Seine Beutejagd. Grills Beobachtung des gefangenen Hermelin.
sind, macht sie Ausflüge mit ihnen, unterrichtet sie auf das gründlichste in allen Künsten des Gewerbes, und die kleinen Thiere sind auch so gelehrig, daß sie schon nach kurzer Lehrfrist der Alten an Muth, Schlauheit, Behendigkeit und Mordlust nicht viel nachgeben.
Man fängt das Hermelin in Fallen aller Art, oft auch in Rattenfallen, in die es zufällig ge- räth; kommt man dann hinzu, so läßt es ein durchdringendes Gezwitscher hören, reizt man es, so fährt es mit einem quiekenden Schrei auf Einen zu, sonst aber giebt es seine Angst blos durch leises Fauchen zu erkennen. Wenn man es jung einfängt, wird es sehr zahm und macht viel Freude. Man hat Hermeline dahin gebracht, nach Belieben aus- und einzugehen, und manche sollen sich derart an ihren Herrn gewöhnt haben, daß sie ihm wie ein Hund nachfolgten.
Daß Gefangenleben des Hermelin hat neuerdings der Schwede Grill in höchst anziehender Weise beschrieben. Jch lasse ihn deshalb, wie billig, selbst reden.
"Einige Tage vor Weihnachten 1843 bekam ich ein Hermelinmännchen, welches in einem Holz- haufen gefangen wurde. Es trug sein reines Winterkleid. Die schwarzen, runden Augen, die roth- braune Nase und die schwarze Schwanzspitze stachen grell gegen die schneeweiße Farbe ab, welche nur an der Schwanzwurzel und auf der innern Hälfte des Schwanzes einen schönen, schwefelgelben Anflug hatte. Es war ein hübsches, allerliebstes, äußerst bewegliches Thierchen. Jch setzte es anfangs in ein größeres, unbewohntes Zimmer, worin sich bald der dem Mardergeschlechte eigene üble Geruch verbreitete. -- Seine Fertigkeit, zu klettern, zu springen und sich zu verbergen, war bewundernswerth. Mit Leichtigkeit kletterte es die Fenstervorhänge hinauf, und wenn es dort oben auf seinem Platze erschreckt wurde, stürzte es sich oft plötzlich mit einem Angstschrei auf den Fußboden herunter. Den zweiten Tag lief es die Ofenröhre hinauf und blieb dort, ohne etwas von sich hören zu lassen, bis es endlich, nach mehreren Stunden, mit Ruß bedeckt wieder zum Vorschein kam. Oft neckte es mich stundenlang, wenn ich es suchte, bis ich es zuletzt an einem Orte versteckt fand, wo ich es am wenigsten vermuthete. Es drängte sich hinter einem dicht an der Wand stehenden Schranke hinauf und ruhte dort ohne irgend eine Unterlage. Jn seinem Zimmer hing hoch an der freien Wand eine Pendeluhr. Einmal, als ich hineinkam, bemerkte ich zu meiner Verwunderung, daß die Uhr ging; und bei näherer Untersuchung fand ich, daß mein "Kisse" in guter Ruhe hinter der Uhrtafel auf dem Rande des Werkes lag. Es war vom Fußboden dort hinaufgeklettert oder gesprungen, und die dadurch ver- ursachte Erschütterung hatte wohl den Pendel in Gang gesetzt. Da das Zimmer nicht geheizt wurde, suchte es sich bald sein Lager in einer Bettstelle, wo es sich einen besondern Platz auswählte, den es jedoch gleich verließ, wenn Jemand in die Thüre trat. Das Bett blieb aber von nun an sein liebstes Versteck. Gewöhnlich sucht es dieses auf, wenn man rasch auf es zugeht, aber wenn man ihm freund- lich zuredet und sich sonst still hält, bleibt es oft in seinem Laufe stehen oder geht neugierig einige Schritte vorwärts, indem es seinen langen Hals ausstreckt und den einen Vorderfuß aufhebt. Diese seine Neugier ist auch allgemein bekannt, so daß das Landvolk zu sagen pflegt: "Wieselchen freut sich, wenn man es lobt." -- Wenn es sehr aufmerksam, oder wenn ihm Etwas verdächtig ist, so daß es weiter sehen will, als sein niedriger Leib ihm erlaubt, setzt es sich auf die Hinterbeine und richtet den Körper hoch auf. Es liegt oft mit erhobenem Hals, gesenktem Kopf und aufwärts gekrümmtem Rücken. Wenn es läuft, trägt es den ganzen Körper so dicht dem Boden entlang, daß die Füße kaum zu bemerken sind. Wenn man ihm nahe kommt, bellt es, ehe es die Flucht ergreift, mit einem heftigen und gellen Ton, der dem des großen Buntspechtes am ähnlichsten ist; man könnte den Laut auch mit dem Fauchen einer Katze vergleichen, doch ist er schneidender. Noch öfter läßt es ein Zischen, wie das einer Schlange, hören."
"Als das Hermelin am dritten Tage in einen großen Bauer gesetzt war, wo es sah, daß es nicht herauskommen konnte und sich sicher fühlte, ließ es sich Nichts nahe kommen, ohne aus Gitter zu springen, heftig mit den Zähnen zu hauen und den vorhin erwähnten Laut in einem langen Triller zu wiederholen, welcher dann dem Schackern einer Elster sehr ähnlich war. Dort ist es auch nicht bange vor dem Hunde, und beide bellen, jeder dicht an seiner Seite des Gitters, gegen einander. --
Seine Beutejagd. Grills Beobachtung des gefangenen Hermelin.
ſind, macht ſie Ausflüge mit ihnen, unterrichtet ſie auf das gründlichſte in allen Künſten des Gewerbes, und die kleinen Thiere ſind auch ſo gelehrig, daß ſie ſchon nach kurzer Lehrfriſt der Alten an Muth, Schlauheit, Behendigkeit und Mordluſt nicht viel nachgeben.
Man fängt das Hermelin in Fallen aller Art, oft auch in Rattenfallen, in die es zufällig ge- räth; kommt man dann hinzu, ſo läßt es ein durchdringendes Gezwitſcher hören, reizt man es, ſo fährt es mit einem quiekenden Schrei auf Einen zu, ſonſt aber giebt es ſeine Angſt blos durch leiſes Fauchen zu erkennen. Wenn man es jung einfängt, wird es ſehr zahm und macht viel Freude. Man hat Hermeline dahin gebracht, nach Belieben aus- und einzugehen, und manche ſollen ſich derart an ihren Herrn gewöhnt haben, daß ſie ihm wie ein Hund nachfolgten.
Daß Gefangenleben des Hermelin hat neuerdings der Schwede Grill in höchſt anziehender Weiſe beſchrieben. Jch laſſe ihn deshalb, wie billig, ſelbſt reden.
„Einige Tage vor Weihnachten 1843 bekam ich ein Hermelinmännchen, welches in einem Holz- haufen gefangen wurde. Es trug ſein reines Winterkleid. Die ſchwarzen, runden Augen, die roth- braune Naſe und die ſchwarze Schwanzſpitze ſtachen grell gegen die ſchneeweiße Farbe ab, welche nur an der Schwanzwurzel und auf der innern Hälfte des Schwanzes einen ſchönen, ſchwefelgelben Anflug hatte. Es war ein hübſches, allerliebſtes, äußerſt bewegliches Thierchen. Jch ſetzte es anfangs in ein größeres, unbewohntes Zimmer, worin ſich bald der dem Mardergeſchlechte eigene üble Geruch verbreitete. — Seine Fertigkeit, zu klettern, zu ſpringen und ſich zu verbergen, war bewundernswerth. Mit Leichtigkeit kletterte es die Fenſtervorhänge hinauf, und wenn es dort oben auf ſeinem Platze erſchreckt wurde, ſtürzte es ſich oft plötzlich mit einem Angſtſchrei auf den Fußboden herunter. Den zweiten Tag lief es die Ofenröhre hinauf und blieb dort, ohne etwas von ſich hören zu laſſen, bis es endlich, nach mehreren Stunden, mit Ruß bedeckt wieder zum Vorſchein kam. Oft neckte es mich ſtundenlang, wenn ich es ſuchte, bis ich es zuletzt an einem Orte verſteckt fand, wo ich es am wenigſten vermuthete. Es drängte ſich hinter einem dicht an der Wand ſtehenden Schranke hinauf und ruhte dort ohne irgend eine Unterlage. Jn ſeinem Zimmer hing hoch an der freien Wand eine Pendeluhr. Einmal, als ich hineinkam, bemerkte ich zu meiner Verwunderung, daß die Uhr ging; und bei näherer Unterſuchung fand ich, daß mein „Kiſſe‟ in guter Ruhe hinter der Uhrtafel auf dem Rande des Werkes lag. Es war vom Fußboden dort hinaufgeklettert oder geſprungen, und die dadurch ver- urſachte Erſchütterung hatte wohl den Pendel in Gang geſetzt. Da das Zimmer nicht geheizt wurde, ſuchte es ſich bald ſein Lager in einer Bettſtelle, wo es ſich einen beſondern Platz auswählte, den es jedoch gleich verließ, wenn Jemand in die Thüre trat. Das Bett blieb aber von nun an ſein liebſtes Verſteck. Gewöhnlich ſucht es dieſes auf, wenn man raſch auf es zugeht, aber wenn man ihm freund- lich zuredet und ſich ſonſt ſtill hält, bleibt es oft in ſeinem Laufe ſtehen oder geht neugierig einige Schritte vorwärts, indem es ſeinen langen Hals ausſtreckt und den einen Vorderfuß aufhebt. Dieſe ſeine Neugier iſt auch allgemein bekannt, ſo daß das Landvolk zu ſagen pflegt: „Wieſelchen freut ſich, wenn man es lobt.‟ — Wenn es ſehr aufmerkſam, oder wenn ihm Etwas verdächtig iſt, ſo daß es weiter ſehen will, als ſein niedriger Leib ihm erlaubt, ſetzt es ſich auf die Hinterbeine und richtet den Körper hoch auf. Es liegt oft mit erhobenem Hals, geſenktem Kopf und aufwärts gekrümmtem Rücken. Wenn es läuft, trägt es den ganzen Körper ſo dicht dem Boden entlang, daß die Füße kaum zu bemerken ſind. Wenn man ihm nahe kommt, bellt es, ehe es die Flucht ergreift, mit einem heftigen und gellen Ton, der dem des großen Buntſpechtes am ähnlichſten iſt; man könnte den Laut auch mit dem Fauchen einer Katze vergleichen, doch iſt er ſchneidender. Noch öfter läßt es ein Ziſchen, wie das einer Schlange, hören.‟
„Als das Hermelin am dritten Tage in einen großen Bauer geſetzt war, wo es ſah, daß es nicht herauskommen konnte und ſich ſicher fühlte, ließ es ſich Nichts nahe kommen, ohne aus Gitter zu ſpringen, heftig mit den Zähnen zu hauen und den vorhin erwähnten Laut in einem langen Triller zu wiederholen, welcher dann dem Schackern einer Elſter ſehr ähnlich war. Dort iſt es auch nicht bange vor dem Hunde, und beide bellen, jeder dicht an ſeiner Seite des Gitters, gegen einander. —
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[553/0627]
Seine Beutejagd. Grills Beobachtung des gefangenen Hermelin.
ſind, macht ſie Ausflüge mit ihnen, unterrichtet ſie auf das gründlichſte in allen Künſten des Gewerbes,
und die kleinen Thiere ſind auch ſo gelehrig, daß ſie ſchon nach kurzer Lehrfriſt der Alten an Muth,
Schlauheit, Behendigkeit und Mordluſt nicht viel nachgeben.
Man fängt das Hermelin in Fallen aller Art, oft auch in Rattenfallen, in die es zufällig ge-
räth; kommt man dann hinzu, ſo läßt es ein durchdringendes Gezwitſcher hören, reizt man es, ſo
fährt es mit einem quiekenden Schrei auf Einen zu, ſonſt aber giebt es ſeine Angſt blos durch leiſes
Fauchen zu erkennen. Wenn man es jung einfängt, wird es ſehr zahm und macht viel Freude.
Man hat Hermeline dahin gebracht, nach Belieben aus- und einzugehen, und manche ſollen ſich derart
an ihren Herrn gewöhnt haben, daß ſie ihm wie ein Hund nachfolgten.
Daß Gefangenleben des Hermelin hat neuerdings der Schwede Grill in höchſt anziehender
Weiſe beſchrieben. Jch laſſe ihn deshalb, wie billig, ſelbſt reden.
„Einige Tage vor Weihnachten 1843 bekam ich ein Hermelinmännchen, welches in einem Holz-
haufen gefangen wurde. Es trug ſein reines Winterkleid. Die ſchwarzen, runden Augen, die roth-
braune Naſe und die ſchwarze Schwanzſpitze ſtachen grell gegen die ſchneeweiße Farbe ab, welche nur
an der Schwanzwurzel und auf der innern Hälfte des Schwanzes einen ſchönen, ſchwefelgelben Anflug
hatte. Es war ein hübſches, allerliebſtes, äußerſt bewegliches Thierchen. Jch ſetzte es anfangs in
ein größeres, unbewohntes Zimmer, worin ſich bald der dem Mardergeſchlechte eigene üble Geruch
verbreitete. — Seine Fertigkeit, zu klettern, zu ſpringen und ſich zu verbergen, war bewundernswerth.
Mit Leichtigkeit kletterte es die Fenſtervorhänge hinauf, und wenn es dort oben auf ſeinem Platze
erſchreckt wurde, ſtürzte es ſich oft plötzlich mit einem Angſtſchrei auf den Fußboden herunter. Den
zweiten Tag lief es die Ofenröhre hinauf und blieb dort, ohne etwas von ſich hören zu laſſen, bis es
endlich, nach mehreren Stunden, mit Ruß bedeckt wieder zum Vorſchein kam. Oft neckte es mich
ſtundenlang, wenn ich es ſuchte, bis ich es zuletzt an einem Orte verſteckt fand, wo ich es am wenigſten
vermuthete. Es drängte ſich hinter einem dicht an der Wand ſtehenden Schranke hinauf und ruhte
dort ohne irgend eine Unterlage. Jn ſeinem Zimmer hing hoch an der freien Wand eine Pendeluhr.
Einmal, als ich hineinkam, bemerkte ich zu meiner Verwunderung, daß die Uhr ging; und bei näherer
Unterſuchung fand ich, daß mein „Kiſſe‟ in guter Ruhe hinter der Uhrtafel auf dem Rande des
Werkes lag. Es war vom Fußboden dort hinaufgeklettert oder geſprungen, und die dadurch ver-
urſachte Erſchütterung hatte wohl den Pendel in Gang geſetzt. Da das Zimmer nicht geheizt wurde,
ſuchte es ſich bald ſein Lager in einer Bettſtelle, wo es ſich einen beſondern Platz auswählte, den es
jedoch gleich verließ, wenn Jemand in die Thüre trat. Das Bett blieb aber von nun an ſein liebſtes
Verſteck. Gewöhnlich ſucht es dieſes auf, wenn man raſch auf es zugeht, aber wenn man ihm freund-
lich zuredet und ſich ſonſt ſtill hält, bleibt es oft in ſeinem Laufe ſtehen oder geht neugierig einige
Schritte vorwärts, indem es ſeinen langen Hals ausſtreckt und den einen Vorderfuß aufhebt. Dieſe
ſeine Neugier iſt auch allgemein bekannt, ſo daß das Landvolk zu ſagen pflegt: „Wieſelchen freut ſich,
wenn man es lobt.‟ — Wenn es ſehr aufmerkſam, oder wenn ihm Etwas verdächtig iſt, ſo daß es
weiter ſehen will, als ſein niedriger Leib ihm erlaubt, ſetzt es ſich auf die Hinterbeine und richtet den
Körper hoch auf. Es liegt oft mit erhobenem Hals, geſenktem Kopf und aufwärts gekrümmtem
Rücken. Wenn es läuft, trägt es den ganzen Körper ſo dicht dem Boden entlang, daß die Füße
kaum zu bemerken ſind. Wenn man ihm nahe kommt, bellt es, ehe es die Flucht ergreift, mit einem
heftigen und gellen Ton, der dem des großen Buntſpechtes am ähnlichſten iſt; man könnte den
Laut auch mit dem Fauchen einer Katze vergleichen, doch iſt er ſchneidender. Noch öfter läßt es ein
Ziſchen, wie das einer Schlange, hören.‟
„Als das Hermelin am dritten Tage in einen großen Bauer geſetzt war, wo es ſah, daß es nicht
herauskommen konnte und ſich ſicher fühlte, ließ es ſich Nichts nahe kommen, ohne aus Gitter zu
ſpringen, heftig mit den Zähnen zu hauen und den vorhin erwähnten Laut in einem langen Triller
zu wiederholen, welcher dann dem Schackern einer Elſter ſehr ähnlich war. Dort iſt es auch nicht
bange vor dem Hunde, und beide bellen, jeder dicht an ſeiner Seite des Gitters, gegen einander. —
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/627>, abgerufen am 24.11.2024.
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