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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Alte Sagen. Beschreibung. Aufenthalt.
aber kennen gelernt und die unzählbaren Verwünschungen gegen seine in der That vielseitigen Unter-
nehmungen vernommen hatte, änderte sich meine Anschauung und mein Urtheil. Jch lernte in dem
Jchneumon ein ganz anderes Thier kennen, als ich erwartet hatte: doch hat es dabei keineswegs ver-
loren, sondern nur gewonnen, und ich bin fest überzeugt, daß auch meine Leser sich zu dieser Ansicht
bekennen werden, wenn sie das Nachfolgende berücksichtigen wollen.

Der Jchneumon übertrifft, wenn er ausgewachsen ist, an Größe unsere Hauskatze bedeutend;
denn die Länge seines Leibes beträgt beinahe zwei Fuß, und die des Schwanzes wenigstens 11/2 Fuß.
Er erscheint aber kleiner, als er ist, wegen seiner niederen Beine. Nur selten findet man ausgewachsene
Männchen, welche am Widerrist höher, als einen halben Fuß sind. Der Körper ist schlank, wie bei
allen Schleichkatzen, keineswegs aber so zierlich, wie bei den echten Ginsterkatzen, sondern in Ver-
gleich zu den meisten seiner Familienverwandten sogar sehr kräftig. Dies zeigt am besten das Ge-
wicht, welches ein starker Jchneumon erreichen kann: es beträgt häufig funfzehn, ja selbst achtzehn
Pfund. Die Beine sind kurz, die Sohlen nackt und die Zehen fast bis zur Hälfte mit kurzen Spann-
häuten verbunden. Der lange Schwanz erscheint durch die lange Behaarung an der Wurzel sehr dick,
fast als ob er allmählich in den Körper überginge, und endet mit einer pinselartigen Quaste. Ueberhaupt
ist die Behaarung sehr reichlich, und namentlich sind die einzelnen Haare lang und rauh. Die Augen-
gegend ist nackt und deshalb treten die kleinen, feurigen Augen, deren Stern rund ist, um so mehr
hervor. Die Ohren sind kurz, breit und abgerundet. Der After ist von einer flachen Tasche umgeben,
in deren Mitte er sich öffnet. Ganz eigenthümlich ist der Pelz. Er besteht aus dichten Wollhaaren
von rostgelblicher Farbe, welcher aber überall von den fast drei Zoll langen Haaren überdeckt wird.
Diese sind schwarz und gelblichweiß geringelt und enden in einer fahlgelben Spitze. Hierdurch erhält
der ganze Balg eine grünlichgraue Färbung, welche zu den Aufenthaltsorten des Thieres ganz vor-
trefflich paßt. Am Kopfe und auf dem Rücken ist die Färbung dunkler, an den Seiten und dem Bauche
fahler; die Beine und die Schwanzquaste sind dunkelschwarz oder ganz schwarz; doch kommen auch
Abänderungen vor.

Die Ratte der Pharaonen ist über das ganze nördliche Afrika verbreitet; sie wird sowohl in
Egypten, wie auch überall in der Berberei gefunden. Niemals entfernt sie sich weit von Niederungen.
Jhre eigentlichen Wohnplätze sind die dicht mit Rohr bewachsenen Ufer der Flüsse und die Rohrdickichte,
welche manche Felder umgeben. Hier hält sich das Thier bei Tage auf und bildet sich zwischen den
Rohrstengeln schmale aber höchst sorgfältig gesäuberte Gangstraßen, welche nach tiefen, aber nicht be-
sonders ausgedehnten Bauen führen. Jn diesen wirft auch das Weibchen in den Frühlings- oder
ersten Sommermonaten zwei bis vier Junge, welche sehr lange gesängt und noch viel länger von beiden
Alten gefüttert werden.

Den Namen Jchneumon, welcher so viel als "Aufspürer" bedeutet, verdient unser Thier in jeder
Hinsicht. Jn seinen Sitten und im geistigen Wesen ähnelt der Aufspürer den gestaltverwandten
Mardern, derer unangenehmen Geruch und deren Listigkeit, Diebesgewandtheit und Mordlust er
besitzt. Er ist im höchsten Grade furchtsam, vorsichtig und mißtranisch. Niemals wagt er sich aufs
freie Feld, sondern schleicht immer möglichst gedeckt und mit der größten Vorsicht dahin. Einen Ort,
denn er nicht kennt, besucht er nicht, ohne die größte Besorgniß zu zeigen; gleichwohl streift er ziemlich
weit umher.

Nach meinen Beobachtungen geht der Jchneumon nur bei Tage auf Raub aus. Die groben,
grünlichgrauen Haare, mit denen sein Körper bedeckt ist, machen es ihm leicht, ungesehen an seine Beute
heranzuschleichen und sich hinlänglich Nahrung zu erwerben. Er frißt Alles, was er erlisten kann,
die Säugethiere vom Hasen bis zur Maus herab, die Vögel vom Huhn oder der Gans bis zum
Riedsänger (Drymoica). Außerdem verzehrt er aber auch Schlangen, Eidechsen, Kerbthiere,
Würmer u. s. w. und wahrscheinlich auch Früchte. Seine Diebereien haben ihm den größten Haß
und die vollste Verachtung der egyptischen Bauern zugezogen; denn deren Hühner- und Taubenställe
plündert er in der unbarmherzigsten Weise, und namentlich den Hühnernestern, welche dort von den

Alte Sagen. Beſchreibung. Aufenthalt.
aber kennen gelernt und die unzählbaren Verwünſchungen gegen ſeine in der That vielſeitigen Unter-
nehmungen vernommen hatte, änderte ſich meine Anſchauung und mein Urtheil. Jch lernte in dem
Jchneumon ein ganz anderes Thier kennen, als ich erwartet hatte: doch hat es dabei keineswegs ver-
loren, ſondern nur gewonnen, und ich bin feſt überzeugt, daß auch meine Leſer ſich zu dieſer Anſicht
bekennen werden, wenn ſie das Nachfolgende berückſichtigen wollen.

Der Jchneumon übertrifft, wenn er ausgewachſen iſt, an Größe unſere Hauskatze bedeutend;
denn die Länge ſeines Leibes beträgt beinahe zwei Fuß, und die des Schwanzes wenigſtens 1½ Fuß.
Er erſcheint aber kleiner, als er iſt, wegen ſeiner niederen Beine. Nur ſelten findet man ausgewachſene
Männchen, welche am Widerriſt höher, als einen halben Fuß ſind. Der Körper iſt ſchlank, wie bei
allen Schleichkatzen, keineswegs aber ſo zierlich, wie bei den echten Ginſterkatzen, ſondern in Ver-
gleich zu den meiſten ſeiner Familienverwandten ſogar ſehr kräftig. Dies zeigt am beſten das Ge-
wicht, welches ein ſtarker Jchneumon erreichen kann: es beträgt häufig funfzehn, ja ſelbſt achtzehn
Pfund. Die Beine ſind kurz, die Sohlen nackt und die Zehen faſt bis zur Hälfte mit kurzen Spann-
häuten verbunden. Der lange Schwanz erſcheint durch die lange Behaarung an der Wurzel ſehr dick,
faſt als ob er allmählich in den Körper überginge, und endet mit einer pinſelartigen Quaſte. Ueberhaupt
iſt die Behaarung ſehr reichlich, und namentlich ſind die einzelnen Haare lang und rauh. Die Augen-
gegend iſt nackt und deshalb treten die kleinen, feurigen Augen, deren Stern rund iſt, um ſo mehr
hervor. Die Ohren ſind kurz, breit und abgerundet. Der After iſt von einer flachen Taſche umgeben,
in deren Mitte er ſich öffnet. Ganz eigenthümlich iſt der Pelz. Er beſteht aus dichten Wollhaaren
von roſtgelblicher Farbe, welcher aber überall von den faſt drei Zoll langen Haaren überdeckt wird.
Dieſe ſind ſchwarz und gelblichweiß geringelt und enden in einer fahlgelben Spitze. Hierdurch erhält
der ganze Balg eine grünlichgraue Färbung, welche zu den Aufenthaltsorten des Thieres ganz vor-
trefflich paßt. Am Kopfe und auf dem Rücken iſt die Färbung dunkler, an den Seiten und dem Bauche
fahler; die Beine und die Schwanzquaſte ſind dunkelſchwarz oder ganz ſchwarz; doch kommen auch
Abänderungen vor.

Die Ratte der Pharaonen iſt über das ganze nördliche Afrika verbreitet; ſie wird ſowohl in
Egypten, wie auch überall in der Berberei gefunden. Niemals entfernt ſie ſich weit von Niederungen.
Jhre eigentlichen Wohnplätze ſind die dicht mit Rohr bewachſenen Ufer der Flüſſe und die Rohrdickichte,
welche manche Felder umgeben. Hier hält ſich das Thier bei Tage auf und bildet ſich zwiſchen den
Rohrſtengeln ſchmale aber höchſt ſorgfältig geſäuberte Gangſtraßen, welche nach tiefen, aber nicht be-
ſonders ausgedehnten Bauen führen. Jn dieſen wirft auch das Weibchen in den Frühlings- oder
erſten Sommermonaten zwei bis vier Junge, welche ſehr lange geſängt und noch viel länger von beiden
Alten gefüttert werden.

Den Namen Jchneumon, welcher ſo viel als „Aufſpürer‟ bedeutet, verdient unſer Thier in jeder
Hinſicht. Jn ſeinen Sitten und im geiſtigen Weſen ähnelt der Aufſpürer den geſtaltverwandten
Mardern, derer unangenehmen Geruch und deren Liſtigkeit, Diebesgewandtheit und Mordluſt er
beſitzt. Er iſt im höchſten Grade furchtſam, vorſichtig und mißtraniſch. Niemals wagt er ſich aufs
freie Feld, ſondern ſchleicht immer möglichſt gedeckt und mit der größten Vorſicht dahin. Einen Ort,
denn er nicht kennt, beſucht er nicht, ohne die größte Beſorgniß zu zeigen; gleichwohl ſtreift er ziemlich
weit umher.

Nach meinen Beobachtungen geht der Jchneumon nur bei Tage auf Raub aus. Die groben,
grünlichgrauen Haare, mit denen ſein Körper bedeckt iſt, machen es ihm leicht, ungeſehen an ſeine Beute
heranzuſchleichen und ſich hinlänglich Nahrung zu erwerben. Er frißt Alles, was er erliſten kann,
die Säugethiere vom Haſen bis zur Maus herab, die Vögel vom Huhn oder der Gans bis zum
Riedſänger (Drymoica). Außerdem verzehrt er aber auch Schlangen, Eidechſen, Kerbthiere,
Würmer u. ſ. w. und wahrſcheinlich auch Früchte. Seine Diebereien haben ihm den größten Haß
und die vollſte Verachtung der egyptiſchen Bauern zugezogen; denn deren Hühner- und Taubenſtälle
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[475/0549] Alte Sagen. Beſchreibung. Aufenthalt. aber kennen gelernt und die unzählbaren Verwünſchungen gegen ſeine in der That vielſeitigen Unter- nehmungen vernommen hatte, änderte ſich meine Anſchauung und mein Urtheil. Jch lernte in dem Jchneumon ein ganz anderes Thier kennen, als ich erwartet hatte: doch hat es dabei keineswegs ver- loren, ſondern nur gewonnen, und ich bin feſt überzeugt, daß auch meine Leſer ſich zu dieſer Anſicht bekennen werden, wenn ſie das Nachfolgende berückſichtigen wollen. Der Jchneumon übertrifft, wenn er ausgewachſen iſt, an Größe unſere Hauskatze bedeutend; denn die Länge ſeines Leibes beträgt beinahe zwei Fuß, und die des Schwanzes wenigſtens 1½ Fuß. Er erſcheint aber kleiner, als er iſt, wegen ſeiner niederen Beine. Nur ſelten findet man ausgewachſene Männchen, welche am Widerriſt höher, als einen halben Fuß ſind. Der Körper iſt ſchlank, wie bei allen Schleichkatzen, keineswegs aber ſo zierlich, wie bei den echten Ginſterkatzen, ſondern in Ver- gleich zu den meiſten ſeiner Familienverwandten ſogar ſehr kräftig. Dies zeigt am beſten das Ge- wicht, welches ein ſtarker Jchneumon erreichen kann: es beträgt häufig funfzehn, ja ſelbſt achtzehn Pfund. Die Beine ſind kurz, die Sohlen nackt und die Zehen faſt bis zur Hälfte mit kurzen Spann- häuten verbunden. Der lange Schwanz erſcheint durch die lange Behaarung an der Wurzel ſehr dick, faſt als ob er allmählich in den Körper überginge, und endet mit einer pinſelartigen Quaſte. Ueberhaupt iſt die Behaarung ſehr reichlich, und namentlich ſind die einzelnen Haare lang und rauh. Die Augen- gegend iſt nackt und deshalb treten die kleinen, feurigen Augen, deren Stern rund iſt, um ſo mehr hervor. Die Ohren ſind kurz, breit und abgerundet. Der After iſt von einer flachen Taſche umgeben, in deren Mitte er ſich öffnet. Ganz eigenthümlich iſt der Pelz. Er beſteht aus dichten Wollhaaren von roſtgelblicher Farbe, welcher aber überall von den faſt drei Zoll langen Haaren überdeckt wird. Dieſe ſind ſchwarz und gelblichweiß geringelt und enden in einer fahlgelben Spitze. Hierdurch erhält der ganze Balg eine grünlichgraue Färbung, welche zu den Aufenthaltsorten des Thieres ganz vor- trefflich paßt. Am Kopfe und auf dem Rücken iſt die Färbung dunkler, an den Seiten und dem Bauche fahler; die Beine und die Schwanzquaſte ſind dunkelſchwarz oder ganz ſchwarz; doch kommen auch Abänderungen vor. Die Ratte der Pharaonen iſt über das ganze nördliche Afrika verbreitet; ſie wird ſowohl in Egypten, wie auch überall in der Berberei gefunden. Niemals entfernt ſie ſich weit von Niederungen. Jhre eigentlichen Wohnplätze ſind die dicht mit Rohr bewachſenen Ufer der Flüſſe und die Rohrdickichte, welche manche Felder umgeben. Hier hält ſich das Thier bei Tage auf und bildet ſich zwiſchen den Rohrſtengeln ſchmale aber höchſt ſorgfältig geſäuberte Gangſtraßen, welche nach tiefen, aber nicht be- ſonders ausgedehnten Bauen führen. Jn dieſen wirft auch das Weibchen in den Frühlings- oder erſten Sommermonaten zwei bis vier Junge, welche ſehr lange geſängt und noch viel länger von beiden Alten gefüttert werden. Den Namen Jchneumon, welcher ſo viel als „Aufſpürer‟ bedeutet, verdient unſer Thier in jeder Hinſicht. Jn ſeinen Sitten und im geiſtigen Weſen ähnelt der Aufſpürer den geſtaltverwandten Mardern, derer unangenehmen Geruch und deren Liſtigkeit, Diebesgewandtheit und Mordluſt er beſitzt. Er iſt im höchſten Grade furchtſam, vorſichtig und mißtraniſch. Niemals wagt er ſich aufs freie Feld, ſondern ſchleicht immer möglichſt gedeckt und mit der größten Vorſicht dahin. Einen Ort, denn er nicht kennt, beſucht er nicht, ohne die größte Beſorgniß zu zeigen; gleichwohl ſtreift er ziemlich weit umher. Nach meinen Beobachtungen geht der Jchneumon nur bei Tage auf Raub aus. Die groben, grünlichgrauen Haare, mit denen ſein Körper bedeckt iſt, machen es ihm leicht, ungeſehen an ſeine Beute heranzuſchleichen und ſich hinlänglich Nahrung zu erwerben. Er frißt Alles, was er erliſten kann, die Säugethiere vom Haſen bis zur Maus herab, die Vögel vom Huhn oder der Gans bis zum Riedſänger (Drymoica). Außerdem verzehrt er aber auch Schlangen, Eidechſen, Kerbthiere, Würmer u. ſ. w. und wahrſcheinlich auch Früchte. Seine Diebereien haben ihm den größten Haß und die vollſte Verachtung der egyptiſchen Bauern zugezogen; denn deren Hühner- und Taubenſtälle plündert er in der unbarmherzigſten Weiſe, und namentlich den Hühnerneſtern, welche dort von den

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/549>, abgerufen am 27.11.2024.