Eine fünfte Art dieser neuweltlichen Katzen, die langgeschwänzte Tigerkatze (Leopardus macrurus), ist ein ziemlich unbekanntes und auch in Sammlungen noch seltenes Thier. Der Entdecker ist der um die Thierkunde Brasiliens hochverdiente Prinz Max von Neuwied. Er be- richtet über sie Folgendes:
"Die Tigerkatze lebt in allen von mir bereisten Gegenden. Anfänglich wurde sie von mir für einen Mbaracaya gehalten, bis ich beide Thiere genauer verglich. Von dem Marguay und dem Ozelot ist sie verschieden. Jhre schlanke Gestalt, das bunte Fell, welches übrigens mit dem des Mbaracaya höchst übereinstimmend gezeichnet ist, machen sie zu einem der schönsten Thiere der Katzen- familie. Meine Jäger fanden die Tigerkatze an verschiedenen Orten, und ich kann deshalb sagen, daß sie fast in allen großen Urwäldern Brasiliens lebt. Bei den Brasilianern trägt sie den Namen der gefleckten Wildkatze und wird von ihnen ihres schönen Felles wegen oft geschossen. Da sie weit leichter und behender ist, als der Mbaracaya, steigt sie besonders gern an den Schlinggewächsen auf und ab, durchsucht die Bäume nach mancherlei Thieren und Vogelnestern und erhascht und ver-
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Die langgeschwänzte Tigerkatze (Leopardus macrurus).
zehrt dabei alle kleineren Thiere, welche sie erreichen und bewältigen kann. Wilden und gezähmten Hühnern ist sie ebenfalls sehr gefährlich und kommt deshalb häufig genug an die Wohnungen heran, um Federvieh zu rauben. Jhr Lager schlägt sie in hohlen Stämmen, Felsenklüften oder Erdhöhlen auf und bringt dort auch ganz nach Art unserer Wildkatze ihre Jungen zur Welt.
Gewöhnlich fängt man sie in Schlagfallen. Jch erhielt in den großen Urwäldern am Mukuri auf diese Art in vierzehn Tagen drei solche Katzen. Eine vierte schoß einer meiner Jäger von einem Baum herab und wollte sie ergreifen, allein sie entsprang, da sie nur leicht verwundet war. Ein Hund, welcher sie findet, treibt sie augenblicklich auf einen Baum, und dann kann man sie leicht herabschießen. Nur der Zufall bringt den Jäger in Besitz des schönen Thieres, weil man ihm auf seinen Streifzügen, welche es ebensowohl bei Tage, als bei Nacht übernimmt, nicht gut folgen kann."
Seine Körperlänge beträgt zwei Fuß, die des Schwanzes einen Fuß, die Schulterhöhe zehn Zoll. Es ist also nicht viel größer, als unsere Hauskatze. Der längere Schwanz, der kleine Kopf, die großen Augen, die langförmig abgerundeten Ohren und die stark gekrümmten, weißlichen Krallen unterscheiden es von dem Tschati. Seine Grundfarbe ist röthlichbraungrau, an den Seiten heller,
Die Raubthiere. Katzen. — Tigerkatze. Colocolo.
Eine fünfte Art dieſer neuweltlichen Katzen, die langgeſchwänzte Tigerkatze (Leopardus macrurus), iſt ein ziemlich unbekanntes und auch in Sammlungen noch ſeltenes Thier. Der Entdecker iſt der um die Thierkunde Braſiliens hochverdiente Prinz Max von Neuwied. Er be- richtet über ſie Folgendes:
„Die Tigerkatze lebt in allen von mir bereiſten Gegenden. Anfänglich wurde ſie von mir für einen Mbaracaya gehalten, bis ich beide Thiere genauer verglich. Von dem Marguay und dem Ozelot iſt ſie verſchieden. Jhre ſchlanke Geſtalt, das bunte Fell, welches übrigens mit dem des Mbaracaya höchſt übereinſtimmend gezeichnet iſt, machen ſie zu einem der ſchönſten Thiere der Katzen- familie. Meine Jäger fanden die Tigerkatze an verſchiedenen Orten, und ich kann deshalb ſagen, daß ſie faſt in allen großen Urwäldern Braſiliens lebt. Bei den Braſilianern trägt ſie den Namen der gefleckten Wildkatze und wird von ihnen ihres ſchönen Felles wegen oft geſchoſſen. Da ſie weit leichter und behender iſt, als der Mbaracaya, ſteigt ſie beſonders gern an den Schlinggewächſen auf und ab, durchſucht die Bäume nach mancherlei Thieren und Vogelneſtern und erhaſcht und ver-
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Die langgeſchwänzte Tigerkatze (Leopardus macrurus).
zehrt dabei alle kleineren Thiere, welche ſie erreichen und bewältigen kann. Wilden und gezähmten Hühnern iſt ſie ebenfalls ſehr gefährlich und kommt deshalb häufig genug an die Wohnungen heran, um Federvieh zu rauben. Jhr Lager ſchlägt ſie in hohlen Stämmen, Felſenklüften oder Erdhöhlen auf und bringt dort auch ganz nach Art unſerer Wildkatze ihre Jungen zur Welt.
Gewöhnlich fängt man ſie in Schlagfallen. Jch erhielt in den großen Urwäldern am Mukuri auf dieſe Art in vierzehn Tagen drei ſolche Katzen. Eine vierte ſchoß einer meiner Jäger von einem Baum herab und wollte ſie ergreifen, allein ſie entſprang, da ſie nur leicht verwundet war. Ein Hund, welcher ſie findet, treibt ſie augenblicklich auf einen Baum, und dann kann man ſie leicht herabſchießen. Nur der Zufall bringt den Jäger in Beſitz des ſchönen Thieres, weil man ihm auf ſeinen Streifzügen, welche es ebenſowohl bei Tage, als bei Nacht übernimmt, nicht gut folgen kann.‟
Seine Körperlänge beträgt zwei Fuß, die des Schwanzes einen Fuß, die Schulterhöhe zehn Zoll. Es iſt alſo nicht viel größer, als unſere Hauskatze. Der längere Schwanz, der kleine Kopf, die großen Augen, die langförmig abgerundeten Ohren und die ſtark gekrümmten, weißlichen Krallen unterſcheiden es von dem Tſchati. Seine Grundfarbe iſt röthlichbraungrau, an den Seiten heller,
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Die Raubthiere. Katzen. — Tigerkatze. Colocolo.
Eine fünfte Art dieſer neuweltlichen Katzen, die langgeſchwänzte Tigerkatze (Leopardus
macrurus), iſt ein ziemlich unbekanntes und auch in Sammlungen noch ſeltenes Thier. Der
Entdecker iſt der um die Thierkunde Braſiliens hochverdiente Prinz Max von Neuwied. Er be-
richtet über ſie Folgendes:
„Die Tigerkatze lebt in allen von mir bereiſten Gegenden. Anfänglich wurde ſie von mir für
einen Mbaracaya gehalten, bis ich beide Thiere genauer verglich. Von dem Marguay und dem
Ozelot iſt ſie verſchieden. Jhre ſchlanke Geſtalt, das bunte Fell, welches übrigens mit dem des
Mbaracaya höchſt übereinſtimmend gezeichnet iſt, machen ſie zu einem der ſchönſten Thiere der Katzen-
familie. Meine Jäger fanden die Tigerkatze an verſchiedenen Orten, und ich kann deshalb ſagen, daß
ſie faſt in allen großen Urwäldern Braſiliens lebt. Bei den Braſilianern trägt ſie den Namen der
gefleckten Wildkatze und wird von ihnen ihres ſchönen Felles wegen oft geſchoſſen. Da ſie weit
leichter und behender iſt, als der Mbaracaya, ſteigt ſie beſonders gern an den Schlinggewächſen auf
und ab, durchſucht die Bäume nach mancherlei Thieren und Vogelneſtern und erhaſcht und ver-
[Abbildung Die langgeſchwänzte Tigerkatze (Leopardus macrurus).]
zehrt dabei alle kleineren Thiere, welche ſie erreichen und bewältigen kann. Wilden und gezähmten
Hühnern iſt ſie ebenfalls ſehr gefährlich und kommt deshalb häufig genug an die Wohnungen heran,
um Federvieh zu rauben. Jhr Lager ſchlägt ſie in hohlen Stämmen, Felſenklüften oder Erdhöhlen
auf und bringt dort auch ganz nach Art unſerer Wildkatze ihre Jungen zur Welt.
Gewöhnlich fängt man ſie in Schlagfallen. Jch erhielt in den großen Urwäldern am Mukuri
auf dieſe Art in vierzehn Tagen drei ſolche Katzen. Eine vierte ſchoß einer meiner Jäger von einem
Baum herab und wollte ſie ergreifen, allein ſie entſprang, da ſie nur leicht verwundet war. Ein Hund,
welcher ſie findet, treibt ſie augenblicklich auf einen Baum, und dann kann man ſie leicht herabſchießen.
Nur der Zufall bringt den Jäger in Beſitz des ſchönen Thieres, weil man ihm auf ſeinen Streifzügen,
welche es ebenſowohl bei Tage, als bei Nacht übernimmt, nicht gut folgen kann.‟
Seine Körperlänge beträgt zwei Fuß, die des Schwanzes einen Fuß, die Schulterhöhe zehn Zoll.
Es iſt alſo nicht viel größer, als unſere Hauskatze. Der längere Schwanz, der kleine Kopf, die
großen Augen, die langförmig abgerundeten Ohren und die ſtark gekrümmten, weißlichen Krallen
unterſcheiden es von dem Tſchati. Seine Grundfarbe iſt röthlichbraungrau, an den Seiten heller,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/318>, abgerufen am 22.11.2024.
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