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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Pardelluchs. Kanadischer Luchs. Karakal.

Junge Luchse werden so zahm, als überhaupt ein derartiges Raubthier werden kann. Man
darf, ohne Gefahr sie zu verlieren, sie später frei in dem Hause laufen lassen, doch wird, nach Tschudi,
ihre Neugier lästig, da sie jeden fremden Gegenstand zu beriechen pflegen und ihn dabei natürlich nicht
eben schonend behandeln. Die Katzen bleiben übrigens ebensowenig im Hause neben den jungen
Luchsen, als die Hunde neben einem jungen Wolfe. Man hat Beispiele, daß zahme Luchse sich mit
allerlei Thieren sehr befreundet und mit ihnen lange in Frieden gelebt haben. Wie schwer es aber ist,
einen jungen Luchs für die Gefangenschaft zu erhalten, sieht man am besten in Thierschaubuden und
Thiergärten; hier wird man wohl niemals einen Löwen oder Leoparden vermissen, einen Luchs
aber bekommt man nur äußerst selten zu sehen. Man sagt, daß die zahmen Luchse gewöhnlich an
allzu großer Fettigkeit sterben, und behauptet, daß die wilden nicht älter würden, als funfzehn Jahre.

Jm Süden Europas wird der gemeine Luchs durch den Pardelluchs (Lynx pardinus) --
Seite 299 -- vertreten. Dieser ist viel kleiner, als sein nordischer Verwandter; denn seine Körper-
länge beträgt höchstens 21/2 Fuß und die seines Schwanzes fünf Zoll. Durch die Kürze seines Pelzes,
den verhältnißmäßig sehr großen Backenbart und die langen Ohrpinsel, sowie die ganz verschiedene,
vielfältige Zeichnung unterscheidet er sich von jenem. Die Färbung des Pelzes ist lebhaft glänzend-
roth und der ganze Rumpf mit länglich schwarzen Flecken besetzt, der Backenbart in der obern Hälfte
fahl und schwarz, in der untern weiß, die Ohrpinsel und Ohren schwarz mit größeren Flecken. Auf
dem Halse finden sich schwarze Längstreifen; die Unterseite ist weiß, der Schwanz fahl gefleckt und
mit schwarzem Ende.

Soviel man weiß, bewohnt der Pardelluchs Sardinien, Sicilien, Griechenland, die Türkei,
namentlich aber die pyrenäische Halbinsel. Hier ist er unter dem Namen Lobo cerval allgemein be-
kannt, und man erzählt viel von seiner Stärke, Grausamkeit und Blutgier. Zumal in den aus-
gedehnten Waldungen des ebenen Theils von Estramadura soll er recht häufig sein. Jch selbst
habe ihn während meines Aufenthalts dort aber niemals zu sehen bekommen.

Jn Nordamerika ersetzt der Pischu oder kanadische Luchs (Lynx canadensis) die genannten
europäischen Arten. Er ist etwas schwächer, als sein europäischer Vetter; denn seine Körperlänge
erreicht nur selten drei Fuß, während die seines Schwanzes blos einen halben Fuß beträgt. Der
Pelz ist kürzer und reicher, als der des europäischen Luchses. Die Rückenhaare sind dunkelbraun
mit grau oder braun geringelter Spitze, die der Seiten an der Wurzel grau, in der Mitte röthlich-
weiß gewellt. Die Unterseite des Bauches und die Jnnenseite der Beine sind schmuzig weiß, die
Ohren weiß gesäumt: der Backenbart ist schwarz gefleckt, die Schnurren sind schwarz und weiß;
der Schwanz ist röthlichweiß gewellt, mit schwarzer Spitze. Seine Heimat ist ganz Nordamerika,
nördlich von den großen Seen und östlich von den Felsengebirgen. Hier lebt er in waldigen Gegenden
ganz nach Art unsers Luchses; doch kommt er diesem keineswegs an Stärke und Wildheit gleich.
Nach der Schilderung von Richardson ist er erbärmlich feig und wagt sich auch nicht einmal an
größere Säugethiere, sondern jagt blos Hasen und kleine Nagethiere oder kleine Vögel. Vor dem
Menschen und den Hunden flieht er stets; wird er aber gestellt, so sträubt er im Angriff, wie alle
Katzen, sein Haar, droht und faucht, läßt sich aber doch leicht besiegen, sogar mit einen Stock
erschlagen. Wegen dieser Ungefährlichkeit und Häufigkeit wird er sehr lebhaft gejagt. Audubon,
welcher das Thier ausführlicher beschreibt, hält Richardsons Angabe theilweise für irrthümlich. Er
schildert auch diesen Luchs als ein starkes, wehrhaftes Thier, welches sich seiner Haut zu wehren weiß.
Ein Gefangener des Hamburger Thiergartens bestätigt seine Ansicht; mit ihm ist durchaus nicht zu
scherzen. Ungeachtet aller Bemühungen von unserer Seite hat er sich noch nicht entschließen können,
ein freundschaftliches Verhältniß mit uns einzugehen. Er ist ernstruhig, aber unfreundlich, fast
mürrisch. Seine Bewegungen sind kräftig, jedoch leicht und gewandt. Bei Tage liegt er stundenlang
regungslos auf seinem Baumaste, nachts wandert er gemachsam im Käfig auf und nieder. Niemals

Die Raubthiere. Katzen. — Pardelluchs. Kanadiſcher Luchs. Karakal.

Junge Luchſe werden ſo zahm, als überhaupt ein derartiges Raubthier werden kann. Man
darf, ohne Gefahr ſie zu verlieren, ſie ſpäter frei in dem Hauſe laufen laſſen, doch wird, nach Tſchudi,
ihre Neugier läſtig, da ſie jeden fremden Gegenſtand zu beriechen pflegen und ihn dabei natürlich nicht
eben ſchonend behandeln. Die Katzen bleiben übrigens ebenſowenig im Hauſe neben den jungen
Luchſen, als die Hunde neben einem jungen Wolfe. Man hat Beiſpiele, daß zahme Luchſe ſich mit
allerlei Thieren ſehr befreundet und mit ihnen lange in Frieden gelebt haben. Wie ſchwer es aber iſt,
einen jungen Luchs für die Gefangenſchaft zu erhalten, ſieht man am beſten in Thierſchaubuden und
Thiergärten; hier wird man wohl niemals einen Löwen oder Leoparden vermiſſen, einen Luchs
aber bekommt man nur äußerſt ſelten zu ſehen. Man ſagt, daß die zahmen Luchſe gewöhnlich an
allzu großer Fettigkeit ſterben, und behauptet, daß die wilden nicht älter würden, als funfzehn Jahre.

Jm Süden Europas wird der gemeine Luchs durch den Pardelluchs (Lynx pardinus) —
Seite 299 — vertreten. Dieſer iſt viel kleiner, als ſein nordiſcher Verwandter; denn ſeine Körper-
länge beträgt höchſtens 2½ Fuß und die ſeines Schwanzes fünf Zoll. Durch die Kürze ſeines Pelzes,
den verhältnißmäßig ſehr großen Backenbart und die langen Ohrpinſel, ſowie die ganz verſchiedene,
vielfältige Zeichnung unterſcheidet er ſich von jenem. Die Färbung des Pelzes iſt lebhaft glänzend-
roth und der ganze Rumpf mit länglich ſchwarzen Flecken beſetzt, der Backenbart in der obern Hälfte
fahl und ſchwarz, in der untern weiß, die Ohrpinſel und Ohren ſchwarz mit größeren Flecken. Auf
dem Halſe finden ſich ſchwarze Längſtreifen; die Unterſeite iſt weiß, der Schwanz fahl gefleckt und
mit ſchwarzem Ende.

Soviel man weiß, bewohnt der Pardelluchs Sardinien, Sicilien, Griechenland, die Türkei,
namentlich aber die pyrenäiſche Halbinſel. Hier iſt er unter dem Namen Lobo cerval allgemein be-
kannt, und man erzählt viel von ſeiner Stärke, Grauſamkeit und Blutgier. Zumal in den aus-
gedehnten Waldungen des ebenen Theils von Eſtramadura ſoll er recht häufig ſein. Jch ſelbſt
habe ihn während meines Aufenthalts dort aber niemals zu ſehen bekommen.

Jn Nordamerika erſetzt der Piſchu oder kanadiſche Luchs (Lynx canadensis) die genannten
europäiſchen Arten. Er iſt etwas ſchwächer, als ſein europäiſcher Vetter; denn ſeine Körperlänge
erreicht nur ſelten drei Fuß, während die ſeines Schwanzes blos einen halben Fuß beträgt. Der
Pelz iſt kürzer und reicher, als der des europäiſchen Luchſes. Die Rückenhaare ſind dunkelbraun
mit grau oder braun geringelter Spitze, die der Seiten an der Wurzel grau, in der Mitte röthlich-
weiß gewellt. Die Unterſeite des Bauches und die Jnnenſeite der Beine ſind ſchmuzig weiß, die
Ohren weiß geſäumt: der Backenbart iſt ſchwarz gefleckt, die Schnurren ſind ſchwarz und weiß;
der Schwanz iſt röthlichweiß gewellt, mit ſchwarzer Spitze. Seine Heimat iſt ganz Nordamerika,
nördlich von den großen Seen und öſtlich von den Felſengebirgen. Hier lebt er in waldigen Gegenden
ganz nach Art unſers Luchſes; doch kommt er dieſem keineswegs an Stärke und Wildheit gleich.
Nach der Schilderung von Richardſon iſt er erbärmlich feig und wagt ſich auch nicht einmal an
größere Säugethiere, ſondern jagt blos Haſen und kleine Nagethiere oder kleine Vögel. Vor dem
Menſchen und den Hunden flieht er ſtets; wird er aber geſtellt, ſo ſträubt er im Angriff, wie alle
Katzen, ſein Haar, droht und faucht, läßt ſich aber doch leicht beſiegen, ſogar mit einen Stock
erſchlagen. Wegen dieſer Ungefährlichkeit und Häufigkeit wird er ſehr lebhaft gejagt. Audubon,
welcher das Thier ausführlicher beſchreibt, hält Richardſons Angabe theilweiſe für irrthümlich. Er
ſchildert auch dieſen Luchs als ein ſtarkes, wehrhaftes Thier, welches ſich ſeiner Haut zu wehren weiß.
Ein Gefangener des Hamburger Thiergartens beſtätigt ſeine Anſicht; mit ihm iſt durchaus nicht zu
ſcherzen. Ungeachtet aller Bemühungen von unſerer Seite hat er ſich noch nicht entſchließen können,
ein freundſchaftliches Verhältniß mit uns einzugehen. Er iſt ernſtruhig, aber unfreundlich, faſt
mürriſch. Seine Bewegungen ſind kräftig, jedoch leicht und gewandt. Bei Tage liegt er ſtundenlang
regungslos auf ſeinem Baumaſte, nachts wandert er gemachſam im Käfig auf und nieder. Niemals

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[300/0364] Die Raubthiere. Katzen. — Pardelluchs. Kanadiſcher Luchs. Karakal. Junge Luchſe werden ſo zahm, als überhaupt ein derartiges Raubthier werden kann. Man darf, ohne Gefahr ſie zu verlieren, ſie ſpäter frei in dem Hauſe laufen laſſen, doch wird, nach Tſchudi, ihre Neugier läſtig, da ſie jeden fremden Gegenſtand zu beriechen pflegen und ihn dabei natürlich nicht eben ſchonend behandeln. Die Katzen bleiben übrigens ebenſowenig im Hauſe neben den jungen Luchſen, als die Hunde neben einem jungen Wolfe. Man hat Beiſpiele, daß zahme Luchſe ſich mit allerlei Thieren ſehr befreundet und mit ihnen lange in Frieden gelebt haben. Wie ſchwer es aber iſt, einen jungen Luchs für die Gefangenſchaft zu erhalten, ſieht man am beſten in Thierſchaubuden und Thiergärten; hier wird man wohl niemals einen Löwen oder Leoparden vermiſſen, einen Luchs aber bekommt man nur äußerſt ſelten zu ſehen. Man ſagt, daß die zahmen Luchſe gewöhnlich an allzu großer Fettigkeit ſterben, und behauptet, daß die wilden nicht älter würden, als funfzehn Jahre. Jm Süden Europas wird der gemeine Luchs durch den Pardelluchs (Lynx pardinus) — Seite 299 — vertreten. Dieſer iſt viel kleiner, als ſein nordiſcher Verwandter; denn ſeine Körper- länge beträgt höchſtens 2½ Fuß und die ſeines Schwanzes fünf Zoll. Durch die Kürze ſeines Pelzes, den verhältnißmäßig ſehr großen Backenbart und die langen Ohrpinſel, ſowie die ganz verſchiedene, vielfältige Zeichnung unterſcheidet er ſich von jenem. Die Färbung des Pelzes iſt lebhaft glänzend- roth und der ganze Rumpf mit länglich ſchwarzen Flecken beſetzt, der Backenbart in der obern Hälfte fahl und ſchwarz, in der untern weiß, die Ohrpinſel und Ohren ſchwarz mit größeren Flecken. Auf dem Halſe finden ſich ſchwarze Längſtreifen; die Unterſeite iſt weiß, der Schwanz fahl gefleckt und mit ſchwarzem Ende. Soviel man weiß, bewohnt der Pardelluchs Sardinien, Sicilien, Griechenland, die Türkei, namentlich aber die pyrenäiſche Halbinſel. Hier iſt er unter dem Namen Lobo cerval allgemein be- kannt, und man erzählt viel von ſeiner Stärke, Grauſamkeit und Blutgier. Zumal in den aus- gedehnten Waldungen des ebenen Theils von Eſtramadura ſoll er recht häufig ſein. Jch ſelbſt habe ihn während meines Aufenthalts dort aber niemals zu ſehen bekommen. Jn Nordamerika erſetzt der Piſchu oder kanadiſche Luchs (Lynx canadensis) die genannten europäiſchen Arten. Er iſt etwas ſchwächer, als ſein europäiſcher Vetter; denn ſeine Körperlänge erreicht nur ſelten drei Fuß, während die ſeines Schwanzes blos einen halben Fuß beträgt. Der Pelz iſt kürzer und reicher, als der des europäiſchen Luchſes. Die Rückenhaare ſind dunkelbraun mit grau oder braun geringelter Spitze, die der Seiten an der Wurzel grau, in der Mitte röthlich- weiß gewellt. Die Unterſeite des Bauches und die Jnnenſeite der Beine ſind ſchmuzig weiß, die Ohren weiß geſäumt: der Backenbart iſt ſchwarz gefleckt, die Schnurren ſind ſchwarz und weiß; der Schwanz iſt röthlichweiß gewellt, mit ſchwarzer Spitze. Seine Heimat iſt ganz Nordamerika, nördlich von den großen Seen und öſtlich von den Felſengebirgen. Hier lebt er in waldigen Gegenden ganz nach Art unſers Luchſes; doch kommt er dieſem keineswegs an Stärke und Wildheit gleich. Nach der Schilderung von Richardſon iſt er erbärmlich feig und wagt ſich auch nicht einmal an größere Säugethiere, ſondern jagt blos Haſen und kleine Nagethiere oder kleine Vögel. Vor dem Menſchen und den Hunden flieht er ſtets; wird er aber geſtellt, ſo ſträubt er im Angriff, wie alle Katzen, ſein Haar, droht und faucht, läßt ſich aber doch leicht beſiegen, ſogar mit einen Stock erſchlagen. Wegen dieſer Ungefährlichkeit und Häufigkeit wird er ſehr lebhaft gejagt. Audubon, welcher das Thier ausführlicher beſchreibt, hält Richardſons Angabe theilweiſe für irrthümlich. Er ſchildert auch dieſen Luchs als ein ſtarkes, wehrhaftes Thier, welches ſich ſeiner Haut zu wehren weiß. Ein Gefangener des Hamburger Thiergartens beſtätigt ſeine Anſicht; mit ihm iſt durchaus nicht zu ſcherzen. Ungeachtet aller Bemühungen von unſerer Seite hat er ſich noch nicht entſchließen können, ein freundſchaftliches Verhältniß mit uns einzugehen. Er iſt ernſtruhig, aber unfreundlich, faſt mürriſch. Seine Bewegungen ſind kräftig, jedoch leicht und gewandt. Bei Tage liegt er ſtundenlang regungslos auf ſeinem Baumaſte, nachts wandert er gemachſam im Käfig auf und nieder. Niemals

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/364>, abgerufen am 24.11.2024.