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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Jagden der Araber.
er aus, langsamen Schrittes zieht er dahin, und seine Augen leuchten wie zwei Feuerbecken durch die
Nacht. Von Zeit zu Zeit erschallt sein Donnergebrüll und erschreckt die Araber, wie die Europäer.
Das Vieh beginnt zu zittern, die Hunde verkriechen sich winselnd in die Zelte, und der Wald verstummt
vor seinem Gebrüll. Furchtlos nähert sich der Löwe dem Duar, mit einem gewaltigen Satze über-
springt er die Zeltreihe, packt mit den Vordertatzen ein Maulthier oder ein Rind und kehrt auf dem-
selben Wege, Entsetzen und Angst verbreitend, mit seiner Beute zurück. Solcher Stärke weicht jeder
Widerstandsversuch, beklommenes Schweigen herrscht durch die tiefe Nacht."

"Es kommt nur noch selten vor, daß die Araber frei und offen dem Löwen den Krieg erklären
und ihn in seinem Versteck aufstören, bis er den Kampf annimmt. Das heutige Geschlecht der Araber
obwohl es ihm durchaus nicht an Muth fehlt, zieht es vor, ihn auf minder gefahrvolle Weise zu
bekämpfen. Man spürt seine Fährte auf und gräbt zur Seite derselben ein etwa sechs Fuß tiefes
Loch, welches nach oben zu sich verengert und den Getreidegruben ähnlich ist. Jn dieses Loch versteckt
sich der Araber und überdeckt die Oeffnung mit Zweigen. Dort lauert er viele Nächte, bis der Löwe
auf einem seiner Streifzüge wieder einmal diesen Weg aufnimmt. Jst das Raubthier nahe genug am
Versteck, so zielt der Jäger nach dem Kopfe oder dem Herzen. Bei der herrschenden Finsterniß ist der
Schuß immer unsicher, denn verwundet der Jäger den Löwen blos, so faßt der Löwe alles Um-
stehende "mit seinen grimmigen Tatzen"; bricht er doch ziemlich starke Bäume mit denselben um!"

"Gewöhnlich entfernt er sich nicht sobald von dem Orte, an dem er verwundet wurde, sondern
sucht nach dem verborgenen Feinde und erhält so die zweite nun tödliche Kugel. Jetzt kriecht der
Araber aus seinem Versteck hervor, zündet ein großes Feuer an, wickelt sich in seinen Burnus und
bringt auf diese Weise den Rest der Nacht zu."

"Jst es indeß um die Brunstzeit und hat der Jäger Grund, das Nachkommen der Löwin zu ge-
wärtigen, so zündet er vor allen Dingen auch ein Feuer an, befestigt aber nun an den Hinterbeinen
des todten Löwen einen Strick, erklettert einen hohen Baum, schlingt den Strick um einen Ast und
zieht seine Beute an demselben in die Höhe bis oben in die Krone des Baumes, um sie der gefräßigen
Bande der Schakale und Hiänen zu entziehen. Selbstverständlich vermag er blos mittelgroße
Löwen auf diese Weise zu sichern; denn die großen sind, für einen Mann wenigstens, viel zu schwer,
als daß er sie bewegen könnte."

"Bricht nun endlich der langersehnte Morgen an, so macht unser Araber sich auf den Weg, um
seinen Duar zu erreichen. Wenn er unterwegs an einer Quelle vorüberkommt, hockt er nieder und
verrichtet die vorgeschriebenen Waschungen und das Dankgebet, dann eilt er so schnell als möglich
weiter. Zu Hause angekommen, läßt er sich kaum Zeit, sich mit Speise und Trank zu erquicken,
sondern nimmt einen starken Esel und schafft mit ihm den Löwen nach der Stadt. Pferde und
Maulthiere lassen sich nicht zum Fortschaffen eines Raubthieres verwenden, weil sie vor solcher
Bürde sich im höchsten Grade scheuen und vor lauter Zittern und Zagen gar nicht in Gang zu
bringen sind. Jst der Löwe für die Kraft eines Esels zu stark, so miethet der Araber sich einen Karren
und holt mit diesem seine Beute herbei."

"Nun beginnt der Triumph des Jägers; denn inzwischen hat sich die Nachricht von seiner That
wie ein Lauffeuer verbreitet. Er fährt zuerst nach seinem Duar, wo Männer, Weiber und Kinder
aus den Zelten hervorkriechen und herbeikommen, ihn wegen seines Heldenmuthes zu beglückwünschen.
Das unvermeidliche Pulver muß in Freudenschüssen sein Wort mit reden, und eine Diffa oder
Freudenmahlzeit stärkt den Löwenbesieger zu seiner Reife nach der Stadt. Einige Freunde begleiten
ihn, und der Zug setzt sich in Bewegung. Ueberall, wo derselbe bei den Duars vorbeikommt, eilen die
Araber herbei und preisen den Muth des Jägers und die Stärke des erlegten Thieres. Dieser und
Jener schließt sich wohl auch dem abenteuerlichen Zuge an, so daß derselbe immer ansehnlicher wird,
je mehr er sich der Stadt nähert. Vor dem Bureau Arabe wird Halt gemacht. Der Jäger tritt hin-
ein, um von dem Chef desselben die gesetzmäßige Belohnung zu empfangen. Dieselbe betrug ursprüng-
lich hundert Franken; seitdem aber die Jagd von den Einheimischen sowohl, als von den europäischen

Jagden der Araber.
er aus, langſamen Schrittes zieht er dahin, und ſeine Augen leuchten wie zwei Feuerbecken durch die
Nacht. Von Zeit zu Zeit erſchallt ſein Donnergebrüll und erſchreckt die Araber, wie die Europäer.
Das Vieh beginnt zu zittern, die Hunde verkriechen ſich winſelnd in die Zelte, und der Wald verſtummt
vor ſeinem Gebrüll. Furchtlos nähert ſich der Löwe dem Duar, mit einem gewaltigen Satze über-
ſpringt er die Zeltreihe, packt mit den Vordertatzen ein Maulthier oder ein Rind und kehrt auf dem-
ſelben Wege, Entſetzen und Angſt verbreitend, mit ſeiner Beute zurück. Solcher Stärke weicht jeder
Widerſtandsverſuch, beklommenes Schweigen herrſcht durch die tiefe Nacht.‟

„Es kommt nur noch ſelten vor, daß die Araber frei und offen dem Löwen den Krieg erklären
und ihn in ſeinem Verſteck aufſtören, bis er den Kampf annimmt. Das heutige Geſchlecht der Araber
obwohl es ihm durchaus nicht an Muth fehlt, zieht es vor, ihn auf minder gefahrvolle Weiſe zu
bekämpfen. Man ſpürt ſeine Fährte auf und gräbt zur Seite derſelben ein etwa ſechs Fuß tiefes
Loch, welches nach oben zu ſich verengert und den Getreidegruben ähnlich iſt. Jn dieſes Loch verſteckt
ſich der Araber und überdeckt die Oeffnung mit Zweigen. Dort lauert er viele Nächte, bis der Löwe
auf einem ſeiner Streifzüge wieder einmal dieſen Weg aufnimmt. Jſt das Raubthier nahe genug am
Verſteck, ſo zielt der Jäger nach dem Kopfe oder dem Herzen. Bei der herrſchenden Finſterniß iſt der
Schuß immer unſicher, denn verwundet der Jäger den Löwen blos, ſo faßt der Löwe alles Um-
ſtehende „mit ſeinen grimmigen Tatzen‟; bricht er doch ziemlich ſtarke Bäume mit denſelben um!‟

„Gewöhnlich entfernt er ſich nicht ſobald von dem Orte, an dem er verwundet wurde, ſondern
ſucht nach dem verborgenen Feinde und erhält ſo die zweite nun tödliche Kugel. Jetzt kriecht der
Araber aus ſeinem Verſteck hervor, zündet ein großes Feuer an, wickelt ſich in ſeinen Burnus und
bringt auf dieſe Weiſe den Reſt der Nacht zu.‟

„Jſt es indeß um die Brunſtzeit und hat der Jäger Grund, das Nachkommen der Löwin zu ge-
wärtigen, ſo zündet er vor allen Dingen auch ein Feuer an, befeſtigt aber nun an den Hinterbeinen
des todten Löwen einen Strick, erklettert einen hohen Baum, ſchlingt den Strick um einen Aſt und
zieht ſeine Beute an demſelben in die Höhe bis oben in die Krone des Baumes, um ſie der gefräßigen
Bande der Schakale und Hiänen zu entziehen. Selbſtverſtändlich vermag er blos mittelgroße
Löwen auf dieſe Weiſe zu ſichern; denn die großen ſind, für einen Mann wenigſtens, viel zu ſchwer,
als daß er ſie bewegen könnte.‟

„Bricht nun endlich der langerſehnte Morgen an, ſo macht unſer Araber ſich auf den Weg, um
ſeinen Duar zu erreichen. Wenn er unterwegs an einer Quelle vorüberkommt, hockt er nieder und
verrichtet die vorgeſchriebenen Waſchungen und das Dankgebet, dann eilt er ſo ſchnell als möglich
weiter. Zu Hauſe angekommen, läßt er ſich kaum Zeit, ſich mit Speiſe und Trank zu erquicken,
ſondern nimmt einen ſtarken Eſel und ſchafft mit ihm den Löwen nach der Stadt. Pferde und
Maulthiere laſſen ſich nicht zum Fortſchaffen eines Raubthieres verwenden, weil ſie vor ſolcher
Bürde ſich im höchſten Grade ſcheuen und vor lauter Zittern und Zagen gar nicht in Gang zu
bringen ſind. Jſt der Löwe für die Kraft eines Eſels zu ſtark, ſo miethet der Araber ſich einen Karren
und holt mit dieſem ſeine Beute herbei.‟

„Nun beginnt der Triumph des Jägers; denn inzwiſchen hat ſich die Nachricht von ſeiner That
wie ein Lauffeuer verbreitet. Er fährt zuerſt nach ſeinem Duar, wo Männer, Weiber und Kinder
aus den Zelten hervorkriechen und herbeikommen, ihn wegen ſeines Heldenmuthes zu beglückwünſchen.
Das unvermeidliche Pulver muß in Freudenſchüſſen ſein Wort mit reden, und eine Diffa oder
Freudenmahlzeit ſtärkt den Löwenbeſieger zu ſeiner Reife nach der Stadt. Einige Freunde begleiten
ihn, und der Zug ſetzt ſich in Bewegung. Ueberall, wo derſelbe bei den Duars vorbeikommt, eilen die
Araber herbei und preiſen den Muth des Jägers und die Stärke des erlegten Thieres. Dieſer und
Jener ſchließt ſich wohl auch dem abenteuerlichen Zuge an, ſo daß derſelbe immer anſehnlicher wird,
je mehr er ſich der Stadt nähert. Vor dem Bureau Arabe wird Halt gemacht. Der Jäger tritt hin-
ein, um von dem Chef deſſelben die geſetzmäßige Belohnung zu empfangen. Dieſelbe betrug urſprüng-
lich hundert Franken; ſeitdem aber die Jagd von den Einheimiſchen ſowohl, als von den europäiſchen

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[207/0267] Jagden der Araber. er aus, langſamen Schrittes zieht er dahin, und ſeine Augen leuchten wie zwei Feuerbecken durch die Nacht. Von Zeit zu Zeit erſchallt ſein Donnergebrüll und erſchreckt die Araber, wie die Europäer. Das Vieh beginnt zu zittern, die Hunde verkriechen ſich winſelnd in die Zelte, und der Wald verſtummt vor ſeinem Gebrüll. Furchtlos nähert ſich der Löwe dem Duar, mit einem gewaltigen Satze über- ſpringt er die Zeltreihe, packt mit den Vordertatzen ein Maulthier oder ein Rind und kehrt auf dem- ſelben Wege, Entſetzen und Angſt verbreitend, mit ſeiner Beute zurück. Solcher Stärke weicht jeder Widerſtandsverſuch, beklommenes Schweigen herrſcht durch die tiefe Nacht.‟ „Es kommt nur noch ſelten vor, daß die Araber frei und offen dem Löwen den Krieg erklären und ihn in ſeinem Verſteck aufſtören, bis er den Kampf annimmt. Das heutige Geſchlecht der Araber obwohl es ihm durchaus nicht an Muth fehlt, zieht es vor, ihn auf minder gefahrvolle Weiſe zu bekämpfen. Man ſpürt ſeine Fährte auf und gräbt zur Seite derſelben ein etwa ſechs Fuß tiefes Loch, welches nach oben zu ſich verengert und den Getreidegruben ähnlich iſt. Jn dieſes Loch verſteckt ſich der Araber und überdeckt die Oeffnung mit Zweigen. Dort lauert er viele Nächte, bis der Löwe auf einem ſeiner Streifzüge wieder einmal dieſen Weg aufnimmt. Jſt das Raubthier nahe genug am Verſteck, ſo zielt der Jäger nach dem Kopfe oder dem Herzen. Bei der herrſchenden Finſterniß iſt der Schuß immer unſicher, denn verwundet der Jäger den Löwen blos, ſo faßt der Löwe alles Um- ſtehende „mit ſeinen grimmigen Tatzen‟; bricht er doch ziemlich ſtarke Bäume mit denſelben um!‟ „Gewöhnlich entfernt er ſich nicht ſobald von dem Orte, an dem er verwundet wurde, ſondern ſucht nach dem verborgenen Feinde und erhält ſo die zweite nun tödliche Kugel. Jetzt kriecht der Araber aus ſeinem Verſteck hervor, zündet ein großes Feuer an, wickelt ſich in ſeinen Burnus und bringt auf dieſe Weiſe den Reſt der Nacht zu.‟ „Jſt es indeß um die Brunſtzeit und hat der Jäger Grund, das Nachkommen der Löwin zu ge- wärtigen, ſo zündet er vor allen Dingen auch ein Feuer an, befeſtigt aber nun an den Hinterbeinen des todten Löwen einen Strick, erklettert einen hohen Baum, ſchlingt den Strick um einen Aſt und zieht ſeine Beute an demſelben in die Höhe bis oben in die Krone des Baumes, um ſie der gefräßigen Bande der Schakale und Hiänen zu entziehen. Selbſtverſtändlich vermag er blos mittelgroße Löwen auf dieſe Weiſe zu ſichern; denn die großen ſind, für einen Mann wenigſtens, viel zu ſchwer, als daß er ſie bewegen könnte.‟ „Bricht nun endlich der langerſehnte Morgen an, ſo macht unſer Araber ſich auf den Weg, um ſeinen Duar zu erreichen. Wenn er unterwegs an einer Quelle vorüberkommt, hockt er nieder und verrichtet die vorgeſchriebenen Waſchungen und das Dankgebet, dann eilt er ſo ſchnell als möglich weiter. Zu Hauſe angekommen, läßt er ſich kaum Zeit, ſich mit Speiſe und Trank zu erquicken, ſondern nimmt einen ſtarken Eſel und ſchafft mit ihm den Löwen nach der Stadt. Pferde und Maulthiere laſſen ſich nicht zum Fortſchaffen eines Raubthieres verwenden, weil ſie vor ſolcher Bürde ſich im höchſten Grade ſcheuen und vor lauter Zittern und Zagen gar nicht in Gang zu bringen ſind. Jſt der Löwe für die Kraft eines Eſels zu ſtark, ſo miethet der Araber ſich einen Karren und holt mit dieſem ſeine Beute herbei.‟ „Nun beginnt der Triumph des Jägers; denn inzwiſchen hat ſich die Nachricht von ſeiner That wie ein Lauffeuer verbreitet. Er fährt zuerſt nach ſeinem Duar, wo Männer, Weiber und Kinder aus den Zelten hervorkriechen und herbeikommen, ihn wegen ſeines Heldenmuthes zu beglückwünſchen. Das unvermeidliche Pulver muß in Freudenſchüſſen ſein Wort mit reden, und eine Diffa oder Freudenmahlzeit ſtärkt den Löwenbeſieger zu ſeiner Reife nach der Stadt. Einige Freunde begleiten ihn, und der Zug ſetzt ſich in Bewegung. Ueberall, wo derſelbe bei den Duars vorbeikommt, eilen die Araber herbei und preiſen den Muth des Jägers und die Stärke des erlegten Thieres. Dieſer und Jener ſchließt ſich wohl auch dem abenteuerlichen Zuge an, ſo daß derſelbe immer anſehnlicher wird, je mehr er ſich der Stadt nähert. Vor dem Bureau Arabe wird Halt gemacht. Der Jäger tritt hin- ein, um von dem Chef deſſelben die geſetzmäßige Belohnung zu empfangen. Dieſelbe betrug urſprüng- lich hundert Franken; ſeitdem aber die Jagd von den Einheimiſchen ſowohl, als von den europäiſchen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/267>, abgerufen am 22.11.2024.