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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde -- Jagdhunde.
ganz unbefangen hin und her; sobald sie aber an einen Roggen- oder Weizenacker kamen, änderte
sich alsbald ihr ganzes Wesen und ihre Bewegungen; denn sie setzten jetzt nicht mehr hin und her, wie
sie es zuvor in der noch niedrigen Frucht gethan hatten, sondern es unterstand sich keiner mehr, einen
solchen Acker mit hohem Getreide zu betreten. Vielmehr suchten sie jetzt nur noch im langsamen Trabe,
und zwar immer nur in der äußersten Furche, auf der Seite, wo sie den besten Wind hatten, um das
Wild in die Nase zu bekommen. Als ich meine Verwunderung über diese Vorsicht äußerte und zu-
gleich den Wunsch aussprach, zu erfahren, auf welche Weise man sie dazu gebracht hatte, die Frucht-
stücke so genau zu unterscheiden, erwiederte man, das Dies sehr leicht und bald dadurch bewerkstelligt
worden wäre, indem man sie zwar sehr oft auf einen Spaziergang mitgenommen, ihnen aber nie ge-
stattet habe, einen Acker mit schon hohem Getreide zu betreten, sowohl um jeden Verdruß mit den
Feldbesitzern zu vermeiden, als auch, um die Hunde stets im Auge zu behalten."

"Jch besaß einst einen Hund, welcher fast menschliche Ueberlegung zeigte, und ich will nur einen
einzigen Fall davon hier mittheilen. Wenn ich in Dienstgeschäften aus dem Walde zurückkam, führte
mich mein Weg gewöhnlich an einem kleinen, sumpfigen Weiher vorüber, wo in der Streichzeit, d. i.
in den Frühlings- und Herbstmonaten, fast immer Heerschnepfen (Telmatias gallinago) zu liegen
pflegten. Dies wußte mein Hund sehr wohl. Er eilte darum schon in der Entfernung von mehreren
tausend Schritten vor mir voraus, suchte einen solchen Vogel auf und blieb vor demselben stehen,
drehte aber sogleich seinen Kopf nach mir, um sich zu überzeugen, ob ich rechts ab die Straße ver-
lassen und mich nach dem Weiher wenden oder meines Wegs gehen würde, da Letzteres jedesmal ge-
schah, wenn ich entweder keine Lust oder keine Zeit zum Schießen hatte. Solange nun dem Hunde
noch Hoffnung übrig blieb, daß diese von ihm angezeigte Schnepfe von mir werde aufgesucht werden,
blieb er fest und unbeweglich mit immer nach mir gerichteten Augen stehen. Sobald ich aber, ohne
mich zu nähern, vorüber gegangen war, stieß er sie heraus und verließ sogleich den Sumpf, ohne
weiter aufzusuchen. Dieses Verfahren hat er mehr als dreißig Mal wiederholt, und viele meiner
Bekannten waren Augenzeugen davon."

"Schon mehrmals ist mir auch der Fall vorgekommen, daß, während meine Hunde im vollen
Suchen begriffen oder doch überhaupt in lebhafter Bewegung waren, plötzlich innehaltend, sie sich flach
auf den Boden niederwarfen und in dieser Stellung liegen blieben. Wenn ich nun der Richtung
ihrer Blicke folgend nachforschte, was wohl die Ursache ihres Benehmens sein möge, so war es ge-
wöhnlich irgend ein Wild, gewöhnlich ein Hase, den ich oft noch in sehr großer Entfernung laufen
oder vielmehr auf uns zukommen sah; denn nur in dem einzigen Falle, wenn er in gerader Linie sich
uns näherte, nicht aber, wenn er seine Richtung seitwärts vorbei nahm, legten sich die Hunde nieder,
wie ein Raubthier, welches auf die Annäherung seines Opfers lauert, um dasselbe, wenn es nahe genug
herangekommen, sicherer zu erhaschen, zuvor aber sich vor dessen Augen soviel als möglich zu bergen sucht."

"Ein Hühnerhund, welcher einem meiner Freunde gehörte, bemerkte einst, während er von
weitem eine Jagd auf einer Jnsel von geringem Umfange mit ansah, daß einer von den hin- und her-
gesprengten Hasen sich über eine schmale Brücke, dem einzigen zu der Jnsel führenden Eingang, in
das Freie gerettet hatte. Als er nun abermals jenseits des Wassers einen Hasen erblickte, eilte er,
auf jede Art der Verfolgung verzichtend, in vollem Laufe nach der Brücke hin, legte sich dort flach
auf den Boden und erwartete in dieser Stellung den nächsten Flüchtling, um sich desselben so recht
auf dem kürzesten Wege zu bemächtigen. Um zum Schluß zu kommen, erwähne ich blos noch, daß
derselbe Hund, welcher die gesunden Hasen vor sich sieht, ohne sich zu rühren, die angeschossenen
halbe Stunden weit unermüdet verfolgt, sobald sein Herr es ihm befiehlt oder vielmehr es ihm er-
laubt; denn der innere Trieb fordert ihn dazu auf, jede Schweißfährte so weit als möglich zu ver-
folgen. Durch die Abrichtung hat er aber gelernt, das endlich gefangene oder aufgefundene Thier
ohne die geringste Verletzung herbeizubringen. Auch als aufgestellter Wächter entspricht er jeder Er-
wartung; denn halbe Tage lang bleibt er unbeweglich neben dem Gewehr oder der Jagdtasche seines
Herrn im Walde liegen. Kein Unbekannter darf es wagen, sich zu nahen oder sie zu nehmen."

Die Raubthiere. Hunde — Jagdhunde.
ganz unbefangen hin und her; ſobald ſie aber an einen Roggen- oder Weizenacker kamen, änderte
ſich alsbald ihr ganzes Weſen und ihre Bewegungen; denn ſie ſetzten jetzt nicht mehr hin und her, wie
ſie es zuvor in der noch niedrigen Frucht gethan hatten, ſondern es unterſtand ſich keiner mehr, einen
ſolchen Acker mit hohem Getreide zu betreten. Vielmehr ſuchten ſie jetzt nur noch im langſamen Trabe,
und zwar immer nur in der äußerſten Furche, auf der Seite, wo ſie den beſten Wind hatten, um das
Wild in die Naſe zu bekommen. Als ich meine Verwunderung über dieſe Vorſicht äußerte und zu-
gleich den Wunſch ausſprach, zu erfahren, auf welche Weiſe man ſie dazu gebracht hatte, die Frucht-
ſtücke ſo genau zu unterſcheiden, erwiederte man, das Dies ſehr leicht und bald dadurch bewerkſtelligt
worden wäre, indem man ſie zwar ſehr oft auf einen Spaziergang mitgenommen, ihnen aber nie ge-
ſtattet habe, einen Acker mit ſchon hohem Getreide zu betreten, ſowohl um jeden Verdruß mit den
Feldbeſitzern zu vermeiden, als auch, um die Hunde ſtets im Auge zu behalten.‟

„Jch beſaß einſt einen Hund, welcher faſt menſchliche Ueberlegung zeigte, und ich will nur einen
einzigen Fall davon hier mittheilen. Wenn ich in Dienſtgeſchäften aus dem Walde zurückkam, führte
mich mein Weg gewöhnlich an einem kleinen, ſumpfigen Weiher vorüber, wo in der Streichzeit, d. i.
in den Frühlings- und Herbſtmonaten, faſt immer Heerſchnepfen (Telmatias gallinago) zu liegen
pflegten. Dies wußte mein Hund ſehr wohl. Er eilte darum ſchon in der Entfernung von mehreren
tauſend Schritten vor mir voraus, ſuchte einen ſolchen Vogel auf und blieb vor demſelben ſtehen,
drehte aber ſogleich ſeinen Kopf nach mir, um ſich zu überzeugen, ob ich rechts ab die Straße ver-
laſſen und mich nach dem Weiher wenden oder meines Wegs gehen würde, da Letzteres jedesmal ge-
ſchah, wenn ich entweder keine Luſt oder keine Zeit zum Schießen hatte. Solange nun dem Hunde
noch Hoffnung übrig blieb, daß dieſe von ihm angezeigte Schnepfe von mir werde aufgeſucht werden,
blieb er feſt und unbeweglich mit immer nach mir gerichteten Augen ſtehen. Sobald ich aber, ohne
mich zu nähern, vorüber gegangen war, ſtieß er ſie heraus und verließ ſogleich den Sumpf, ohne
weiter aufzuſuchen. Dieſes Verfahren hat er mehr als dreißig Mal wiederholt, und viele meiner
Bekannten waren Augenzeugen davon.‟

„Schon mehrmals iſt mir auch der Fall vorgekommen, daß, während meine Hunde im vollen
Suchen begriffen oder doch überhaupt in lebhafter Bewegung waren, plötzlich innehaltend, ſie ſich flach
auf den Boden niederwarfen und in dieſer Stellung liegen blieben. Wenn ich nun der Richtung
ihrer Blicke folgend nachforſchte, was wohl die Urſache ihres Benehmens ſein möge, ſo war es ge-
wöhnlich irgend ein Wild, gewöhnlich ein Haſe, den ich oft noch in ſehr großer Entfernung laufen
oder vielmehr auf uns zukommen ſah; denn nur in dem einzigen Falle, wenn er in gerader Linie ſich
uns näherte, nicht aber, wenn er ſeine Richtung ſeitwärts vorbei nahm, legten ſich die Hunde nieder,
wie ein Raubthier, welches auf die Annäherung ſeines Opfers lauert, um daſſelbe, wenn es nahe genug
herangekommen, ſicherer zu erhaſchen, zuvor aber ſich vor deſſen Augen ſoviel als möglich zu bergen ſucht.‟

„Ein Hühnerhund, welcher einem meiner Freunde gehörte, bemerkte einſt, während er von
weitem eine Jagd auf einer Jnſel von geringem Umfange mit anſah, daß einer von den hin- und her-
geſprengten Haſen ſich über eine ſchmale Brücke, dem einzigen zu der Jnſel führenden Eingang, in
das Freie gerettet hatte. Als er nun abermals jenſeits des Waſſers einen Haſen erblickte, eilte er,
auf jede Art der Verfolgung verzichtend, in vollem Laufe nach der Brücke hin, legte ſich dort flach
auf den Boden und erwartete in dieſer Stellung den nächſten Flüchtling, um ſich deſſelben ſo recht
auf dem kürzeſten Wege zu bemächtigen. Um zum Schluß zu kommen, erwähne ich blos noch, daß
derſelbe Hund, welcher die geſunden Haſen vor ſich ſieht, ohne ſich zu rühren, die angeſchoſſenen
halbe Stunden weit unermüdet verfolgt, ſobald ſein Herr es ihm befiehlt oder vielmehr es ihm er-
laubt; denn der innere Trieb fordert ihn dazu auf, jede Schweißfährte ſo weit als möglich zu ver-
folgen. Durch die Abrichtung hat er aber gelernt, das endlich gefangene oder aufgefundene Thier
ohne die geringſte Verletzung herbeizubringen. Auch als aufgeſtellter Wächter entſpricht er jeder Er-
wartung; denn halbe Tage lang bleibt er unbeweglich neben dem Gewehr oder der Jagdtaſche ſeines
Herrn im Walde liegen. Kein Unbekannter darf es wagen, ſich zu nahen oder ſie zu nehmen.‟

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[372/0438] Die Raubthiere. Hunde — Jagdhunde. ganz unbefangen hin und her; ſobald ſie aber an einen Roggen- oder Weizenacker kamen, änderte ſich alsbald ihr ganzes Weſen und ihre Bewegungen; denn ſie ſetzten jetzt nicht mehr hin und her, wie ſie es zuvor in der noch niedrigen Frucht gethan hatten, ſondern es unterſtand ſich keiner mehr, einen ſolchen Acker mit hohem Getreide zu betreten. Vielmehr ſuchten ſie jetzt nur noch im langſamen Trabe, und zwar immer nur in der äußerſten Furche, auf der Seite, wo ſie den beſten Wind hatten, um das Wild in die Naſe zu bekommen. Als ich meine Verwunderung über dieſe Vorſicht äußerte und zu- gleich den Wunſch ausſprach, zu erfahren, auf welche Weiſe man ſie dazu gebracht hatte, die Frucht- ſtücke ſo genau zu unterſcheiden, erwiederte man, das Dies ſehr leicht und bald dadurch bewerkſtelligt worden wäre, indem man ſie zwar ſehr oft auf einen Spaziergang mitgenommen, ihnen aber nie ge- ſtattet habe, einen Acker mit ſchon hohem Getreide zu betreten, ſowohl um jeden Verdruß mit den Feldbeſitzern zu vermeiden, als auch, um die Hunde ſtets im Auge zu behalten.‟ „Jch beſaß einſt einen Hund, welcher faſt menſchliche Ueberlegung zeigte, und ich will nur einen einzigen Fall davon hier mittheilen. Wenn ich in Dienſtgeſchäften aus dem Walde zurückkam, führte mich mein Weg gewöhnlich an einem kleinen, ſumpfigen Weiher vorüber, wo in der Streichzeit, d. i. in den Frühlings- und Herbſtmonaten, faſt immer Heerſchnepfen (Telmatias gallinago) zu liegen pflegten. Dies wußte mein Hund ſehr wohl. Er eilte darum ſchon in der Entfernung von mehreren tauſend Schritten vor mir voraus, ſuchte einen ſolchen Vogel auf und blieb vor demſelben ſtehen, drehte aber ſogleich ſeinen Kopf nach mir, um ſich zu überzeugen, ob ich rechts ab die Straße ver- laſſen und mich nach dem Weiher wenden oder meines Wegs gehen würde, da Letzteres jedesmal ge- ſchah, wenn ich entweder keine Luſt oder keine Zeit zum Schießen hatte. Solange nun dem Hunde noch Hoffnung übrig blieb, daß dieſe von ihm angezeigte Schnepfe von mir werde aufgeſucht werden, blieb er feſt und unbeweglich mit immer nach mir gerichteten Augen ſtehen. Sobald ich aber, ohne mich zu nähern, vorüber gegangen war, ſtieß er ſie heraus und verließ ſogleich den Sumpf, ohne weiter aufzuſuchen. Dieſes Verfahren hat er mehr als dreißig Mal wiederholt, und viele meiner Bekannten waren Augenzeugen davon.‟ „Schon mehrmals iſt mir auch der Fall vorgekommen, daß, während meine Hunde im vollen Suchen begriffen oder doch überhaupt in lebhafter Bewegung waren, plötzlich innehaltend, ſie ſich flach auf den Boden niederwarfen und in dieſer Stellung liegen blieben. Wenn ich nun der Richtung ihrer Blicke folgend nachforſchte, was wohl die Urſache ihres Benehmens ſein möge, ſo war es ge- wöhnlich irgend ein Wild, gewöhnlich ein Haſe, den ich oft noch in ſehr großer Entfernung laufen oder vielmehr auf uns zukommen ſah; denn nur in dem einzigen Falle, wenn er in gerader Linie ſich uns näherte, nicht aber, wenn er ſeine Richtung ſeitwärts vorbei nahm, legten ſich die Hunde nieder, wie ein Raubthier, welches auf die Annäherung ſeines Opfers lauert, um daſſelbe, wenn es nahe genug herangekommen, ſicherer zu erhaſchen, zuvor aber ſich vor deſſen Augen ſoviel als möglich zu bergen ſucht.‟ „Ein Hühnerhund, welcher einem meiner Freunde gehörte, bemerkte einſt, während er von weitem eine Jagd auf einer Jnſel von geringem Umfange mit anſah, daß einer von den hin- und her- geſprengten Haſen ſich über eine ſchmale Brücke, dem einzigen zu der Jnſel führenden Eingang, in das Freie gerettet hatte. Als er nun abermals jenſeits des Waſſers einen Haſen erblickte, eilte er, auf jede Art der Verfolgung verzichtend, in vollem Laufe nach der Brücke hin, legte ſich dort flach auf den Boden und erwartete in dieſer Stellung den nächſten Flüchtling, um ſich deſſelben ſo recht auf dem kürzeſten Wege zu bemächtigen. Um zum Schluß zu kommen, erwähne ich blos noch, daß derſelbe Hund, welcher die geſunden Haſen vor ſich ſieht, ohne ſich zu rühren, die angeſchoſſenen halbe Stunden weit unermüdet verfolgt, ſobald ſein Herr es ihm befiehlt oder vielmehr es ihm er- laubt; denn der innere Trieb fordert ihn dazu auf, jede Schweißfährte ſo weit als möglich zu ver- folgen. Durch die Abrichtung hat er aber gelernt, das endlich gefangene oder aufgefundene Thier ohne die geringſte Verletzung herbeizubringen. Auch als aufgeſtellter Wächter entſpricht er jeder Er- wartung; denn halbe Tage lang bleibt er unbeweglich neben dem Gewehr oder der Jagdtaſche ſeines Herrn im Walde liegen. Kein Unbekannter darf es wagen, ſich zu nahen oder ſie zu nehmen.‟

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/438>, abgerufen am 22.11.2024.