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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Seine Geselligkeit. Paarung. Mutterpflicht.
ist deshalb unrichtig, wenn Scheitlin behauptet, daß nur unter den Menschen, "diesen Unnaturen,"
hier und da ein Weib viel Männer habe. Eine wahre Ehe findet bei den Hunden niemals statt; denn
sobald die Laufzeit vorüber ist, sind alle Hunde, wenn auch nicht gleichgiltig, so doch weit weniger für
den Gegenstand ihrer so heißen Liebe eingenommen.

Dreiundsechzig Tage nach der Paarung wölft die Hündin an einem dunkeln Orte drei bis zehn,
gewöhnlich vier bis sechs, in äußerst seltenen Fällen aber funfzehn, ja selbst zwanzig Junge, welche
schon mit den Vorderzähnen zur Welt kommen, jedoch zehn bis zwölf Tage blind bleiben. Die Mutter
liebt ihre Kinder über Alles, säugt, bewahrt, beleckt, erwärmt, vertheidigt sie und trägt sie nicht selten
von einem Ort zum andern, indem sie dieselben sanft mit ihren Zähnen an der schlaffen Haut des
Halses faßt. Jhre Liebe zu den Sprößlingen ist wahrhaft rührend; man kennt Geschichten, welche
nicht nur unsere vollste Hochachtung, sondern unsere Bewunderung erregen müssen. So erzählt
Bechstein eine Thatsache, welche fast unglaublich ist. "Ein Schäfer in Waltershausen kaufte
regelmäßig im Frühjahr auf dem Eisfelde Schafe ein, und seine Hündin mußte ihn natürlich auf
dem achtzehn Meilen weiten Geschäftswege begleiten. Einst kam dieselbe in der Fremde mit sieben
Jungen nieder, und der Schäfer war genöthigt, sie deshalb zurückzulassen. Aber siehe! anderthalb
Tage nach seiner Rückkehr zu Hause findet er die Hündin mit ihren sieben Jungen vor seiner Haus-
thüre. Sie hatte streckenweise ein Hündchen nach dem andern die weite Reise fortgeschleppt und so
den langen Weg vierzehnmal zurückgelegt und, trotz ihrer Entkräftung und Erschöpfung, das überaus
schwere Werk glücklich beendet."

Man sagt, daß die Hündin unter ihrem Gewölfe immer einige bevorzugte Lieblinge habe, und daß
man genau zu erkennen vermöge, welcher Hund eines Gewölfes der vorzüglichste sein werde, wenn man
der Hündin ihre sämmtlichen Jungen wegtrage und dann beobachte, welches von ihren Kindern sie
zuerst aufnehme und nach ihrem alten Lager zurückbringe. Dieser Erstling soll, wie man versichert,
immer der vorzüglichste Hund sein. Wahrscheinlich ist übrigens die Sache nicht, so begründet, als man
sie angenommen hat; denn die Hündin liebt alle ihre Kinder mit gleicher Zärtlichkeit.

Gewöhnlich läßt man einer Hündin nur zwei bis drei, höchstens vier Junge von ihrem Gewölfe,
um sie nicht zu sehr zu schwächen; denn die kleinen Burschen brauchen viel Nahrung, und die Alte ist
kaum im Stande, ihnen soviel Milch zu liefern, als sie bedürfen. Daß der Mensch, der Schutzherr
des Thieres, eine säugende Hündin besonders gut und kräftig füttern muß, braucht wohl nicht erwähnt
zu werden. Jeder Hundebesitzer hat soviel Liebe zu seinem treuen Hausgenossen, daß er der Hunde-
mutter schon im voraus in einer stillen Ecke, an einem lauen Ort, ein weiches Lager zurecht macht und
ihr dann in jeder Weise behilflich ist, ihre Kinder aufzuziehen. Solange die Hündin säugt, ist ihr Herz
einer besonders großen Liebe fähig, und deshalb duldet sie es auch, wenn man ihr fremde Hunde, ja
sogar andere Thiere, wie Katzen und Kaninchen, anlegt. Jch habe Letzteres oft bei Hunden versucht,
jedoch bemerkt, daß säugende Katzen noch viel freundlicher gegen Pflegekinder waren, als die Hunde-
mütter, welche bei aller Herzensgüte ein Zusammenrunzeln der Nasenhaut und ein leises Knurren selten
unterdrücken konnten.

Gewöhnlich läßt man die jungen Hunde sechs Wochen lang an der Alten saugen. Jst sie noch
kräftig und wohlbeleibt, so kann man auch noch ein paar Wochen zugeben; es schadet den Thieren nichts.
Wenn man die Jungen entwöhnen will, füttert man die Alte einige Zeit lang sehr mager, damit ihr
die Milch ausgeht, dann duldet sie schon selbst nicht, daß ihre Jungen noch länger an ihr saugen.
Nunmehr gewöhnt man diese an leichtes Futter und hält sie vor allen Dingen zur Reinlichkeit an.
Schon im dritten oder vierten Monate wechseln sie ihre ersten Zähne, im sechsten Monate bekümmern
sie sich nicht viel mehr um die Alte, und nach zehn, bisweilen schon nach neun Monaten sind sie selbst
zur Fortpflanzung geeignet. Will man sie erziehen oder, wie man gewöhnlich sagt, abrichten, so darf
man nicht früher beginnen, als bis sie ein Jahr alt geworden sind. Früher sind sie noch zu schwach
und zu klein, im hohen Alter aber begreifen sie schwer oder nicht. Was man Alles aus ihnen machen
kann, gehört nicht hierher oder würde uns wenigstens zu weit von unserer Aufgabe ablenken. Wer

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Seine Geſelligkeit. Paarung. Mutterpflicht.
iſt deshalb unrichtig, wenn Scheitlin behauptet, daß nur unter den Menſchen, „dieſen Unnaturen,‟
hier und da ein Weib viel Männer habe. Eine wahre Ehe findet bei den Hunden niemals ſtatt; denn
ſobald die Laufzeit vorüber iſt, ſind alle Hunde, wenn auch nicht gleichgiltig, ſo doch weit weniger für
den Gegenſtand ihrer ſo heißen Liebe eingenommen.

Dreiundſechzig Tage nach der Paarung wölft die Hündin an einem dunkeln Orte drei bis zehn,
gewöhnlich vier bis ſechs, in äußerſt ſeltenen Fällen aber funfzehn, ja ſelbſt zwanzig Junge, welche
ſchon mit den Vorderzähnen zur Welt kommen, jedoch zehn bis zwölf Tage blind bleiben. Die Mutter
liebt ihre Kinder über Alles, ſäugt, bewahrt, beleckt, erwärmt, vertheidigt ſie und trägt ſie nicht ſelten
von einem Ort zum andern, indem ſie dieſelben ſanft mit ihren Zähnen an der ſchlaffen Haut des
Halſes faßt. Jhre Liebe zu den Sprößlingen iſt wahrhaft rührend; man kennt Geſchichten, welche
nicht nur unſere vollſte Hochachtung, ſondern unſere Bewunderung erregen müſſen. So erzählt
Bechſtein eine Thatſache, welche faſt unglaublich iſt. „Ein Schäfer in Waltershauſen kaufte
regelmäßig im Frühjahr auf dem Eisfelde Schafe ein, und ſeine Hündin mußte ihn natürlich auf
dem achtzehn Meilen weiten Geſchäftswege begleiten. Einſt kam dieſelbe in der Fremde mit ſieben
Jungen nieder, und der Schäfer war genöthigt, ſie deshalb zurückzulaſſen. Aber ſiehe! anderthalb
Tage nach ſeiner Rückkehr zu Hauſe findet er die Hündin mit ihren ſieben Jungen vor ſeiner Haus-
thüre. Sie hatte ſtreckenweiſe ein Hündchen nach dem andern die weite Reiſe fortgeſchleppt und ſo
den langen Weg vierzehnmal zurückgelegt und, trotz ihrer Entkräftung und Erſchöpfung, das überaus
ſchwere Werk glücklich beendet.‟

Man ſagt, daß die Hündin unter ihrem Gewölfe immer einige bevorzugte Lieblinge habe, und daß
man genau zu erkennen vermöge, welcher Hund eines Gewölfes der vorzüglichſte ſein werde, wenn man
der Hündin ihre ſämmtlichen Jungen wegtrage und dann beobachte, welches von ihren Kindern ſie
zuerſt aufnehme und nach ihrem alten Lager zurückbringe. Dieſer Erſtling ſoll, wie man verſichert,
immer der vorzüglichſte Hund ſein. Wahrſcheinlich iſt übrigens die Sache nicht, ſo begründet, als man
ſie angenommen hat; denn die Hündin liebt alle ihre Kinder mit gleicher Zärtlichkeit.

Gewöhnlich läßt man einer Hündin nur zwei bis drei, höchſtens vier Junge von ihrem Gewölfe,
um ſie nicht zu ſehr zu ſchwächen; denn die kleinen Burſchen brauchen viel Nahrung, und die Alte iſt
kaum im Stande, ihnen ſoviel Milch zu liefern, als ſie bedürfen. Daß der Menſch, der Schutzherr
des Thieres, eine ſäugende Hündin beſonders gut und kräftig füttern muß, braucht wohl nicht erwähnt
zu werden. Jeder Hundebeſitzer hat ſoviel Liebe zu ſeinem treuen Hausgenoſſen, daß er der Hunde-
mutter ſchon im voraus in einer ſtillen Ecke, an einem lauen Ort, ein weiches Lager zurecht macht und
ihr dann in jeder Weiſe behilflich iſt, ihre Kinder aufzuziehen. Solange die Hündin ſäugt, iſt ihr Herz
einer beſonders großen Liebe fähig, und deshalb duldet ſie es auch, wenn man ihr fremde Hunde, ja
ſogar andere Thiere, wie Katzen und Kaninchen, anlegt. Jch habe Letzteres oft bei Hunden verſucht,
jedoch bemerkt, daß ſäugende Katzen noch viel freundlicher gegen Pflegekinder waren, als die Hunde-
mütter, welche bei aller Herzensgüte ein Zuſammenrunzeln der Naſenhaut und ein leiſes Knurren ſelten
unterdrücken konnten.

Gewöhnlich läßt man die jungen Hunde ſechs Wochen lang an der Alten ſaugen. Jſt ſie noch
kräftig und wohlbeleibt, ſo kann man auch noch ein paar Wochen zugeben; es ſchadet den Thieren nichts.
Wenn man die Jungen entwöhnen will, füttert man die Alte einige Zeit lang ſehr mager, damit ihr
die Milch ausgeht, dann duldet ſie ſchon ſelbſt nicht, daß ihre Jungen noch länger an ihr ſaugen.
Nunmehr gewöhnt man dieſe an leichtes Futter und hält ſie vor allen Dingen zur Reinlichkeit an.
Schon im dritten oder vierten Monate wechſeln ſie ihre erſten Zähne, im ſechſten Monate bekümmern
ſie ſich nicht viel mehr um die Alte, und nach zehn, bisweilen ſchon nach neun Monaten ſind ſie ſelbſt
zur Fortpflanzung geeignet. Will man ſie erziehen oder, wie man gewöhnlich ſagt, abrichten, ſo darf
man nicht früher beginnen, als bis ſie ein Jahr alt geworden ſind. Früher ſind ſie noch zu ſchwach
und zu klein, im hohen Alter aber begreifen ſie ſchwer oder nicht. Was man Alles aus ihnen machen
kann, gehört nicht hierher oder würde uns wenigſtens zu weit von unſerer Aufgabe ablenken. Wer

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[339/0405] Seine Geſelligkeit. Paarung. Mutterpflicht. iſt deshalb unrichtig, wenn Scheitlin behauptet, daß nur unter den Menſchen, „dieſen Unnaturen,‟ hier und da ein Weib viel Männer habe. Eine wahre Ehe findet bei den Hunden niemals ſtatt; denn ſobald die Laufzeit vorüber iſt, ſind alle Hunde, wenn auch nicht gleichgiltig, ſo doch weit weniger für den Gegenſtand ihrer ſo heißen Liebe eingenommen. Dreiundſechzig Tage nach der Paarung wölft die Hündin an einem dunkeln Orte drei bis zehn, gewöhnlich vier bis ſechs, in äußerſt ſeltenen Fällen aber funfzehn, ja ſelbſt zwanzig Junge, welche ſchon mit den Vorderzähnen zur Welt kommen, jedoch zehn bis zwölf Tage blind bleiben. Die Mutter liebt ihre Kinder über Alles, ſäugt, bewahrt, beleckt, erwärmt, vertheidigt ſie und trägt ſie nicht ſelten von einem Ort zum andern, indem ſie dieſelben ſanft mit ihren Zähnen an der ſchlaffen Haut des Halſes faßt. Jhre Liebe zu den Sprößlingen iſt wahrhaft rührend; man kennt Geſchichten, welche nicht nur unſere vollſte Hochachtung, ſondern unſere Bewunderung erregen müſſen. So erzählt Bechſtein eine Thatſache, welche faſt unglaublich iſt. „Ein Schäfer in Waltershauſen kaufte regelmäßig im Frühjahr auf dem Eisfelde Schafe ein, und ſeine Hündin mußte ihn natürlich auf dem achtzehn Meilen weiten Geſchäftswege begleiten. Einſt kam dieſelbe in der Fremde mit ſieben Jungen nieder, und der Schäfer war genöthigt, ſie deshalb zurückzulaſſen. Aber ſiehe! anderthalb Tage nach ſeiner Rückkehr zu Hauſe findet er die Hündin mit ihren ſieben Jungen vor ſeiner Haus- thüre. Sie hatte ſtreckenweiſe ein Hündchen nach dem andern die weite Reiſe fortgeſchleppt und ſo den langen Weg vierzehnmal zurückgelegt und, trotz ihrer Entkräftung und Erſchöpfung, das überaus ſchwere Werk glücklich beendet.‟ Man ſagt, daß die Hündin unter ihrem Gewölfe immer einige bevorzugte Lieblinge habe, und daß man genau zu erkennen vermöge, welcher Hund eines Gewölfes der vorzüglichſte ſein werde, wenn man der Hündin ihre ſämmtlichen Jungen wegtrage und dann beobachte, welches von ihren Kindern ſie zuerſt aufnehme und nach ihrem alten Lager zurückbringe. Dieſer Erſtling ſoll, wie man verſichert, immer der vorzüglichſte Hund ſein. Wahrſcheinlich iſt übrigens die Sache nicht, ſo begründet, als man ſie angenommen hat; denn die Hündin liebt alle ihre Kinder mit gleicher Zärtlichkeit. Gewöhnlich läßt man einer Hündin nur zwei bis drei, höchſtens vier Junge von ihrem Gewölfe, um ſie nicht zu ſehr zu ſchwächen; denn die kleinen Burſchen brauchen viel Nahrung, und die Alte iſt kaum im Stande, ihnen ſoviel Milch zu liefern, als ſie bedürfen. Daß der Menſch, der Schutzherr des Thieres, eine ſäugende Hündin beſonders gut und kräftig füttern muß, braucht wohl nicht erwähnt zu werden. Jeder Hundebeſitzer hat ſoviel Liebe zu ſeinem treuen Hausgenoſſen, daß er der Hunde- mutter ſchon im voraus in einer ſtillen Ecke, an einem lauen Ort, ein weiches Lager zurecht macht und ihr dann in jeder Weiſe behilflich iſt, ihre Kinder aufzuziehen. Solange die Hündin ſäugt, iſt ihr Herz einer beſonders großen Liebe fähig, und deshalb duldet ſie es auch, wenn man ihr fremde Hunde, ja ſogar andere Thiere, wie Katzen und Kaninchen, anlegt. Jch habe Letzteres oft bei Hunden verſucht, jedoch bemerkt, daß ſäugende Katzen noch viel freundlicher gegen Pflegekinder waren, als die Hunde- mütter, welche bei aller Herzensgüte ein Zuſammenrunzeln der Naſenhaut und ein leiſes Knurren ſelten unterdrücken konnten. Gewöhnlich läßt man die jungen Hunde ſechs Wochen lang an der Alten ſaugen. Jſt ſie noch kräftig und wohlbeleibt, ſo kann man auch noch ein paar Wochen zugeben; es ſchadet den Thieren nichts. Wenn man die Jungen entwöhnen will, füttert man die Alte einige Zeit lang ſehr mager, damit ihr die Milch ausgeht, dann duldet ſie ſchon ſelbſt nicht, daß ihre Jungen noch länger an ihr ſaugen. Nunmehr gewöhnt man dieſe an leichtes Futter und hält ſie vor allen Dingen zur Reinlichkeit an. Schon im dritten oder vierten Monate wechſeln ſie ihre erſten Zähne, im ſechſten Monate bekümmern ſie ſich nicht viel mehr um die Alte, und nach zehn, bisweilen ſchon nach neun Monaten ſind ſie ſelbſt zur Fortpflanzung geeignet. Will man ſie erziehen oder, wie man gewöhnlich ſagt, abrichten, ſo darf man nicht früher beginnen, als bis ſie ein Jahr alt geworden ſind. Früher ſind ſie noch zu ſchwach und zu klein, im hohen Alter aber begreifen ſie ſchwer oder nicht. Was man Alles aus ihnen machen kann, gehört nicht hierher oder würde uns wenigſtens zu weit von unſerer Aufgabe ablenken. Wer 22 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/405>, abgerufen am 22.11.2024.