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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Geist. Nutzen, Schaden. Arten.
ist groß und besitzt Windungen. Hierdurch ist schon angedeutet, daß ihr Verstand kein geringer sein
kann. Alle Flatterthiere zeichnen sich durch einen ziemlich hohen Grad von Gedächtniß und einige
sogar durch verständige Ueberlegung aus. Daß sie nach dem Flattern stets dieselben Orte wieder auf-
suchen und sich für den Winterschlaf immer äußerst zweckmäßige Orte wählen: Dies allein schon be-
weist, daß sie nicht so dumm sind, als sie aussehen. Jhre Feinde kennen sie sehr gut und verstehen
ihnen ganz schlau zu begegnen, wie sie ihrerseits wieder die kleineren Thiere, denen sie nachstellen, zu
überlisten wissen. So erzählt Kolenati, daß eine Fledermaus, welche in einer Lindenallee jagte
das Weibchen eines Schmetterlings verschonte, weil sie bemerkt hatte, daß dieses viele Männchen
heranlockte, welche sie nun nach und nach wegschnappen konnte. Daß die Fledermäuse bei guter Be-
handlung sehr zahm und ihrem Herrn zugethan werden können, ist von vielen Gelehrten und Natur-
freunden beobachtet worden. Einzelne Forscher brachten die Thiere bald dahin, ihnen Nahrung aus
der Hand wegzunehmen oder sich solche aus Gläsern herauszuholen, sobald sie einmal bemerkt hatten,
um was es sich handele. Mein Bruder hatte eine Ohrenfledermaus soweit gezähmt, daß sie ihm
durch alle Zimmer folgte und, wenn er ihr eine Fliege hinhielt, sich augenblicklich auf seine Hand
setzte, um jene zu fressen. Die größeren Flatterthiere sind wirklich liebenswürdig in der Gefangen-
schaft; sie werden außerordentlich zahm und zeigen sich sehr verständig. Wenn man Schmetterlinge
an Angeln hängt, um sie damit zu fangen, wird man sich stets vergeblich bemühen. Sie kommen
heran, untersuchen das schwebende Kerbthier, bemerken aber auch sehr bald das seine Roßhaar, an
welches die Angel befestigt ist, und lassen es dann vorsichtig unberührt, selbst wenn sie wenig Futter
haben sollten.

Der Nutzen, welchen die meisten Mitglieder der sehr zahlreichen Ordnung dem Menschen leisten,
übertrifft den Schaden, welchen sie ihm unmittelbar zufügen, weit. Gerade während der Nachtzeit
fliegen sehr viele von den schädlichsten Kerbthieren und zeigen sich somit dem Auge ihrer Feinde.
Außer den Ziegenmelkern, den Kröten, den Zieseln und Spitzmäusen stellen um diese Zeit
nur noch die Fledermäuse dem ewig kriegsbereiten, verderblichen Heere nach, und die auffallende
Gefräßigkeit, welche allen Fledermäusen eigen ist, vermag in der Vertilgung der Kerfe wirklich
Großes zu leisten. Jedermann, der Dies bedenkt, muß einsehen, welch großes Unrecht man thut,
wenn man aus bloser Abneigung und ohne Zweck, wie es so häufig geschieht, die unschädlichen
Thiere geradezu todt schlägt, sobald man sie findet. Es wäre wirklich zu wünschen, daß auch von
Regierungs wegen ihre Verfolgung streng untersagt würde. Daß sie eine besondere Lust verspüren
sollten, Frauen in die Haare zu fliegen, ist eine alberne Erfindung von Leuten, welche sich niemals
mit Naturgeschichte beschäftigt haben, und die Zimperlichkeit, mit welcher viele Menschen, namentlich
Frauen, die Thiere ansehen, ist einestheils nicht zu entschuldigen und auf der andern Seite doch
wahrhaftig nicht bestimmend, um Vertilgungsmaßregeln gegen so nützliche Thiere irgendwie zu recht-
fertigen. Die bei uns wohnenden Fledermäuse bringen, wie eben bemerkt, nur Nutzen, und die,
welche schädlich werden, gehen uns eben zunächst Nichts an. Der Schaden dieser Wenigen ist
übrigens auch nicht so bedeutend, als gewöhnlich gesagt wird. Nach den neueren und zuverlässigsten
Berichten tödten die blutsaugenden Fledermäuse niemals größere Thiere oder Menschen, selbst wenn
sie mehrere Nächte nach einander ihre Nahrung aus deren Leibern schöpfen sollten, und die
fruchtfressenden Flatterthiere leben in Ländern, wo die Natur ihre Nahrung so reichlich erzeugt,
daß der Verbrauch derselben durch sie eben nur da bemerklich wird, wo der Mensch mit besonderer
Sorgfalt sich gewisse Früchte erzeugt, z. B. in Gärten; Früchte aber kann man durch Netze und der-
gleichen vor ihnen schützen. Somit dürfen wir die ganze Ordnung als ein höchst nützliches Glied in
der Kette der Wesen betrachten.

Die Zahl der vorweltlichen Fledermäuse, von denen man Kunde erlangt hat, ist sehr gering.
Jn dem Berusteine hat man Fledermaushaare und in verschiedenen Steinbrüchen versteinerte Knochen-
überreste der Handflügler gefunden. Die Zahl der jetzt lebenden Flatterthiere aber ist sehr bedeutend.
Man kennt etwa 250 sicher unterschiedene Arten, von denen auf Europa ungefähr 30 kommen. Dabei

Brehm, Thierleben. 11

Geiſt. Nutzen, Schaden. Arten.
iſt groß und beſitzt Windungen. Hierdurch iſt ſchon angedeutet, daß ihr Verſtand kein geringer ſein
kann. Alle Flatterthiere zeichnen ſich durch einen ziemlich hohen Grad von Gedächtniß und einige
ſogar durch verſtändige Ueberlegung aus. Daß ſie nach dem Flattern ſtets dieſelben Orte wieder auf-
ſuchen und ſich für den Winterſchlaf immer äußerſt zweckmäßige Orte wählen: Dies allein ſchon be-
weiſt, daß ſie nicht ſo dumm ſind, als ſie ausſehen. Jhre Feinde kennen ſie ſehr gut und verſtehen
ihnen ganz ſchlau zu begegnen, wie ſie ihrerſeits wieder die kleineren Thiere, denen ſie nachſtellen, zu
überliſten wiſſen. So erzählt Kolenati, daß eine Fledermaus, welche in einer Lindenallee jagte
das Weibchen eines Schmetterlings verſchonte, weil ſie bemerkt hatte, daß dieſes viele Männchen
heranlockte, welche ſie nun nach und nach wegſchnappen konnte. Daß die Fledermäuſe bei guter Be-
handlung ſehr zahm und ihrem Herrn zugethan werden können, iſt von vielen Gelehrten und Natur-
freunden beobachtet worden. Einzelne Forſcher brachten die Thiere bald dahin, ihnen Nahrung aus
der Hand wegzunehmen oder ſich ſolche aus Gläſern herauszuholen, ſobald ſie einmal bemerkt hatten,
um was es ſich handele. Mein Bruder hatte eine Ohrenfledermaus ſoweit gezähmt, daß ſie ihm
durch alle Zimmer folgte und, wenn er ihr eine Fliege hinhielt, ſich augenblicklich auf ſeine Hand
ſetzte, um jene zu freſſen. Die größeren Flatterthiere ſind wirklich liebenswürdig in der Gefangen-
ſchaft; ſie werden außerordentlich zahm und zeigen ſich ſehr verſtändig. Wenn man Schmetterlinge
an Angeln hängt, um ſie damit zu fangen, wird man ſich ſtets vergeblich bemühen. Sie kommen
heran, unterſuchen das ſchwebende Kerbthier, bemerken aber auch ſehr bald das ſeine Roßhaar, an
welches die Angel befeſtigt iſt, und laſſen es dann vorſichtig unberührt, ſelbſt wenn ſie wenig Futter
haben ſollten.

Der Nutzen, welchen die meiſten Mitglieder der ſehr zahlreichen Ordnung dem Menſchen leiſten,
übertrifft den Schaden, welchen ſie ihm unmittelbar zufügen, weit. Gerade während der Nachtzeit
fliegen ſehr viele von den ſchädlichſten Kerbthieren und zeigen ſich ſomit dem Auge ihrer Feinde.
Außer den Ziegenmelkern, den Kröten, den Zieſeln und Spitzmäuſen ſtellen um dieſe Zeit
nur noch die Fledermäuſe dem ewig kriegsbereiten, verderblichen Heere nach, und die auffallende
Gefräßigkeit, welche allen Fledermäuſen eigen iſt, vermag in der Vertilgung der Kerfe wirklich
Großes zu leiſten. Jedermann, der Dies bedenkt, muß einſehen, welch großes Unrecht man thut,
wenn man aus bloſer Abneigung und ohne Zweck, wie es ſo häufig geſchieht, die unſchädlichen
Thiere geradezu todt ſchlägt, ſobald man ſie findet. Es wäre wirklich zu wünſchen, daß auch von
Regierungs wegen ihre Verfolgung ſtreng unterſagt würde. Daß ſie eine beſondere Luſt verſpüren
ſollten, Frauen in die Haare zu fliegen, iſt eine alberne Erfindung von Leuten, welche ſich niemals
mit Naturgeſchichte beſchäftigt haben, und die Zimperlichkeit, mit welcher viele Menſchen, namentlich
Frauen, die Thiere anſehen, iſt einestheils nicht zu entſchuldigen und auf der andern Seite doch
wahrhaftig nicht beſtimmend, um Vertilgungsmaßregeln gegen ſo nützliche Thiere irgendwie zu recht-
fertigen. Die bei uns wohnenden Fledermäuſe bringen, wie eben bemerkt, nur Nutzen, und die,
welche ſchädlich werden, gehen uns eben zunächſt Nichts an. Der Schaden dieſer Wenigen iſt
übrigens auch nicht ſo bedeutend, als gewöhnlich geſagt wird. Nach den neueren und zuverläſſigſten
Berichten tödten die blutſaugenden Fledermäuſe niemals größere Thiere oder Menſchen, ſelbſt wenn
ſie mehrere Nächte nach einander ihre Nahrung aus deren Leibern ſchöpfen ſollten, und die
fruchtfreſſenden Flatterthiere leben in Ländern, wo die Natur ihre Nahrung ſo reichlich erzeugt,
daß der Verbrauch derſelben durch ſie eben nur da bemerklich wird, wo der Menſch mit beſonderer
Sorgfalt ſich gewiſſe Früchte erzeugt, z. B. in Gärten; Früchte aber kann man durch Netze und der-
gleichen vor ihnen ſchützen. Somit dürfen wir die ganze Ordnung als ein höchſt nützliches Glied in
der Kette der Weſen betrachten.

Die Zahl der vorweltlichen Fledermäuſe, von denen man Kunde erlangt hat, iſt ſehr gering.
Jn dem Beruſteine hat man Fledermaushaare und in verſchiedenen Steinbrüchen verſteinerte Knochen-
überreſte der Handflügler gefunden. Die Zahl der jetzt lebenden Flatterthiere aber iſt ſehr bedeutend.
Man kennt etwa 250 ſicher unterſchiedene Arten, von denen auf Europa ungefähr 30 kommen. Dabei

Brehm, Thierleben. 11
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[161/0219] Geiſt. Nutzen, Schaden. Arten. iſt groß und beſitzt Windungen. Hierdurch iſt ſchon angedeutet, daß ihr Verſtand kein geringer ſein kann. Alle Flatterthiere zeichnen ſich durch einen ziemlich hohen Grad von Gedächtniß und einige ſogar durch verſtändige Ueberlegung aus. Daß ſie nach dem Flattern ſtets dieſelben Orte wieder auf- ſuchen und ſich für den Winterſchlaf immer äußerſt zweckmäßige Orte wählen: Dies allein ſchon be- weiſt, daß ſie nicht ſo dumm ſind, als ſie ausſehen. Jhre Feinde kennen ſie ſehr gut und verſtehen ihnen ganz ſchlau zu begegnen, wie ſie ihrerſeits wieder die kleineren Thiere, denen ſie nachſtellen, zu überliſten wiſſen. So erzählt Kolenati, daß eine Fledermaus, welche in einer Lindenallee jagte das Weibchen eines Schmetterlings verſchonte, weil ſie bemerkt hatte, daß dieſes viele Männchen heranlockte, welche ſie nun nach und nach wegſchnappen konnte. Daß die Fledermäuſe bei guter Be- handlung ſehr zahm und ihrem Herrn zugethan werden können, iſt von vielen Gelehrten und Natur- freunden beobachtet worden. Einzelne Forſcher brachten die Thiere bald dahin, ihnen Nahrung aus der Hand wegzunehmen oder ſich ſolche aus Gläſern herauszuholen, ſobald ſie einmal bemerkt hatten, um was es ſich handele. Mein Bruder hatte eine Ohrenfledermaus ſoweit gezähmt, daß ſie ihm durch alle Zimmer folgte und, wenn er ihr eine Fliege hinhielt, ſich augenblicklich auf ſeine Hand ſetzte, um jene zu freſſen. Die größeren Flatterthiere ſind wirklich liebenswürdig in der Gefangen- ſchaft; ſie werden außerordentlich zahm und zeigen ſich ſehr verſtändig. Wenn man Schmetterlinge an Angeln hängt, um ſie damit zu fangen, wird man ſich ſtets vergeblich bemühen. Sie kommen heran, unterſuchen das ſchwebende Kerbthier, bemerken aber auch ſehr bald das ſeine Roßhaar, an welches die Angel befeſtigt iſt, und laſſen es dann vorſichtig unberührt, ſelbſt wenn ſie wenig Futter haben ſollten. Der Nutzen, welchen die meiſten Mitglieder der ſehr zahlreichen Ordnung dem Menſchen leiſten, übertrifft den Schaden, welchen ſie ihm unmittelbar zufügen, weit. Gerade während der Nachtzeit fliegen ſehr viele von den ſchädlichſten Kerbthieren und zeigen ſich ſomit dem Auge ihrer Feinde. Außer den Ziegenmelkern, den Kröten, den Zieſeln und Spitzmäuſen ſtellen um dieſe Zeit nur noch die Fledermäuſe dem ewig kriegsbereiten, verderblichen Heere nach, und die auffallende Gefräßigkeit, welche allen Fledermäuſen eigen iſt, vermag in der Vertilgung der Kerfe wirklich Großes zu leiſten. Jedermann, der Dies bedenkt, muß einſehen, welch großes Unrecht man thut, wenn man aus bloſer Abneigung und ohne Zweck, wie es ſo häufig geſchieht, die unſchädlichen Thiere geradezu todt ſchlägt, ſobald man ſie findet. Es wäre wirklich zu wünſchen, daß auch von Regierungs wegen ihre Verfolgung ſtreng unterſagt würde. Daß ſie eine beſondere Luſt verſpüren ſollten, Frauen in die Haare zu fliegen, iſt eine alberne Erfindung von Leuten, welche ſich niemals mit Naturgeſchichte beſchäftigt haben, und die Zimperlichkeit, mit welcher viele Menſchen, namentlich Frauen, die Thiere anſehen, iſt einestheils nicht zu entſchuldigen und auf der andern Seite doch wahrhaftig nicht beſtimmend, um Vertilgungsmaßregeln gegen ſo nützliche Thiere irgendwie zu recht- fertigen. Die bei uns wohnenden Fledermäuſe bringen, wie eben bemerkt, nur Nutzen, und die, welche ſchädlich werden, gehen uns eben zunächſt Nichts an. Der Schaden dieſer Wenigen iſt übrigens auch nicht ſo bedeutend, als gewöhnlich geſagt wird. Nach den neueren und zuverläſſigſten Berichten tödten die blutſaugenden Fledermäuſe niemals größere Thiere oder Menſchen, ſelbſt wenn ſie mehrere Nächte nach einander ihre Nahrung aus deren Leibern ſchöpfen ſollten, und die fruchtfreſſenden Flatterthiere leben in Ländern, wo die Natur ihre Nahrung ſo reichlich erzeugt, daß der Verbrauch derſelben durch ſie eben nur da bemerklich wird, wo der Menſch mit beſonderer Sorgfalt ſich gewiſſe Früchte erzeugt, z. B. in Gärten; Früchte aber kann man durch Netze und der- gleichen vor ihnen ſchützen. Somit dürfen wir die ganze Ordnung als ein höchſt nützliches Glied in der Kette der Weſen betrachten. Die Zahl der vorweltlichen Fledermäuſe, von denen man Kunde erlangt hat, iſt ſehr gering. Jn dem Beruſteine hat man Fledermaushaare und in verſchiedenen Steinbrüchen verſteinerte Knochen- überreſte der Handflügler gefunden. Die Zahl der jetzt lebenden Flatterthiere aber iſt ſehr bedeutend. Man kennt etwa 250 ſicher unterſchiedene Arten, von denen auf Europa ungefähr 30 kommen. Dabei Brehm, Thierleben. 11

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/219>, abgerufen am 24.11.2024.