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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde.
liegt auf der Hand. Daß auch die große Manchfaltigkeit der Hunde in Gestalt und Größe allein
dadurch eine Analogie erhielt z. B. in den manchfaltigen, zwitterhaften Pflanzen, sogar im Thierreich
unter den Hühnern, ist auch nicht ohne Gewicht. Ebenso ist die große Verwandtschaft der ver-
wilderten Hunde in Gestalt und Farbe mit dem Schakal und der Annäherung und Freundschaft beider
von großer Bedeutung. Auch die verwilderten Pferde nähern sich ursprünglich den wilden wieder.
Ziegen, die sich von Geschlecht zu Geschlecht den größten Theil des Jahres frei im Gebirge umher-
treiben, wie in Dalmatien und manchen Gegenden Jtaliens, gleichen sehr der wilden Bezoarziege;
bunte Kaninchen, die im Freien ausgesetzt werden, haben im Verlauf von einigen Jahren Junge,
die von wilden nicht zu unterscheiden und vollkommen wild sind."

"Daß im Ganzen der Schakal in dieser Angelegenheit am meisten betheiligt sein muß, scheint mir
aus der Bildung des Hundeschädels hervorzugehen, und es mag schließlich wohl nicht von blos zu-
fälliger Bedeutung fein, daß die alten Bildungsländer der Menschheit von Jndien bis zum Mittel-
ländischen Meer mit der Heimat des Schakals fast gänzlich übereinstimmen."

Ganz im entgegengesetzten Sinne läßt sich Giebel vernehmen:

"Jn der That", sagt dieser bekannte Forscher, "die Aehnlichkeit gewisser Hunderassen mit dem
Wolfe, anderer mit dem Fuchs, noch anderer mit dem Schakal, die vielfache Vermischung der ver-
schiedensten Körperformen mit einander, geben der Behauptung, daß der Hund ursprünglich ein Ba-
stard von Wolf, Fuchs oder Schakal sein möchte, für den ersten Augenblick viel Wahrscheinlichkeit.
Allein, um bei dieser schnell gewonnenen Annahme sich beruhigen zu können, muß man die Bastard-
natur genau erforschen. Von welchen Arten man auch Bastarde ziehen mochte, niemals vermehrten
sich dieselben mit so erstaunlicher Fruchtbarkeit, wie der Hund, niemals sah man ihre Nachkommen
körperlich und geistig so weit aus einander laufen, wie der Dachshund vom Windhund, der
Bullenbeißer vom Neufundländer sich entfernt; im Gegentheil, die Bastarde bewahren ent-
weder streng die Eigenthümlichkeiten beider Eltern, oder sie fallen ganz in das Geschlecht des Vaters
und der Mutter zurück. Die natürlichen Gesetze, welche die Bastardbildung beherrschen, waren nun
zu allen Zeiten und unabänderlich dieselben. Der heutige Bastard von Wolf und Schakal ist derselbe,
welcher er zu Adams Zeiten war. Gerade die verwilderten und wilden Hunde in Asien, Neuholland
und Südamerika, welche ihren wilden Eltern am ähnlichsten sein müßten, weichen entschieden ab,
und überdies sind die Beispiele von Bastarden wilder Hundearten so sehr selten, daß wir unmöglich
eine den ganzen Erdboden bevölkernde Nachkommenschaft aus ihnen herleiten können."

"Eine andere Ansicht läßt den Haushund in gerader Linie vom Wolf abstammen und erklärt alle
Unterschiede der Hunderassen, selbst die auffälligsten, kurzweg durch Züchtigung, den Einfluß der
Kultur, der Lebensweise, der Nahrung und des Klimas. Zähmen läßt sich der Wolf wohl und ge-
winnt dann auch Anhänglichkeit an seinen Herrn: aber durch welche Züchtigungsmittel wäre es
möglich, den Wolfskopf in einen Windhund- und Bullenbeißerkopf umzuwandeln, die Beine dachs-
artig zu krümmen und zu verkürzen, die Körpergröße auf liliputanische Verhältnisse herabzudrücken?
An der Vielgestaltigkeit der Hunderassen scheitert jeder Versuch, dieselben von einer einzigen Art oder
einer einzigen Urrasse abzuleiten, mag dieselbe nun ein Wolf oder ein echter Hund gewesen sein."

"Die Natur gründet die Eigenthümlichkeit der Sippen und Arten der Säugethiere, und also
auch die der Raubthiere, nicht auf die An- und Abwesenheit eines farbigen Streifen, nicht auf ver-
schiedene Farbentöne überhaupt, sondern auf wesentliche Eigenthümlichkeiten, welche entweder in der
gesammten innern und äußern Leibesbildung ausgesprochen, also durchgreifend sind, oder aber in er-
heblichen Formabänderungen der für das Wesen der Familie oder überhaupt nächst höheren Gruppen
wichtigsten Organe beruhen, also schlechthin auffällige sind. Wird es uns möglich sein, solche durch-
greifende Eigenthümlichkeiten an dem Haushunde nachzuweisen, oder nur im Gebiß und allen davon
unmittelbar abhängigen Organen, in den Sinneswerkzeugen oder in den Pfoten erhebliche Form-
verschiedenheiten aufzufinden, so sind sie artlich verschieden und die Eigenthümlichkeiten der Art sind
in der Natur begründete, nicht künstliche. Diesen Nachweis und zwar der durchgreifenden Eigen-

Die Raubthiere. Hunde.
liegt auf der Hand. Daß auch die große Manchfaltigkeit der Hunde in Geſtalt und Größe allein
dadurch eine Analogie erhielt z. B. in den manchfaltigen, zwitterhaften Pflanzen, ſogar im Thierreich
unter den Hühnern, iſt auch nicht ohne Gewicht. Ebenſo iſt die große Verwandtſchaft der ver-
wilderten Hunde in Geſtalt und Farbe mit dem Schakal und der Annäherung und Freundſchaft beider
von großer Bedeutung. Auch die verwilderten Pferde nähern ſich urſprünglich den wilden wieder.
Ziegen, die ſich von Geſchlecht zu Geſchlecht den größten Theil des Jahres frei im Gebirge umher-
treiben, wie in Dalmatien und manchen Gegenden Jtaliens, gleichen ſehr der wilden Bezoarziege;
bunte Kaninchen, die im Freien ausgeſetzt werden, haben im Verlauf von einigen Jahren Junge,
die von wilden nicht zu unterſcheiden und vollkommen wild ſind.‟

„Daß im Ganzen der Schakal in dieſer Angelegenheit am meiſten betheiligt ſein muß, ſcheint mir
aus der Bildung des Hundeſchädels hervorzugehen, und es mag ſchließlich wohl nicht von blos zu-
fälliger Bedeutung fein, daß die alten Bildungsländer der Menſchheit von Jndien bis zum Mittel-
ländiſchen Meer mit der Heimat des Schakals faſt gänzlich übereinſtimmen.‟

Ganz im entgegengeſetzten Sinne läßt ſich Giebel vernehmen:

„Jn der That‟, ſagt dieſer bekannte Forſcher, „die Aehnlichkeit gewiſſer Hunderaſſen mit dem
Wolfe, anderer mit dem Fuchs, noch anderer mit dem Schakal, die vielfache Vermiſchung der ver-
ſchiedenſten Körperformen mit einander, geben der Behauptung, daß der Hund urſprünglich ein Ba-
ſtard von Wolf, Fuchs oder Schakal ſein möchte, für den erſten Augenblick viel Wahrſcheinlichkeit.
Allein, um bei dieſer ſchnell gewonnenen Annahme ſich beruhigen zu können, muß man die Baſtard-
natur genau erforſchen. Von welchen Arten man auch Baſtarde ziehen mochte, niemals vermehrten
ſich dieſelben mit ſo erſtaunlicher Fruchtbarkeit, wie der Hund, niemals ſah man ihre Nachkommen
körperlich und geiſtig ſo weit aus einander laufen, wie der Dachshund vom Windhund, der
Bullenbeißer vom Neufundländer ſich entfernt; im Gegentheil, die Baſtarde bewahren ent-
weder ſtreng die Eigenthümlichkeiten beider Eltern, oder ſie fallen ganz in das Geſchlecht des Vaters
und der Mutter zurück. Die natürlichen Geſetze, welche die Baſtardbildung beherrſchen, waren nun
zu allen Zeiten und unabänderlich dieſelben. Der heutige Baſtard von Wolf und Schakal iſt derſelbe,
welcher er zu Adams Zeiten war. Gerade die verwilderten und wilden Hunde in Aſien, Neuholland
und Südamerika, welche ihren wilden Eltern am ähnlichſten ſein müßten, weichen entſchieden ab,
und überdies ſind die Beiſpiele von Baſtarden wilder Hundearten ſo ſehr ſelten, daß wir unmöglich
eine den ganzen Erdboden bevölkernde Nachkommenſchaft aus ihnen herleiten können.‟

„Eine andere Anſicht läßt den Haushund in gerader Linie vom Wolf abſtammen und erklärt alle
Unterſchiede der Hunderaſſen, ſelbſt die auffälligſten, kurzweg durch Züchtigung, den Einfluß der
Kultur, der Lebensweiſe, der Nahrung und des Klimas. Zähmen läßt ſich der Wolf wohl und ge-
winnt dann auch Anhänglichkeit an ſeinen Herrn: aber durch welche Züchtigungsmittel wäre es
möglich, den Wolfskopf in einen Windhund- und Bullenbeißerkopf umzuwandeln, die Beine dachs-
artig zu krümmen und zu verkürzen, die Körpergröße auf liliputaniſche Verhältniſſe herabzudrücken?
An der Vielgeſtaltigkeit der Hunderaſſen ſcheitert jeder Verſuch, dieſelben von einer einzigen Art oder
einer einzigen Urraſſe abzuleiten, mag dieſelbe nun ein Wolf oder ein echter Hund geweſen ſein.‟

„Die Natur gründet die Eigenthümlichkeit der Sippen und Arten der Säugethiere, und alſo
auch die der Raubthiere, nicht auf die An- und Abweſenheit eines farbigen Streifen, nicht auf ver-
ſchiedene Farbentöne überhaupt, ſondern auf weſentliche Eigenthümlichkeiten, welche entweder in der
geſammten innern und äußern Leibesbildung ausgeſprochen, alſo durchgreifend ſind, oder aber in er-
heblichen Formabänderungen der für das Weſen der Familie oder überhaupt nächſt höheren Gruppen
wichtigſten Organe beruhen, alſo ſchlechthin auffällige ſind. Wird es uns möglich ſein, ſolche durch-
greifende Eigenthümlichkeiten an dem Haushunde nachzuweiſen, oder nur im Gebiß und allen davon
unmittelbar abhängigen Organen, in den Sinneswerkzeugen oder in den Pfoten erhebliche Form-
verſchiedenheiten aufzufinden, ſo ſind ſie artlich verſchieden und die Eigenthümlichkeiten der Art ſind
in der Natur begründete, nicht künſtliche. Dieſen Nachweis und zwar der durchgreifenden Eigen-

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[316/0382] Die Raubthiere. Hunde. liegt auf der Hand. Daß auch die große Manchfaltigkeit der Hunde in Geſtalt und Größe allein dadurch eine Analogie erhielt z. B. in den manchfaltigen, zwitterhaften Pflanzen, ſogar im Thierreich unter den Hühnern, iſt auch nicht ohne Gewicht. Ebenſo iſt die große Verwandtſchaft der ver- wilderten Hunde in Geſtalt und Farbe mit dem Schakal und der Annäherung und Freundſchaft beider von großer Bedeutung. Auch die verwilderten Pferde nähern ſich urſprünglich den wilden wieder. Ziegen, die ſich von Geſchlecht zu Geſchlecht den größten Theil des Jahres frei im Gebirge umher- treiben, wie in Dalmatien und manchen Gegenden Jtaliens, gleichen ſehr der wilden Bezoarziege; bunte Kaninchen, die im Freien ausgeſetzt werden, haben im Verlauf von einigen Jahren Junge, die von wilden nicht zu unterſcheiden und vollkommen wild ſind.‟ „Daß im Ganzen der Schakal in dieſer Angelegenheit am meiſten betheiligt ſein muß, ſcheint mir aus der Bildung des Hundeſchädels hervorzugehen, und es mag ſchließlich wohl nicht von blos zu- fälliger Bedeutung fein, daß die alten Bildungsländer der Menſchheit von Jndien bis zum Mittel- ländiſchen Meer mit der Heimat des Schakals faſt gänzlich übereinſtimmen.‟ Ganz im entgegengeſetzten Sinne läßt ſich Giebel vernehmen: „Jn der That‟, ſagt dieſer bekannte Forſcher, „die Aehnlichkeit gewiſſer Hunderaſſen mit dem Wolfe, anderer mit dem Fuchs, noch anderer mit dem Schakal, die vielfache Vermiſchung der ver- ſchiedenſten Körperformen mit einander, geben der Behauptung, daß der Hund urſprünglich ein Ba- ſtard von Wolf, Fuchs oder Schakal ſein möchte, für den erſten Augenblick viel Wahrſcheinlichkeit. Allein, um bei dieſer ſchnell gewonnenen Annahme ſich beruhigen zu können, muß man die Baſtard- natur genau erforſchen. Von welchen Arten man auch Baſtarde ziehen mochte, niemals vermehrten ſich dieſelben mit ſo erſtaunlicher Fruchtbarkeit, wie der Hund, niemals ſah man ihre Nachkommen körperlich und geiſtig ſo weit aus einander laufen, wie der Dachshund vom Windhund, der Bullenbeißer vom Neufundländer ſich entfernt; im Gegentheil, die Baſtarde bewahren ent- weder ſtreng die Eigenthümlichkeiten beider Eltern, oder ſie fallen ganz in das Geſchlecht des Vaters und der Mutter zurück. Die natürlichen Geſetze, welche die Baſtardbildung beherrſchen, waren nun zu allen Zeiten und unabänderlich dieſelben. Der heutige Baſtard von Wolf und Schakal iſt derſelbe, welcher er zu Adams Zeiten war. Gerade die verwilderten und wilden Hunde in Aſien, Neuholland und Südamerika, welche ihren wilden Eltern am ähnlichſten ſein müßten, weichen entſchieden ab, und überdies ſind die Beiſpiele von Baſtarden wilder Hundearten ſo ſehr ſelten, daß wir unmöglich eine den ganzen Erdboden bevölkernde Nachkommenſchaft aus ihnen herleiten können.‟ „Eine andere Anſicht läßt den Haushund in gerader Linie vom Wolf abſtammen und erklärt alle Unterſchiede der Hunderaſſen, ſelbſt die auffälligſten, kurzweg durch Züchtigung, den Einfluß der Kultur, der Lebensweiſe, der Nahrung und des Klimas. Zähmen läßt ſich der Wolf wohl und ge- winnt dann auch Anhänglichkeit an ſeinen Herrn: aber durch welche Züchtigungsmittel wäre es möglich, den Wolfskopf in einen Windhund- und Bullenbeißerkopf umzuwandeln, die Beine dachs- artig zu krümmen und zu verkürzen, die Körpergröße auf liliputaniſche Verhältniſſe herabzudrücken? An der Vielgeſtaltigkeit der Hunderaſſen ſcheitert jeder Verſuch, dieſelben von einer einzigen Art oder einer einzigen Urraſſe abzuleiten, mag dieſelbe nun ein Wolf oder ein echter Hund geweſen ſein.‟ „Die Natur gründet die Eigenthümlichkeit der Sippen und Arten der Säugethiere, und alſo auch die der Raubthiere, nicht auf die An- und Abweſenheit eines farbigen Streifen, nicht auf ver- ſchiedene Farbentöne überhaupt, ſondern auf weſentliche Eigenthümlichkeiten, welche entweder in der geſammten innern und äußern Leibesbildung ausgeſprochen, alſo durchgreifend ſind, oder aber in er- heblichen Formabänderungen der für das Weſen der Familie oder überhaupt nächſt höheren Gruppen wichtigſten Organe beruhen, alſo ſchlechthin auffällige ſind. Wird es uns möglich ſein, ſolche durch- greifende Eigenthümlichkeiten an dem Haushunde nachzuweiſen, oder nur im Gebiß und allen davon unmittelbar abhängigen Organen, in den Sinneswerkzeugen oder in den Pfoten erhebliche Form- verſchiedenheiten aufzufinden, ſo ſind ſie artlich verſchieden und die Eigenthümlichkeiten der Art ſind in der Natur begründete, nicht künſtliche. Dieſen Nachweis und zwar der durchgreifenden Eigen-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/382>, abgerufen am 24.11.2024.