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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Verwilderte Hunde.
ziehen kann. Andersfarbige, namentlich schwarze und lichtgelbe kommen vor, sind aber immer
ziemlich selten.

Sie leben in vollkommenster Selbstständigkeit an den genannten Orten, bringen dort den größten
Theil des Tages schlafend zu und streifen bei Nacht umher. Jeder besitzt seine Löcher, und zwar sind
diese mit eigenthümlicher Vorsorge angelegt. Jedenfalls hat jeder einzelne Hund zwei Löcher, von
denen eins nach Morgen, das andere nach Abend liegt; streichen die Berge aber so, daß sie dem Nord-
wind auf beiden Seiten ausgesetzt sind, so graben sich die Thiere auch noch auf der andern Seite ein
besonderes Loch, welches sie jedoch blos dann bewohnen, wenn ihnen der kalte Wind in ihrem Morgen-
oder Abendloche lästig wird. Morgens findet man sie regelmäßig bis gegen 10 Uhr in dem nach
Osten hin gelegenen Loche; sie erwarten dort nach der Kühle des Morgens die ersten Strahlen der
Sonne, um sich wieder zu erwärmen. Nach und nach aber werden diese Strahlen ihnen zu heiß, und
deshalb suchen sie jetzt Schatten auf. Einer nach dem andern erhebt sich also, klettert über den Berg
weg und schleicht sich nach dem auf der Westseite gelegenen Loche, in welchem er seinen Schlaf fort-
setzt. Fallen nun die Sonnenstrahlen nachmittags auch in diese Höhlung, so geht der Hund wieder
zurück nach dem ersten Loche, und dort bleibt er bis zum Sonnenuntergang liegen.

Um diese Zeit wird es in den Bergen lebendig. Es bilden sich größere und kleinere Gruppen,
ja selbst Meuten. Man hört Gebell, Geheul, Gezänk, je nachdem die Thiere gestimmt sind. Ein
größeres Aas versammelt sie immer in zahlreicher Menge, und ein todter Esel oder ein verendetes
Maulthier wird von der hungrigen Meute in einer einzigen Nacht bis auf die größten Knochen ver-
zehrt. Sind sie sehr hungrig, so kommen sie auch bei Tage zum Aase, namentlich wenn dort ihre
unangenehmsten Gegner, die Geier, sich einfinden sollten, deren Beeinträchtigung in der Nahrung sie
fürchten. Sie sind im höchsten Grade brodneidisch und bestehen deshalb mit allen unberufenen Gästen
heftige Kämpfe. Die Geier aber lassen sich so leicht nicht vertreiben und leisten ihnen unter allen
Aasfressern den entschiedensten und muthigsten Widerstand, deshalb haben sie auch von ihnen das
Meiste zu leiden. Aas bleibt unter allen Umständen der Haupttheil ihrer Nahrung; doch sieht man sie
auch katzenartig vor den Löchern der Rennmäuse lauern und schakal- oder fuchsartig auch diesen
oder jenen Vogel beschleichen. Wenn ihre Aastafel einmal nicht gespickt ist, machen sie große Wande-
rungen und kommen dann auch in das Jnnere der Städte herein und streifen in den Straßen umher.
Dort sind sie, weil sie allen Unrath wegfressen, geduldete, wenn auch nicht gern gesehene Gäste, und
gegenwärtig kommt es wohl nur sehr selten vor, daß einzelne gläubige Mahammedaner sie, wie vor-
mals, in ihren Vermächtnissen bedenken und für ihre Erhaltung gewissermaßen Sorge tragen.

Die Paarungszeit fällt in dieselben Monate, wie bei den übrigen Hunden, einmal in das Früh-
jahr, das andere Mal in den Herbst. Die Hündin wölft in eines ihrer Löcher, gräbt es aber etwas
tiefer aus und bildet daraus einen förmlichen Bau, in welchem man das ganze Gewölfe nach einiger
Zeit lustig mit der Alten spielen sieht. Nicht selten kommt es vor, daß eine solche Hündin, wenn die
Wölfzeit kommt, sich in das Jnnere der Städte begiebt und sich dort, mitten in der Straße oder
wenigstens in einem nur einigermaßen geschützten Winkel derselben, eine Grube gräbt, in welcher sie
dann ihre Nachkommenschaft zur Welt bringt. Es scheint fast, als ob sie wisse, daß sie auf die Mild-
thätigkeit und Barmherzigkeit der mahammedanischen Bevölkerung zählen dürfe, und wirklich ist es
auch rührend, zu sehen, wie sich die gastfreien Leute einer solchen Hundewöchnerin annehmen. Jch
habe mehr als einmal beobachtet, daß vornehme Türken oder Araber, welche durch solche Straßen
ritten, in denen Hündinnen mit ihren Jungen lagen, sorgfältig mit ihrem Pferde auf die Seite
lenkten, damit dieses ja nicht die junge Brut beschädige. Wohl selten geht ein Egypter vorüber, ohne
der Hundemutter einen Bissen Brod, gekochte Bohnen, einen alten Knochen und dergleichen zuzuwerfen.
Die Mahammedauer halten es überhaupt für eine Sünde, ein Thier unnöthiger Weise zu tödten oder
zu beleidigen. Aber die Barmherzigkeit geht zuweilen auch zuweit. Man findet nämlich oft räudige
und kranke Hunde im größten Elend auf der Straße liegen, ohne daß eine mitleidige Hand sich fände,
ihrem traurigen Dasein ein Ende zu machen. So sah ich in einer Stadt Oberegyptens einen Hund

Die Raubthiere. Hunde. — Verwilderte Hunde.
ziehen kann. Andersfarbige, namentlich ſchwarze und lichtgelbe kommen vor, ſind aber immer
ziemlich ſelten.

Sie leben in vollkommenſter Selbſtſtändigkeit an den genannten Orten, bringen dort den größten
Theil des Tages ſchlafend zu und ſtreifen bei Nacht umher. Jeder beſitzt ſeine Löcher, und zwar ſind
dieſe mit eigenthümlicher Vorſorge angelegt. Jedenfalls hat jeder einzelne Hund zwei Löcher, von
denen eins nach Morgen, das andere nach Abend liegt; ſtreichen die Berge aber ſo, daß ſie dem Nord-
wind auf beiden Seiten ausgeſetzt ſind, ſo graben ſich die Thiere auch noch auf der andern Seite ein
beſonderes Loch, welches ſie jedoch blos dann bewohnen, wenn ihnen der kalte Wind in ihrem Morgen-
oder Abendloche läſtig wird. Morgens findet man ſie regelmäßig bis gegen 10 Uhr in dem nach
Oſten hin gelegenen Loche; ſie erwarten dort nach der Kühle des Morgens die erſten Strahlen der
Sonne, um ſich wieder zu erwärmen. Nach und nach aber werden dieſe Strahlen ihnen zu heiß, und
deshalb ſuchen ſie jetzt Schatten auf. Einer nach dem andern erhebt ſich alſo, klettert über den Berg
weg und ſchleicht ſich nach dem auf der Weſtſeite gelegenen Loche, in welchem er ſeinen Schlaf fort-
ſetzt. Fallen nun die Sonnenſtrahlen nachmittags auch in dieſe Höhlung, ſo geht der Hund wieder
zurück nach dem erſten Loche, und dort bleibt er bis zum Sonnenuntergang liegen.

Um dieſe Zeit wird es in den Bergen lebendig. Es bilden ſich größere und kleinere Gruppen,
ja ſelbſt Meuten. Man hört Gebell, Geheul, Gezänk, je nachdem die Thiere geſtimmt ſind. Ein
größeres Aas verſammelt ſie immer in zahlreicher Menge, und ein todter Eſel oder ein verendetes
Maulthier wird von der hungrigen Meute in einer einzigen Nacht bis auf die größten Knochen ver-
zehrt. Sind ſie ſehr hungrig, ſo kommen ſie auch bei Tage zum Aaſe, namentlich wenn dort ihre
unangenehmſten Gegner, die Geier, ſich einfinden ſollten, deren Beeinträchtigung in der Nahrung ſie
fürchten. Sie ſind im höchſten Grade brodneidiſch und beſtehen deshalb mit allen unberufenen Gäſten
heftige Kämpfe. Die Geier aber laſſen ſich ſo leicht nicht vertreiben und leiſten ihnen unter allen
Aasfreſſern den entſchiedenſten und muthigſten Widerſtand, deshalb haben ſie auch von ihnen das
Meiſte zu leiden. Aas bleibt unter allen Umſtänden der Haupttheil ihrer Nahrung; doch ſieht man ſie
auch katzenartig vor den Löchern der Rennmäuſe lauern und ſchakal- oder fuchsartig auch dieſen
oder jenen Vogel beſchleichen. Wenn ihre Aastafel einmal nicht geſpickt iſt, machen ſie große Wande-
rungen und kommen dann auch in das Jnnere der Städte herein und ſtreifen in den Straßen umher.
Dort ſind ſie, weil ſie allen Unrath wegfreſſen, geduldete, wenn auch nicht gern geſehene Gäſte, und
gegenwärtig kommt es wohl nur ſehr ſelten vor, daß einzelne gläubige Mahammedaner ſie, wie vor-
mals, in ihren Vermächtniſſen bedenken und für ihre Erhaltung gewiſſermaßen Sorge tragen.

Die Paarungszeit fällt in dieſelben Monate, wie bei den übrigen Hunden, einmal in das Früh-
jahr, das andere Mal in den Herbſt. Die Hündin wölft in eines ihrer Löcher, gräbt es aber etwas
tiefer aus und bildet daraus einen förmlichen Bau, in welchem man das ganze Gewölfe nach einiger
Zeit luſtig mit der Alten ſpielen ſieht. Nicht ſelten kommt es vor, daß eine ſolche Hündin, wenn die
Wölfzeit kommt, ſich in das Jnnere der Städte begiebt und ſich dort, mitten in der Straße oder
wenigſtens in einem nur einigermaßen geſchützten Winkel derſelben, eine Grube gräbt, in welcher ſie
dann ihre Nachkommenſchaft zur Welt bringt. Es ſcheint faſt, als ob ſie wiſſe, daß ſie auf die Mild-
thätigkeit und Barmherzigkeit der mahammedaniſchen Bevölkerung zählen dürfe, und wirklich iſt es
auch rührend, zu ſehen, wie ſich die gaſtfreien Leute einer ſolchen Hundewöchnerin annehmen. Jch
habe mehr als einmal beobachtet, daß vornehme Türken oder Araber, welche durch ſolche Straßen
ritten, in denen Hündinnen mit ihren Jungen lagen, ſorgfältig mit ihrem Pferde auf die Seite
lenkten, damit dieſes ja nicht die junge Brut beſchädige. Wohl ſelten geht ein Egypter vorüber, ohne
der Hundemutter einen Biſſen Brod, gekochte Bohnen, einen alten Knochen und dergleichen zuzuwerfen.
Die Mahammedauer halten es überhaupt für eine Sünde, ein Thier unnöthiger Weiſe zu tödten oder
zu beleidigen. Aber die Barmherzigkeit geht zuweilen auch zuweit. Man findet nämlich oft räudige
und kranke Hunde im größten Elend auf der Straße liegen, ohne daß eine mitleidige Hand ſich fände,
ihrem traurigen Daſein ein Ende zu machen. So ſah ich in einer Stadt Oberegyptens einen Hund

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[328/0394] Die Raubthiere. Hunde. — Verwilderte Hunde. ziehen kann. Andersfarbige, namentlich ſchwarze und lichtgelbe kommen vor, ſind aber immer ziemlich ſelten. Sie leben in vollkommenſter Selbſtſtändigkeit an den genannten Orten, bringen dort den größten Theil des Tages ſchlafend zu und ſtreifen bei Nacht umher. Jeder beſitzt ſeine Löcher, und zwar ſind dieſe mit eigenthümlicher Vorſorge angelegt. Jedenfalls hat jeder einzelne Hund zwei Löcher, von denen eins nach Morgen, das andere nach Abend liegt; ſtreichen die Berge aber ſo, daß ſie dem Nord- wind auf beiden Seiten ausgeſetzt ſind, ſo graben ſich die Thiere auch noch auf der andern Seite ein beſonderes Loch, welches ſie jedoch blos dann bewohnen, wenn ihnen der kalte Wind in ihrem Morgen- oder Abendloche läſtig wird. Morgens findet man ſie regelmäßig bis gegen 10 Uhr in dem nach Oſten hin gelegenen Loche; ſie erwarten dort nach der Kühle des Morgens die erſten Strahlen der Sonne, um ſich wieder zu erwärmen. Nach und nach aber werden dieſe Strahlen ihnen zu heiß, und deshalb ſuchen ſie jetzt Schatten auf. Einer nach dem andern erhebt ſich alſo, klettert über den Berg weg und ſchleicht ſich nach dem auf der Weſtſeite gelegenen Loche, in welchem er ſeinen Schlaf fort- ſetzt. Fallen nun die Sonnenſtrahlen nachmittags auch in dieſe Höhlung, ſo geht der Hund wieder zurück nach dem erſten Loche, und dort bleibt er bis zum Sonnenuntergang liegen. Um dieſe Zeit wird es in den Bergen lebendig. Es bilden ſich größere und kleinere Gruppen, ja ſelbſt Meuten. Man hört Gebell, Geheul, Gezänk, je nachdem die Thiere geſtimmt ſind. Ein größeres Aas verſammelt ſie immer in zahlreicher Menge, und ein todter Eſel oder ein verendetes Maulthier wird von der hungrigen Meute in einer einzigen Nacht bis auf die größten Knochen ver- zehrt. Sind ſie ſehr hungrig, ſo kommen ſie auch bei Tage zum Aaſe, namentlich wenn dort ihre unangenehmſten Gegner, die Geier, ſich einfinden ſollten, deren Beeinträchtigung in der Nahrung ſie fürchten. Sie ſind im höchſten Grade brodneidiſch und beſtehen deshalb mit allen unberufenen Gäſten heftige Kämpfe. Die Geier aber laſſen ſich ſo leicht nicht vertreiben und leiſten ihnen unter allen Aasfreſſern den entſchiedenſten und muthigſten Widerſtand, deshalb haben ſie auch von ihnen das Meiſte zu leiden. Aas bleibt unter allen Umſtänden der Haupttheil ihrer Nahrung; doch ſieht man ſie auch katzenartig vor den Löchern der Rennmäuſe lauern und ſchakal- oder fuchsartig auch dieſen oder jenen Vogel beſchleichen. Wenn ihre Aastafel einmal nicht geſpickt iſt, machen ſie große Wande- rungen und kommen dann auch in das Jnnere der Städte herein und ſtreifen in den Straßen umher. Dort ſind ſie, weil ſie allen Unrath wegfreſſen, geduldete, wenn auch nicht gern geſehene Gäſte, und gegenwärtig kommt es wohl nur ſehr ſelten vor, daß einzelne gläubige Mahammedaner ſie, wie vor- mals, in ihren Vermächtniſſen bedenken und für ihre Erhaltung gewiſſermaßen Sorge tragen. Die Paarungszeit fällt in dieſelben Monate, wie bei den übrigen Hunden, einmal in das Früh- jahr, das andere Mal in den Herbſt. Die Hündin wölft in eines ihrer Löcher, gräbt es aber etwas tiefer aus und bildet daraus einen förmlichen Bau, in welchem man das ganze Gewölfe nach einiger Zeit luſtig mit der Alten ſpielen ſieht. Nicht ſelten kommt es vor, daß eine ſolche Hündin, wenn die Wölfzeit kommt, ſich in das Jnnere der Städte begiebt und ſich dort, mitten in der Straße oder wenigſtens in einem nur einigermaßen geſchützten Winkel derſelben, eine Grube gräbt, in welcher ſie dann ihre Nachkommenſchaft zur Welt bringt. Es ſcheint faſt, als ob ſie wiſſe, daß ſie auf die Mild- thätigkeit und Barmherzigkeit der mahammedaniſchen Bevölkerung zählen dürfe, und wirklich iſt es auch rührend, zu ſehen, wie ſich die gaſtfreien Leute einer ſolchen Hundewöchnerin annehmen. Jch habe mehr als einmal beobachtet, daß vornehme Türken oder Araber, welche durch ſolche Straßen ritten, in denen Hündinnen mit ihren Jungen lagen, ſorgfältig mit ihrem Pferde auf die Seite lenkten, damit dieſes ja nicht die junge Brut beſchädige. Wohl ſelten geht ein Egypter vorüber, ohne der Hundemutter einen Biſſen Brod, gekochte Bohnen, einen alten Knochen und dergleichen zuzuwerfen. Die Mahammedauer halten es überhaupt für eine Sünde, ein Thier unnöthiger Weiſe zu tödten oder zu beleidigen. Aber die Barmherzigkeit geht zuweilen auch zuweit. Man findet nämlich oft räudige und kranke Hunde im größten Elend auf der Straße liegen, ohne daß eine mitleidige Hand ſich fände, ihrem traurigen Daſein ein Ende zu machen. So ſah ich in einer Stadt Oberegyptens einen Hund

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/394>, abgerufen am 23.11.2024.