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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Hinz.
Zwecke bestimmtes Kissen auf meinen Schos, das Kätzchen darauf, drückte es sauft nieder, und nach
zehn Minuten schien es fest zu schlafen, während ich ruhig las und um uns her Vögel fangen. Das
Kätzchen hatte den Kopf, also auch die Ohren südwärts gerichtet. Plötzlich sprang es mit ungeheurer
Schnelligkeit rückwärts. Jch sah ihm erstaunt nach; da lief nordwärts von uns ein Mäuschen, von
einem Busch zum andern über glattes Steinpflaster, wo es natürlich gar kein Geräusch machen konnte.
Jch maß die Entfernung, in welcher das Kätzchen die Maus hinter sich gehört hatte; sie betrug volle
44 Fuß nach hiesigem Maße."

Die Lieblingsnahrung der Katze besteht in Mäusen und kleinen Vögeln; einzelne fangen auch
Fische. Jn den Häusern füttert man sie mit allerlei Kost, gekochtem Fleische, Pflanzenstoffen, vor
Allem aber mit Milch, welche sie überaus hochschätzt, obgleich sie sich sehr bemühen muß, eine Tasse
voll auszulecken. Jm Freien richtet sie, zuweilen auch unter größeren Thieren, arge Verwüstungen
an. Sie wagt sich an ziemlich große Hafen und frißt vollkommen ausgewachsene Rebhühner.
Jhre Beute beschleicht sie mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit. "Jch habe sie," sagt Lenz,
"öfters beobachtet, wenn sie so auf der Lauer sitzt, daß sie mehrere zusammengehörige Mauselöcher
um sich hat. Sie könnte sich gerade vor ein am Raude des Ganzen stehendes hinsetzen und so alle
leicht überschauen; das thut sie aber nicht. Setzte sie sich vor das Loch, so würde auch das Mäuschen
sie leichter bemerken und entweder gar nicht herausgehen oder doch schnell zurückzucken. Sie setzt sich
also mitten zwischen die Eingänge und wendet Auge und Ohr dem zu, in dessen Nähe sich unter der
Erde Etwas rührt, wobei sie so sitzt, daß das herauskommende Geschöpf ihr den Rücken kehren muß
und desto sicherer gepackt wird. Sie sitzt so unbeweglich, daß selbst die sonst so regsame Schwanzspitze
sich nicht rührt: es könnten auch durch ihre Bewegungen die Mäuschen, welche nach hinten heraus
wollen, eingeschüchtert werden. Kommt vor der Katze ein Mäuschen zu Tage, so ist es im Augen-
blicke gepackt; kommt eins hinter ihr heraus, so ist es ebenso schnell ergriffen. Sie hat nicht blos ge-
hört, daß es heraus ist, sondern auch so genau, als ob sie sähe, wo es ist, wirft sie sich blitzschnell
herum und hat es nie fehlend unter ihren Krallen."

Das geistige Wesen der Katze wird in den meisten Fällen gänzlich verkannt. Man betrachtet
sie als ein treuloses, falsches, hinterlistiges Thier und glaubt, ihr niemals trauen zu dürfen. Viele
Leute haben sogar einen unüberwindlichen Abschen gegen die Katzen und geberden sich wie nerven-
schwache Weiber oder ungezogene Kinder, sobald sie eine Katze erblicken. Dabei vergleicht man sie
gewöhnlich mit dem Hunde, mit welchem sie gar nicht verglichen werden kann, und giebt sich, weil
man nicht gleich in ihr dieselben lobenswerthen Eigenschaften findet, gar nicht weiter mit ihr ab,
sondern betrachtet sie schon von vornherein als ein Wesen, mit welchem überhaupt Nichts zu machen
sei. Unter solchen Umständen kann man freilich nur ein einseitiges Urtheil über sie fällen. Jch habe
mich seit meiner Jugend sehr viel mit ihr beschäftigt und sie sehr lieb gewonnen, auch viele Züge von
ihr beobachtet, welche ihr die Zuneigung des Menschen unbedingt erwerben müssen. Deshalb nehme
ich auch keinen Anstand, mich vollkommen mit Scheitlins Ansichten über das geistige Wesen der
Katze einverstanden zu erklären, und gebe, weil ich doch keine besseren Worte finden könnte, als dieser
Thierfreund, dessen ebenso anziehende, als wahre Schilderung der Katzenseele oder des Wesens der
Katze überhaupt hier im Auszuge.

"Die Katze ist ein Thier hoher Natur. Schon ihr Körperbau deutet auf Vortrefflichkeit. Sie
ist ein kleiner, netter Löwe, ein Tiger im verjüngten Maßstabe. Alles ist an ihr einhellig gebaut,
kein Theil ist zu groß oder zu klein; darum fällt auch schon die kleinste Regelwidrigkeit an ihr auf.
Alles ist rund; am schönsten ist die Kopfform, was man auch am entblößten Schädel wahrnehmen
kann; kein Thierkopf ist schöner geformt. Die Stirn hat den dichterischen Bogen, das ganze Gerippe
ist schön und deutet auf eine außerordentliche Beweglichkeit und Gewandtheit zu wellenförmigen oder
anmuthigen Bewegungen. Jhre Biegungen geschehen nicht im Zickzack oder Spitzwinkel, und ihre
Wendungen sind kaum sichtbar. Sie scheint keine Knochen zu haben und nur aus leichtem Teige
gebaut zu sein. Auch ihre Sinnesfähigkeiten sind groß und passen ganz zum Körper. Wir schätzen

Die Raubthiere. Katzen. — Hinz.
Zwecke beſtimmtes Kiſſen auf meinen Schos, das Kätzchen darauf, drückte es ſauft nieder, und nach
zehn Minuten ſchien es feſt zu ſchlafen, während ich ruhig las und um uns her Vögel fangen. Das
Kätzchen hatte den Kopf, alſo auch die Ohren ſüdwärts gerichtet. Plötzlich ſprang es mit ungeheurer
Schnelligkeit rückwärts. Jch ſah ihm erſtaunt nach; da lief nordwärts von uns ein Mäuschen, von
einem Buſch zum andern über glattes Steinpflaſter, wo es natürlich gar kein Geräuſch machen konnte.
Jch maß die Entfernung, in welcher das Kätzchen die Maus hinter ſich gehört hatte; ſie betrug volle
44 Fuß nach hieſigem Maße.‟

Die Lieblingsnahrung der Katze beſteht in Mäuſen und kleinen Vögeln; einzelne fangen auch
Fiſche. Jn den Häuſern füttert man ſie mit allerlei Koſt, gekochtem Fleiſche, Pflanzenſtoffen, vor
Allem aber mit Milch, welche ſie überaus hochſchätzt, obgleich ſie ſich ſehr bemühen muß, eine Taſſe
voll auszulecken. Jm Freien richtet ſie, zuweilen auch unter größeren Thieren, arge Verwüſtungen
an. Sie wagt ſich an ziemlich große Hafen und frißt vollkommen ausgewachſene Rebhühner.
Jhre Beute beſchleicht ſie mit bewunderungswürdiger Geſchicklichkeit. „Jch habe ſie,‟ ſagt Lenz,
„öfters beobachtet, wenn ſie ſo auf der Lauer ſitzt, daß ſie mehrere zuſammengehörige Mauſelöcher
um ſich hat. Sie könnte ſich gerade vor ein am Raude des Ganzen ſtehendes hinſetzen und ſo alle
leicht überſchauen; das thut ſie aber nicht. Setzte ſie ſich vor das Loch, ſo würde auch das Mäuschen
ſie leichter bemerken und entweder gar nicht herausgehen oder doch ſchnell zurückzucken. Sie ſetzt ſich
alſo mitten zwiſchen die Eingänge und wendet Auge und Ohr dem zu, in deſſen Nähe ſich unter der
Erde Etwas rührt, wobei ſie ſo ſitzt, daß das herauskommende Geſchöpf ihr den Rücken kehren muß
und deſto ſicherer gepackt wird. Sie ſitzt ſo unbeweglich, daß ſelbſt die ſonſt ſo regſame Schwanzſpitze
ſich nicht rührt: es könnten auch durch ihre Bewegungen die Mäuschen, welche nach hinten heraus
wollen, eingeſchüchtert werden. Kommt vor der Katze ein Mäuschen zu Tage, ſo iſt es im Augen-
blicke gepackt; kommt eins hinter ihr heraus, ſo iſt es ebenſo ſchnell ergriffen. Sie hat nicht blos ge-
hört, daß es heraus iſt, ſondern auch ſo genau, als ob ſie ſähe, wo es iſt, wirft ſie ſich blitzſchnell
herum und hat es nie fehlend unter ihren Krallen.‟

Das geiſtige Weſen der Katze wird in den meiſten Fällen gänzlich verkannt. Man betrachtet
ſie als ein treuloſes, falſches, hinterliſtiges Thier und glaubt, ihr niemals trauen zu dürfen. Viele
Leute haben ſogar einen unüberwindlichen Abſchen gegen die Katzen und geberden ſich wie nerven-
ſchwache Weiber oder ungezogene Kinder, ſobald ſie eine Katze erblicken. Dabei vergleicht man ſie
gewöhnlich mit dem Hunde, mit welchem ſie gar nicht verglichen werden kann, und giebt ſich, weil
man nicht gleich in ihr dieſelben lobenswerthen Eigenſchaften findet, gar nicht weiter mit ihr ab,
ſondern betrachtet ſie ſchon von vornherein als ein Weſen, mit welchem überhaupt Nichts zu machen
ſei. Unter ſolchen Umſtänden kann man freilich nur ein einſeitiges Urtheil über ſie fällen. Jch habe
mich ſeit meiner Jugend ſehr viel mit ihr beſchäftigt und ſie ſehr lieb gewonnen, auch viele Züge von
ihr beobachtet, welche ihr die Zuneigung des Menſchen unbedingt erwerben müſſen. Deshalb nehme
ich auch keinen Anſtand, mich vollkommen mit Scheitlins Anſichten über das geiſtige Weſen der
Katze einverſtanden zu erklären, und gebe, weil ich doch keine beſſeren Worte finden könnte, als dieſer
Thierfreund, deſſen ebenſo anziehende, als wahre Schilderung der Katzenſeele oder des Weſens der
Katze überhaupt hier im Auszuge.

„Die Katze iſt ein Thier hoher Natur. Schon ihr Körperbau deutet auf Vortrefflichkeit. Sie
iſt ein kleiner, netter Löwe, ein Tiger im verjüngten Maßſtabe. Alles iſt an ihr einhellig gebaut,
kein Theil iſt zu groß oder zu klein; darum fällt auch ſchon die kleinſte Regelwidrigkeit an ihr auf.
Alles iſt rund; am ſchönſten iſt die Kopfform, was man auch am entblößten Schädel wahrnehmen
kann; kein Thierkopf iſt ſchöner geformt. Die Stirn hat den dichteriſchen Bogen, das ganze Gerippe
iſt ſchön und deutet auf eine außerordentliche Beweglichkeit und Gewandtheit zu wellenförmigen oder
anmuthigen Bewegungen. Jhre Biegungen geſchehen nicht im Zickzack oder Spitzwinkel, und ihre
Wendungen ſind kaum ſichtbar. Sie ſcheint keine Knochen zu haben und nur aus leichtem Teige
gebaut zu ſein. Auch ihre Sinnesfähigkeiten ſind groß und paſſen ganz zum Körper. Wir ſchätzen

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[284/0348] Die Raubthiere. Katzen. — Hinz. Zwecke beſtimmtes Kiſſen auf meinen Schos, das Kätzchen darauf, drückte es ſauft nieder, und nach zehn Minuten ſchien es feſt zu ſchlafen, während ich ruhig las und um uns her Vögel fangen. Das Kätzchen hatte den Kopf, alſo auch die Ohren ſüdwärts gerichtet. Plötzlich ſprang es mit ungeheurer Schnelligkeit rückwärts. Jch ſah ihm erſtaunt nach; da lief nordwärts von uns ein Mäuschen, von einem Buſch zum andern über glattes Steinpflaſter, wo es natürlich gar kein Geräuſch machen konnte. Jch maß die Entfernung, in welcher das Kätzchen die Maus hinter ſich gehört hatte; ſie betrug volle 44 Fuß nach hieſigem Maße.‟ Die Lieblingsnahrung der Katze beſteht in Mäuſen und kleinen Vögeln; einzelne fangen auch Fiſche. Jn den Häuſern füttert man ſie mit allerlei Koſt, gekochtem Fleiſche, Pflanzenſtoffen, vor Allem aber mit Milch, welche ſie überaus hochſchätzt, obgleich ſie ſich ſehr bemühen muß, eine Taſſe voll auszulecken. Jm Freien richtet ſie, zuweilen auch unter größeren Thieren, arge Verwüſtungen an. Sie wagt ſich an ziemlich große Hafen und frißt vollkommen ausgewachſene Rebhühner. Jhre Beute beſchleicht ſie mit bewunderungswürdiger Geſchicklichkeit. „Jch habe ſie,‟ ſagt Lenz, „öfters beobachtet, wenn ſie ſo auf der Lauer ſitzt, daß ſie mehrere zuſammengehörige Mauſelöcher um ſich hat. Sie könnte ſich gerade vor ein am Raude des Ganzen ſtehendes hinſetzen und ſo alle leicht überſchauen; das thut ſie aber nicht. Setzte ſie ſich vor das Loch, ſo würde auch das Mäuschen ſie leichter bemerken und entweder gar nicht herausgehen oder doch ſchnell zurückzucken. Sie ſetzt ſich alſo mitten zwiſchen die Eingänge und wendet Auge und Ohr dem zu, in deſſen Nähe ſich unter der Erde Etwas rührt, wobei ſie ſo ſitzt, daß das herauskommende Geſchöpf ihr den Rücken kehren muß und deſto ſicherer gepackt wird. Sie ſitzt ſo unbeweglich, daß ſelbſt die ſonſt ſo regſame Schwanzſpitze ſich nicht rührt: es könnten auch durch ihre Bewegungen die Mäuschen, welche nach hinten heraus wollen, eingeſchüchtert werden. Kommt vor der Katze ein Mäuschen zu Tage, ſo iſt es im Augen- blicke gepackt; kommt eins hinter ihr heraus, ſo iſt es ebenſo ſchnell ergriffen. Sie hat nicht blos ge- hört, daß es heraus iſt, ſondern auch ſo genau, als ob ſie ſähe, wo es iſt, wirft ſie ſich blitzſchnell herum und hat es nie fehlend unter ihren Krallen.‟ Das geiſtige Weſen der Katze wird in den meiſten Fällen gänzlich verkannt. Man betrachtet ſie als ein treuloſes, falſches, hinterliſtiges Thier und glaubt, ihr niemals trauen zu dürfen. Viele Leute haben ſogar einen unüberwindlichen Abſchen gegen die Katzen und geberden ſich wie nerven- ſchwache Weiber oder ungezogene Kinder, ſobald ſie eine Katze erblicken. Dabei vergleicht man ſie gewöhnlich mit dem Hunde, mit welchem ſie gar nicht verglichen werden kann, und giebt ſich, weil man nicht gleich in ihr dieſelben lobenswerthen Eigenſchaften findet, gar nicht weiter mit ihr ab, ſondern betrachtet ſie ſchon von vornherein als ein Weſen, mit welchem überhaupt Nichts zu machen ſei. Unter ſolchen Umſtänden kann man freilich nur ein einſeitiges Urtheil über ſie fällen. Jch habe mich ſeit meiner Jugend ſehr viel mit ihr beſchäftigt und ſie ſehr lieb gewonnen, auch viele Züge von ihr beobachtet, welche ihr die Zuneigung des Menſchen unbedingt erwerben müſſen. Deshalb nehme ich auch keinen Anſtand, mich vollkommen mit Scheitlins Anſichten über das geiſtige Weſen der Katze einverſtanden zu erklären, und gebe, weil ich doch keine beſſeren Worte finden könnte, als dieſer Thierfreund, deſſen ebenſo anziehende, als wahre Schilderung der Katzenſeele oder des Weſens der Katze überhaupt hier im Auszuge. „Die Katze iſt ein Thier hoher Natur. Schon ihr Körperbau deutet auf Vortrefflichkeit. Sie iſt ein kleiner, netter Löwe, ein Tiger im verjüngten Maßſtabe. Alles iſt an ihr einhellig gebaut, kein Theil iſt zu groß oder zu klein; darum fällt auch ſchon die kleinſte Regelwidrigkeit an ihr auf. Alles iſt rund; am ſchönſten iſt die Kopfform, was man auch am entblößten Schädel wahrnehmen kann; kein Thierkopf iſt ſchöner geformt. Die Stirn hat den dichteriſchen Bogen, das ganze Gerippe iſt ſchön und deutet auf eine außerordentliche Beweglichkeit und Gewandtheit zu wellenförmigen oder anmuthigen Bewegungen. Jhre Biegungen geſchehen nicht im Zickzack oder Spitzwinkel, und ihre Wendungen ſind kaum ſichtbar. Sie ſcheint keine Knochen zu haben und nur aus leichtem Teige gebaut zu ſein. Auch ihre Sinnesfähigkeiten ſind groß und paſſen ganz zum Körper. Wir ſchätzen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/348>, abgerufen am 22.11.2024.