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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Luchs.
Der Luchs fixirt die Kleider so lange, bis das Gewehr bei der Hand ist und der Schuß fällt. Aber
auch hier heißt es: gut gezielt! Wird die Bestie blos verwundet, so springt sie schäumend dem Jäger
an die Brust, haut ihre scharfen Krallen tief ins Fleisch und beißt sich wüthend ein, ohne loszulassen.
Manchmal springt sie aber nur auf den Hund, und der Jäger gewinnt Zeit zum zweiten Schuß. Hunde
müssen dem Luchs unterliegen, da er viel sicherer im Angriff ist und mit großer Genauigkeit springt.
Er fürchtet sie darum auch nicht, flieht gemächlich, klettert nicht bald auf einen Baum, eher in eine
unzugängliche Schlucht und wird nöthigenfalls auch zweier bis dreier gewöhnlicher Jagdhunde Meister.
Die Prämien auf Erlegung eines Luchses sind ziemlich hoch, in Freiburg 125 alte Schweizerfranken,
in Glarus 15 Gulden, im Tessin 1 Louis'dor."

Ueber den letzten Luchs, welcher in Deutschland geschossen wurde, theilt mir der Herr Oberförster
Marz aus Wiesensteig in Würtemberg durch Vermittelung eines meiner Freunde Folgendes mit:
"Der Winter von 1845 auf 46 war gelinde und schneearm, dennoch hauste zur Zeit in den würtem-
bergschen Wäldern ein Wolf, welcher unter dem Namen "Abd-el-Kader" bei den Forstleuten wohl
bekannt war, eifrig verfolgt und endlich auch erlegt wurde. Mitte Januars hörte man wenig von
ihm, aber gerade in dieser Zeit fand ich im Staatswalde Pfannenhalde unweit Reißenstein eine
Stelle, wo ein Reh zerrissen worden war. Die großen Fetzen, welche von der Haut dalagen, ließen
mich alsbald auf ein größeres Raubthier schließen, und natürlich hatte ich den Wolf in Verdacht und
verdoppelte nun meine Aufmerksamkeit. Da es aber keinen Schnee gab, konnte ich nur an der steten
Flüchtigkeit der Rehe beobachten, daß es im Revier nicht sauber sei, vermochte jedoch nicht, etwas Ver-
dächtiges zu bemerken. Jn der Nacht vom 11. zum 12. Februar 1846 fiel endlich ein neuer Schnee,
und ich stellte alsbald meine Untersuchungen an. Am 13. Februar fand ich eine verdächtige Fährte;
das Raubthier hatte auf einer lichten Stelle ein Reh geraubt und es den nahgelegenen Bergabhang
gegen die Ruine Reißenstein hingeschleppt. Das Reh hatte auf einer holzlosen Stelle Haide geäßt
und war von seinem Mörder beschlichen worden. Derselbe hatte sich durch einen Buchenbusch verdeckt
und von diesem aus, wie sich im Schnee deutlich zeigte, einen Satz von etwa 15 Fuß Weite gemacht.
Das Reh hatte zu entrinnen versucht, war aber durch einen zweiten Satz erreicht worden. Das Raub-
thier hatte es dann getödtet und weiter geschleppt."

"Die Fährte war mir räthselhaft, zumal ich an dem Gange wohl erkannte, daß sie nicht von
einem Wolfe herrührte. Jn der Nacht vom 14. auf den 15. Februar fiel Thauwetter mit Sturm ein, und
der wenige Schnee war denn auch bald geschmolzen. Jch machte mich aber mit Anbruch des Morgens
in Begleitung zweier Waldschützen schon vor Tagesanbruch auf den Weg, um zu kreisen. Lange Zeit
spürten wir vergebens, nachmittags aber konnten wir sagen, daß das fremde Thier in der Bergwand
von der Neidlinger-Reißensteiner Steige an bis zum sogenannten Pfarrensteig liege. Es war zweimal
aus den Bergabhängen auf die Ebene und dreimal auf den Berg hinauf zu spüren, doch entdeckten wir
die Fährte, welche in Folge des Sturmes verweht und theilweise schon ganz verwischt war, nur nach
sehr langem Suchen; es war ein Stück sehr schwerer Waidmannsarbeit."

"Jch schickte nun nach Neidlingen nach Schützen, diese aber antworteten mir, sie würden nicht mit
gehen, außer wenn man den Wolf frisch spüre, nur dann wollten sie kommen. Jch wußte gewiß, daß
das Raubthier in der fraglichen Bergwand stecke, allein es war schon nachmittags drei Uhr und so blieb
mir Nichts weiter übrig, als den Verwalter von Reißenstein um einen Knecht zu bitten, welchen ich
als Treiber verwandte. Derselbe wurde unterrichtet, möglichst still an den Felsen hinzugehen, ich aber
stellte mich mit meinen zwei Waldschützen vor. Der erste Trieb blieb erfolglos, im zweiten jedoch und
zwar ganz in der Nähe der Ruine Reißenstein kam mir das Raubthier auf der nordöstlichen Ecke der
Ruine zu Gesicht. Es schlich sich so nahe an dem Felsen hin, daß ich es nur einen Augenblick sehen
konnte und zwar blos am Hintertheile, doch war mir Dies genug, zu erkennen, daß es kein Wolf sei;
denn für einen solchen war die Ruthe viel zu kurz. Gleichwohl wußte ich noch immer nicht, welchen
Geguer ich vor mir habe. Jch stand auf einem Felsen und hatte eine ziemlich weite Umschau, allein das
Thier mochte mich wohl auch gesehen haben: denn es fiel plötzlich in eine große Flucht; doch bekam ich

Die Raubthiere. Katzen. — Luchs.
Der Luchs fixirt die Kleider ſo lange, bis das Gewehr bei der Hand iſt und der Schuß fällt. Aber
auch hier heißt es: gut gezielt! Wird die Beſtie blos verwundet, ſo ſpringt ſie ſchäumend dem Jäger
an die Bruſt, haut ihre ſcharfen Krallen tief ins Fleiſch und beißt ſich wüthend ein, ohne loszulaſſen.
Manchmal ſpringt ſie aber nur auf den Hund, und der Jäger gewinnt Zeit zum zweiten Schuß. Hunde
müſſen dem Luchs unterliegen, da er viel ſicherer im Angriff iſt und mit großer Genauigkeit ſpringt.
Er fürchtet ſie darum auch nicht, flieht gemächlich, klettert nicht bald auf einen Baum, eher in eine
unzugängliche Schlucht und wird nöthigenfalls auch zweier bis dreier gewöhnlicher Jagdhunde Meiſter.
Die Prämien auf Erlegung eines Luchſes ſind ziemlich hoch, in Freiburg 125 alte Schweizerfranken,
in Glarus 15 Gulden, im Teſſin 1 Louis’dor.‟

Ueber den letzten Luchs, welcher in Deutſchland geſchoſſen wurde, theilt mir der Herr Oberförſter
Marz aus Wieſenſteig in Würtemberg durch Vermittelung eines meiner Freunde Folgendes mit:
„Der Winter von 1845 auf 46 war gelinde und ſchneearm, dennoch hauſte zur Zeit in den würtem-
bergſchen Wäldern ein Wolf, welcher unter dem Namen „Abd-el-Kader‟ bei den Forſtleuten wohl
bekannt war, eifrig verfolgt und endlich auch erlegt wurde. Mitte Januars hörte man wenig von
ihm, aber gerade in dieſer Zeit fand ich im Staatswalde Pfannenhalde unweit Reißenſtein eine
Stelle, wo ein Reh zerriſſen worden war. Die großen Fetzen, welche von der Haut dalagen, ließen
mich alsbald auf ein größeres Raubthier ſchließen, und natürlich hatte ich den Wolf in Verdacht und
verdoppelte nun meine Aufmerkſamkeit. Da es aber keinen Schnee gab, konnte ich nur an der ſteten
Flüchtigkeit der Rehe beobachten, daß es im Revier nicht ſauber ſei, vermochte jedoch nicht, etwas Ver-
dächtiges zu bemerken. Jn der Nacht vom 11. zum 12. Februar 1846 fiel endlich ein neuer Schnee,
und ich ſtellte alsbald meine Unterſuchungen an. Am 13. Februar fand ich eine verdächtige Fährte;
das Raubthier hatte auf einer lichten Stelle ein Reh geraubt und es den nahgelegenen Bergabhang
gegen die Ruine Reißenſtein hingeſchleppt. Das Reh hatte auf einer holzloſen Stelle Haide geäßt
und war von ſeinem Mörder beſchlichen worden. Derſelbe hatte ſich durch einen Buchenbuſch verdeckt
und von dieſem aus, wie ſich im Schnee deutlich zeigte, einen Satz von etwa 15 Fuß Weite gemacht.
Das Reh hatte zu entrinnen verſucht, war aber durch einen zweiten Satz erreicht worden. Das Raub-
thier hatte es dann getödtet und weiter geſchleppt.‟

„Die Fährte war mir räthſelhaft, zumal ich an dem Gange wohl erkannte, daß ſie nicht von
einem Wolfe herrührte. Jn der Nacht vom 14. auf den 15. Februar fiel Thauwetter mit Sturm ein, und
der wenige Schnee war denn auch bald geſchmolzen. Jch machte mich aber mit Anbruch des Morgens
in Begleitung zweier Waldſchützen ſchon vor Tagesanbruch auf den Weg, um zu kreiſen. Lange Zeit
ſpürten wir vergebens, nachmittags aber konnten wir ſagen, daß das fremde Thier in der Bergwand
von der Neidlinger-Reißenſteiner Steige an bis zum ſogenannten Pfarrenſteig liege. Es war zweimal
aus den Bergabhängen auf die Ebene und dreimal auf den Berg hinauf zu ſpüren, doch entdeckten wir
die Fährte, welche in Folge des Sturmes verweht und theilweiſe ſchon ganz verwiſcht war, nur nach
ſehr langem Suchen; es war ein Stück ſehr ſchwerer Waidmannsarbeit.‟

„Jch ſchickte nun nach Neidlingen nach Schützen, dieſe aber antworteten mir, ſie würden nicht mit
gehen, außer wenn man den Wolf friſch ſpüre, nur dann wollten ſie kommen. Jch wußte gewiß, daß
das Raubthier in der fraglichen Bergwand ſtecke, allein es war ſchon nachmittags drei Uhr und ſo blieb
mir Nichts weiter übrig, als den Verwalter von Reißenſtein um einen Knecht zu bitten, welchen ich
als Treiber verwandte. Derſelbe wurde unterrichtet, möglichſt ſtill an den Felſen hinzugehen, ich aber
ſtellte mich mit meinen zwei Waldſchützen vor. Der erſte Trieb blieb erfolglos, im zweiten jedoch und
zwar ganz in der Nähe der Ruine Reißenſtein kam mir das Raubthier auf der nordöſtlichen Ecke der
Ruine zu Geſicht. Es ſchlich ſich ſo nahe an dem Felſen hin, daß ich es nur einen Augenblick ſehen
konnte und zwar blos am Hintertheile, doch war mir Dies genug, zu erkennen, daß es kein Wolf ſei;
denn für einen ſolchen war die Ruthe viel zu kurz. Gleichwohl wußte ich noch immer nicht, welchen
Geguer ich vor mir habe. Jch ſtand auf einem Felſen und hatte eine ziemlich weite Umſchau, allein das
Thier mochte mich wohl auch geſehen haben: denn es fiel plötzlich in eine große Flucht; doch bekam ich

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[298/0362] Die Raubthiere. Katzen. — Luchs. Der Luchs fixirt die Kleider ſo lange, bis das Gewehr bei der Hand iſt und der Schuß fällt. Aber auch hier heißt es: gut gezielt! Wird die Beſtie blos verwundet, ſo ſpringt ſie ſchäumend dem Jäger an die Bruſt, haut ihre ſcharfen Krallen tief ins Fleiſch und beißt ſich wüthend ein, ohne loszulaſſen. Manchmal ſpringt ſie aber nur auf den Hund, und der Jäger gewinnt Zeit zum zweiten Schuß. Hunde müſſen dem Luchs unterliegen, da er viel ſicherer im Angriff iſt und mit großer Genauigkeit ſpringt. Er fürchtet ſie darum auch nicht, flieht gemächlich, klettert nicht bald auf einen Baum, eher in eine unzugängliche Schlucht und wird nöthigenfalls auch zweier bis dreier gewöhnlicher Jagdhunde Meiſter. Die Prämien auf Erlegung eines Luchſes ſind ziemlich hoch, in Freiburg 125 alte Schweizerfranken, in Glarus 15 Gulden, im Teſſin 1 Louis’dor.‟ Ueber den letzten Luchs, welcher in Deutſchland geſchoſſen wurde, theilt mir der Herr Oberförſter Marz aus Wieſenſteig in Würtemberg durch Vermittelung eines meiner Freunde Folgendes mit: „Der Winter von 1845 auf 46 war gelinde und ſchneearm, dennoch hauſte zur Zeit in den würtem- bergſchen Wäldern ein Wolf, welcher unter dem Namen „Abd-el-Kader‟ bei den Forſtleuten wohl bekannt war, eifrig verfolgt und endlich auch erlegt wurde. Mitte Januars hörte man wenig von ihm, aber gerade in dieſer Zeit fand ich im Staatswalde Pfannenhalde unweit Reißenſtein eine Stelle, wo ein Reh zerriſſen worden war. Die großen Fetzen, welche von der Haut dalagen, ließen mich alsbald auf ein größeres Raubthier ſchließen, und natürlich hatte ich den Wolf in Verdacht und verdoppelte nun meine Aufmerkſamkeit. Da es aber keinen Schnee gab, konnte ich nur an der ſteten Flüchtigkeit der Rehe beobachten, daß es im Revier nicht ſauber ſei, vermochte jedoch nicht, etwas Ver- dächtiges zu bemerken. Jn der Nacht vom 11. zum 12. Februar 1846 fiel endlich ein neuer Schnee, und ich ſtellte alsbald meine Unterſuchungen an. Am 13. Februar fand ich eine verdächtige Fährte; das Raubthier hatte auf einer lichten Stelle ein Reh geraubt und es den nahgelegenen Bergabhang gegen die Ruine Reißenſtein hingeſchleppt. Das Reh hatte auf einer holzloſen Stelle Haide geäßt und war von ſeinem Mörder beſchlichen worden. Derſelbe hatte ſich durch einen Buchenbuſch verdeckt und von dieſem aus, wie ſich im Schnee deutlich zeigte, einen Satz von etwa 15 Fuß Weite gemacht. Das Reh hatte zu entrinnen verſucht, war aber durch einen zweiten Satz erreicht worden. Das Raub- thier hatte es dann getödtet und weiter geſchleppt.‟ „Die Fährte war mir räthſelhaft, zumal ich an dem Gange wohl erkannte, daß ſie nicht von einem Wolfe herrührte. Jn der Nacht vom 14. auf den 15. Februar fiel Thauwetter mit Sturm ein, und der wenige Schnee war denn auch bald geſchmolzen. Jch machte mich aber mit Anbruch des Morgens in Begleitung zweier Waldſchützen ſchon vor Tagesanbruch auf den Weg, um zu kreiſen. Lange Zeit ſpürten wir vergebens, nachmittags aber konnten wir ſagen, daß das fremde Thier in der Bergwand von der Neidlinger-Reißenſteiner Steige an bis zum ſogenannten Pfarrenſteig liege. Es war zweimal aus den Bergabhängen auf die Ebene und dreimal auf den Berg hinauf zu ſpüren, doch entdeckten wir die Fährte, welche in Folge des Sturmes verweht und theilweiſe ſchon ganz verwiſcht war, nur nach ſehr langem Suchen; es war ein Stück ſehr ſchwerer Waidmannsarbeit.‟ „Jch ſchickte nun nach Neidlingen nach Schützen, dieſe aber antworteten mir, ſie würden nicht mit gehen, außer wenn man den Wolf friſch ſpüre, nur dann wollten ſie kommen. Jch wußte gewiß, daß das Raubthier in der fraglichen Bergwand ſtecke, allein es war ſchon nachmittags drei Uhr und ſo blieb mir Nichts weiter übrig, als den Verwalter von Reißenſtein um einen Knecht zu bitten, welchen ich als Treiber verwandte. Derſelbe wurde unterrichtet, möglichſt ſtill an den Felſen hinzugehen, ich aber ſtellte mich mit meinen zwei Waldſchützen vor. Der erſte Trieb blieb erfolglos, im zweiten jedoch und zwar ganz in der Nähe der Ruine Reißenſtein kam mir das Raubthier auf der nordöſtlichen Ecke der Ruine zu Geſicht. Es ſchlich ſich ſo nahe an dem Felſen hin, daß ich es nur einen Augenblick ſehen konnte und zwar blos am Hintertheile, doch war mir Dies genug, zu erkennen, daß es kein Wolf ſei; denn für einen ſolchen war die Ruthe viel zu kurz. Gleichwohl wußte ich noch immer nicht, welchen Geguer ich vor mir habe. Jch ſtand auf einem Felſen und hatte eine ziemlich weite Umſchau, allein das Thier mochte mich wohl auch geſehen haben: denn es fiel plötzlich in eine große Flucht; doch bekam ich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/362>, abgerufen am 24.11.2024.