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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Flatterthiere. Blattnasen. -- Große Hufeisennase. Vampir.
wollte, fand er zu seinem nicht geringen Erstaunen sechs Hufeisennasen bis auf die Flügelspitzen und
Krallen aufgefressen, und eine, deren Kopf auf das furchtbarste verstümmelt war. Zahlreiche Blut-
spuren, blutige Schnauzen und die angeschwollenen Bäuche, sowie die vielen Kothklümpchen ver-
dächtigten die noch vollzählig versammelten Ohrenfledermäuse als Mörder der Verschwundenen, und
die Untersuchung des Magens einer Getödteten beseitigte jeden Zweifel gegen diese Bermuthung.
Dagegen bemerkte man aber, daß die Flatterhäute der Ohrenfledermäuse in der Nähe des Körpers
frische Wunden erhalten hatten, deren Ränder schwammig aufgetrieben erschienen; auch hatten sich
diese Thiere dachziegelförmig an einander gehängt und in einen Klumpen zusammengedrückt, während
die Hufeisennasen immer vereinzelt die verborgensten Schlupfwinkel zu ihrer Ruhe benutzen. Die
Schlußfolgerung dieser Beobachtung war sehr einfach. Die nicht freundlich gegen einander gesinnten
Thiere hatten sich in der Nacht eine Schlacht geliefert. Während der ersten Ruhe der Ohrenfleder-
mäuse waren die Hufeisennasen gekommen, hatten jene verwundet und ihnen Blut ausgesaugt; die
Ohrenfledermäuse aber hatten sich für diese Schändlichkeit während ihrer zweiten Flatterzeit gerächt
und die Uebelthäter kurzweg aufgefressen! --

[Abbildung] Die große Hufeisennase (Rhinolophus ferrum-equinum).

Ein Grusier erzählte genanntem Beobachter, daß seine Tauben öfters in der Nacht kleine Wunden
mit aufgeworfenen Rändern bekämen, welche er nicht zu deuten wisse, und Kolenati schließt jedenfalls
richtig, daß diese Wunden ebenfalls von Bissen der Hufeisennase herrühren. So haben wir also
auch in Europa wirkliche Vampire, obgleich sie freilich im Ganzen außerordentlich harmlos sind und
wenigstens keine Veranlassung zu Furcht oder Entsetzen geben können.

Noch häufiger als die kleine ist die große Hufeisennase (Rhinolophus serrum-equinum).
Jhre Leibeslänge beträgt zwei Zoll zwei Linien, die des Schwanzes einen Zoll vier Linien, die Flug-
weite etwas über einen Fuß. Die Nasenplatte ist sehr groß, das Ohr ziemlich groß. Die Behaarung
reichlich und lang, die Färbung bei den Männchen oben aschgrau mit weißlichen Haarwurzeln, auf
der Unterseite hellgrau, bei den Weibchen oben lichtröthlichbraun und unten röthlichgrau. Bezeichnend
sind die breiten Flughäute.

Die Flatterthiere. Blattnaſen. — Große Hufeiſennaſe. Vampir.
wollte, fand er zu ſeinem nicht geringen Erſtaunen ſechs Hufeiſennaſen bis auf die Flügelſpitzen und
Krallen aufgefreſſen, und eine, deren Kopf auf das furchtbarſte verſtümmelt war. Zahlreiche Blut-
ſpuren, blutige Schnauzen und die angeſchwollenen Bäuche, ſowie die vielen Kothklümpchen ver-
dächtigten die noch vollzählig verſammelten Ohrenfledermäuſe als Mörder der Verſchwundenen, und
die Unterſuchung des Magens einer Getödteten beſeitigte jeden Zweifel gegen dieſe Bermuthung.
Dagegen bemerkte man aber, daß die Flatterhäute der Ohrenfledermäuſe in der Nähe des Körpers
friſche Wunden erhalten hatten, deren Ränder ſchwammig aufgetrieben erſchienen; auch hatten ſich
dieſe Thiere dachziegelförmig an einander gehängt und in einen Klumpen zuſammengedrückt, während
die Hufeiſennaſen immer vereinzelt die verborgenſten Schlupfwinkel zu ihrer Ruhe benutzen. Die
Schlußfolgerung dieſer Beobachtung war ſehr einfach. Die nicht freundlich gegen einander geſinnten
Thiere hatten ſich in der Nacht eine Schlacht geliefert. Während der erſten Ruhe der Ohrenfleder-
mäuſe waren die Hufeiſennaſen gekommen, hatten jene verwundet und ihnen Blut ausgeſaugt; die
Ohrenfledermäuſe aber hatten ſich für dieſe Schändlichkeit während ihrer zweiten Flatterzeit gerächt
und die Uebelthäter kurzweg aufgefreſſen! —

[Abbildung] Die große Hufeiſennaſe (Rhinolophus ferrum-equinum).

Ein Gruſier erzählte genanntem Beobachter, daß ſeine Tauben öfters in der Nacht kleine Wunden
mit aufgeworfenen Rändern bekämen, welche er nicht zu deuten wiſſe, und Kolenati ſchließt jedenfalls
richtig, daß dieſe Wunden ebenfalls von Biſſen der Hufeiſennaſe herrühren. So haben wir alſo
auch in Europa wirkliche Vampire, obgleich ſie freilich im Ganzen außerordentlich harmlos ſind und
wenigſtens keine Veranlaſſung zu Furcht oder Entſetzen geben können.

Noch häufiger als die kleine iſt die große Hufeiſennaſe (Rhinolophus ſerrum-equinum).
Jhre Leibeslänge beträgt zwei Zoll zwei Linien, die des Schwanzes einen Zoll vier Linien, die Flug-
weite etwas über einen Fuß. Die Naſenplatte iſt ſehr groß, das Ohr ziemlich groß. Die Behaarung
reichlich und lang, die Färbung bei den Männchen oben aſchgrau mit weißlichen Haarwurzeln, auf
der Unterſeite hellgrau, bei den Weibchen oben lichtröthlichbraun und unten röthlichgrau. Bezeichnend
ſind die breiten Flughäute.

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[172/0230] Die Flatterthiere. Blattnaſen. — Große Hufeiſennaſe. Vampir. wollte, fand er zu ſeinem nicht geringen Erſtaunen ſechs Hufeiſennaſen bis auf die Flügelſpitzen und Krallen aufgefreſſen, und eine, deren Kopf auf das furchtbarſte verſtümmelt war. Zahlreiche Blut- ſpuren, blutige Schnauzen und die angeſchwollenen Bäuche, ſowie die vielen Kothklümpchen ver- dächtigten die noch vollzählig verſammelten Ohrenfledermäuſe als Mörder der Verſchwundenen, und die Unterſuchung des Magens einer Getödteten beſeitigte jeden Zweifel gegen dieſe Bermuthung. Dagegen bemerkte man aber, daß die Flatterhäute der Ohrenfledermäuſe in der Nähe des Körpers friſche Wunden erhalten hatten, deren Ränder ſchwammig aufgetrieben erſchienen; auch hatten ſich dieſe Thiere dachziegelförmig an einander gehängt und in einen Klumpen zuſammengedrückt, während die Hufeiſennaſen immer vereinzelt die verborgenſten Schlupfwinkel zu ihrer Ruhe benutzen. Die Schlußfolgerung dieſer Beobachtung war ſehr einfach. Die nicht freundlich gegen einander geſinnten Thiere hatten ſich in der Nacht eine Schlacht geliefert. Während der erſten Ruhe der Ohrenfleder- mäuſe waren die Hufeiſennaſen gekommen, hatten jene verwundet und ihnen Blut ausgeſaugt; die Ohrenfledermäuſe aber hatten ſich für dieſe Schändlichkeit während ihrer zweiten Flatterzeit gerächt und die Uebelthäter kurzweg aufgefreſſen! — [Abbildung Die große Hufeiſennaſe (Rhinolophus ferrum-equinum).] Ein Gruſier erzählte genanntem Beobachter, daß ſeine Tauben öfters in der Nacht kleine Wunden mit aufgeworfenen Rändern bekämen, welche er nicht zu deuten wiſſe, und Kolenati ſchließt jedenfalls richtig, daß dieſe Wunden ebenfalls von Biſſen der Hufeiſennaſe herrühren. So haben wir alſo auch in Europa wirkliche Vampire, obgleich ſie freilich im Ganzen außerordentlich harmlos ſind und wenigſtens keine Veranlaſſung zu Furcht oder Entſetzen geben können. Noch häufiger als die kleine iſt die große Hufeiſennaſe (Rhinolophus ſerrum-equinum). Jhre Leibeslänge beträgt zwei Zoll zwei Linien, die des Schwanzes einen Zoll vier Linien, die Flug- weite etwas über einen Fuß. Die Naſenplatte iſt ſehr groß, das Ohr ziemlich groß. Die Behaarung reichlich und lang, die Färbung bei den Männchen oben aſchgrau mit weißlichen Haarwurzeln, auf der Unterſeite hellgrau, bei den Weibchen oben lichtröthlichbraun und unten röthlichgrau. Bezeichnend ſind die breiten Flughäute.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/230>, abgerufen am 24.11.2024.