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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Jaguar.
nagen. Jhr Athem hat, wie bei fast allen Raubthieren, einen üblen Geruch, ebenso das frische Fell,
das Fleisch und das Fett, der Harn und der Koth. Der Geruch des Fettes ist so durchdringend, daß
man Füchse, Meerschweinchen und andere Thiere vertreiben kann, wenn man nur einige Bäume
in deren Wohnkreise damit bestreicht. Auch selbst muthige Pferde springen scheu zurück, wenn man
ihnen solches Fett unter die Nüstern hält. Schon ganz junge Jaguare haben scharfe und spitze Zähne;
im ersten Jahre werden dieselben gewechselt, nach zwei bis drei Jahren haben sie ihre ganze Größe
erreicht. Sobald die Unzen ihre Kraft fühlen, gegen das dritte Jahr hin und noch früher, ermangeln
sie nicht, zum Schaden ihres Herrn von ihren Zähnen Gebrauch zu machen. Vergebens werden ihnen
die Eck- und Schneidezähne bis auf die Wurzel abgefeilt und die Klauen von Zeit zu Zeit beschnitten,
sie können vermöge ihrer ungeheuern Kraft auch ohne Waffen Unglück stiften. So sah Rengger einen
ganz zahmen und in dieser Weise verstümmelten Jaguar, auf welchen sich die Kinder des Hauses ohne
Scheu zu setzen pflegten, seine sonst geliebte Wärterin, ein zehnjähriges Negermädchen, in einem An-
falle von böser Laune mit einem Schlage der Tatze in den Nacken zu Boden werfen und über sie her-
fallen. Obwohl ihm das Kind sogleich entrissen wurde, hatte er mit feiner zahnlosen Kinnlade doch
schon einen Arm ganz zerquetscht, und es dauerte mehrere Stunden, bis das Mädchen wieder zu sich
kam. Die Weibchen sind etwas zähmbarer, als die Männchen, und wenn man den letzteren durch
Beschneidung einen Theil ihrer Wildheit zu nehmen sucht, werden sie fast noch tückischer, als vorher,
gehen auch, weil sie sehr fett werden, gewöhnlich nach kurzer Zeit zu Grunde. Solange der Jaguar
noch jung ist, kann man ihn durch Schläge bändigen; später hält es schwer, seiner Meister zu werden.
Großmuth und Erkenntlichkeit sind ihm fremd; er zeigt keine ausdauernde Anhänglichkeit für seinen
Wärter oder für ein mit ihm auferzogenes Thier, und es ist daher immer eine gewagte Sache, ihn
länger als ein Jahr, ohne ihn einzusperren, in der Gefangenschaft zu halten.

Seines furchtbaren Schadens wegen wird der Jaguar in bewohnten Gegenden auf alle mögliche
Weise gejagt und getödtet. Man glaubt, daß er sein Leben auf zwanzig Jahre bringen könne; doch dürfte
er blos in den einsamsten Wildnissen ein derartiges Alter erreichen; denn in den bevölkerten Theilen
Amerikas stirbt wohl kein Jaguar eines natürlichen Todes. Gleichwohl trifft man auch noch hier sehr
alte Thiere an. So schoß ein Franzose ganz nahe bei einem Landhause ein altes Weibchen, dessen
Haut krätzig und dessen Gebiß ganz abgenutzt war; hier fehlten schon die hintersten oberen Backen-
zähne. Solche Fälle sind übrigens selten; die meisten Jaguare sterben in der Blüthe ihrer Jahre.
Die Jagd dieser Thiere kann wegen der Befriedigung, welche überwundene Gefahren und Schwierig-
keiten gewähren, zur Leidenschaft werden, obschon gewöhnlich solche Jäger zuletzt ihr Leben unter den
Krallen eines Jaguars aushauchen. Die älteste Jagdart ist wohl die tückischste und zugleich diejenige,
welche am sichersten zum Ziele führt. Die Jndianer nämlich erlegen ihn mit ihren uralten Waffen,
ohne ein Mißlingen befürchten zu müssen. Sie fertigen sich aus einer riesigen Bambusart ein
Blasrohr und aus der Wedelrippe eines Palmbaumes oder aus Dornen kleine schmächtige Pfeile,
welche sicherer und tiefer treffen, als die Kugeln aus der besten Büchse. Die Pfeile sind mit dem
furchtbaren Urarigift getränkt. Haben indianische Jäger Hunde bei sich, so erlegen sie den Jaguar
ohne alle Gefahr. Die Hunde stöbern das Raubthier auf, jagen es gewöhnlich auf einen schief-
stehenden Baum und verbellen es. Dort wird es dem Jndianer zum bequemen Zielpunkt. Aus
ziemlich weiter Entfernung sendet er seine fürchterlichen Pfeile nach der gewaltigen Katze ab, einen
nach dem andern. Diese achtet kaum des kleinen Ritzes, welchen die Geschosse ihr beibringen; sie hält
vielleicht das Pfeilchen blos für einen Dorn, der sie verwundete: aber schon nach wenigen Minuten
erfährt sie, mit welcher furchtbaren Waffe ihr der Mensch zu Leibe ging. Das Gift beginnt zu
wirken, ihre Glieder erschlaffen, die Kraft erlahmt, sie stürzt mit einigen Zuckungen auf den Boden,
richtet sich noch einige Male auf, versucht, sich fortzuraffen, und bricht dann plötzlich zusammen,
zuckend, verendend.

Weit verwegener, als diese heimtückische Jagd ist folgende. Der Jäger umwickelt mit einem
Schaffelle den linken Arm bis über den Ellbogen und bewaffnet sich mit einem zweischneidigen Messer

Die Raubthiere. Katzen. — Jaguar.
nagen. Jhr Athem hat, wie bei faſt allen Raubthieren, einen üblen Geruch, ebenſo das friſche Fell,
das Fleiſch und das Fett, der Harn und der Koth. Der Geruch des Fettes iſt ſo durchdringend, daß
man Füchſe, Meerſchweinchen und andere Thiere vertreiben kann, wenn man nur einige Bäume
in deren Wohnkreiſe damit beſtreicht. Auch ſelbſt muthige Pferde ſpringen ſcheu zurück, wenn man
ihnen ſolches Fett unter die Nüſtern hält. Schon ganz junge Jaguare haben ſcharfe und ſpitze Zähne;
im erſten Jahre werden dieſelben gewechſelt, nach zwei bis drei Jahren haben ſie ihre ganze Größe
erreicht. Sobald die Unzen ihre Kraft fühlen, gegen das dritte Jahr hin und noch früher, ermangeln
ſie nicht, zum Schaden ihres Herrn von ihren Zähnen Gebrauch zu machen. Vergebens werden ihnen
die Eck- und Schneidezähne bis auf die Wurzel abgefeilt und die Klauen von Zeit zu Zeit beſchnitten,
ſie können vermöge ihrer ungeheuern Kraft auch ohne Waffen Unglück ſtiften. So ſah Rengger einen
ganz zahmen und in dieſer Weiſe verſtümmelten Jaguar, auf welchen ſich die Kinder des Hauſes ohne
Scheu zu ſetzen pflegten, ſeine ſonſt geliebte Wärterin, ein zehnjähriges Negermädchen, in einem An-
falle von böſer Laune mit einem Schlage der Tatze in den Nacken zu Boden werfen und über ſie her-
fallen. Obwohl ihm das Kind ſogleich entriſſen wurde, hatte er mit feiner zahnloſen Kinnlade doch
ſchon einen Arm ganz zerquetſcht, und es dauerte mehrere Stunden, bis das Mädchen wieder zu ſich
kam. Die Weibchen ſind etwas zähmbarer, als die Männchen, und wenn man den letzteren durch
Beſchneidung einen Theil ihrer Wildheit zu nehmen ſucht, werden ſie faſt noch tückiſcher, als vorher,
gehen auch, weil ſie ſehr fett werden, gewöhnlich nach kurzer Zeit zu Grunde. Solange der Jaguar
noch jung iſt, kann man ihn durch Schläge bändigen; ſpäter hält es ſchwer, ſeiner Meiſter zu werden.
Großmuth und Erkenntlichkeit ſind ihm fremd; er zeigt keine ausdauernde Anhänglichkeit für ſeinen
Wärter oder für ein mit ihm auferzogenes Thier, und es iſt daher immer eine gewagte Sache, ihn
länger als ein Jahr, ohne ihn einzuſperren, in der Gefangenſchaft zu halten.

Seines furchtbaren Schadens wegen wird der Jaguar in bewohnten Gegenden auf alle mögliche
Weiſe gejagt und getödtet. Man glaubt, daß er ſein Leben auf zwanzig Jahre bringen könne; doch dürfte
er blos in den einſamſten Wildniſſen ein derartiges Alter erreichen; denn in den bevölkerten Theilen
Amerikas ſtirbt wohl kein Jaguar eines natürlichen Todes. Gleichwohl trifft man auch noch hier ſehr
alte Thiere an. So ſchoß ein Franzoſe ganz nahe bei einem Landhauſe ein altes Weibchen, deſſen
Haut krätzig und deſſen Gebiß ganz abgenutzt war; hier fehlten ſchon die hinterſten oberen Backen-
zähne. Solche Fälle ſind übrigens ſelten; die meiſten Jaguare ſterben in der Blüthe ihrer Jahre.
Die Jagd dieſer Thiere kann wegen der Befriedigung, welche überwundene Gefahren und Schwierig-
keiten gewähren, zur Leidenſchaft werden, obſchon gewöhnlich ſolche Jäger zuletzt ihr Leben unter den
Krallen eines Jaguars aushauchen. Die älteſte Jagdart iſt wohl die tückiſchſte und zugleich diejenige,
welche am ſicherſten zum Ziele führt. Die Jndianer nämlich erlegen ihn mit ihren uralten Waffen,
ohne ein Mißlingen befürchten zu müſſen. Sie fertigen ſich aus einer rieſigen Bambusart ein
Blasrohr und aus der Wedelrippe eines Palmbaumes oder aus Dornen kleine ſchmächtige Pfeile,
welche ſicherer und tiefer treffen, als die Kugeln aus der beſten Büchſe. Die Pfeile ſind mit dem
furchtbaren Urarigift getränkt. Haben indianiſche Jäger Hunde bei ſich, ſo erlegen ſie den Jaguar
ohne alle Gefahr. Die Hunde ſtöbern das Raubthier auf, jagen es gewöhnlich auf einen ſchief-
ſtehenden Baum und verbellen es. Dort wird es dem Jndianer zum bequemen Zielpunkt. Aus
ziemlich weiter Entfernung ſendet er ſeine fürchterlichen Pfeile nach der gewaltigen Katze ab, einen
nach dem andern. Dieſe achtet kaum des kleinen Ritzes, welchen die Geſchoſſe ihr beibringen; ſie hält
vielleicht das Pfeilchen blos für einen Dorn, der ſie verwundete: aber ſchon nach wenigen Minuten
erfährt ſie, mit welcher furchtbaren Waffe ihr der Menſch zu Leibe ging. Das Gift beginnt zu
wirken, ihre Glieder erſchlaffen, die Kraft erlahmt, ſie ſtürzt mit einigen Zuckungen auf den Boden,
richtet ſich noch einige Male auf, verſucht, ſich fortzuraffen, und bricht dann plötzlich zuſammen,
zuckend, verendend.

Weit verwegener, als dieſe heimtückiſche Jagd iſt folgende. Der Jäger umwickelt mit einem
Schaffelle den linken Arm bis über den Ellbogen und bewaffnet ſich mit einem zweiſchneidigen Meſſer

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[246/0310] Die Raubthiere. Katzen. — Jaguar. nagen. Jhr Athem hat, wie bei faſt allen Raubthieren, einen üblen Geruch, ebenſo das friſche Fell, das Fleiſch und das Fett, der Harn und der Koth. Der Geruch des Fettes iſt ſo durchdringend, daß man Füchſe, Meerſchweinchen und andere Thiere vertreiben kann, wenn man nur einige Bäume in deren Wohnkreiſe damit beſtreicht. Auch ſelbſt muthige Pferde ſpringen ſcheu zurück, wenn man ihnen ſolches Fett unter die Nüſtern hält. Schon ganz junge Jaguare haben ſcharfe und ſpitze Zähne; im erſten Jahre werden dieſelben gewechſelt, nach zwei bis drei Jahren haben ſie ihre ganze Größe erreicht. Sobald die Unzen ihre Kraft fühlen, gegen das dritte Jahr hin und noch früher, ermangeln ſie nicht, zum Schaden ihres Herrn von ihren Zähnen Gebrauch zu machen. Vergebens werden ihnen die Eck- und Schneidezähne bis auf die Wurzel abgefeilt und die Klauen von Zeit zu Zeit beſchnitten, ſie können vermöge ihrer ungeheuern Kraft auch ohne Waffen Unglück ſtiften. So ſah Rengger einen ganz zahmen und in dieſer Weiſe verſtümmelten Jaguar, auf welchen ſich die Kinder des Hauſes ohne Scheu zu ſetzen pflegten, ſeine ſonſt geliebte Wärterin, ein zehnjähriges Negermädchen, in einem An- falle von böſer Laune mit einem Schlage der Tatze in den Nacken zu Boden werfen und über ſie her- fallen. Obwohl ihm das Kind ſogleich entriſſen wurde, hatte er mit feiner zahnloſen Kinnlade doch ſchon einen Arm ganz zerquetſcht, und es dauerte mehrere Stunden, bis das Mädchen wieder zu ſich kam. Die Weibchen ſind etwas zähmbarer, als die Männchen, und wenn man den letzteren durch Beſchneidung einen Theil ihrer Wildheit zu nehmen ſucht, werden ſie faſt noch tückiſcher, als vorher, gehen auch, weil ſie ſehr fett werden, gewöhnlich nach kurzer Zeit zu Grunde. Solange der Jaguar noch jung iſt, kann man ihn durch Schläge bändigen; ſpäter hält es ſchwer, ſeiner Meiſter zu werden. Großmuth und Erkenntlichkeit ſind ihm fremd; er zeigt keine ausdauernde Anhänglichkeit für ſeinen Wärter oder für ein mit ihm auferzogenes Thier, und es iſt daher immer eine gewagte Sache, ihn länger als ein Jahr, ohne ihn einzuſperren, in der Gefangenſchaft zu halten. Seines furchtbaren Schadens wegen wird der Jaguar in bewohnten Gegenden auf alle mögliche Weiſe gejagt und getödtet. Man glaubt, daß er ſein Leben auf zwanzig Jahre bringen könne; doch dürfte er blos in den einſamſten Wildniſſen ein derartiges Alter erreichen; denn in den bevölkerten Theilen Amerikas ſtirbt wohl kein Jaguar eines natürlichen Todes. Gleichwohl trifft man auch noch hier ſehr alte Thiere an. So ſchoß ein Franzoſe ganz nahe bei einem Landhauſe ein altes Weibchen, deſſen Haut krätzig und deſſen Gebiß ganz abgenutzt war; hier fehlten ſchon die hinterſten oberen Backen- zähne. Solche Fälle ſind übrigens ſelten; die meiſten Jaguare ſterben in der Blüthe ihrer Jahre. Die Jagd dieſer Thiere kann wegen der Befriedigung, welche überwundene Gefahren und Schwierig- keiten gewähren, zur Leidenſchaft werden, obſchon gewöhnlich ſolche Jäger zuletzt ihr Leben unter den Krallen eines Jaguars aushauchen. Die älteſte Jagdart iſt wohl die tückiſchſte und zugleich diejenige, welche am ſicherſten zum Ziele führt. Die Jndianer nämlich erlegen ihn mit ihren uralten Waffen, ohne ein Mißlingen befürchten zu müſſen. Sie fertigen ſich aus einer rieſigen Bambusart ein Blasrohr und aus der Wedelrippe eines Palmbaumes oder aus Dornen kleine ſchmächtige Pfeile, welche ſicherer und tiefer treffen, als die Kugeln aus der beſten Büchſe. Die Pfeile ſind mit dem furchtbaren Urarigift getränkt. Haben indianiſche Jäger Hunde bei ſich, ſo erlegen ſie den Jaguar ohne alle Gefahr. Die Hunde ſtöbern das Raubthier auf, jagen es gewöhnlich auf einen ſchief- ſtehenden Baum und verbellen es. Dort wird es dem Jndianer zum bequemen Zielpunkt. Aus ziemlich weiter Entfernung ſendet er ſeine fürchterlichen Pfeile nach der gewaltigen Katze ab, einen nach dem andern. Dieſe achtet kaum des kleinen Ritzes, welchen die Geſchoſſe ihr beibringen; ſie hält vielleicht das Pfeilchen blos für einen Dorn, der ſie verwundete: aber ſchon nach wenigen Minuten erfährt ſie, mit welcher furchtbaren Waffe ihr der Menſch zu Leibe ging. Das Gift beginnt zu wirken, ihre Glieder erſchlaffen, die Kraft erlahmt, ſie ſtürzt mit einigen Zuckungen auf den Boden, richtet ſich noch einige Male auf, verſucht, ſich fortzuraffen, und bricht dann plötzlich zuſammen, zuckend, verendend. Weit verwegener, als dieſe heimtückiſche Jagd iſt folgende. Der Jäger umwickelt mit einem Schaffelle den linken Arm bis über den Ellbogen und bewaffnet ſich mit einem zweiſchneidigen Meſſer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/310>, abgerufen am 22.11.2024.