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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Marder. -- Jltis.

Außer den giftigen Schlangen verzehrt der Jltis nach Marderart alles Gethier, welches er über-
wältigen kann. Er ist ein furchtbarer Feind aller Maulwürfe, Feld- und Hausmäuse, Ratten
und Hamster und unter den Vögeln sämmtlicher Hühner und Enten. Die Frösche scheinen eine
Lieblingsspeise für ihn zu sein; denn er fängt sie oft massenweise und sammelt sie in seinen Wohnungen
zu Dutzenden. Jm Nothfalle begnügt er sich wohl mit Heuschrecken und Schnecken. Aber auch
auf den Fischfang geht er aus und lauert an Bächen, Seen und Teichen den Fischen auf, springt
plötzlich nach ihnen ins Wasser, taucht und packt sie mit sehr großer Gewandtheit. Außerdem frißt er
wohl auch noch Honig und ab und zu einzelne Früchte. Seine Blutgier ist ebenfalls groß, jedoch
nicht so groß, wie bei den Mardern. Er tödtet in der Regel nicht alles Geflügel eines Stalles, in
den er sich geschlichen, sondern nimmt das erste, beste Stück und eilt mit ihm nach seinem Schlupf-
winkel, wiederholt aber seine Jagd mehrere Male in einer Nacht. Mehr als andere Marderarten hat
er die Gewohnheit, sich Vorrathskammern anzulegen, und nicht selten findet man in seinen Löchern
ganz hübsche Mengen von Mäusen, Vögeln, Eiern und Fröschen aufgespeichert. Seine Behendigkeit
macht es ihm leicht, sich immer zu versorgen.

Alle seine Bewegungen sind gewandt, rasch und sicher. Er versteht meisterhaft zu schleichen und
unfehlbare Sprünge auszuführen, läuft bequem über die dünnste Unterlage, klettert, schwimmt, taucht,
kurz, er macht von allen Mitteln Gebrauch, welche ihm nützen können. Dabei ist er schlau, listig,
behutsam, vorsichtig und mißtrauisch, sehr scharfsinnig und, wenn er angegriffen wird, muthig, zornig
und bissig, also ganz geeignet, großartige Räubereien auszuführen. Nach Art der Stinkthiere ver-
theidigt er sich im Nothfalle durch Ausspritzen einer sehr stinkenden Flüssigkeit und schreckt dadurch
wirklich oft die ihn verfolgenden Hunde zurück.

Seine Lebenszähigkeit ist unglaublich groß. Er springt ohne Gefahr von großer Höhe herab,
erträgt Schmerzen aller Art fast mit Gleichmuth und erliegt nur unverhältnißmäßig starken Ver-
wundungen. Lenz führt davon ein paar Beispiele an, welche geradezu an das Unglaubliche grenzen.
"Es brachte mir ein Mann," sagt er, "einen Jltis, der mit zerbrochenen Beinen in der Falle gefangen
war. Der Mann glaubte ihn, nachdem er eine halbe Stunde auf ihn losgeprügelt, todtgeschlagen
zu haben. Er that ihm Unrecht; denn der Ratz war bald wieder lebendig und biß um sich her. Was war
zu thun? Jhn wieder zu knebeln, das wäre in der Stube ein böses Geschäft gewesen. Jch gedachte,
ihn so schnell als möglich zu tödten, griff zum Bogen und schoß einen mit langen Stahlspitzen ver-
sehenen Pfeil ihm mitten durch die Brust, so daß er fest an den Boden genagelt war. Nun, dachte ich,
ists gut, aber der Ratz dachte nicht so, sondern krümmte sich und fauchte immer noch. Schnell ergriff
ich einen zweiten Pfeil, und dieser flog ihm mitten durch den Kopf, gerade durchs Gehirn, und nagelte
auch den Kopf an den Boden. Jetzt war endlich Ruhe. Das Thier rührte sich nicht, und nach etwa
vier Minuten zog ich den Pfeil aus der Brust und wollte dann den aus dem Kopfe ziehen. Er saß
aber so fest in dem Schädelknochen, daß die Stahlspitze in dem Kopfe blieb. Kaum war eine Minute
verflossen, so bewegte sich der Jltis und begann zu fauchen. Jch aber hatte es recht satt und sagte
dem Manne, er solle mir das Unthier eiligst aus der Stube schaffen und nie wieder bringen."

"Einen andern großen Jltis hatte ich in einer mit Bretern bedeckten Kiste. Jch hatte beschlossen,
ihn, wie gewöhnlich, wieder im Walde an einem von Ottern bewohnten Orte loszulassen, sah aber
unerwartet einen Raubvogel, den ich nirgends anders, als in der Jltiskiste unterbringen konnte, und
wollte deshalb den Jltis schnell herausfangen. Damit kam ich aber nicht sogleich zu Stande, weil er
augenblicklich kneffte und biß und zu entschlüpfen suchte. Dies mußte ich vermeiden, weil er mir sonst
beim Herauslassen in die Stube den größten Schaden zugefügt haben würde. Als ich sah, daß meine
Mühe, ihn am Schwanze oder hinter dem Kopf zu packen, um ihn herauszuziehen, vergeblich war, und
er mir statt des Schwanzes immer die Zähne zeigte, entschloß ich mich kurz, ihn zu erschießen. Aber
leider konnte ich durch das Gitter nicht genau zielen. Der erste Pfeil flog ihm gleich hinter den Augen
durch den Kopf und nagelte ihn am Boden fest, hatte auch, wie ich nachher sah, das Gehirn verletzt,
vermochte ihn aber doch nicht zu tödten. Er arbeitete gewaltig, sich vom Boden loszureißen, und ich

Die Raubthiere. Marder. — Jltis.

Außer den giftigen Schlangen verzehrt der Jltis nach Marderart alles Gethier, welches er über-
wältigen kann. Er iſt ein furchtbarer Feind aller Maulwürfe, Feld- und Hausmäuſe, Ratten
und Hamſter und unter den Vögeln ſämmtlicher Hühner und Enten. Die Fröſche ſcheinen eine
Lieblingsſpeiſe für ihn zu ſein; denn er fängt ſie oft maſſenweiſe und ſammelt ſie in ſeinen Wohnungen
zu Dutzenden. Jm Nothfalle begnügt er ſich wohl mit Heuſchrecken und Schnecken. Aber auch
auf den Fiſchfang geht er aus und lauert an Bächen, Seen und Teichen den Fiſchen auf, ſpringt
plötzlich nach ihnen ins Waſſer, taucht und packt ſie mit ſehr großer Gewandtheit. Außerdem frißt er
wohl auch noch Honig und ab und zu einzelne Früchte. Seine Blutgier iſt ebenfalls groß, jedoch
nicht ſo groß, wie bei den Mardern. Er tödtet in der Regel nicht alles Geflügel eines Stalles, in
den er ſich geſchlichen, ſondern nimmt das erſte, beſte Stück und eilt mit ihm nach ſeinem Schlupf-
winkel, wiederholt aber ſeine Jagd mehrere Male in einer Nacht. Mehr als andere Marderarten hat
er die Gewohnheit, ſich Vorrathskammern anzulegen, und nicht ſelten findet man in ſeinen Löchern
ganz hübſche Mengen von Mäuſen, Vögeln, Eiern und Fröſchen aufgeſpeichert. Seine Behendigkeit
macht es ihm leicht, ſich immer zu verſorgen.

Alle ſeine Bewegungen ſind gewandt, raſch und ſicher. Er verſteht meiſterhaft zu ſchleichen und
unfehlbare Sprünge auszuführen, läuft bequem über die dünnſte Unterlage, klettert, ſchwimmt, taucht,
kurz, er macht von allen Mitteln Gebrauch, welche ihm nützen können. Dabei iſt er ſchlau, liſtig,
behutſam, vorſichtig und mißtrauiſch, ſehr ſcharfſinnig und, wenn er angegriffen wird, muthig, zornig
und biſſig, alſo ganz geeignet, großartige Räubereien auszuführen. Nach Art der Stinkthiere ver-
theidigt er ſich im Nothfalle durch Ausſpritzen einer ſehr ſtinkenden Flüſſigkeit und ſchreckt dadurch
wirklich oft die ihn verfolgenden Hunde zurück.

Seine Lebenszähigkeit iſt unglaublich groß. Er ſpringt ohne Gefahr von großer Höhe herab,
erträgt Schmerzen aller Art faſt mit Gleichmuth und erliegt nur unverhältnißmäßig ſtarken Ver-
wundungen. Lenz führt davon ein paar Beiſpiele an, welche geradezu an das Unglaubliche grenzen.
„Es brachte mir ein Mann,‟ ſagt er, „einen Jltis, der mit zerbrochenen Beinen in der Falle gefangen
war. Der Mann glaubte ihn, nachdem er eine halbe Stunde auf ihn losgeprügelt, todtgeſchlagen
zu haben. Er that ihm Unrecht; denn der Ratz war bald wieder lebendig und biß um ſich her. Was war
zu thun? Jhn wieder zu knebeln, das wäre in der Stube ein böſes Geſchäft geweſen. Jch gedachte,
ihn ſo ſchnell als möglich zu tödten, griff zum Bogen und ſchoß einen mit langen Stahlſpitzen ver-
ſehenen Pfeil ihm mitten durch die Bruſt, ſo daß er feſt an den Boden genagelt war. Nun, dachte ich,
iſts gut, aber der Ratz dachte nicht ſo, ſondern krümmte ſich und fauchte immer noch. Schnell ergriff
ich einen zweiten Pfeil, und dieſer flog ihm mitten durch den Kopf, gerade durchs Gehirn, und nagelte
auch den Kopf an den Boden. Jetzt war endlich Ruhe. Das Thier rührte ſich nicht, und nach etwa
vier Minuten zog ich den Pfeil aus der Bruſt und wollte dann den aus dem Kopfe ziehen. Er ſaß
aber ſo feſt in dem Schädelknochen, daß die Stahlſpitze in dem Kopfe blieb. Kaum war eine Minute
verfloſſen, ſo bewegte ſich der Jltis und begann zu fauchen. Jch aber hatte es recht ſatt und ſagte
dem Manne, er ſolle mir das Unthier eiligſt aus der Stube ſchaffen und nie wieder bringen.‟

„Einen andern großen Jltis hatte ich in einer mit Bretern bedeckten Kiſte. Jch hatte beſchloſſen,
ihn, wie gewöhnlich, wieder im Walde an einem von Ottern bewohnten Orte loszulaſſen, ſah aber
unerwartet einen Raubvogel, den ich nirgends anders, als in der Jltiskiſte unterbringen konnte, und
wollte deshalb den Jltis ſchnell herausfangen. Damit kam ich aber nicht ſogleich zu Stande, weil er
augenblicklich kneffte und biß und zu entſchlüpfen ſuchte. Dies mußte ich vermeiden, weil er mir ſonſt
beim Herauslaſſen in die Stube den größten Schaden zugefügt haben würde. Als ich ſah, daß meine
Mühe, ihn am Schwanze oder hinter dem Kopf zu packen, um ihn herauszuziehen, vergeblich war, und
er mir ſtatt des Schwanzes immer die Zähne zeigte, entſchloß ich mich kurz, ihn zu erſchießen. Aber
leider konnte ich durch das Gitter nicht genau zielen. Der erſte Pfeil flog ihm gleich hinter den Augen
durch den Kopf und nagelte ihn am Boden feſt, hatte auch, wie ich nachher ſah, das Gehirn verletzt,
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[538/0612] Die Raubthiere. Marder. — Jltis. Außer den giftigen Schlangen verzehrt der Jltis nach Marderart alles Gethier, welches er über- wältigen kann. Er iſt ein furchtbarer Feind aller Maulwürfe, Feld- und Hausmäuſe, Ratten und Hamſter und unter den Vögeln ſämmtlicher Hühner und Enten. Die Fröſche ſcheinen eine Lieblingsſpeiſe für ihn zu ſein; denn er fängt ſie oft maſſenweiſe und ſammelt ſie in ſeinen Wohnungen zu Dutzenden. Jm Nothfalle begnügt er ſich wohl mit Heuſchrecken und Schnecken. Aber auch auf den Fiſchfang geht er aus und lauert an Bächen, Seen und Teichen den Fiſchen auf, ſpringt plötzlich nach ihnen ins Waſſer, taucht und packt ſie mit ſehr großer Gewandtheit. Außerdem frißt er wohl auch noch Honig und ab und zu einzelne Früchte. Seine Blutgier iſt ebenfalls groß, jedoch nicht ſo groß, wie bei den Mardern. Er tödtet in der Regel nicht alles Geflügel eines Stalles, in den er ſich geſchlichen, ſondern nimmt das erſte, beſte Stück und eilt mit ihm nach ſeinem Schlupf- winkel, wiederholt aber ſeine Jagd mehrere Male in einer Nacht. Mehr als andere Marderarten hat er die Gewohnheit, ſich Vorrathskammern anzulegen, und nicht ſelten findet man in ſeinen Löchern ganz hübſche Mengen von Mäuſen, Vögeln, Eiern und Fröſchen aufgeſpeichert. Seine Behendigkeit macht es ihm leicht, ſich immer zu verſorgen. Alle ſeine Bewegungen ſind gewandt, raſch und ſicher. Er verſteht meiſterhaft zu ſchleichen und unfehlbare Sprünge auszuführen, läuft bequem über die dünnſte Unterlage, klettert, ſchwimmt, taucht, kurz, er macht von allen Mitteln Gebrauch, welche ihm nützen können. Dabei iſt er ſchlau, liſtig, behutſam, vorſichtig und mißtrauiſch, ſehr ſcharfſinnig und, wenn er angegriffen wird, muthig, zornig und biſſig, alſo ganz geeignet, großartige Räubereien auszuführen. Nach Art der Stinkthiere ver- theidigt er ſich im Nothfalle durch Ausſpritzen einer ſehr ſtinkenden Flüſſigkeit und ſchreckt dadurch wirklich oft die ihn verfolgenden Hunde zurück. Seine Lebenszähigkeit iſt unglaublich groß. Er ſpringt ohne Gefahr von großer Höhe herab, erträgt Schmerzen aller Art faſt mit Gleichmuth und erliegt nur unverhältnißmäßig ſtarken Ver- wundungen. Lenz führt davon ein paar Beiſpiele an, welche geradezu an das Unglaubliche grenzen. „Es brachte mir ein Mann,‟ ſagt er, „einen Jltis, der mit zerbrochenen Beinen in der Falle gefangen war. Der Mann glaubte ihn, nachdem er eine halbe Stunde auf ihn losgeprügelt, todtgeſchlagen zu haben. Er that ihm Unrecht; denn der Ratz war bald wieder lebendig und biß um ſich her. Was war zu thun? Jhn wieder zu knebeln, das wäre in der Stube ein böſes Geſchäft geweſen. Jch gedachte, ihn ſo ſchnell als möglich zu tödten, griff zum Bogen und ſchoß einen mit langen Stahlſpitzen ver- ſehenen Pfeil ihm mitten durch die Bruſt, ſo daß er feſt an den Boden genagelt war. Nun, dachte ich, iſts gut, aber der Ratz dachte nicht ſo, ſondern krümmte ſich und fauchte immer noch. Schnell ergriff ich einen zweiten Pfeil, und dieſer flog ihm mitten durch den Kopf, gerade durchs Gehirn, und nagelte auch den Kopf an den Boden. Jetzt war endlich Ruhe. Das Thier rührte ſich nicht, und nach etwa vier Minuten zog ich den Pfeil aus der Bruſt und wollte dann den aus dem Kopfe ziehen. Er ſaß aber ſo feſt in dem Schädelknochen, daß die Stahlſpitze in dem Kopfe blieb. Kaum war eine Minute verfloſſen, ſo bewegte ſich der Jltis und begann zu fauchen. Jch aber hatte es recht ſatt und ſagte dem Manne, er ſolle mir das Unthier eiligſt aus der Stube ſchaffen und nie wieder bringen.‟ „Einen andern großen Jltis hatte ich in einer mit Bretern bedeckten Kiſte. Jch hatte beſchloſſen, ihn, wie gewöhnlich, wieder im Walde an einem von Ottern bewohnten Orte loszulaſſen, ſah aber unerwartet einen Raubvogel, den ich nirgends anders, als in der Jltiskiſte unterbringen konnte, und wollte deshalb den Jltis ſchnell herausfangen. Damit kam ich aber nicht ſogleich zu Stande, weil er augenblicklich kneffte und biß und zu entſchlüpfen ſuchte. Dies mußte ich vermeiden, weil er mir ſonſt beim Herauslaſſen in die Stube den größten Schaden zugefügt haben würde. Als ich ſah, daß meine Mühe, ihn am Schwanze oder hinter dem Kopf zu packen, um ihn herauszuziehen, vergeblich war, und er mir ſtatt des Schwanzes immer die Zähne zeigte, entſchloß ich mich kurz, ihn zu erſchießen. Aber leider konnte ich durch das Gitter nicht genau zielen. Der erſte Pfeil flog ihm gleich hinter den Augen durch den Kopf und nagelte ihn am Boden feſt, hatte auch, wie ich nachher ſah, das Gehirn verletzt, vermochte ihn aber doch nicht zu tödten. Er arbeitete gewaltig, ſich vom Boden loszureißen, und ich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/612>, abgerufen am 24.11.2024.