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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Windhunde.

Ueber die Windhunde des westlichen Theiles der Wüste mag uns General Daumas belehren:

"Jn der Sahara, wie in allen übrigen Ländern der Araber, ist der Hund nicht mehr, als ein
vernachlässigter, beschwerlicher Diener, welchen man von sich stößt, wie groß auch die Nützlichkeit
seines Amtes sei, gleichviel ob er die Wohnung bewachen oder das Vieh hüten muß: -- nur der
Windhund allein genießt die Zuneigung, die Achtung, die Zärtlichkeit seines Herrn. Der Reiche so-
wohl, als der Arme, betrachten ihn als den unzertrennlichen Genossen aller ritterlichen Vergnügungen,
welche die Beduinen mit so großer Freude üben. Man hütet diesen Hund, wie seinen eigenen Aug-
apfel; man giebt ihm sein besonderes Futter, läßt ihn, so zu sagen, mit sich aus einer Schüssel speisen
und sieht mit großer Sorgfalt auf die Reinhaltung der Rassen. Ein Mann der Sahara durchreist
gern seine zwanzig, dreißig Meilen, um für eine edle Hündin einen edlen Hund zu finden!"

"Der Windhund der besten Art muß die flüchtige Gazelle in wenig Zeit erreichen. "Wenn
der "Slugui" eine Gazelle sieht, welche weidet, fängt er sie, ehe sie Zeit hatte, den Bissen im
Munde hinab zu schlingen," -- sagen die Araber, um die Schnelligkeit und Güte ihrer Hunde
zu versinnlichen."

"Geschieht es, daß eine Windhündin sich mit einem andern Hunde einläßt und trächtig wird, so
tödten die Araber ihr die Jungen im Leibe, sobald sie sich einigermaßen entwickelt haben. Und nicht
allein ihre Kinder verliert solch eine ungerathene Hündin, sondern unter Umständen auch das eigne
Leben. Jhr Besitzer läßt sie ohne Gnade umbringen: "Wie," ruft er aus, "du, eine Hündin von
Erziehung, eine Hündin von edler Geburt, wirfst dich weg und läßt dich mit dem Pöbel ein? Es ist
eine Gemeinheit ohne Gleichen; stirb mit deinem Verbrechen!"

"Wenn eine Windhündin Junge geworfen hat, verlieren die Araber keinen Augenblick, um diese
Jungen gehörig zu beobachten und sie zu liebkosen. Nicht selten kommen die Frauen herbei und lassen
sie an ihren eignen Brüsten trinken. Je größern Ruf die Hündin hat, um so mehr Besuche empfängt
sie während ihres Wochenbettes, und Alle bringen ihr Geschenke, die Einen Milch, die Andern Kuskusu,
und kein Versprechen, keine Schmeichelei giebt es, welche nicht angewandt würde, um ein junges, edles
Hündchen zu erlangen. "Jch bin dein Freund, mein Bruder, thue mir den Gefallen und gieb mir das,
worum ich dich bitte; ich will dich gern begleiten, wenn du zur Jagd hinausgehst; ich will dir dienen
und dir andere Freundlichkeiten erzeigen." Auf alle diese Bitten antwortet der Herr der Hündin,
dem solche Bitten gespendet werden, gewöhnlich, daß er noch nicht Gelegenheit gehabt habe, für sich
selbst den ihm anstehenden Hund des Gewölfes auszusuchen, und unter sieben Tagen gar Nichts sagen
könne. Solche Zurückhaltung hat ihren Grund in einer Beobachtung, welche die Araber gemacht
haben wollen. Jn dem Gewölfe der Windhündin giebt es immer ein Hündchen, welches auf allen
übrigen liegt, sei es zufällig oder in Folge seiner eigenen Anstrengungen. Um sich nun vollends
von der Güte dieses Thieres zu versichern, nimmt man es von seinem Platze weg und beobachtet, ob
es sich in den ersten sieben Tagen wiederholt denselben erobert. Geschieht Dies, so hat der Besitzer
die größten Hoffnungen, einen vorzüglichen Hund in ihm zu erhalten, und es würde vergeblich sein,
ihm den besten Negersklaven als Tauschmittel zu bieten: er verkauft den Hund sicherlich nicht. Eine
andere Ansicht läßt diejenigen Hunde als die besten erscheinen, welche zuerst, zu dritt und zu fünft ge-
boren werden."

"Mit dem vierzigsten Tage werden die jungen Windhunde entwöhnt; demungeachtet erhalten sie
aber noch Ziegen- oder Kamelmilch, soviel sie mögen, und dazu Datteln und Kuskusu. Nicht selten
sieht man Araber, welche für die jungen, der Mutter entwöhnten Hunde milchreiche Ziegen festhalten,
damit die hochgeachteten Thiere an denselben saugen können."

"Jst der Windhund drei oder vier Monate alt geworden, so beginnt man, sich mit seiner Er-
ziehung zu beschäftigen. Die Knaben lassen vor ihm Spring- und Renumäuse laufen und hetzen
den jungen Fänger auf dieses Wild. Es dauert nicht lange, so zeigt das edle Thier bereits große
Lust an dieser Jagd, und nach wenigen Wochen ist es schon soweit gekommen, daß es auch auf andere,
größere Nager verwendet werden kann. Jm Alter von fünf und sechs Monaten beginnt man bereits

Die Raubthiere. Hunde. — Windhunde.

Ueber die Windhunde des weſtlichen Theiles der Wüſte mag uns General Daumas belehren:

„Jn der Sahara, wie in allen übrigen Ländern der Araber, iſt der Hund nicht mehr, als ein
vernachläſſigter, beſchwerlicher Diener, welchen man von ſich ſtößt, wie groß auch die Nützlichkeit
ſeines Amtes ſei, gleichviel ob er die Wohnung bewachen oder das Vieh hüten muß: — nur der
Windhund allein genießt die Zuneigung, die Achtung, die Zärtlichkeit ſeines Herrn. Der Reiche ſo-
wohl, als der Arme, betrachten ihn als den unzertrennlichen Genoſſen aller ritterlichen Vergnügungen,
welche die Beduinen mit ſo großer Freude üben. Man hütet dieſen Hund, wie ſeinen eigenen Aug-
apfel; man giebt ihm ſein beſonderes Futter, läßt ihn, ſo zu ſagen, mit ſich aus einer Schüſſel ſpeiſen
und ſieht mit großer Sorgfalt auf die Reinhaltung der Raſſen. Ein Mann der Sahara durchreiſt
gern ſeine zwanzig, dreißig Meilen, um für eine edle Hündin einen edlen Hund zu finden!‟

„Der Windhund der beſten Art muß die flüchtige Gazelle in wenig Zeit erreichen. „Wenn
der „Slugui‟ eine Gazelle ſieht, welche weidet, fängt er ſie, ehe ſie Zeit hatte, den Biſſen im
Munde hinab zu ſchlingen,‟ — ſagen die Araber, um die Schnelligkeit und Güte ihrer Hunde
zu verſinnlichen.‟

„Geſchieht es, daß eine Windhündin ſich mit einem andern Hunde einläßt und trächtig wird, ſo
tödten die Araber ihr die Jungen im Leibe, ſobald ſie ſich einigermaßen entwickelt haben. Und nicht
allein ihre Kinder verliert ſolch eine ungerathene Hündin, ſondern unter Umſtänden auch das eigne
Leben. Jhr Beſitzer läßt ſie ohne Gnade umbringen: „Wie,‟ ruft er aus, „du, eine Hündin von
Erziehung, eine Hündin von edler Geburt, wirfſt dich weg und läßt dich mit dem Pöbel ein? Es iſt
eine Gemeinheit ohne Gleichen; ſtirb mit deinem Verbrechen!‟

„Wenn eine Windhündin Junge geworfen hat, verlieren die Araber keinen Augenblick, um dieſe
Jungen gehörig zu beobachten und ſie zu liebkoſen. Nicht ſelten kommen die Frauen herbei und laſſen
ſie an ihren eignen Brüſten trinken. Je größern Ruf die Hündin hat, um ſo mehr Beſuche empfängt
ſie während ihres Wochenbettes, und Alle bringen ihr Geſchenke, die Einen Milch, die Andern Kuskuſu,
und kein Verſprechen, keine Schmeichelei giebt es, welche nicht angewandt würde, um ein junges, edles
Hündchen zu erlangen. „Jch bin dein Freund, mein Bruder, thue mir den Gefallen und gieb mir das,
worum ich dich bitte; ich will dich gern begleiten, wenn du zur Jagd hinausgehſt; ich will dir dienen
und dir andere Freundlichkeiten erzeigen.‟ Auf alle dieſe Bitten antwortet der Herr der Hündin,
dem ſolche Bitten geſpendet werden, gewöhnlich, daß er noch nicht Gelegenheit gehabt habe, für ſich
ſelbſt den ihm anſtehenden Hund des Gewölfes auszuſuchen, und unter ſieben Tagen gar Nichts ſagen
könne. Solche Zurückhaltung hat ihren Grund in einer Beobachtung, welche die Araber gemacht
haben wollen. Jn dem Gewölfe der Windhündin giebt es immer ein Hündchen, welches auf allen
übrigen liegt, ſei es zufällig oder in Folge ſeiner eigenen Anſtrengungen. Um ſich nun vollends
von der Güte dieſes Thieres zu verſichern, nimmt man es von ſeinem Platze weg und beobachtet, ob
es ſich in den erſten ſieben Tagen wiederholt denſelben erobert. Geſchieht Dies, ſo hat der Beſitzer
die größten Hoffnungen, einen vorzüglichen Hund in ihm zu erhalten, und es würde vergeblich ſein,
ihm den beſten Negerſklaven als Tauſchmittel zu bieten: er verkauft den Hund ſicherlich nicht. Eine
andere Anſicht läßt diejenigen Hunde als die beſten erſcheinen, welche zuerſt, zu dritt und zu fünft ge-
boren werden.‟

„Mit dem vierzigſten Tage werden die jungen Windhunde entwöhnt; demungeachtet erhalten ſie
aber noch Ziegen- oder Kamelmilch, ſoviel ſie mögen, und dazu Datteln und Kuskuſu. Nicht ſelten
ſieht man Araber, welche für die jungen, der Mutter entwöhnten Hunde milchreiche Ziegen feſthalten,
damit die hochgeachteten Thiere an denſelben ſaugen können.‟

„Jſt der Windhund drei oder vier Monate alt geworden, ſo beginnt man, ſich mit ſeiner Er-
ziehung zu beſchäftigen. Die Knaben laſſen vor ihm Spring- und Renumäuſe laufen und hetzen
den jungen Fänger auf dieſes Wild. Es dauert nicht lange, ſo zeigt das edle Thier bereits große
Luſt an dieſer Jagd, und nach wenigen Wochen iſt es ſchon ſoweit gekommen, daß es auch auf andere,
größere Nager verwendet werden kann. Jm Alter von fünf und ſechs Monaten beginnt man bereits

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[350/0416] Die Raubthiere. Hunde. — Windhunde. Ueber die Windhunde des weſtlichen Theiles der Wüſte mag uns General Daumas belehren: „Jn der Sahara, wie in allen übrigen Ländern der Araber, iſt der Hund nicht mehr, als ein vernachläſſigter, beſchwerlicher Diener, welchen man von ſich ſtößt, wie groß auch die Nützlichkeit ſeines Amtes ſei, gleichviel ob er die Wohnung bewachen oder das Vieh hüten muß: — nur der Windhund allein genießt die Zuneigung, die Achtung, die Zärtlichkeit ſeines Herrn. Der Reiche ſo- wohl, als der Arme, betrachten ihn als den unzertrennlichen Genoſſen aller ritterlichen Vergnügungen, welche die Beduinen mit ſo großer Freude üben. Man hütet dieſen Hund, wie ſeinen eigenen Aug- apfel; man giebt ihm ſein beſonderes Futter, läßt ihn, ſo zu ſagen, mit ſich aus einer Schüſſel ſpeiſen und ſieht mit großer Sorgfalt auf die Reinhaltung der Raſſen. Ein Mann der Sahara durchreiſt gern ſeine zwanzig, dreißig Meilen, um für eine edle Hündin einen edlen Hund zu finden!‟ „Der Windhund der beſten Art muß die flüchtige Gazelle in wenig Zeit erreichen. „Wenn der „Slugui‟ eine Gazelle ſieht, welche weidet, fängt er ſie, ehe ſie Zeit hatte, den Biſſen im Munde hinab zu ſchlingen,‟ — ſagen die Araber, um die Schnelligkeit und Güte ihrer Hunde zu verſinnlichen.‟ „Geſchieht es, daß eine Windhündin ſich mit einem andern Hunde einläßt und trächtig wird, ſo tödten die Araber ihr die Jungen im Leibe, ſobald ſie ſich einigermaßen entwickelt haben. Und nicht allein ihre Kinder verliert ſolch eine ungerathene Hündin, ſondern unter Umſtänden auch das eigne Leben. Jhr Beſitzer läßt ſie ohne Gnade umbringen: „Wie,‟ ruft er aus, „du, eine Hündin von Erziehung, eine Hündin von edler Geburt, wirfſt dich weg und läßt dich mit dem Pöbel ein? Es iſt eine Gemeinheit ohne Gleichen; ſtirb mit deinem Verbrechen!‟ „Wenn eine Windhündin Junge geworfen hat, verlieren die Araber keinen Augenblick, um dieſe Jungen gehörig zu beobachten und ſie zu liebkoſen. Nicht ſelten kommen die Frauen herbei und laſſen ſie an ihren eignen Brüſten trinken. Je größern Ruf die Hündin hat, um ſo mehr Beſuche empfängt ſie während ihres Wochenbettes, und Alle bringen ihr Geſchenke, die Einen Milch, die Andern Kuskuſu, und kein Verſprechen, keine Schmeichelei giebt es, welche nicht angewandt würde, um ein junges, edles Hündchen zu erlangen. „Jch bin dein Freund, mein Bruder, thue mir den Gefallen und gieb mir das, worum ich dich bitte; ich will dich gern begleiten, wenn du zur Jagd hinausgehſt; ich will dir dienen und dir andere Freundlichkeiten erzeigen.‟ Auf alle dieſe Bitten antwortet der Herr der Hündin, dem ſolche Bitten geſpendet werden, gewöhnlich, daß er noch nicht Gelegenheit gehabt habe, für ſich ſelbſt den ihm anſtehenden Hund des Gewölfes auszuſuchen, und unter ſieben Tagen gar Nichts ſagen könne. Solche Zurückhaltung hat ihren Grund in einer Beobachtung, welche die Araber gemacht haben wollen. Jn dem Gewölfe der Windhündin giebt es immer ein Hündchen, welches auf allen übrigen liegt, ſei es zufällig oder in Folge ſeiner eigenen Anſtrengungen. Um ſich nun vollends von der Güte dieſes Thieres zu verſichern, nimmt man es von ſeinem Platze weg und beobachtet, ob es ſich in den erſten ſieben Tagen wiederholt denſelben erobert. Geſchieht Dies, ſo hat der Beſitzer die größten Hoffnungen, einen vorzüglichen Hund in ihm zu erhalten, und es würde vergeblich ſein, ihm den beſten Negerſklaven als Tauſchmittel zu bieten: er verkauft den Hund ſicherlich nicht. Eine andere Anſicht läßt diejenigen Hunde als die beſten erſcheinen, welche zuerſt, zu dritt und zu fünft ge- boren werden.‟ „Mit dem vierzigſten Tage werden die jungen Windhunde entwöhnt; demungeachtet erhalten ſie aber noch Ziegen- oder Kamelmilch, ſoviel ſie mögen, und dazu Datteln und Kuskuſu. Nicht ſelten ſieht man Araber, welche für die jungen, der Mutter entwöhnten Hunde milchreiche Ziegen feſthalten, damit die hochgeachteten Thiere an denſelben ſaugen können.‟ „Jſt der Windhund drei oder vier Monate alt geworden, ſo beginnt man, ſich mit ſeiner Er- ziehung zu beſchäftigen. Die Knaben laſſen vor ihm Spring- und Renumäuſe laufen und hetzen den jungen Fänger auf dieſes Wild. Es dauert nicht lange, ſo zeigt das edle Thier bereits große Luſt an dieſer Jagd, und nach wenigen Wochen iſt es ſchon ſoweit gekommen, daß es auch auf andere, größere Nager verwendet werden kann. Jm Alter von fünf und ſechs Monaten beginnt man bereits

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/416>, abgerufen am 22.11.2024.