Dem Ozelot sehr nahe verwandt sind zwei andere Katzen Amerikas: der Marguay und der Mbaracaya. Beide sind mehrfach als Spielarten von jenem angesehen worden; sie unterscheiden sich aber hinlänglich durch ihre Größe. Der Marguay (Leopardus tigrinus) erreicht nur die Größe der Hauskatze. Seine Körperlänge beträgt zwanzig, die des Schwanzes elf Zoll. Der weiche und schöne Katzenpelz hat oben und an den Seiten eine fahlgelbe Grundfarbe und ist unten, wie bei den meisten übrigen Katzen, weiß. Ueber die Wangen laufen zwei Streifen, zwei andere ziehen sich vom Augenwinkel über den Kopf ins Genick. Hier schieben sich nun noch andere ein, und so ziehen sich über den Nacken sechs derselben, weiter hinten sich in breitere Flecken auflösend. An der Kehle stehen zwei schwarze Tupfflecke, vor der Brust breite Halbringe. Jn der Mitte des Rückens verläuft ein unterbrochener Streif und jederseits daneben mehrere Reihen voller Flecken, von denen viele einen hellern Hof umschließen. Die Beine und der Unterleib sind gefleckt, die Ohren schwarz mit weißen Flecken. Der Schwanz ist an der Spitze buschiger, als an der Wurzel.
[Abbildung]
Der Marguay (Leopardus tigrinus).
Jn ihrer Lebensweise ähnelt diese Katze der vorhergehenden fast in allen Stücken. Wenn sie jung eingefangen und ordentlich gehalten wird, ist sie ein höchst gelehriges und anhängliches Thier; alt eingefangen, beträgt sie sich allerdings sehr wild und ungestüm, nimmt jedoch nach einiger Zeit auch einen gewissen Grad von Zähmung an. Waterson erwähnt, daß er in Guiana einen jung aufgezogenen Marguay längere Zeit in der Gefangenschaft gehabt habe. Er hatte ihn mit großer Sorgfalt aufgezogen, und so wurde das Thier in kurzer Zeit mit seinem Herrn auf das innigste be- freundet und folgte ihm später wie ein Hund. Gegen die Ratten und Mäuse, welche das Haus in Masse bevölkerten, lag der Marguay in einem ewigen Streit und wußte das von den verderblichen Nagern wahrhaft gepeinigte Haus in kurzer Zeit nach Möglichkeit zu reinigen. Er ging von Anfang an mit instinktmäßiger Kenntniß der Ratten und ihrer Sitten zu Werke. Die letzten Stunden des Tages waren seine beste Jagdzeit: er schlich dann im ganzen Hause herum, vor jeder Oeffnung lauschend und jeden Winkel untersuchend, machte somit auch regelmäßig hinreichende Beute. Seine Hilfe wurde außerordentlich werthvoll; denn die Ratten hatten vor seiner Zeit nicht weniger als
Die Raubthiere. Katzen. — Marguay. Mbaracaya.
Dem Ozelot ſehr nahe verwandt ſind zwei andere Katzen Amerikas: der Marguay und der Mbaracaya. Beide ſind mehrfach als Spielarten von jenem angeſehen worden; ſie unterſcheiden ſich aber hinlänglich durch ihre Größe. Der Marguay (Leopardus tigrinus) erreicht nur die Größe der Hauskatze. Seine Körperlänge beträgt zwanzig, die des Schwanzes elf Zoll. Der weiche und ſchöne Katzenpelz hat oben und an den Seiten eine fahlgelbe Grundfarbe und iſt unten, wie bei den meiſten übrigen Katzen, weiß. Ueber die Wangen laufen zwei Streifen, zwei andere ziehen ſich vom Augenwinkel über den Kopf ins Genick. Hier ſchieben ſich nun noch andere ein, und ſo ziehen ſich über den Nacken ſechs derſelben, weiter hinten ſich in breitere Flecken auflöſend. An der Kehle ſtehen zwei ſchwarze Tupfflecke, vor der Bruſt breite Halbringe. Jn der Mitte des Rückens verläuft ein unterbrochener Streif und jederſeits daneben mehrere Reihen voller Flecken, von denen viele einen hellern Hof umſchließen. Die Beine und der Unterleib ſind gefleckt, die Ohren ſchwarz mit weißen Flecken. Der Schwanz iſt an der Spitze buſchiger, als an der Wurzel.
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Der Marguay (Leopardus tigrinus).
Jn ihrer Lebensweiſe ähnelt dieſe Katze der vorhergehenden faſt in allen Stücken. Wenn ſie jung eingefangen und ordentlich gehalten wird, iſt ſie ein höchſt gelehriges und anhängliches Thier; alt eingefangen, beträgt ſie ſich allerdings ſehr wild und ungeſtüm, nimmt jedoch nach einiger Zeit auch einen gewiſſen Grad von Zähmung an. Waterſon erwähnt, daß er in Guiana einen jung aufgezogenen Marguay längere Zeit in der Gefangenſchaft gehabt habe. Er hatte ihn mit großer Sorgfalt aufgezogen, und ſo wurde das Thier in kurzer Zeit mit ſeinem Herrn auf das innigſte be- freundet und folgte ihm ſpäter wie ein Hund. Gegen die Ratten und Mäuſe, welche das Haus in Maſſe bevölkerten, lag der Marguay in einem ewigen Streit und wußte das von den verderblichen Nagern wahrhaft gepeinigte Haus in kurzer Zeit nach Möglichkeit zu reinigen. Er ging von Anfang an mit inſtinktmäßiger Kenntniß der Ratten und ihrer Sitten zu Werke. Die letzten Stunden des Tages waren ſeine beſte Jagdzeit: er ſchlich dann im ganzen Hauſe herum, vor jeder Oeffnung lauſchend und jeden Winkel unterſuchend, machte ſomit auch regelmäßig hinreichende Beute. Seine Hilfe wurde außerordentlich werthvoll; denn die Ratten hatten vor ſeiner Zeit nicht weniger als
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Die Raubthiere. Katzen. — Marguay. Mbaracaya.
Dem Ozelot ſehr nahe verwandt ſind zwei andere Katzen Amerikas: der Marguay und der
Mbaracaya. Beide ſind mehrfach als Spielarten von jenem angeſehen worden; ſie unterſcheiden
ſich aber hinlänglich durch ihre Größe. Der Marguay (Leopardus tigrinus) erreicht nur die Größe
der Hauskatze. Seine Körperlänge beträgt zwanzig, die des Schwanzes elf Zoll. Der weiche und
ſchöne Katzenpelz hat oben und an den Seiten eine fahlgelbe Grundfarbe und iſt unten, wie bei den
meiſten übrigen Katzen, weiß. Ueber die Wangen laufen zwei Streifen, zwei andere ziehen ſich vom
Augenwinkel über den Kopf ins Genick. Hier ſchieben ſich nun noch andere ein, und ſo ziehen ſich
über den Nacken ſechs derſelben, weiter hinten ſich in breitere Flecken auflöſend. An der Kehle ſtehen
zwei ſchwarze Tupfflecke, vor der Bruſt breite Halbringe. Jn der Mitte des Rückens verläuft ein
unterbrochener Streif und jederſeits daneben mehrere Reihen voller Flecken, von denen viele einen
hellern Hof umſchließen. Die Beine und der Unterleib ſind gefleckt, die Ohren ſchwarz mit weißen
Flecken. Der Schwanz iſt an der Spitze buſchiger, als an der Wurzel.
[Abbildung Der Marguay (Leopardus tigrinus).]
Jn ihrer Lebensweiſe ähnelt dieſe Katze der vorhergehenden faſt in allen Stücken. Wenn ſie
jung eingefangen und ordentlich gehalten wird, iſt ſie ein höchſt gelehriges und anhängliches Thier;
alt eingefangen, beträgt ſie ſich allerdings ſehr wild und ungeſtüm, nimmt jedoch nach einiger Zeit
auch einen gewiſſen Grad von Zähmung an. Waterſon erwähnt, daß er in Guiana einen jung
aufgezogenen Marguay längere Zeit in der Gefangenſchaft gehabt habe. Er hatte ihn mit großer
Sorgfalt aufgezogen, und ſo wurde das Thier in kurzer Zeit mit ſeinem Herrn auf das innigſte be-
freundet und folgte ihm ſpäter wie ein Hund. Gegen die Ratten und Mäuſe, welche das Haus in
Maſſe bevölkerten, lag der Marguay in einem ewigen Streit und wußte das von den verderblichen
Nagern wahrhaft gepeinigte Haus in kurzer Zeit nach Möglichkeit zu reinigen. Er ging von Anfang
an mit inſtinktmäßiger Kenntniß der Ratten und ihrer Sitten zu Werke. Die letzten Stunden des
Tages waren ſeine beſte Jagdzeit: er ſchlich dann im ganzen Hauſe herum, vor jeder Oeffnung
lauſchend und jeden Winkel unterſuchend, machte ſomit auch regelmäßig hinreichende Beute. Seine
Hilfe wurde außerordentlich werthvoll; denn die Ratten hatten vor ſeiner Zeit nicht weniger als
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/316>, abgerufen am 25.11.2024.
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