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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Beschreibung. Aufenthalt. Betragen.
meisten bilden große Gesellschaften, zumal während der Zeit ihres Winterschlafs. Man findet nicht
selten Hunderte, ja selbst Tausende in einem Gebäude. Viele Arten leben mit anderen in größter
Eintracht, und wohl nur die allerwenigsten sind einsiedlerische Thiere. Sie sind alle ziemlich empfind-
lich gegen die widerwärtigen Einflüsse der Witterung und ziehen sich im Herbste schon ziemlich früh
in ihre Winteraufenthaltsorte zurück, wie sie auch im Frühjahre erst spät zum Vorscheine kommen.
Wenige fliegen schon vor der Dämmerung, die meisten blos während derselben und in den ersten
Nachtstunden, um Mitternacht ruhen sie bis gegen Morgen, wo sie von neuem ihre Thätigkeit be-
ginnen. Jhr Flug ist ziemlich gewandt und durch sonderbare Wendungen ausgezeichnet, so daß es
Raubvögeln fast unmöglich ist, sie im Fluge zu fangen. Jhre Stellung während der Ruhe ist die
gewöhnliche, ihr Lauf auf der Erde sehr ungeschickt, ihr Klettern dagegen geschickt und fördernd. Sie
fressen blos Kerbthiere, namentlich Nachtschmetterlinge aller Art, Nachtmücken, Nachtjungfern,
Hafte oder Uferaas, Wassermotten und Kaiserjungfern, Nachtkäfer und dergleichen, meist Thiere,
welche uns sehr schädlich werden. Außer diesen verspeisen sie ihre eignen Schmarotzer, wo sie die-
selben nur immer erlangen können. Jhre Gefräßigkeit ist sehr groß, und deshalb eben ist ihr Nutzen
ein außerordentlich bedeutender. Die Stimme besteht in einem starken, pfeifenden Zwitschern, welches
bei manchen Arten selbst zu einem durchdringenden Geschrei wird. Gesichts- und Geruchssinn sind
nicht besonders, der Sinn des Gehörs und des Gefühls aber auffallend entwickelt, wie auch schon
aus ihren ungemein großen Ohren hervorgeht. Die Weibchen bringen ein bis zwei Junge zur
Welt, welche sich an den Zitzen der Mutter festhalten und von ihr während des Flugs herum-
getragen werden. Die Arten dieser Familie lassen sich noch am besten zähmen und werden oft sehr
zutraulich und deshalb angenehm.

Von allen Glattnasen kennen wir die Sippe der Ohrenfledermäuse (Plecotus) und die ge-
wöhnlichste Art derselben, die gemeine Ohrenfledermaus (Plecotus auritus), am genauesten.
Diese ist wie ihre wenigen Verwandten durch die verhältnißmäßig größten oder längsten aller Ohren
sosehr ausgezeichnet, daß sie nicht verwechselt werden kann. Unter den europäischen Fledermäusen ist
sie eine der größten. Jhre Körperlänge beträgt 31/4 Zoll, die Flugweite 9 Zoll, die Länge ihrer
Ohren 1 1/3 Zoll. Das Gebiß hat 36 Zähne. Jedenfalls das Merkwürdigste am ganzen Thiere ist
das Ohr. Die Ohrfläche ist der ganzen Länge nach mit 22 bis 24 Querfalten gezeichnet; die Ohr-
wurzel und Ohrspitze aber sind glatt und gefaltet. Auf der Jnnenfläche des Ohres, etwa über der
Grundlage des Ohrkieles, beginnt eine nach innen schräg in die Höhe laufende Hautleiste, welche am
innern Ende des Ohres als ein zungenförmiger Lappen vorsteht. Die Flughäute sind breit, ihre
Farbe ist, wie die der Ohren, lichtgraubraun. Der Pelz ist graubraun, auf der Unterseite etwas heller,
das Gesicht ist bis an den Hinterrand der Nasenhöhle mit weißen Haaren besetzt, und lange, weiße Bart-
haare hängen auch über den Lippenrand abwärts. Junge Thiere sind etwas dunkler gefärbt, als alte.

Die langöhrige Fledermaus findet sich durch ganz Europa, mit Ausnahme derjenigen Länder,
welche über den 60. Grad nördlicher Breite hinausliegen. Außerdem hat man sie in Nordafrika,
Westasien und Ostindien beobachtet. Sie ist nirgends eben selten, und im nördlichen oder im mittlern
Deutschland eine der gewöhnlichsten Arten. Ueberall hält sie sich gern in nicht allzugroßer Entfernung
von menschlichen Wohnungen auf. Jn den Berggegenden, am Harz und in den Alpen z. B., geht sie
nicht über den Waldgürtel hinauf. Jm Sommer sieht man sie an lichten Stellen im Walde, über Wald-
wegen, Baumgärten und Alleen am häufigsten fliegen. Sie fliegt ziemlich hoch, etwas flatternd und
nicht eben schnell, ist jedoch einiger Manchfaltigkeit in der Bewegung fähig. Jm Fluge krümmt sie
gewöhnlich das riesenmäßige, wegen seiner zahlreichen Querfalten leichtbewegliche weiche Ohr nach außen
und bogig abwärts, so daß dann blos die spitzen, langen Ohrdeckel vorwärts in die Höhe stehen.
Wenn sie hängt, schlägt sie meist die Ohren unter die Arme zurück. Bei Tage und im Winter schläft sie
in Gebäuden oder in hohlen Bäumen. Sie erscheint erst ziemlich spät des Nachts oder im Frühlinge.

Gewöhnlich wirft sie Ende Juni's oder Anfang Juli's zwei Junge.

Beſchreibung. Aufenthalt. Betragen.
meiſten bilden große Geſellſchaften, zumal während der Zeit ihres Winterſchlafs. Man findet nicht
ſelten Hunderte, ja ſelbſt Tauſende in einem Gebäude. Viele Arten leben mit anderen in größter
Eintracht, und wohl nur die allerwenigſten ſind einſiedleriſche Thiere. Sie ſind alle ziemlich empfind-
lich gegen die widerwärtigen Einflüſſe der Witterung und ziehen ſich im Herbſte ſchon ziemlich früh
in ihre Winteraufenthaltsorte zurück, wie ſie auch im Frühjahre erſt ſpät zum Vorſcheine kommen.
Wenige fliegen ſchon vor der Dämmerung, die meiſten blos während derſelben und in den erſten
Nachtſtunden, um Mitternacht ruhen ſie bis gegen Morgen, wo ſie von neuem ihre Thätigkeit be-
ginnen. Jhr Flug iſt ziemlich gewandt und durch ſonderbare Wendungen ausgezeichnet, ſo daß es
Raubvögeln faſt unmöglich iſt, ſie im Fluge zu fangen. Jhre Stellung während der Ruhe iſt die
gewöhnliche, ihr Lauf auf der Erde ſehr ungeſchickt, ihr Klettern dagegen geſchickt und fördernd. Sie
freſſen blos Kerbthiere, namentlich Nachtſchmetterlinge aller Art, Nachtmücken, Nachtjungfern,
Hafte oder Uferaas, Waſſermotten und Kaiſerjungfern, Nachtkäfer und dergleichen, meiſt Thiere,
welche uns ſehr ſchädlich werden. Außer dieſen verſpeiſen ſie ihre eignen Schmarotzer, wo ſie die-
ſelben nur immer erlangen können. Jhre Gefräßigkeit iſt ſehr groß, und deshalb eben iſt ihr Nutzen
ein außerordentlich bedeutender. Die Stimme beſteht in einem ſtarken, pfeifenden Zwitſchern, welches
bei manchen Arten ſelbſt zu einem durchdringenden Geſchrei wird. Geſichts- und Geruchsſinn ſind
nicht beſonders, der Sinn des Gehörs und des Gefühls aber auffallend entwickelt, wie auch ſchon
aus ihren ungemein großen Ohren hervorgeht. Die Weibchen bringen ein bis zwei Junge zur
Welt, welche ſich an den Zitzen der Mutter feſthalten und von ihr während des Flugs herum-
getragen werden. Die Arten dieſer Familie laſſen ſich noch am beſten zähmen und werden oft ſehr
zutraulich und deshalb angenehm.

Von allen Glattnaſen kennen wir die Sippe der Ohrenfledermäuſe (Plecotus) und die ge-
wöhnlichſte Art derſelben, die gemeine Ohrenfledermaus (Plecotus auritus), am genaueſten.
Dieſe iſt wie ihre wenigen Verwandten durch die verhältnißmäßig größten oder längſten aller Ohren
ſoſehr ausgezeichnet, daß ſie nicht verwechſelt werden kann. Unter den europäiſchen Fledermäuſen iſt
ſie eine der größten. Jhre Körperlänge beträgt 3¼ Zoll, die Flugweite 9 Zoll, die Länge ihrer
Ohren 1⅓ Zoll. Das Gebiß hat 36 Zähne. Jedenfalls das Merkwürdigſte am ganzen Thiere iſt
das Ohr. Die Ohrfläche iſt der ganzen Länge nach mit 22 bis 24 Querfalten gezeichnet; die Ohr-
wurzel und Ohrſpitze aber ſind glatt und gefaltet. Auf der Jnnenfläche des Ohres, etwa über der
Grundlage des Ohrkieles, beginnt eine nach innen ſchräg in die Höhe laufende Hautleiſte, welche am
innern Ende des Ohres als ein zungenförmiger Lappen vorſteht. Die Flughäute ſind breit, ihre
Farbe iſt, wie die der Ohren, lichtgraubraun. Der Pelz iſt graubraun, auf der Unterſeite etwas heller,
das Geſicht iſt bis an den Hinterrand der Naſenhöhle mit weißen Haaren beſetzt, und lange, weiße Bart-
haare hängen auch über den Lippenrand abwärts. Junge Thiere ſind etwas dunkler gefärbt, als alte.

Die langöhrige Fledermaus findet ſich durch ganz Europa, mit Ausnahme derjenigen Länder,
welche über den 60. Grad nördlicher Breite hinausliegen. Außerdem hat man ſie in Nordafrika,
Weſtaſien und Oſtindien beobachtet. Sie iſt nirgends eben ſelten, und im nördlichen oder im mittlern
Deutſchland eine der gewöhnlichſten Arten. Ueberall hält ſie ſich gern in nicht allzugroßer Entfernung
von menſchlichen Wohnungen auf. Jn den Berggegenden, am Harz und in den Alpen z. B., geht ſie
nicht über den Waldgürtel hinauf. Jm Sommer ſieht man ſie an lichten Stellen im Walde, über Wald-
wegen, Baumgärten und Alleen am häufigſten fliegen. Sie fliegt ziemlich hoch, etwas flatternd und
nicht eben ſchnell, iſt jedoch einiger Manchfaltigkeit in der Bewegung fähig. Jm Fluge krümmt ſie
gewöhnlich das rieſenmäßige, wegen ſeiner zahlreichen Querfalten leichtbewegliche weiche Ohr nach außen
und bogig abwärts, ſo daß dann blos die ſpitzen, langen Ohrdeckel vorwärts in die Höhe ſtehen.
Wenn ſie hängt, ſchlägt ſie meiſt die Ohren unter die Arme zurück. Bei Tage und im Winter ſchläft ſie
in Gebäuden oder in hohlen Bäumen. Sie erſcheint erſt ziemlich ſpät des Nachts oder im Frühlinge.

Gewöhnlich wirft ſie Ende Juni’s oder Anfang Juli’s zwei Junge.

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[167/0225] Beſchreibung. Aufenthalt. Betragen. meiſten bilden große Geſellſchaften, zumal während der Zeit ihres Winterſchlafs. Man findet nicht ſelten Hunderte, ja ſelbſt Tauſende in einem Gebäude. Viele Arten leben mit anderen in größter Eintracht, und wohl nur die allerwenigſten ſind einſiedleriſche Thiere. Sie ſind alle ziemlich empfind- lich gegen die widerwärtigen Einflüſſe der Witterung und ziehen ſich im Herbſte ſchon ziemlich früh in ihre Winteraufenthaltsorte zurück, wie ſie auch im Frühjahre erſt ſpät zum Vorſcheine kommen. Wenige fliegen ſchon vor der Dämmerung, die meiſten blos während derſelben und in den erſten Nachtſtunden, um Mitternacht ruhen ſie bis gegen Morgen, wo ſie von neuem ihre Thätigkeit be- ginnen. Jhr Flug iſt ziemlich gewandt und durch ſonderbare Wendungen ausgezeichnet, ſo daß es Raubvögeln faſt unmöglich iſt, ſie im Fluge zu fangen. Jhre Stellung während der Ruhe iſt die gewöhnliche, ihr Lauf auf der Erde ſehr ungeſchickt, ihr Klettern dagegen geſchickt und fördernd. Sie freſſen blos Kerbthiere, namentlich Nachtſchmetterlinge aller Art, Nachtmücken, Nachtjungfern, Hafte oder Uferaas, Waſſermotten und Kaiſerjungfern, Nachtkäfer und dergleichen, meiſt Thiere, welche uns ſehr ſchädlich werden. Außer dieſen verſpeiſen ſie ihre eignen Schmarotzer, wo ſie die- ſelben nur immer erlangen können. Jhre Gefräßigkeit iſt ſehr groß, und deshalb eben iſt ihr Nutzen ein außerordentlich bedeutender. Die Stimme beſteht in einem ſtarken, pfeifenden Zwitſchern, welches bei manchen Arten ſelbſt zu einem durchdringenden Geſchrei wird. Geſichts- und Geruchsſinn ſind nicht beſonders, der Sinn des Gehörs und des Gefühls aber auffallend entwickelt, wie auch ſchon aus ihren ungemein großen Ohren hervorgeht. Die Weibchen bringen ein bis zwei Junge zur Welt, welche ſich an den Zitzen der Mutter feſthalten und von ihr während des Flugs herum- getragen werden. Die Arten dieſer Familie laſſen ſich noch am beſten zähmen und werden oft ſehr zutraulich und deshalb angenehm. Von allen Glattnaſen kennen wir die Sippe der Ohrenfledermäuſe (Plecotus) und die ge- wöhnlichſte Art derſelben, die gemeine Ohrenfledermaus (Plecotus auritus), am genaueſten. Dieſe iſt wie ihre wenigen Verwandten durch die verhältnißmäßig größten oder längſten aller Ohren ſoſehr ausgezeichnet, daß ſie nicht verwechſelt werden kann. Unter den europäiſchen Fledermäuſen iſt ſie eine der größten. Jhre Körperlänge beträgt 3¼ Zoll, die Flugweite 9 Zoll, die Länge ihrer Ohren 1⅓ Zoll. Das Gebiß hat 36 Zähne. Jedenfalls das Merkwürdigſte am ganzen Thiere iſt das Ohr. Die Ohrfläche iſt der ganzen Länge nach mit 22 bis 24 Querfalten gezeichnet; die Ohr- wurzel und Ohrſpitze aber ſind glatt und gefaltet. Auf der Jnnenfläche des Ohres, etwa über der Grundlage des Ohrkieles, beginnt eine nach innen ſchräg in die Höhe laufende Hautleiſte, welche am innern Ende des Ohres als ein zungenförmiger Lappen vorſteht. Die Flughäute ſind breit, ihre Farbe iſt, wie die der Ohren, lichtgraubraun. Der Pelz iſt graubraun, auf der Unterſeite etwas heller, das Geſicht iſt bis an den Hinterrand der Naſenhöhle mit weißen Haaren beſetzt, und lange, weiße Bart- haare hängen auch über den Lippenrand abwärts. Junge Thiere ſind etwas dunkler gefärbt, als alte. Die langöhrige Fledermaus findet ſich durch ganz Europa, mit Ausnahme derjenigen Länder, welche über den 60. Grad nördlicher Breite hinausliegen. Außerdem hat man ſie in Nordafrika, Weſtaſien und Oſtindien beobachtet. Sie iſt nirgends eben ſelten, und im nördlichen oder im mittlern Deutſchland eine der gewöhnlichſten Arten. Ueberall hält ſie ſich gern in nicht allzugroßer Entfernung von menſchlichen Wohnungen auf. Jn den Berggegenden, am Harz und in den Alpen z. B., geht ſie nicht über den Waldgürtel hinauf. Jm Sommer ſieht man ſie an lichten Stellen im Walde, über Wald- wegen, Baumgärten und Alleen am häufigſten fliegen. Sie fliegt ziemlich hoch, etwas flatternd und nicht eben ſchnell, iſt jedoch einiger Manchfaltigkeit in der Bewegung fähig. Jm Fluge krümmt ſie gewöhnlich das rieſenmäßige, wegen ſeiner zahlreichen Querfalten leichtbewegliche weiche Ohr nach außen und bogig abwärts, ſo daß dann blos die ſpitzen, langen Ohrdeckel vorwärts in die Höhe ſtehen. Wenn ſie hängt, ſchlägt ſie meiſt die Ohren unter die Arme zurück. Bei Tage und im Winter ſchläft ſie in Gebäuden oder in hohlen Bäumen. Sie erſcheint erſt ziemlich ſpät des Nachts oder im Frühlinge. Gewöhnlich wirft ſie Ende Juni’s oder Anfang Juli’s zwei Junge.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/225>, abgerufen am 25.11.2024.