Bart, als die Weibchen. Vielfache Spielarten kommen von beiden vor. Jn der Größe gleichen ſich der Alaute und der Caraya ſo ziemlich. Neuwied giebt die Länge des erſtern zu 20¼, die Schwanzlänge dagegen zu 21⅔ Zoll an, Rengger die des letztern zu 20 Zoll. Dieſer iſt hinſichtlich ſeines Vorkommens der ſüdliche Vertreter von jenem. Er bewohnt Paraguay und Südbraſilien, während jener mehr in der Nähe von Guiana zu finden iſt. Beide Arten ſind an manchen Orten unglaublich
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0152"n="96"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Affen.</hi> Brüllaffen.</fw><lb/>
wird er herausgenommen und wie ein Wickelkind umſchlungen. Jn dieſer Zwangsjacke bekommt er<lb/>
einige Tage lang nur Zuckerſaft zum Getränk und in Salpeterwaſſer gekochte, ſtark mit ſpaniſchem<lb/>
Pfeffer gewürzte Speiſen zur Nahrung. Schlägt dieſe Gewaltkur nicht an, ſo wird der Unbändige<lb/>
eine Zeit lang im Rauche aufgehangen. Bald legt ſich nun die Wuth; das heimtückiſche Auge wird<lb/>
mild und fleht um Verzeihung. Dann werden die Banden gelöſt, und auch der biſſigſte Affe ſcheint<lb/>
nun vollkommen vergeſſen zu haben, daß er jemals frei im Walde gelebt.‟ So feſſelt der Menſch<lb/>
das freie Kind der Wildniß und zwingt es, auch lebend, ihm zu dienen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#g">Okens</hi> Ausſpruch, daß die größten Thiere innerhalb einer Familie oder Sippe auch immer die<lb/>
vollkommenſten ſeien, findet wie bei den altweltlichen Affen, ſo auch bei den neuweltlichen ſeine Be-<lb/>ſtätigung. Den <hirendition="#g">Brüllaffen</hi> (<hirendition="#aq">Mycetes</hi>) wird in der zweiten Familie unſerer Ordnung der erſte<lb/>
Rang eingeräumt. Jhr Körper iſt ſchlank, aber doch gedrungener als bei den übrigen Sippen der<lb/>
neuweltlichen Affen. Die Gliedmaßen ſind gleichmäßig entwickelt, die Hände fünffingerig; der Kopf<lb/>
iſt groß und die Schnauze vorſtehend; die Behaarung iſt dicht und am Kinn bartartig verlängert.<lb/>
Als eigenthümliches Merkmal der <hirendition="#g">Brüllaffen</hi> muß vor Allem der kropfartig verdickte Kehlkopf an-<lb/>
geſehen werden. <hirendition="#g">Alexander von Humboldt</hi> war der erſte Naturforſcher, welcher dieſes Werkzeug<lb/>
zergliederte. „Während die kleinen amerikaniſchen Affen,‟ſagt er, „die wie <hirendition="#g">Sperlinge</hi> pfeifen, ein<lb/>
einfaches dünnes Zungenbein haben, liegt die Zunge bei den großen Affen auf einer ausgedehnten<lb/>
Knochentrommel. Jhr oberer Kehlkopf hat ſechs Taſchen, in denen ſich die Stimme fängt, und wovon<lb/>
zwei taubenneſtförmige große Aehnlichkeit mit dem untern Kehlkopf der Vögel haben. Der dem<lb/>
Brüllaffen eigene klägliche Ton entſteht, wenn die Luft gewaltſam in die Knochentrommel einſtrömt.<lb/>
Wenn man bedenkt, wie groß die Knochenſchachtel iſt, wundert man ſich nicht mehr über die Stärke<lb/>
und den Umfang der Stimme dieſer Thiere, welche ihren Namen mit vollem Rechte tragen.‟ Der<lb/>
Schwanz der Brüllaffen iſt ſehr lang, am hintern Ende kahl, dort nerven- und gefäßreich, auch<lb/>ſehr muskelkräftig und daher zu einem vollkommenen Greifwerkzeuge geſtaltet.</p><lb/><p>Weit verbreitet, bewohnen die Brüllaffen faſt alle tropiſchen Länder und Gegenden Süd-<lb/>
amerikas. Dichte, hochſtämmige und feuchte Wälder ſind ihr Aufenthalt; in den Steppen finden ſie<lb/>ſich nur da, wo die einzelnen Baumgruppen ſich zu kleinen Wäldern vergrößert haben und Waſſer in<lb/>
der Nähe iſt. Trockene Gegenden meiden ſie gänzlich. Jhre Lebensweiſe iſt ſo gleichförmig, daß<lb/>
man allen Arten gerecht wird, wenn man das Treiben und Schaffen einer einzigen beſchreibt.</p><lb/><p>Jn unſeren Lehrbüchern finden ſich mehr als ein Dutzend Namen für die <hirendition="#g">Brüllaffen,</hi> welche<lb/>
nach der Meinung der betreffenden Forſcher beſondere Arten bezeichnen; doch iſt es jetzt ausgemacht,<lb/>
daß jede Art unſerer Thiere vielfach abändert, und es iſt daher ſo gut als entſchieden, daß alle<lb/>
Brüllaffen auf ſehr wenige, vielleicht nur auf drei oder vier Arten zurückzuführen ſind.</p><lb/><p>Unſerer Lebensſchilderung liegen die Beobachtungen zu Grunde, welche von Alexander von<lb/><hirendition="#g">Humboldt,</hi> Prinz Max von <hirendition="#g">Neuwied, Rengger</hi> und von <hirendition="#g">Schomburgk</hi> über zwei Arten, den<lb/><hirendition="#g">rothen Brüllaffen</hi> oder <hirendition="#g">Alauten</hi> (<hirendition="#aq">Mycetes seniculus</hi>) und den <hirendition="#g">ſchwarzen Brüllaffen</hi> oder<lb/><hirendition="#g">Caraya</hi> (<hirendition="#aq">Mycetes niger</hi>) geſammelt wurden. Das Männchen des erſtern hat einen lebhaft glän-<lb/>
zenden, rothen Pelz, welcher auf dem Rücken in das Goldgelbe ſpielt. Das Weibchen iſt dunkler und<lb/>
oft rein ſchwarzbraun; die Jungen ähneln der Mutter. Beim Carayamännchen iſt der Pelz kohlſchwarz<lb/>
gefärbt; die nackten Theile aber ſind rothbraun. Weibchen und Junge ſind lichter, gewöhnlich graulich-<lb/>
gelb gefärbt. Jmmer haben die Männchen einen längeren und dichteren Pelz und namentlich einen<lb/>
längern Bart, als die Weibchen. Vielfache Spielarten kommen von beiden vor. Jn der Größe gleichen<lb/>ſich der <hirendition="#g">Alaute</hi> und der <hirendition="#g">Caraya</hi>ſo ziemlich. <hirendition="#g">Neuwied</hi> giebt die Länge des erſtern zu 20¼, die<lb/>
Schwanzlänge dagegen zu 21⅔ Zoll an, <hirendition="#g">Rengger</hi> die des letztern zu 20 Zoll. Dieſer iſt hinſichtlich<lb/>ſeines Vorkommens der ſüdliche Vertreter von jenem. Er bewohnt Paraguay und Südbraſilien, während<lb/>
jener mehr in der Nähe von Guiana zu finden iſt. Beide Arten ſind an manchen Orten unglaublich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[96/0152]
Die Affen. Brüllaffen.
wird er herausgenommen und wie ein Wickelkind umſchlungen. Jn dieſer Zwangsjacke bekommt er
einige Tage lang nur Zuckerſaft zum Getränk und in Salpeterwaſſer gekochte, ſtark mit ſpaniſchem
Pfeffer gewürzte Speiſen zur Nahrung. Schlägt dieſe Gewaltkur nicht an, ſo wird der Unbändige
eine Zeit lang im Rauche aufgehangen. Bald legt ſich nun die Wuth; das heimtückiſche Auge wird
mild und fleht um Verzeihung. Dann werden die Banden gelöſt, und auch der biſſigſte Affe ſcheint
nun vollkommen vergeſſen zu haben, daß er jemals frei im Walde gelebt.‟ So feſſelt der Menſch
das freie Kind der Wildniß und zwingt es, auch lebend, ihm zu dienen.
Okens Ausſpruch, daß die größten Thiere innerhalb einer Familie oder Sippe auch immer die
vollkommenſten ſeien, findet wie bei den altweltlichen Affen, ſo auch bei den neuweltlichen ſeine Be-
ſtätigung. Den Brüllaffen (Mycetes) wird in der zweiten Familie unſerer Ordnung der erſte
Rang eingeräumt. Jhr Körper iſt ſchlank, aber doch gedrungener als bei den übrigen Sippen der
neuweltlichen Affen. Die Gliedmaßen ſind gleichmäßig entwickelt, die Hände fünffingerig; der Kopf
iſt groß und die Schnauze vorſtehend; die Behaarung iſt dicht und am Kinn bartartig verlängert.
Als eigenthümliches Merkmal der Brüllaffen muß vor Allem der kropfartig verdickte Kehlkopf an-
geſehen werden. Alexander von Humboldt war der erſte Naturforſcher, welcher dieſes Werkzeug
zergliederte. „Während die kleinen amerikaniſchen Affen,‟ ſagt er, „die wie Sperlinge pfeifen, ein
einfaches dünnes Zungenbein haben, liegt die Zunge bei den großen Affen auf einer ausgedehnten
Knochentrommel. Jhr oberer Kehlkopf hat ſechs Taſchen, in denen ſich die Stimme fängt, und wovon
zwei taubenneſtförmige große Aehnlichkeit mit dem untern Kehlkopf der Vögel haben. Der dem
Brüllaffen eigene klägliche Ton entſteht, wenn die Luft gewaltſam in die Knochentrommel einſtrömt.
Wenn man bedenkt, wie groß die Knochenſchachtel iſt, wundert man ſich nicht mehr über die Stärke
und den Umfang der Stimme dieſer Thiere, welche ihren Namen mit vollem Rechte tragen.‟ Der
Schwanz der Brüllaffen iſt ſehr lang, am hintern Ende kahl, dort nerven- und gefäßreich, auch
ſehr muskelkräftig und daher zu einem vollkommenen Greifwerkzeuge geſtaltet.
Weit verbreitet, bewohnen die Brüllaffen faſt alle tropiſchen Länder und Gegenden Süd-
amerikas. Dichte, hochſtämmige und feuchte Wälder ſind ihr Aufenthalt; in den Steppen finden ſie
ſich nur da, wo die einzelnen Baumgruppen ſich zu kleinen Wäldern vergrößert haben und Waſſer in
der Nähe iſt. Trockene Gegenden meiden ſie gänzlich. Jhre Lebensweiſe iſt ſo gleichförmig, daß
man allen Arten gerecht wird, wenn man das Treiben und Schaffen einer einzigen beſchreibt.
Jn unſeren Lehrbüchern finden ſich mehr als ein Dutzend Namen für die Brüllaffen, welche
nach der Meinung der betreffenden Forſcher beſondere Arten bezeichnen; doch iſt es jetzt ausgemacht,
daß jede Art unſerer Thiere vielfach abändert, und es iſt daher ſo gut als entſchieden, daß alle
Brüllaffen auf ſehr wenige, vielleicht nur auf drei oder vier Arten zurückzuführen ſind.
Unſerer Lebensſchilderung liegen die Beobachtungen zu Grunde, welche von Alexander von
Humboldt, Prinz Max von Neuwied, Rengger und von Schomburgk über zwei Arten, den
rothen Brüllaffen oder Alauten (Mycetes seniculus) und den ſchwarzen Brüllaffen oder
Caraya (Mycetes niger) geſammelt wurden. Das Männchen des erſtern hat einen lebhaft glän-
zenden, rothen Pelz, welcher auf dem Rücken in das Goldgelbe ſpielt. Das Weibchen iſt dunkler und
oft rein ſchwarzbraun; die Jungen ähneln der Mutter. Beim Carayamännchen iſt der Pelz kohlſchwarz
gefärbt; die nackten Theile aber ſind rothbraun. Weibchen und Junge ſind lichter, gewöhnlich graulich-
gelb gefärbt. Jmmer haben die Männchen einen längeren und dichteren Pelz und namentlich einen
längern Bart, als die Weibchen. Vielfache Spielarten kommen von beiden vor. Jn der Größe gleichen
ſich der Alaute und der Caraya ſo ziemlich. Neuwied giebt die Länge des erſtern zu 20¼, die
Schwanzlänge dagegen zu 21⅔ Zoll an, Rengger die des letztern zu 20 Zoll. Dieſer iſt hinſichtlich
ſeines Vorkommens der ſüdliche Vertreter von jenem. Er bewohnt Paraguay und Südbraſilien, während
jener mehr in der Nähe von Guiana zu finden iſt. Beide Arten ſind an manchen Orten unglaublich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/152>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.