Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Zeichnung des Wiesels. Wohnorte. Größe des Thieres angemessen. Eine mittellange, glatte Behaarung deckt den ganzen Leib undzeigt sich in der Nähe der Schnauzenspitze etwas reichlicher. Lange Schnurren vor und über den Augen und einzelne Borstenhaare unter diesen sind außerdem zu bemerken. Die Färbung des Pelzes ist auf der ganzen Oberseite, den Beinen und dem Schwanze röthlichbraun; der Rand der Oberlippe und die ganze Unterseite, sowie die Jnnenseiten der Beine sind weiß. Hinter jedem Mundwinkel steht ein kleiner, rundlicher, brauner Flecken, und zuweilen finden sich auch einzelne braune Punkte auf dem lichten Bauche. Jn gemäßigten und südlichen Gegenden ändert diese Färbung nicht wesentlich ab; weiter nördlich hingegen legt unser Thierchen, wie seine großen Verwandten, eine Wintertracht an und erscheint dann weißbraun gefleckt, ohne jedoch die schöne, schwarze Schwanzspitze zu erhalten, welche das Hermelin so auszeichnet. Das Wiesel findet sich in Europa überall und zwar ziemlich häufig, wenn auch nicht in so großer [Abbildung]
Hermelin und Wiesel (Mustela Erminea und Mustela vulgaris) im Sommerkleid. es einen passenden Aufenthalt; denn es weiß sich einzurichten und entdeckt aller Orten einen Schlupf-winkel, der ihm die nöthige Sicherheit vor seinen größeren Feinden gewährt. So wohnt es denn bald in hohlen Bäumen, in Steinhaufen, in altem Gemäuer, bald unter hohlen Ufern, in Maul- wurfsgängen, Hamster- und Rattenlöchern, im Winter in Schuppen und Scheuern, Kellern und Ställen, unter Dachböden u. s. w., häufig sogar in Städten. Wo es ungestört ist, streift es auch bei Tage umher; wo es sich verfolgt sieht, blos des Nachts oder wenigstens bei Tage nur mit äußer- ster Vorsicht. Wenn man achtsam und ohne Geräusch an Orten vorübergeht, die ihm Schutz gewähren, kann Brehm, Thierleben 35
Zeichnung des Wieſels. Wohnorte. Größe des Thieres angemeſſen. Eine mittellange, glatte Behaarung deckt den ganzen Leib undzeigt ſich in der Nähe der Schnauzenſpitze etwas reichlicher. Lange Schnurren vor und über den Augen und einzelne Borſtenhaare unter dieſen ſind außerdem zu bemerken. Die Färbung des Pelzes iſt auf der ganzen Oberſeite, den Beinen und dem Schwanze röthlichbraun; der Rand der Oberlippe und die ganze Unterſeite, ſowie die Jnnenſeiten der Beine ſind weiß. Hinter jedem Mundwinkel ſteht ein kleiner, rundlicher, brauner Flecken, und zuweilen finden ſich auch einzelne braune Punkte auf dem lichten Bauche. Jn gemäßigten und ſüdlichen Gegenden ändert dieſe Färbung nicht weſentlich ab; weiter nördlich hingegen legt unſer Thierchen, wie ſeine großen Verwandten, eine Wintertracht an und erſcheint dann weißbraun gefleckt, ohne jedoch die ſchöne, ſchwarze Schwanzſpitze zu erhalten, welche das Hermelin ſo auszeichnet. Das Wieſel findet ſich in Europa überall und zwar ziemlich häufig, wenn auch nicht in ſo großer [Abbildung]
Hermelin und Wieſel (Mustela Erminea und Mustela vulgaris) im Sommerkleid. es einen paſſenden Aufenthalt; denn es weiß ſich einzurichten und entdeckt aller Orten einen Schlupf-winkel, der ihm die nöthige Sicherheit vor ſeinen größeren Feinden gewährt. So wohnt es denn bald in hohlen Bäumen, in Steinhaufen, in altem Gemäuer, bald unter hohlen Ufern, in Maul- wurfsgängen, Hamſter- und Rattenlöchern, im Winter in Schuppen und Scheuern, Kellern und Ställen, unter Dachböden u. ſ. w., häufig ſogar in Städten. Wo es ungeſtört iſt, ſtreift es auch bei Tage umher; wo es ſich verfolgt ſieht, blos des Nachts oder wenigſtens bei Tage nur mit äußer- ſter Vorſicht. Wenn man achtſam und ohne Geräuſch an Orten vorübergeht, die ihm Schutz gewähren, kann Brehm, Thierleben 35
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Zeichnung des Wieſels. Wohnorte.
Größe des Thieres angemeſſen. Eine mittellange, glatte Behaarung deckt den ganzen Leib und
zeigt ſich in der Nähe der Schnauzenſpitze etwas reichlicher. Lange Schnurren vor und über den
Augen und einzelne Borſtenhaare unter dieſen ſind außerdem zu bemerken. Die Färbung des Pelzes
iſt auf der ganzen Oberſeite, den Beinen und dem Schwanze röthlichbraun; der Rand der Oberlippe
und die ganze Unterſeite, ſowie die Jnnenſeiten der Beine ſind weiß. Hinter jedem Mundwinkel ſteht
ein kleiner, rundlicher, brauner Flecken, und zuweilen finden ſich auch einzelne braune Punkte auf
dem lichten Bauche. Jn gemäßigten und ſüdlichen Gegenden ändert dieſe Färbung nicht weſentlich
ab; weiter nördlich hingegen legt unſer Thierchen, wie ſeine großen Verwandten, eine Wintertracht
an und erſcheint dann weißbraun gefleckt, ohne jedoch die ſchöne, ſchwarze Schwanzſpitze zu erhalten,
welche das Hermelin ſo auszeichnet.
Das Wieſel findet ſich in Europa überall und zwar ziemlich häufig, wenn auch nicht in ſo großer
Anzahl, wie im nördlichen Aſien. Es bewohnt ebenſowohl die flachen als die gebirgigen Gegenden,
buſchloſe Ebenen ſogut wie Wälder, bevölkerte Orte nicht minder zahlreich, als einſame. Ueberall findet
[Abbildung Hermelin und Wieſel (Mustela Erminea und Mustela vulgaris) im Sommerkleid.]
es einen paſſenden Aufenthalt; denn es weiß ſich einzurichten und entdeckt aller Orten einen Schlupf-
winkel, der ihm die nöthige Sicherheit vor ſeinen größeren Feinden gewährt. So wohnt es denn
bald in hohlen Bäumen, in Steinhaufen, in altem Gemäuer, bald unter hohlen Ufern, in Maul-
wurfsgängen, Hamſter- und Rattenlöchern, im Winter in Schuppen und Scheuern, Kellern und
Ställen, unter Dachböden u. ſ. w., häufig ſogar in Städten. Wo es ungeſtört iſt, ſtreift es auch
bei Tage umher; wo es ſich verfolgt ſieht, blos des Nachts oder wenigſtens bei Tage nur mit äußer-
ſter Vorſicht.
Wenn man achtſam und ohne Geräuſch an Orten vorübergeht, die ihm Schutz gewähren, kann
man leicht das Vergnügen haben, es zu belauſchen. Man hört ein unbedeutendes Geraſchel im Laube
und ſieht ein kleines, braunes Geſchöpfchen dahinhuſchen, welches, ſobald es den Menſchen gewahrt,
aufmerkſam wird und ſich auf ſeine Hinterbeine erhebt, um ſich beſſer umzuſchauen. Gewöhnlich fällt
es dem kleinen Geſellen gar nicht ein, zu fliehen; er ſieht vielmehr muthig und trotzig in die Welt
hinaus und nimmt eine wahrhaft herausfordernde Miene an. Wenn man ihm dicht an den Leib
kommt, iſt er auch wohl ſo frech, dem Störenfriede ſelbſt ſich zu nähern und ihn mit einer unbeſchreib-
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