Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Geistesbegabung. Aufenthaltsorte. Jhre Nahrung und deren Erbeutung. und dergleichen, während sich die größeren im Gebüsch zu verbergen pflegen. Obwohl den wild-lebenden Katzen diejenigen Gegenden am liebsten sind, in welchen der Mensch noch nicht zur vollen Herrschaft gelangen konnte, kommen sie doch oft in unverschämt dreister Weise zu den Wohnungen des Menschen heran, um hier über ihn selbst herzufallen oder seinen Viehstand zu berauben. Zu diesem Behufe verlassen sie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und streifen nun entweder ziemlich weit umher, oder legen sich an belebten Paßstraßen der Menschen oder Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur höchst wenige auf Beute, und ebenso ziehen sie sich zu dieser Zeit feig zurück, wenn sie angegriffen werden. Jhr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit, und hierzu weist sie ihre Aus- rüstung auch vollständig an. Besonders gut gelegene Versteckplätze werden ziemlich regelmäßig be- wohnt; die Mehrzahl hat aber kein bestimmtes Lager und wählt sich, sobald der Morgen sie auf dem Streifzuge überrascht, zum Versteck den ersten besten Ort, welcher Sicherheit verheißt. Jhre Nahrung nehmen sich die Katzen aus allen vier Klassen der Wirbelthiere, wenn auch die Jn der Art und Weise ihres Angriffs ähneln sich alle Arten mehr oder weniger. Sie schleichen Nur an sehr geschützten Orten verzehren die Katzen eine gemachte Beute gleich an Ort und Geiſtesbegabung. Aufenthaltsorte. Jhre Nahrung und deren Erbeutung. und dergleichen, während ſich die größeren im Gebüſch zu verbergen pflegen. Obwohl den wild-lebenden Katzen diejenigen Gegenden am liebſten ſind, in welchen der Menſch noch nicht zur vollen Herrſchaft gelangen konnte, kommen ſie doch oft in unverſchämt dreiſter Weiſe zu den Wohnungen des Menſchen heran, um hier über ihn ſelbſt herzufallen oder ſeinen Viehſtand zu berauben. Zu dieſem Behufe verlaſſen ſie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und ſtreifen nun entweder ziemlich weit umher, oder legen ſich an belebten Paßſtraßen der Menſchen oder Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur höchſt wenige auf Beute, und ebenſo ziehen ſie ſich zu dieſer Zeit feig zurück, wenn ſie angegriffen werden. Jhr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit, und hierzu weiſt ſie ihre Aus- rüſtung auch vollſtändig an. Beſonders gut gelegene Verſteckplätze werden ziemlich regelmäßig be- wohnt; die Mehrzahl hat aber kein beſtimmtes Lager und wählt ſich, ſobald der Morgen ſie auf dem Streifzuge überraſcht, zum Verſteck den erſten beſten Ort, welcher Sicherheit verheißt. Jhre Nahrung nehmen ſich die Katzen aus allen vier Klaſſen der Wirbelthiere, wenn auch die Jn der Art und Weiſe ihres Angriffs ähneln ſich alle Arten mehr oder weniger. Sie ſchleichen Nur an ſehr geſchützten Orten verzehren die Katzen eine gemachte Beute gleich an Ort und <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0245" n="187"/><fw place="top" type="header">Geiſtesbegabung. Aufenthaltsorte. Jhre Nahrung und deren Erbeutung.</fw><lb/> und dergleichen, während ſich die größeren im Gebüſch zu verbergen pflegen. Obwohl den wild-<lb/> lebenden Katzen diejenigen Gegenden am liebſten ſind, in welchen der Menſch noch nicht zur vollen<lb/> Herrſchaft gelangen konnte, kommen ſie doch oft in unverſchämt dreiſter Weiſe zu den Wohnungen des<lb/> Menſchen heran, um hier über ihn ſelbſt herzufallen oder ſeinen Viehſtand zu berauben. Zu dieſem<lb/> Behufe verlaſſen ſie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und ſtreifen nun entweder ziemlich weit umher,<lb/> oder legen ſich an belebten Paßſtraßen der Menſchen oder Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur<lb/> höchſt wenige auf Beute, und ebenſo ziehen ſie ſich zu dieſer Zeit feig zurück, wenn ſie angegriffen<lb/> werden. Jhr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit, und hierzu weiſt ſie ihre Aus-<lb/> rüſtung auch vollſtändig an. Beſonders gut gelegene Verſteckplätze werden ziemlich regelmäßig be-<lb/> wohnt; die Mehrzahl hat aber kein beſtimmtes Lager und wählt ſich, ſobald der Morgen ſie auf dem<lb/> Streifzuge überraſcht, zum Verſteck den erſten beſten Ort, welcher Sicherheit verheißt.</p><lb/> <p>Jhre Nahrung nehmen ſich die Katzen aus allen vier Klaſſen der Wirbelthiere, wenn auch die<lb/> Säugethiere unzweifelhaft ihren Verfolgungen am meiſten ausgeſetzt ſind. Einige Arten ſtellen mit<lb/> Vorliebe Vögeln nach, andere, aber wenige, verzehren auch das Fleiſch mancher Lurche, namentlich<lb/> der Schildkröten, wieder andere gehen ſogar auf den Fiſchfang aus. Die wirbelloſen Thiere werden<lb/> im Ganzen wenig von ihnen behelligt, und wohl nur zufällig fängt ſich dieſe oder jene Art einen<lb/> Krebs oder ein Kerbthier. Sämmtliche Katzen freſſen vorzugsweiſe <hi rendition="#g">die</hi> Beute, welche ſie ſich ſelbſt<lb/> erworben haben, nur ſehr wenige fallen auf das Aas und dann gewöhnlich auch blos auf ſolches,<lb/> welches von ſelbſt gemachter Beute herrührt. Dabei zeichnen ſich die meiſten durch unerſättlichen Blut-<lb/> durſt aus, und es giebt Arten, welche ſich, wenn ſie es können, blos von Blut nähren und ſich<lb/> förmlich in dieſem „ganz beſonderen Safte‟ berauſchen.</p><lb/> <p>Jn der Art und Weiſe ihres Angriffs ähneln ſich alle Arten mehr oder weniger. Sie ſchleichen<lb/> leiſen, unhörbaren Schrittes äußerſt aufmerkſam durch ihr Jagdgebiet und äugen und lauſchen ſcharf<lb/> nach allen Richtungen hin. Das geringſte Geräuſch erregt ihre Aufmerkſamkeit und bewegt ſie, der<lb/> Urſache deſſelben nachzugehen. Dabei gleiten ſie in geduckter Stellung vorſichtig auf dem Boden hin,<lb/> regelmäßig unter dem Winde, und fallen, wenn ſie ſich nahe genug glauben, plötzlich mit einem oder<lb/> mehreren Sätzen über ihr Schlachtopfer her, ſchlagen ihm die furchtbaren Tatzen in das Genick oder<lb/> in die Seiten, reißen es zu Boden, erfaſſen es mit dem Maule und beißen einige Male ſchnell nach<lb/> einander heftig zu. Hierauf öffnen ſie das Gebiß ein wenig, ohne jedoch das erfaßte Thier fahren zu<lb/> laſſen, ſie beobachten es vielmehr ſcharf und beißen von neuem, ſowie ſich noch ein Fünkchen Leben<lb/> in ihm regt. Viele ſtoßen während dem ein Brüllen oder Knurren aus, welches ebenſogut Behaglichkeit,<lb/> als Gier oder Zorn ausdrückt. Die meiſten haben die abſchenliche Gewohnheit, ihre Schlachtopfer<lb/> noch lange Zeit zu quälen, indem ſie ihnen ſcheinbar etwas Freiheit gewähren und ſie oft auch wirklich<lb/> ein Stückchen laufen laſſen, jederzeit aber im rechten Augenblick ſie wieder erfaſſen, von neuem<lb/> niederdrücken, nochmals laufen laſſen u. ſ. w., bis die Gepeinigten endlich ihren Wunden erliegen.<lb/> Auch die größten Arten ſcheuen <hi rendition="#g">die</hi> Thiere, von denen ſie bedeutenden Widerſtand erwarten, und<lb/> greifen ſie blos dann an, wenn ſie ſich durch Erfahrung überzeugt haben, daß ſie trotz der Stärke<lb/> ihrer Gegner als Sieger aus einem etwaigen Kampfe hervorgehen. Selbſt der <hi rendition="#g">Löwe, Tiger</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Jaguar</hi> fürchten anfangs den Menſchen und gehen ihm faſt feig aus dem Wege; nachdem ſie aber<lb/> gelernt haben, welch ſchwaches, wehrloſes Geſchöpf er iſt, werden ſie ſeine furchtbarſten Feinde, und<lb/> es ſcheint faſt, als ob ſie dann das Menſchenfleiſch dem aller übrigen Säugethiere entſchieden vor-<lb/> zögen. Obgleich beinah alle Katzen gute Läufer ſind, ſtehen ſie doch von weiterer Verfolgung eines<lb/> Schlachtopfers ab, wenn ihnen der Angriffsſprung mißlang.</p><lb/> <p>Nur an ſehr geſchützten Orten verzehren die Katzen eine gemachte Beute gleich an Ort und<lb/> Stelle; gewöhnlich ſchleppen ſie das erfaßte Thier, nachdem ſie es getödtet oder wenigſtens wider-<lb/> ſtandslos gemacht haben, an einen ſtillen, verſteckten Ort und verzehren es hier in aller Ruhe<lb/> und Behaglichkeit. Wenn ihre Wohngegend reich an Beute iſt, zeigen ſie ſich außerordentlich lecker<lb/> und überlaſſen bei weitem den größten Theil der von ihnen erjagten Geſchöpfe anderen Thieren, den<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0245]
Geiſtesbegabung. Aufenthaltsorte. Jhre Nahrung und deren Erbeutung.
und dergleichen, während ſich die größeren im Gebüſch zu verbergen pflegen. Obwohl den wild-
lebenden Katzen diejenigen Gegenden am liebſten ſind, in welchen der Menſch noch nicht zur vollen
Herrſchaft gelangen konnte, kommen ſie doch oft in unverſchämt dreiſter Weiſe zu den Wohnungen des
Menſchen heran, um hier über ihn ſelbſt herzufallen oder ſeinen Viehſtand zu berauben. Zu dieſem
Behufe verlaſſen ſie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und ſtreifen nun entweder ziemlich weit umher,
oder legen ſich an belebten Paßſtraßen der Menſchen oder Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur
höchſt wenige auf Beute, und ebenſo ziehen ſie ſich zu dieſer Zeit feig zurück, wenn ſie angegriffen
werden. Jhr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit, und hierzu weiſt ſie ihre Aus-
rüſtung auch vollſtändig an. Beſonders gut gelegene Verſteckplätze werden ziemlich regelmäßig be-
wohnt; die Mehrzahl hat aber kein beſtimmtes Lager und wählt ſich, ſobald der Morgen ſie auf dem
Streifzuge überraſcht, zum Verſteck den erſten beſten Ort, welcher Sicherheit verheißt.
Jhre Nahrung nehmen ſich die Katzen aus allen vier Klaſſen der Wirbelthiere, wenn auch die
Säugethiere unzweifelhaft ihren Verfolgungen am meiſten ausgeſetzt ſind. Einige Arten ſtellen mit
Vorliebe Vögeln nach, andere, aber wenige, verzehren auch das Fleiſch mancher Lurche, namentlich
der Schildkröten, wieder andere gehen ſogar auf den Fiſchfang aus. Die wirbelloſen Thiere werden
im Ganzen wenig von ihnen behelligt, und wohl nur zufällig fängt ſich dieſe oder jene Art einen
Krebs oder ein Kerbthier. Sämmtliche Katzen freſſen vorzugsweiſe die Beute, welche ſie ſich ſelbſt
erworben haben, nur ſehr wenige fallen auf das Aas und dann gewöhnlich auch blos auf ſolches,
welches von ſelbſt gemachter Beute herrührt. Dabei zeichnen ſich die meiſten durch unerſättlichen Blut-
durſt aus, und es giebt Arten, welche ſich, wenn ſie es können, blos von Blut nähren und ſich
förmlich in dieſem „ganz beſonderen Safte‟ berauſchen.
Jn der Art und Weiſe ihres Angriffs ähneln ſich alle Arten mehr oder weniger. Sie ſchleichen
leiſen, unhörbaren Schrittes äußerſt aufmerkſam durch ihr Jagdgebiet und äugen und lauſchen ſcharf
nach allen Richtungen hin. Das geringſte Geräuſch erregt ihre Aufmerkſamkeit und bewegt ſie, der
Urſache deſſelben nachzugehen. Dabei gleiten ſie in geduckter Stellung vorſichtig auf dem Boden hin,
regelmäßig unter dem Winde, und fallen, wenn ſie ſich nahe genug glauben, plötzlich mit einem oder
mehreren Sätzen über ihr Schlachtopfer her, ſchlagen ihm die furchtbaren Tatzen in das Genick oder
in die Seiten, reißen es zu Boden, erfaſſen es mit dem Maule und beißen einige Male ſchnell nach
einander heftig zu. Hierauf öffnen ſie das Gebiß ein wenig, ohne jedoch das erfaßte Thier fahren zu
laſſen, ſie beobachten es vielmehr ſcharf und beißen von neuem, ſowie ſich noch ein Fünkchen Leben
in ihm regt. Viele ſtoßen während dem ein Brüllen oder Knurren aus, welches ebenſogut Behaglichkeit,
als Gier oder Zorn ausdrückt. Die meiſten haben die abſchenliche Gewohnheit, ihre Schlachtopfer
noch lange Zeit zu quälen, indem ſie ihnen ſcheinbar etwas Freiheit gewähren und ſie oft auch wirklich
ein Stückchen laufen laſſen, jederzeit aber im rechten Augenblick ſie wieder erfaſſen, von neuem
niederdrücken, nochmals laufen laſſen u. ſ. w., bis die Gepeinigten endlich ihren Wunden erliegen.
Auch die größten Arten ſcheuen die Thiere, von denen ſie bedeutenden Widerſtand erwarten, und
greifen ſie blos dann an, wenn ſie ſich durch Erfahrung überzeugt haben, daß ſie trotz der Stärke
ihrer Gegner als Sieger aus einem etwaigen Kampfe hervorgehen. Selbſt der Löwe, Tiger und
Jaguar fürchten anfangs den Menſchen und gehen ihm faſt feig aus dem Wege; nachdem ſie aber
gelernt haben, welch ſchwaches, wehrloſes Geſchöpf er iſt, werden ſie ſeine furchtbarſten Feinde, und
es ſcheint faſt, als ob ſie dann das Menſchenfleiſch dem aller übrigen Säugethiere entſchieden vor-
zögen. Obgleich beinah alle Katzen gute Läufer ſind, ſtehen ſie doch von weiterer Verfolgung eines
Schlachtopfers ab, wenn ihnen der Angriffsſprung mißlang.
Nur an ſehr geſchützten Orten verzehren die Katzen eine gemachte Beute gleich an Ort und
Stelle; gewöhnlich ſchleppen ſie das erfaßte Thier, nachdem ſie es getödtet oder wenigſtens wider-
ſtandslos gemacht haben, an einen ſtillen, verſteckten Ort und verzehren es hier in aller Ruhe
und Behaglichkeit. Wenn ihre Wohngegend reich an Beute iſt, zeigen ſie ſich außerordentlich lecker
und überlaſſen bei weitem den größten Theil der von ihnen erjagten Geſchöpfe anderen Thieren, den
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