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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Fenet.
auf ganz kahlen Stellen den Blicken in überraschender Weise. So sind sie alle wohlbefähigt, in ihrer
Heimat zu leben und glücklich zu sein. Auch unsere kleinen Räuber sind ganz vortrefflich ausgerüstet,
auf dem Gebiet als Jäger aufzutreten. Sie machen immer noch genug Beute, um sich ohne große
Sorge ernähren zu können.

Wenn die gluthstrahlende Sonne sich zur Erde neigt und alle Tagesgeschöpfe noch einmal neu-
lebendig geworden sind in der Kühle des Abends, da denkt eine mehr oder weniger düstere und dennoch
so schmucke Schar daran, ihr Tage- oder besser Nachtwerk zu beginnen. Von den greulichen Hiänen
und den heulenden Schakalen, welche um diese Zeit hungrig nach Nahrung umherstreifen, will ich
hier nicht reden, und der Karakal, der Wüstenluchs, ist uns bereits bekannt geworden. Es gilt jetzt,
noch einen dieser Räuber, und zwar den zierlichsten und schmucksten von allen, meinen Lesern vor-
zustellen. Das ist der Fenek oder Wüstenfuchs (Megalotis Zerda), ein Thier, welches noch besser,
als die Gazelle selbst, die Wüste kennzeichnet. Man denke sich ein Fuchsgesicht, zart und fein, listig,
pfiffig und schlau im Ausdruck, wie das unsers Reinecke. Aus diesem Fuchsgesicht treten aber ein
Paar ungewöhnlich große Augen hervor, und zu beiden Seiten dieses Gesichts strecken sich gewaltige
Lanscher, so großartige Ohren heraus, wie sie nicht nur in der ganzen Fuchssippe, sondern nicht ein-
mal in der Hundefamilie wiederzufinden sind. Auf ungemein zarten, zierlichen Füßchen ruht der
schlanke Leib, und eine dicke, lange und buschige Lunte endet ihn. Das ganze Thier zeigt augenblick-
lich an, daß es ebenso gewandt, als behend sein muß, und giebt schon äußerlich die vorzügliche Schärfe
seiner Sinne kund.

Mit der Dämmerung hört man zuweilen ein leises Kreischen, das nicht wohl beschrieben werden
kann, und sieht, wenn man glücklich ist, zwischen den Sandhügeln, zwischen dem Geklüft oder in den
Niederungen zwischen dem Grase unsern Fenek dahinschleichen, äußerst bedachtsam, äußerst vorsichtig,
lauernd, äugend, witternd, lauschend nach allen Seiten hin. Da ist Nichts, was der Aufmerksamkeit
dieses durchgebildeten Raubgesellen entginge. Die Heuschrecke dort, welche den letzten Abendsprung
macht, hat soviel Geräusch hervorgebracht, daß es die großen Lauscher des Fenek wohl vernommen
haben, und mehr neugierig, als eßlustig, schleicht die zierliche Gestalt herbei, um ihr den Garaus zu
machen. Oder die gewandte Eidechse hat sich geregt, und im Nu ist der Fenek bei der Hand, um zu
sehen, was es gebe. Doch seine Hauptnahrung besteht in anderen Thieren, namentlich in Vögeln.
Wehe der Wüstenlerche, welche zufällig nahe des Weges sitzt, den der Fenek wandelt! Sie ist ver-
loren, wenn sie nur einmal den Flügel regt; sie ist ein Kind des Todes, wenn sie, träumerisch an ihr
einfaches Lied gedenkend, einen einzigen Ton vernehmen läßt! Wehe auch dem Flughuhn, gerade
ihm strebt der Fuchs am eifrigsten nach! Er braucht nicht viel zu fangen: ein einziges giebt einen
leckern Braten, hinreichend für ihn und vielleicht auch für seine hungrige Sippschaft. Da muß man
ein Schleichen sehen, wenn in die feine Nase des feinen Stromers eine Witterung gekommen ist von
einer Flughuhnkette! Vielleicht hat blos eines oder das andere den Pfad gekreuzt, auf welchem der
Gaudieb dahinstrolcht, aber Das genügt. Sorgfältig wird die Fährte aufgenommen, mit tiefgesenkter
Nase geht es weiter, lautlos, unhörbar und unsichtbar. Der Fenek kennt die Flughühner wohl, und
sein Auge ist schärfer, als das der meisten Reisenden. Er läßt sich nicht täuschen von ähnlich gefärbten
Steinen oder Erdhaufen, denn auch seine Nase und sein herrliches Gehör sprechen ein Wörtchen mit
beim Aufspüren. So gering auch das Geräusch ist, welches ein Flughuhn hervorbringt, wenn es in
seinem Federwamse nestelt, so wenig sichtbar die Bewegung scheint, welche ein sorgenvolles Männchen
macht, auch im halben Schlafe noch, um zu sichern, und so unbedeutend, für uns unbegreiflich der
Geruch ist, welchen die Fährte eines Huhnes zurückließ: dem Fenek entgeht es nicht. Sieh da! er hat
die volle Ueberzeugung gewonnen: und jetzt schleicht er heran, fast auf dem Bauche kriechend, unwahr-
nehmbar für Auge, wie für Ohr. Dort, hinter dem letzten Busche macht er Halt. Wie glühen die Augen,
wie sind die Lauscher gebreitet und vorgespannt, wie gierig spürt er nach den sich sicher träumenden,
schlummermüden Vögeln hin. Die ganze Gestalt ist lebendig, und doch sieht man keine Bewegung. Die

Die Raubthiere. Hunde. — Fenet.
auf ganz kahlen Stellen den Blicken in überraſchender Weiſe. So ſind ſie alle wohlbefähigt, in ihrer
Heimat zu leben und glücklich zu ſein. Auch unſere kleinen Räuber ſind ganz vortrefflich ausgerüſtet,
auf dem Gebiet als Jäger aufzutreten. Sie machen immer noch genug Beute, um ſich ohne große
Sorge ernähren zu können.

Wenn die gluthſtrahlende Sonne ſich zur Erde neigt und alle Tagesgeſchöpfe noch einmal neu-
lebendig geworden ſind in der Kühle des Abends, da denkt eine mehr oder weniger düſtere und dennoch
ſo ſchmucke Schar daran, ihr Tage- oder beſſer Nachtwerk zu beginnen. Von den greulichen Hiänen
und den heulenden Schakalen, welche um dieſe Zeit hungrig nach Nahrung umherſtreifen, will ich
hier nicht reden, und der Karakal, der Wüſtenluchs, iſt uns bereits bekannt geworden. Es gilt jetzt,
noch einen dieſer Räuber, und zwar den zierlichſten und ſchmuckſten von allen, meinen Leſern vor-
zuſtellen. Das iſt der Fenek oder Wüſtenfuchs (Megalotis Zerda), ein Thier, welches noch beſſer,
als die Gazelle ſelbſt, die Wüſte kennzeichnet. Man denke ſich ein Fuchsgeſicht, zart und fein, liſtig,
pfiffig und ſchlau im Ausdruck, wie das unſers Reinecke. Aus dieſem Fuchsgeſicht treten aber ein
Paar ungewöhnlich große Augen hervor, und zu beiden Seiten dieſes Geſichts ſtrecken ſich gewaltige
Lanſcher, ſo großartige Ohren heraus, wie ſie nicht nur in der ganzen Fuchsſippe, ſondern nicht ein-
mal in der Hundefamilie wiederzufinden ſind. Auf ungemein zarten, zierlichen Füßchen ruht der
ſchlanke Leib, und eine dicke, lange und buſchige Lunte endet ihn. Das ganze Thier zeigt augenblick-
lich an, daß es ebenſo gewandt, als behend ſein muß, und giebt ſchon äußerlich die vorzügliche Schärfe
ſeiner Sinne kund.

Mit der Dämmerung hört man zuweilen ein leiſes Kreiſchen, das nicht wohl beſchrieben werden
kann, und ſieht, wenn man glücklich iſt, zwiſchen den Sandhügeln, zwiſchen dem Geklüft oder in den
Niederungen zwiſchen dem Graſe unſern Fenek dahinſchleichen, äußerſt bedachtſam, äußerſt vorſichtig,
lauernd, äugend, witternd, lauſchend nach allen Seiten hin. Da iſt Nichts, was der Aufmerkſamkeit
dieſes durchgebildeten Raubgeſellen entginge. Die Heuſchrecke dort, welche den letzten Abendſprung
macht, hat ſoviel Geräuſch hervorgebracht, daß es die großen Lauſcher des Fenek wohl vernommen
haben, und mehr neugierig, als eßluſtig, ſchleicht die zierliche Geſtalt herbei, um ihr den Garaus zu
machen. Oder die gewandte Eidechſe hat ſich geregt, und im Nu iſt der Fenek bei der Hand, um zu
ſehen, was es gebe. Doch ſeine Hauptnahrung beſteht in anderen Thieren, namentlich in Vögeln.
Wehe der Wüſtenlerche, welche zufällig nahe des Weges ſitzt, den der Fenek wandelt! Sie iſt ver-
loren, wenn ſie nur einmal den Flügel regt; ſie iſt ein Kind des Todes, wenn ſie, träumeriſch an ihr
einfaches Lied gedenkend, einen einzigen Ton vernehmen läßt! Wehe auch dem Flughuhn, gerade
ihm ſtrebt der Fuchs am eifrigſten nach! Er braucht nicht viel zu fangen: ein einziges giebt einen
leckern Braten, hinreichend für ihn und vielleicht auch für ſeine hungrige Sippſchaft. Da muß man
ein Schleichen ſehen, wenn in die feine Naſe des feinen Stromers eine Witterung gekommen iſt von
einer Flughuhnkette! Vielleicht hat blos eines oder das andere den Pfad gekreuzt, auf welchem der
Gaudieb dahinſtrolcht, aber Das genügt. Sorgfältig wird die Fährte aufgenommen, mit tiefgeſenkter
Naſe geht es weiter, lautlos, unhörbar und unſichtbar. Der Fenek kennt die Flughühner wohl, und
ſein Auge iſt ſchärfer, als das der meiſten Reiſenden. Er läßt ſich nicht täuſchen von ähnlich gefärbten
Steinen oder Erdhaufen, denn auch ſeine Naſe und ſein herrliches Gehör ſprechen ein Wörtchen mit
beim Aufſpüren. So gering auch das Geräuſch iſt, welches ein Flughuhn hervorbringt, wenn es in
ſeinem Federwamſe neſtelt, ſo wenig ſichtbar die Bewegung ſcheint, welche ein ſorgenvolles Männchen
macht, auch im halben Schlafe noch, um zu ſichern, und ſo unbedeutend, für uns unbegreiflich der
Geruch iſt, welchen die Fährte eines Huhnes zurückließ: dem Fenek entgeht es nicht. Sieh da! er hat
die volle Ueberzeugung gewonnen: und jetzt ſchleicht er heran, faſt auf dem Bauche kriechend, unwahr-
nehmbar für Auge, wie für Ohr. Dort, hinter dem letzten Buſche macht er Halt. Wie glühen die Augen,
wie ſind die Lauſcher gebreitet und vorgeſpannt, wie gierig ſpürt er nach den ſich ſicher träumenden,
ſchlummermüden Vögeln hin. Die ganze Geſtalt iſt lebendig, und doch ſieht man keine Bewegung. Die

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[442/0510] Die Raubthiere. Hunde. — Fenet. auf ganz kahlen Stellen den Blicken in überraſchender Weiſe. So ſind ſie alle wohlbefähigt, in ihrer Heimat zu leben und glücklich zu ſein. Auch unſere kleinen Räuber ſind ganz vortrefflich ausgerüſtet, auf dem Gebiet als Jäger aufzutreten. Sie machen immer noch genug Beute, um ſich ohne große Sorge ernähren zu können. Wenn die gluthſtrahlende Sonne ſich zur Erde neigt und alle Tagesgeſchöpfe noch einmal neu- lebendig geworden ſind in der Kühle des Abends, da denkt eine mehr oder weniger düſtere und dennoch ſo ſchmucke Schar daran, ihr Tage- oder beſſer Nachtwerk zu beginnen. Von den greulichen Hiänen und den heulenden Schakalen, welche um dieſe Zeit hungrig nach Nahrung umherſtreifen, will ich hier nicht reden, und der Karakal, der Wüſtenluchs, iſt uns bereits bekannt geworden. Es gilt jetzt, noch einen dieſer Räuber, und zwar den zierlichſten und ſchmuckſten von allen, meinen Leſern vor- zuſtellen. Das iſt der Fenek oder Wüſtenfuchs (Megalotis Zerda), ein Thier, welches noch beſſer, als die Gazelle ſelbſt, die Wüſte kennzeichnet. Man denke ſich ein Fuchsgeſicht, zart und fein, liſtig, pfiffig und ſchlau im Ausdruck, wie das unſers Reinecke. Aus dieſem Fuchsgeſicht treten aber ein Paar ungewöhnlich große Augen hervor, und zu beiden Seiten dieſes Geſichts ſtrecken ſich gewaltige Lanſcher, ſo großartige Ohren heraus, wie ſie nicht nur in der ganzen Fuchsſippe, ſondern nicht ein- mal in der Hundefamilie wiederzufinden ſind. Auf ungemein zarten, zierlichen Füßchen ruht der ſchlanke Leib, und eine dicke, lange und buſchige Lunte endet ihn. Das ganze Thier zeigt augenblick- lich an, daß es ebenſo gewandt, als behend ſein muß, und giebt ſchon äußerlich die vorzügliche Schärfe ſeiner Sinne kund. Mit der Dämmerung hört man zuweilen ein leiſes Kreiſchen, das nicht wohl beſchrieben werden kann, und ſieht, wenn man glücklich iſt, zwiſchen den Sandhügeln, zwiſchen dem Geklüft oder in den Niederungen zwiſchen dem Graſe unſern Fenek dahinſchleichen, äußerſt bedachtſam, äußerſt vorſichtig, lauernd, äugend, witternd, lauſchend nach allen Seiten hin. Da iſt Nichts, was der Aufmerkſamkeit dieſes durchgebildeten Raubgeſellen entginge. Die Heuſchrecke dort, welche den letzten Abendſprung macht, hat ſoviel Geräuſch hervorgebracht, daß es die großen Lauſcher des Fenek wohl vernommen haben, und mehr neugierig, als eßluſtig, ſchleicht die zierliche Geſtalt herbei, um ihr den Garaus zu machen. Oder die gewandte Eidechſe hat ſich geregt, und im Nu iſt der Fenek bei der Hand, um zu ſehen, was es gebe. Doch ſeine Hauptnahrung beſteht in anderen Thieren, namentlich in Vögeln. Wehe der Wüſtenlerche, welche zufällig nahe des Weges ſitzt, den der Fenek wandelt! Sie iſt ver- loren, wenn ſie nur einmal den Flügel regt; ſie iſt ein Kind des Todes, wenn ſie, träumeriſch an ihr einfaches Lied gedenkend, einen einzigen Ton vernehmen läßt! Wehe auch dem Flughuhn, gerade ihm ſtrebt der Fuchs am eifrigſten nach! Er braucht nicht viel zu fangen: ein einziges giebt einen leckern Braten, hinreichend für ihn und vielleicht auch für ſeine hungrige Sippſchaft. Da muß man ein Schleichen ſehen, wenn in die feine Naſe des feinen Stromers eine Witterung gekommen iſt von einer Flughuhnkette! Vielleicht hat blos eines oder das andere den Pfad gekreuzt, auf welchem der Gaudieb dahinſtrolcht, aber Das genügt. Sorgfältig wird die Fährte aufgenommen, mit tiefgeſenkter Naſe geht es weiter, lautlos, unhörbar und unſichtbar. Der Fenek kennt die Flughühner wohl, und ſein Auge iſt ſchärfer, als das der meiſten Reiſenden. Er läßt ſich nicht täuſchen von ähnlich gefärbten Steinen oder Erdhaufen, denn auch ſeine Naſe und ſein herrliches Gehör ſprechen ein Wörtchen mit beim Aufſpüren. So gering auch das Geräuſch iſt, welches ein Flughuhn hervorbringt, wenn es in ſeinem Federwamſe neſtelt, ſo wenig ſichtbar die Bewegung ſcheint, welche ein ſorgenvolles Männchen macht, auch im halben Schlafe noch, um zu ſichern, und ſo unbedeutend, für uns unbegreiflich der Geruch iſt, welchen die Fährte eines Huhnes zurückließ: dem Fenek entgeht es nicht. Sieh da! er hat die volle Ueberzeugung gewonnen: und jetzt ſchleicht er heran, faſt auf dem Bauche kriechend, unwahr- nehmbar für Auge, wie für Ohr. Dort, hinter dem letzten Buſche macht er Halt. Wie glühen die Augen, wie ſind die Lauſcher gebreitet und vorgeſpannt, wie gierig ſpürt er nach den ſich ſicher träumenden, ſchlummermüden Vögeln hin. Die ganze Geſtalt iſt lebendig, und doch ſieht man keine Bewegung. Die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/510>, abgerufen am 23.11.2024.